Tarént

[324] Tarént (ital. Táranto), Kreishauptstadt in der ital. Provinz Lecce, zwischen dem Golf von T. und dem lagunenartig ins Land eindringenden Mare piccolo, an den Eisenbahnlinien Neapel-T.-Brindisi und Bari-T., besteht aus der auf einem Inselfelsen (an Stelle der antiken Akropolis) gelegenen, äußerst dicht bewohnten Altstadt und der erst in den letzten Jahrzehnten auf der östlichen Landzunge (auf dem Boden der antiken Griechenstadt) entstandenen Città Nuova. Es hat im Mare piccolo einen tiefen, völlig geschützten Kriegshafen mit ausgedehnten Werften, Arsenal und Docks; aber auch der (äußere) Handelshafen bietet mit den beiden vorgelagerten Inseln San Pietro und San Paolo einer ganzen Flotte sichern Schutz. Über den 73 m breiten Kanal, der das Mare piccolo mit dem Golf verbindet, führt eine eiserne Drehbrücke (1887). T. hat ein Kastell, eine antike Wasserleitung und andre Baureste des Altertums, eine Kathedrale San Cataldo (11. Jahrh., im 16. Jahrh. erneuert) über einer (1901 ausgegrabenen) altchristlichen Basilika, eine alte Kirche San Domenico, ein Lyzeum und Gymnasium, ein Seminar, eine Technische Schule, ein Altertümermuseum, ein Spital und (1901) 47,837 (als Gemeinde 60,733) Einw., die Fischerei, Austern- und Muschelzucht, Ölgewinnung, Faßbinderei, Töpferei sowie Handel betreiben. Im Hafen sind 1904: 378 Schiffe von 180,798 Ton. eingelaufen. Der Warenverkehr zur See (Einfuhr von Kohle, Holz, Petroleum, Ausfuhr von Öl, Wein, Feigen, Hülsenfrüchten etc.) belief sich auf 67,736 Ton. Die Stadt ist Sitz eines Erzbischofs, eines Zivil- und Strafgerichts, eines deutschen Vizekonsuls und Hauptort eines Seebezirks. – T. ist das Tarentum (Taras) der Alten. Taras wurde (nach wenig zuverlässiger Überlieferung 705 v. Chr.) von spartanischen Partheniern gegründet und durch seine geschützte Lage und seinen vorzüglichen Hafen eine der mächtigsten griechischen Pflanzstädte in Unteritalien. 272 ward die Stadt von den Römern erobert, nachdem König Pyrrhos von Epirus, der für sie seit 280 gegen Rom Krieg geführt, 275 Italien verlassen hatte. Im zweiten Punischen Kriege ward sie 212 von Hannibal erobert, die Römer behaupteten sich indes in der Burg und bemächtigten sich von da aus 209 der Stadt wieder. Diese ward geplündert und zum Teil zerstört, und gegen 30,000 Einw. wurden in die Sklaverei verkauft. 123 wurde die Stadt mit römischen Bürgern bevölkert und blühte seitdem wieder auf. Im Mittelalter gehörte die Stadt nach dem Untergang der Gotenherrschaft zum byzantinischen Reiche, wurde im 11. Jahrh. von den Normannen erobert und ihrem unteritalienischen Königreich einverleibt, bildete aber mit ihrem Bezirk mehrfach ein eignes Lehensfürstentum, als dessen Fürsten Bohemund und Manfred bekannt sind. 1861 kam sie an das Königreich Italien. Der französische Marschall Macdonald (s. d. 1) wurde von Napoleon I. zum Herzog von T. ernannt. Vgl. Döhle, Geschichte Tarents bis auf seine Unterwerfung unter Rom (Straßb. 1877); de Vincentiis, Storia di Taranto (Neap. 1878–79, 5 Bde.); Dal Lago, Sulla topografia di Taranto antica (Palermo 1896); Geffcken, Die Gründung von T. (in den »Neuen Jahrbüchern für Philologie«, Bd. 147, Leipz. 1893).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 324.
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