Bosnĭen

[253] Bosnĭen (serb. u. türk. Bosna; hierzu die Karte »Bosnien u. Montenegro«), die ehemalige nordwestlichste Provinz der europäischen Türkei, bildete ein Wilajet, zu dem außer dem eigentlichen B. auch die Krajina (s.d.), die Herzegowina und das Sandschak Novipasar gehörten. Dieselben Gebiete umfassen die 1878 von Österreich-Ungarn »Okkupierten Provinzen B. und Herzegowina«. Ihr Areal beträgt ohne Novipasar (s.d.) 51,027 qkm (926,7 QM.).

[Bodengestaltung.] B., das im S. an Dalmatien, Montenegro und Albanien grenzt, wird nördlich durch die Save und Unna von Kroatien, östlich durch die Drina von Serbien, westlich durch die Dinarischen Alpen von Dalmatien geschieden und von zahlreichen Gebirgsketten (Planina) durchfurcht. Die bedeutendsten Planina sind im NW. (westlich vom Wrbas): die Germeč-, Crljevica- (1971 m), Radusa- (1956 m) und Ljubusaplanina. Zwischen Wrbas und Bosna: die Kozara-, Radovan-, Stit- und Vlasićplanina; ferner (westlich von Sarajevo) die ausgedehnte Vratnicaplanina mit dem 2200 m hohen Zec. Zwischen Bosna und Drina ziehen die Parallelketten der zwei Majevicaplanina und die Vranaplanina, Konju- und Romaniaplanina und Korjen (1872 m). An der nördlichen Grenze der Herzegowina sind (von W. nach O.) die Cabuljakette (1968 m), die meist schneebedeckte Prenjplanina (2102 m), die Bjelasnica- und Trescavicaplanina zu nennen. Das Innere der Herzegowina durchziehen die Velez- und Dubravaplanina, im S. die Iljaplanina. Im Limgebiet sind nennenswert: die Gradina-, Rogoznaplanina und das albanesische Grenzgebirge (Mokrakette). An der Grenze der Herzegowina gegen Montenegro und Novipasar erhebt sich der bewaldete Rücken der Ljubična (2236 m). Die Ketten zwischen Wrbas und der Bosna sind meist bewaldet, jene im W., S. und SO. zumeist zerklüftetes Karstgebirge. Ebenen besitzt B. nur längs der Save (die Posavina) und dem Unterlauf der Unna und Bosna; um so zahlreicher sind die Polje genannten Hochebenen. An Flüssen und Bächen ist B. reich. Die Unna mit der Sanna, der Wrbas (mit der Pliwa), die Bosna und Drina mit dem Lim fließen der Save zu. Ins Adriatische Meer münden die Narenta (Hauptfluß der Herzegowina) und mehrere Schlundflüsse, wie z. B. die Trebinjcica. Seen gibt es wenige, so den lachsreichen Borkesee; der größte wird von der Pliva (westlich von Jajce) gebildet. Desto zahlreicher sind die Sümpfe. – Das Klima ist nur in der Herzegowina südlichheiß; im eigentlichen B. ist der Sommer mild, dagegen der Winter sehr kalt. Im Karstgebiet und besonders auf der Adriawasserscheide wütet die Bora. Die Regenmenge ist besonders in der Herzegowina reichlich.

[Bevölkerung.] Die Bevölkerung ist von 1,158,164 Seelen im J. 1879 auf 1,568,092 Seelen (1895) gestiegen, davon waren 828,190 männlichen und 739,902 weiblichen Geschlechts. Hierzu kommen noch die Besatzungstruppen (22,944 Mann), so daß die Gesamtbevölkerung 1,591,036 Seelen beträgt. Die Zahl der dauernd anwesenden Fremden beläuft sich an 70,848. Die Bevölkerung verteilt sich auf die einzelnen Kreise wie folgt:

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Nur 51 Orte besaßen über 2000, nur 4 Städte (Sarajevo, Mostar, Banjaluka und Dolnja Tuzla) zählten über 5000 Einw. Die Volksdichtigkeit beträgt 31 auf 1 qkm. Am dichtesten ist die Bevölkerung in den nördlichen Flußtälern, am geringsten auf den Planinas in der Mitte des Landes; die hohen Gebirge sind gänzlich unbewohnt.

Der Nationalität nach sind die Bewohner überwiegend Südslawen, die dem serbo-kroatischen Stamm angehören und sich Bosniaken, bez. Herzegowiner und Raizen nennen. Außer ihnen gibt es noch 5729 sogen. Spaniolen (aus Spanien), ferner Zigeuner, Zinzaren und Albanesen, schließlich die nach der Okkupation (1878) eingewanderten Österreicher, Reichsdeutsche, Holländer, Kroaten, Ungarn und Banater Schwaben. Der Religion nach gab es 1895:

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Die Mohammedaner sind meist zwangsweise zum Islam übergetretene Bosniaken. Die größern Grundbesitzer[253] und die Händler in den Städten gehören dieser Religion an. Ihre religiösen Angelegenheiten leitet der Scheich ul Islam in Konstantinopel und der ihm untergeordnete Reis el Ulema in Sarajevo. Zur Bestreitung der Ausgaben für Moscheen, Schulen, Spitäler dient der sogen. Vakuf, ein seit der türkischen Eroberung bestehendes und durch Stiftungen sehr angewachsenes Privatvermögen, das jetzt unter Aufsicht der Landesregierung verwaltet wird. Von 1878–1900 sind zusammen 17,000 Einw., darunter 16,000 Mohammedaner, ausgewandert. Die Römisch-Katholischen, auch Lateiner genannt (die ältesten Bewohner), betreiben in Städten Gewerbe, auf dem Land Ackerbau und leben am dichtesten in den Kreisen Travnik und Mostar. Als kultureller Mittelpunkt dienen ihnen seit dem 13. Jahrh. die Franziskanerklöster. Die ärmern christlichen Ackerbauer, Rajahs genannt, lebten unter der Türkenherrschaft in sehr mißlichen Verhältnissen, weil sie keinen eignen Grundbesitz besitzen durften und als Pachter (Knieten) ihren mohammedanischen Gutsherren unerschwingliche Abgaben und Roboten (Treuna) leisten mußten. Seit der 1878er Okkupation hat sich ihre Lage sehr gebessert. Unter den 1,400,000 Einw., die sich mit der Landwirtschaft beschäftigen, sind 2,13 Proz. Gutsbesitzer, 33,45 Proz. Freibauern und 38,25 Proz. Knieten, 11,26 Proz. Freibauern, die zugleich Knieten sind, und 3,25 Proz. sonstige Beschäftigte. Der römisch-katholische Erzbischof von B. residiert seit 1881 in Sarajevo, Bischofssitze sind Banjaluka, Mostar und Trebinje. Die Griechisch-Orientalischen unterstehen dem Patriarchen von Konstantinopel und den Metropoliten von Sarajevo, Dolnja Tuzla und Mostar. An Kopfzahl nehmen sie zwar die erste, kulturell aber erst die dritte Stelle ein. Auch sie treiben Ackerbau oder Handel. Am zahlreichsten wohnen sie in den nördlichen Gegenden des Landes. Sie zeigen große Vorliebe für nationalen Gesang und Tanz (Kolo). Die kulturellen Verhältnisse sind zurzeit noch sehr traurig; über 90 Proz. der Bevölkerung kann weder lesen noch schreiben. Die konfessionellen Schulen stehen auf tiefer Stufe. Seit kurzem gibt es mehrere Staatsschulen, so 2 Staatsobergymnasien, eine Oberrealschule, 10 Handelsschulen und ein Lehrerseminar.

