Sulla

[196] Sulla, 1) Lucius Cornelius, röm. Diktator, geb. 138 v. Chr., war nach einer teils in leichtsinnigen Vergnügungen, teils in literarischen Beschäftigungen verbrachten Jugend im J. 107 im Jugurthinischen Kriege Quästor des Konsuls Marius und bewog als solcher den König Bocchus von Mauretanien zur Auslieferung des Jugurtha. Für 88 zum Konsul erwählt und mit der Führung des (ersten) Mithradatischen Krieges beauftragt, hatte er sich bereits nach Nola in Kampanien zu seinem Heere begeben, als in Rom durch die Volkspartei der Oberbefehl im Mithradatischen Kriege Marius übertragen wurde. S. kehrte daher an der Spitze seines Heeres nach Rom zurück, eroberte es, ächtete die hervorragendsten seiner Gegner, hob ihre Gesetze auf und wartete noch die Konsulwahl für das nächste Jahr ab. Darauf aber widmete er sich völlig der Führung des ihm aufgetragenen Krieges, ohne sich um die Vorgänge in Rom zu bekümmern, wo sich seine Gegner bald unter den größten Grausamkeiten der Gewalt bemächtigten und Marius 86 zum siebentenmal Konsul wurde. Erst als S. den Krieg mit Mithradates glücklich beendigt hatte (s. Mithradates), kehrte er 83 an der Spitze von 40,000 Mann nach Italien zurück, besiegte den einen der beiden Konsuln, Norbanus, am Berge Tifata, während er das Heer des andern, Scipio, zum Abfall beredete, im Jahre darauf auch den jüngern C. Marius bei Sacriportus und ein hauptsächlich aus Samnitern bestehendes Heer unter den Mauern von Rom und wurde so Herr der Hauptstadt. Um seine Stellung zu befestigen, seinen Rachedurst zu befriedigen und seine Anhänger zu belohnen, führte er die Proskriptionen (s. d.) ein und verteilte die eingezogenen Ländereien an seine Günstlinge und Veteranen, vom Senat selbst durch Ernennung zum Diktator auf unbestimmte Zeit mit der gesetzlichen Befugnis zu seinem Schreckensregiment ausgerüstet (im November 82). Jetzt konnte er daran gehen, durch Einrichtungen und Gesetze den Staat in diejenige Form zu bringen, die nach seiner Meinung der Herrschaft der Aristokratie die längste Dauer verhieß; die gesetzgeberische Gewalt der Volksversammlung wurde beschränkt, die Macht der Volkstribunen auf ihr ursprüngliches geringes Maß herabgesetzt, dagegen der Senat um 300 Ritter vermehrt und durch verschiedene Bestimmungen in seinem Ansehen und in seinen Rechten gehoben. So glaubte S. sein Ziel erreicht zu haben, legte 79 die Diktatur nieder, zog sich nach Puteoli zurück, teilte dort seine Zeit zwiichen den öffentlichen Angelegenheiten, literarischen Beschäftigungen und Vergnügungen, starb jedoch schon 78 an einem Blutsturz. S. liebte es, sich ein Glückskind zu nennen, und dies ist er in der Tat gewesen (er hat z. B. nie eine Schlacht verloren), doch aber verdankt er die Lösung der Aufgaben, die ihm mehr die Verhältnisse als eigne Überlegung oder Ehrgeiz gestellt hatten, hauptsächlich außerordentlicher Spannkraft des Geistes und des Körpers, unerbittlicher Konsequenz und auch rücksichtsloser Grausamkeit. Sittliche Bedenken hätten ihn nicht abgehalten, nach der Alleinherrschaft zu greifen, Blasiertheit und Genußsucht bestimmten ihn, freiwillig auf die Macht zu verzichten. Ein sittlicher Charakter ist er nicht gewesen. Darum hat sein Hauptwerk auch nicht lange Bestand gehabt,[196] während andre Bestimmungen, bei denen das Parteiinteresse nicht mitwirkte oder nicht zutage trat, sich bis in die Kaiserzeit erhalten haben, z. B. seine italische Städteordnung, die Ergänzung des Senats durch die gewesenen Quästoren, Verwaltung der Provinzen durch die gewesenen Konsuln und Prätoren u. a. Die von Plutarch verfaßte Biographie beruht zum großen Teil auf Sullas eignen, lateinisch geschriebenen Denkwürdigkeiten, deren letztes Buch sein Freigelassener Epicadus hinzugefügt hatte. Vgl. die Biographien von Zachariä (Heidelb. 1834) und Lau (Hamb. 1855); Lengle, Untersuchungen über die Sullanische Verfassung (Freiburg 1899).

2) Faustus Cornelius, Sohn des vorigen, geb. um 88 v. Chr., stand im Bürgerkrieg auf seiten des Pompejus, mit dessen Tochter er verheiratet war, floh nach der Schlacht bei Pharsalos nach Afrika und wurde nach der Schlacht bei Thapsos (46) von Cäsars Soldaten ermordet.

3) Publius Cornelius, Bruderssohn des Diktators S. und von ihm bei den Proskriptionen bereichert, war im Bürgerkrieg Legat Cäsars und befehligte bei Pharsalos den rechten Flügel. Er starb 45.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 196-197.
Lizenz:
Faksimiles:
196 | 197
Kategorien: