Glogau [1]

[45] Glogau, 1) (Großglogau) Kreisstadt und Festung zweiten Ranges im preuß. Regbez. Liegnitz, links an der Oder, 83 m ü. M., hat 3 evangelische und 3 kath. Kirchen (darunter der gotische Dom auf einer Oderinsel), eine Synagoge und ein königliches Schloß.

Wappen von Glogau.
Wappen von Glogau.

In neuerer Zeit ist die Erweiterung der Stadt durch die Hinausschiebung von Festungswerken ermöglicht worden. Die Zahl der Einwohner beträgt (1900) mit der Garnison (2 Bataillone Infanterie Nr. 58, ein Regiment Feldartillerie Nr. 41, ein Bataillon Fußartillerie Nr. 6 und ein Pionierbataillon Nr. 5) 22,147 Seelen, davon 6500 Katholiken und 716 Juden. Die Industrie besteht in Eisengießerei, Maschinen- und Kessel-, Zementwaren-, Turmuhren-, Zucker-, Stärke-, Sirup-, Dextrin-, Möbel- und Hutfabrikation, Dampfstellmacherei; auch hat G. eine große lithographische Anstalt mit karthographischem Institut. Der Handel wird unterstützt durch eine Reichsbankstelle (Umsatz 1902: 608,2 Mill. Mk.). Von Bedeutung sind die dortigen Wollmärkte. G. ist Knotenpunkt der Staatsbahnlinien Lissa-Sagan, G.-Reppen und Breslau-Raudten. G. passierten 1902 auf der Oder zu Berg: 9376 Fahrzeuge mit 406,020 Ton. Ladung, zu Tal: 9952 Fahrzeuge mit 1,959,618 Ton. Ladung. G. hat ein evangelisches und ein katholisches Gymnasium, Kriegsschule, fürstbischöfliches Knabenkonvikt, Waisenhaus, Diakonissenanstalt etc. und ist Sitz eines Landgerichts, Hauptsteueramtes, einer Spezialkommission sowie des Stabes der 9. Division, der 17. Infanterie-, der 9. Feldartillerie- und der 9. Kavalleriebrigade. Zum Landgerichtsbezirk G. gehören die 15 Amtsgerichte zu: Beuthen a. O., Freistadt, G., Grünberg, Guhrau, Halbau, Herrnstadt, Karolath, Kontopp, Neusalz, Polkwitz, Priebus, Sagan, Sprottau u. Steinau. – G. war schon zu Anfang des 11. Jahrh. eine befestigte Stadt, die 1109 vom Kaiser Heinrich V. vergeblich belagert wurde. Unvermögend, die Stadt gegen Friedrich Barbarossa zu halten, steckte sie 1157 der Herzog selbst in Brand, und erst unter Herzog Heinrich I., dem Bärtigen, erstand sie wieder. Nachdem der Ort 1252 zur Hauptstadt des Fürstentums G. erhoben worden, erbaute Konrad II. 1260 das Schloß und gab der Stadt deutsches Recht. Nach Przemyslaws II. Tode (1331) verkaufte sein Bruder Johann die ihm zufallende Hälfte der Stadt und des Fürstentums an Böhmen, und erst Kaiser Karl IV. trat 1361 seinen Anteil an Herzog Heinrich V. von Sagan ab. Dessen Nachkommen, die den Herzogstitel beibehielten, besaßen die Stadt bis 1482, worauf sie mit dem Fürstentum G. an Böhmen fiel. Die Reformation fand auch in G. bald Eingang. Nachdem aber Wallenstein 1627 G. besetzt hatte, erfolgte im Oktober des nächsten Jahres die berüchtigte Bekehrung der Protestanten durch die Liechtensteinischen Dragoner. 1632 ward die Stadt von den verbündeten Sachsen, Schweden und Brandenburgern erobert, 1633 wieder von den Kaiserlichen besetzt, 1642 aber von Torstensson nochmals erstürmt und von Wrangel gegen die Kaiserlichen mit Erfolg verteidigt. Erst im Westfälischen Frieden (1648) traten die Schweden den Platz dem Kaiser wieder ab. In der Nacht vom 9. zum 10. März 1741 erstürmten die Preußen unter dem Erbprinzen Leopold von Dessau die Festung, die nun in preußischem Besitz blieb. Nach der Schlacht bei Jena mußte die schwache Besatzung 2. Dez. 1806 kapitulieren. Während des Krieges gegen Rußland (1812) war G. von 5000 Mann unter dem französischen General Laplane besetzt, und erst nach der Schlacht an der Katzbach schlossen der preußische General Heister den Platz auf dem linken und der russische General v. Rosen auf dem rechten Oderufer ein; aber Laplane hielt die Festung bis zum 17. April 1814. Nachdem schon seit 1880 G. durch Verlegung der Festungswerke auf der Ostseite erweitert war, ist 1903 die Stadtumwallung auf dem linken Oderufer mit Ausnahme der Sternbefestigung aufgelassen. Vgl. Minsberg, Geschichte der Stadt und Festung Großglogau (Glogau 1853, 2 Bde.); Berndt, Geschichte der Stadt Großglogau während der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts (das. 1879) und Fortsetzung dazu bis 1814 (das. 1882); v. Below, Zur Geschichte des Jahres 1806. Glogaus Belagerung und Verteidigung (Berl. 1892); Dietrich, Großglogaus Schicksale von 1806–1814 (Glogau 1815).

2) (Ober- oder Kleinglogau) Stadt im preuß. Regbez. Oppeln, Kreis Neustadt in Oberschlesien, an der Hotzenplotz und der Staatsbahnlinie Kandrzin-Deutsch-Wette, 203 m ü. M., hat eine evangelische und 4 kath. Kirchen, Synagoge, eine Nachbildung des Heiligen Grabes, ein schönes Rathaus und eine Statue der heil. Anna auf dem Ringplatz, kath. Schullehrerseminar, Präparandenanstalt, Amtsgericht, Zuckerfabrik,[45] Ziegelbrennerei und (1960) 5625 meist kath. Einwohner. Dicht an der Stadt liegt das Schloß der Grafen von Oppersdorf mit Park, Bibliothek und Rüstkammer. G. erhielt 1275 deutsches Stadtrecht; Stadt und Herrschaft kamen 1593 durch Kauf an die Familie von Oppersdorf.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 45-46.
Lizenz:
Faksimiles:
45 | 46
Kategorien: