Urkunde

[962] Urkunde (Charta, Instrumentum, Documentum), bedeutet im Althochdeutschen (urchundo) sowohl den Zeugen (testis) als das geschriebene oder gesprochene oder symbolische Zeugnis (testimonium). Erst gegen den Ausgang des Mittelalters werden vorwiegend die Schriftstücke, die »zu Urkund« einer Sache dienen sollen, Urkunden genannt. Dem lässigen heutigen Sprachgebrauch gegenüber, der den Begriff noch weiter ausdehnt, indem man unter Urkunden Zeugnisse, Denkmale und Quellen jeder Art versteht, definiert die Urkundenlehre (s. d.) sie als schriftliche, unter Beobachtung bestimmter, wenn auch nach der Verschiedenheit von Person, Ort, Zeit und Sache wechselnder Formen ausgezeichnete Erklärungen über Gegenstände rechtlicher Natur. Man teilt sie ein in öffentliche (instrumenta publica) und Privaturkunden (instrumenta privata). Öffentliche Urkunden sind ursprünglich nur diejenigen der Kaiser, Könige und Päpste, alle andern waren private (chartae pagenses). Im spätern Mittelalter gewinnen auch die Urkunden der Fürsten und Landesherren sowie der Städte, Kapitel und öffentlichen Personen öffentlich rechtlichen Charakter. Heute gelten als solche alle Urkunden, die von einem Gericht oder einer andern Staatsbehörde oder sonst von einer mit öffentlicher Glaubwürdigkeit versehenen Person, z. B. einem Notar, Gerichtsvollzieher, Zivilstandesbeamten oder Pfarrer, in ihrer Amtsfunktion errichtet sind; Privaturkunden sind diejenigen, die bloß von Privatpersonen ausgestellt sind. Nach ihrer rechtlichen Beweiskraft zerfallen die Urkunden in Beweisurkunden (Notitia) und in dispositive Urkunden (Carta, testamentum, epistola), dazwischen stand das Chirograph (s. d.). Für die Kritik ist die Überlieferung entscheidend, ob sie erhalten sind in Originalurkunden (Urschriften), deren Ausfertigung von der urkundenden Person (dem Aussteller) herrührt oder von ihr veranlaßt ist, oder in Kopien (Abschriften), die einfache oder amtlich und notariell beglaubigte (Transsumte, Vidimus) Abschriften sein können. Indem man im Mittelalter die Urkunden eines Stiftes, eines Klosters, einer Stadt etc. oft systematisch abschrieb, entstanden handschriftliche Urkundenbücher, die man meist als Kopialbücher, Chartularien, Kopiare, Diplomatarien bezeichnet. – Urkundenlehre, s. d.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 962.
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