Stuhl [1]

[144] Stuhl, Sitzmöbel, kommt bei den Alten als sella, diphros in verschiedener Form vor, teils mit Lehnen, teils ohne solche. Die der letztern Art ruhten entweder auf vier senkrechten Füßen, oder hatten sägebockartig gestellte Füße.

Antike Sessel und Stühle.
Antike Sessel und Stühle.

Die im gewöhnlichen Leben gebrauchten Lehnsessel glichen im wesentlichen unsern heutigen Stühlen und hatten häufig eine mehr oder weniger zurückgebogene Rückenlehne (s. Abbildung). Gepolstert waren diese Stühle nicht; man legte, um weich zu sitzen, auf den Sitz ein Kissen und über die Lehne eine Decke. Neben hölzernen gab es auch solche von Metall und von Elfenbein. Im frühern Mittelalter kommt der S. noch selten vor und dann nur als Thronstuhl für hohe Würdenträger oder als Ehrensitz für das Familienhaupt. Die übrigen Familienmitglieder setzten sich auf Schemel, Bänke, Truhen, Klappstühle, Sessel. Am Ende des 11. Jahrh. findet man Schemel mit Rückenlehnen im täglichen Gebrauch, doch immer nur noch bei Vornehmen. Im 13. Jahrh. fertigte man Stühle aus dünnen Eisenstäben, deren Sitze aus Riemen oder Gurten bereitet und mit Kissen belegt wurden. Diese sogen. Faltstühle wurden später stabiler (s. Tafel »Möbel I«, Fig. 4). In der Renaissance bekamen sie Lehnen und Rückenleder (sogen. Dogenstühle; Tafel I, Fig. 2). Unter dem Einfluß der veränderten geselligen Sitten und der neuen Trachten entwickeln sich auch die Stühle. Sie werden leichter und beweglicher. In Frankreich heißt ein zweisitziger Sessel Plauderstuhl (causeuse). Den Stühlen des 16. und 17. Jahrh. eigentümlich sind die Sprossen[144] zwischen den Beinen. Erst im 18. Jahrh. werden mit den geschweiften Möbelformen die Beine frei (Tafel I, Fig. 13). Gleichzeitig werden die Stühle gepolstert, bis um die Mitte des 19. Jahrh. die Holzformen völlig unter der Polsterung verschwinden. In neuerer Zeit sucht man den natürlichen Eigenschaften dieses Sitzmöbels, das im wesentlichen brauchbar und bequem sein soll, durch einfache Formen zu entsprechen (Beispiele s. auf den Tafeln »Möbel II und III«).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 144-145.
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