Die physische Beschaffenheit der Bosniaken gleicht jener der benachbarten Südslawen; auch bei ihnen findet man hohe, kräftige Gestalten, ausdrucksvolle Züge, Ruhe und Würde in der Haltung. Die Volkstracht der Männer (ohne Unterschied der Konfession und Nationalität) ist im allgemeinen die türkische; sie erscheinen mit Vorliebe (mit Messer, Handschar, Pistolen und Gewehr) bewaffnet. Die Kleidung der mohammedanischen Frauen ist die türkische, jene der christlichen Frauen gleichfalls türkisch oder serbisch-morlakisch. Die Wohnungen in den Dörfern gleichen denjenigen der dalmatinischen Morlaken. Selbst in den Städten bestehen die Häuser aus Holz mit schwachen Lehm- und Kalkwänden, haben nur kleine Fenster (meist ohne Glas oder mit Holzgitter) und keinen Rauchfang. Vom Erdgeschoß, wo sich die Räume für das Gesinde und der Stall befinden, führt eine steile Treppe in das Stockwerk, das mehrere kleinere, niedrige Zimmer und eine offene Veranda (Divanhan) umfaßt. Der Boden ist meistens mit Teppichen bedeckt; eine längs der Wand angebrachte niedrige Bank und ein Schrank vertreten die Möbel. Noch primitiver sind die Steinbauten der Herzegowina. Ebenso einfach ist der Han (Einkehrhaus) des Ortes. Die Städte bestehen zumeist aus der höher gelegenen, mit Wällen umgebenen Festung (Grad) und der gleichfalls ummauerten innern Stadt (Varosch) und bieten mit ihren Moscheen und Türmen inmitten der Gärten von fern ein pittoreskes Bild, zeigen in der Nähe aber enge, schmutzige, schlecht gepflasterte Straßen in trostloser Verwahrlosung. Doch hat sich manches seit 1878 gebessert. Der Handel konzentriert sich in der Čarsia, wo sich die Amtsräume und Basare (Gewölbe) befinden. Die Nahrung der Bevölkerung ist sehr einfach: Milch, Schafkäse, Maiskuchen, Reis und Hammelfleisch, Zwiebeln und Knoblauch; die Türken genießen oft Kaffee.

[Naturprodukte und Erwerbszweige.] Der Haupterwerbszweig der Mehrzahl der Bevölkerung (88 Proz.) ist die noch sehr unrationell betriebene Landwirtschaft; trotzdem entfallen vom Gesamtgebiete des Landes gegenwärtig weniger als die Hälfte (2,335,894 Hektar) auf Kulturboden, und zwar gab es nach der Zählung von 1895:

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Der Ernteertrag betrug von 1882–86 durchschnittlich 7,811,194 metr. Ztr. und von 1892–96: 15,675,641 metr. Ztr. 1898 betrug er 17,178,000 metr. Ztr. Davon entfiel mehr als ein Drittel auf Mais und Futterpflanzen (6,2 Mill. metr. Ztr.); dann folgten in absteigender Linie Getreide (5,5 Mill. metr. Ztr.), Gemüsepflanzen und Obst (2,7 Mill. metr. Ztr.). Die Kartoffelernte betrug 1898: 653,000 metr. Ztr. Die erst seit 1882 bei Doboj gepflanzte Zuckerrübe gedeiht vortrefflich und lieferte 1898: 350,000 metr. Ztr. An Tabak wurden 1898: 32,000 metr. Ztr. geerntet. In den südlichen Tälern der Herzegowina gedeihen auch Mandeln, Kastanien und Feigen. Von den übrigen Obstsorten ist die bosnische Pflaume von größter Bedeutung, von der (in guten Jahren) bis 240,000 metr. Ztr. gewonnen werden. Weinbau wird gleichfalls vorwiegend in der Herzegowina betrieben, wo vortreffliche Sorten (Žilavka) gedeihen. In den letzten Jahren erntete man 64,000 metr. Ztr. Trauben, die meist roh verzehrt wurden; an Wein wurden 30,000 hl gewonnen. – Ein nicht minder wichtiger Erwerbszweig ist die Tierzucht. Der Viehstand betrug (in Tausenden):

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Die ungeheure Vermehrung der Haustiere ist ein sprechender Beweis für den Aufschwung der Landwirtschaft. Die kleinen, aber ausdauernden Pferde werden meist als Tragtiere verwendet, ebenso die Maultiere (6000 Stück). Zur Verbesserung der Rinderzucht wurden Mölltaler, Pinzgauer und Wipptaler Zuchttiere eingeführt. Die Schaf- und Ziegenzucht ist besonders in der Herzegowina lebhaft; der Hauptmarkt für Wolle ist Livno. Schweine züchtet nur die christliche Bevölkerung der Posavina. Neuerdings entwickelt sich auch die Federviehzucht. Bienenstöcke gab es 1895: 140,000. Das Jagdwild (Hirsch, Reh, Gemse, Wildschwein, Hase, Bär, Wolf, Luchs, Otter, Fuchs, Auerhahn, Adler, Rebhuhn, Wachtel, Wildente) hat stark abgenommen. Der Wald bedeckt 50 Proz. des ganzen Areals (2,58 Mill. Hektar). Davon sind 58 Proz. Laubwald und 42 Proz. Nadelholz. 2,029,000 Hektar sind Staatsbesitz, 551,000 Hektar Privateigentum des Vakufs. Die unter der türkischen Herrschaft bestehende Raubwirtschaft hat viel zum Umsichgreifen der Karstbildung beigetragen. In der Nähe der Wohnorte und[254] Verkehrsadern ist zumeist nur spärlicher Buschwald vorhanden. Der unter den Römern blühende Bergbau ging im Mittelalter sehr zurück und hörte unter der Türkenherrschaft fast ganz auf. Nach der Okkupation fanden sofort gründliche Erhebungen statt, und wurden zunächst 30 Braunkohlenbecken festgestellt, Aktienunternehmungen (die Bosnia-Gewerkschaft) ins Leben gerufen und 1881 ein Berggesetz erlassen. Gegenwärtig sind folgende Kohlenbecken von Bedeutung: jenes von Zenica und von Kreka (im Dolnja Tuzlaer Becken), deren jährliche Produktion (die kleinern Kohlenwerke mit einbegriffen) sich 1897 auf 2,296,431 metr. Ztr. belief. Die Zahl der Arbeiter betrug 807. Dann gibt es Kupfererze in Sinjako, Manganerze in Cevljanović-Vogošća (1900: 52,000 metr. Ztr.), Chromerze in Duboštica; Gold wird im Wrbas- und im Lašvabett bei Travnik gewonnen, Silber bei Srebrenica, Blei bei Olovo-Reiche. Salzquellen befinden sich bei Siminhan und Dolnja Tuzla (jährliche Produktion ca. 125,000 metr. Ztr. Sudsalz). Quecksilber findet man bei Fojnica und Kreševo (1890: 38 metr. Ztr.); ferner gibt es Fahlerz, Antimon und Gips. Bei Rośanj fand man Erdöl. Unter den vielen Mineralquellen sind die Arsenquelle von SrebrenicaGuberquelle«), die Schwefelthermen von Gata, Ilidze, Banjaluka und Novipasar, die Bittersalzquellen bei Dolnja Tuzla die bedeutendsten.

Die Industrie des Landes bewegte sich früher in den Formen der Hausindustrie. Unter Leitung des Ältesten der Hauskommunion wurden Waffen, Kupfergeräte, Wollenstoffe, Teppiche, Decken u. Lederarbeiten verfertigt. Das türkische Kleingewerbe teilte sich in Zünfte. Seit der Okkupation hat die Regierung die Hausindustrie gehoben, z. B. die Teppich- und Gobelinweberei in Sarajevo, zugleich aber durch mancherlei Begünstigungen eine Fabrikindustrie ins Leben gerufen. Es gibt jetzt Eisen- und Stahlwerke (in Zenica und Vareš), eine Faßdaubenfabrik, eine Petroleumraffinerie (Brod), eine Spiritusraffinerie, eine Ammoniak- und mehrere Sodafabriken, eine Seifen- und Kerzenfabrik, eine Papier-, eine Tuch- und eine Lederfabrik, ein Elektrizitätswerk (in Jajce, mit 6000 Pferdekräften, erzeugt Calciumkarbid), eine Likör-, eine Zuckerfabrik und mehrere Brauereien, endlich 4 staatliche Tabakfabriken. Der Handel war bis 1878 durch Mangel an Eisenbahnen und guten Straßen und infolge hoher Zölle und Monopole sehr gehemmt. An vielen Orten herrschte noch Tauschhandel. Nach der Okkupation wurde das Straßennetz verbessert und ergänzt, und jetzt gibt es 3900 km Chausseen und insgesamt über 6300 km fahrbare Straßen. Die Länge der Eisenbahnen beträgt 1902: 1087 km, wovon die meisten schmalspurig sind. Die Hauptlinie, die Kroatien und Ungarn mit der Adria verbindet, geht von Brod über Sarajevo, Mostar, Gabela nach Gravosa (Ragusa) und ist 555 km lang. Militärische Postanstalten gibt es (1901) 89; die Zahl der Briefe betrug 1901 an 13 Mill., Telegraphenbureaus gab es 131, die 406,000 Telegramme beförderten. Die Länge der Telephonlinien beträgt 342 km. Der Warenverkehr zeigt seit 1878 staunenswerte Fortschritte. Im J. 1865 betrug der Wert der Einfuhr 3,8 Mill. Guld., jener der Ausfuhr 4 Mill. Dagegen betrug der Gesamtverkehr des Jahres 1900: 8,025,727 metr. Ztr. im Gesamtwert von 34 Mill. Kronen, davon entfielen 2,1 Mill. metr. Ztr. auf die Einfuhr, 5,9 Mill. metr. Ztr. auf die Ausfuhr. Zur Ausfuhr gelangten 1899 vorwiegend Naturprodukte, Holz, Faßdauben, Kohle (112,000 metr. Ztr.), lebende Tiere (243,000 Stück), Häute, Wolle, Wachs, Pflaumen (236,000 metr. Ztr.), Getreide, Tabak und Mineralien. Die Einfuhr umfaßte Industrieartikel, Mehl und andre Lebensmittel. 97 Proz. der Ausfuhr gelangten nach Österreich-Ungarn. Unter den Geldinstituten ist die 1895 begründete Bosnische Landesbank vorwiegend im Hypothekengeschäft tätig.

[Verwaltung.] Die staatsrechtliche Stellung Bosniens beruht auf den Bestimmungen des Berliner Kongresses vom Jahre 1878, kraft deren Österreich-Ungarn das Recht erhielt, B. und die Herzegowina militärisch zu besetzen und zu verwalten, wie auch das Sandschak Novipasar zu besetzen. In der nachträglich 21. April 1879 in Konstantinopel abgeschlossenen Konvention erkannte Österreich-Ungarn die Souveränitätsrechte des Sultans ausdrücklich an und sicherte namentlich den Mohammedanern Religionsfreiheit zu, Landeshauptstadt ist Sarajevo (s.d.).

Wappen von Bosnien.
Wappen von Bosnien.

Die Landesregierung (mit politisch-administrativer, finanzieller, judizieller u. Bauabteilung) untersteht dem k. u. k. Reichsfinanzminister in Wien, der seinerseits der österreichischen und ungarischen Delegation verantwortlich ist. Als Verwaltungs- und Justizbehörden fungieren die erwähnten 6 Kreis- und 53 Bezirksämter; die finanziellen Angelegenheiten leiten 6 Steuer- und Finanzinspektorate. Das Budget Bosniens für 1902 ist in Einnahme auf 44,846,281, in Ausgabe auf 44,582,296 Kronen veranschlagt. Zu den Einnahmen tragen die Kleinviehsteuer und das Tabakmonopol je 9 Mill. Kr., der Zehnte 8 Mill. Kr. bei; unter den Ausgaben erfordert die innere Verwaltung 18,1 Mill., die Finanzverwaltung 13,7 und das Bauwesen 7,4 Mill. Kr. Die Staatsschuld beträgt 46 Mill. Kr., davon 22 Mill. für Eisenbahnbauten.

Das Wappen (s. Abbildung) zeigt in Gold einen aus Wolken kommenden, rot geharnischten, säbelschwingenden Arm. Auf dem Schild eine Lilienkrone. Die Landesfarben sind Rot und Gelb.

[Geschichte.] Erst in jüngster Zeit hat unter Leitung des Landesmuseums von Sarajevo die wissenschaftliche Erforschung Bosniens begonnen. Die Ausgrabungen förderten reiche Ausbeute zutage. Bei Bihać fand man Pfahlbauten. Die Urbewohner waren Illyrier. B. bildete im Altertum einen Teil Illyriens, kam als römische Provinz zu Pannonien, unter Augustus aber zu Dalmatien. An die Römerzeit erinnern zahlreiche Bauüberreste, Statuen und das Soldatenlager an dem Hügel Mogorila, dem »herzegowinischen Pompeji«. In der Völkerwanderung wurde es verschiedenfach heimgesucht. Sodann stand das von Slawen oder slawisierten Illyriern bewohnte Land bald unter serbischer, bald unter kroatischer Oberhoheit und wurde nebst Kroatien auch von den ungarischen Königen abhängig, die insbes. die ketzerischen Bogomilen (s.d.) verfolgten, bis in der zweiten Hälfte des 14. Jahrh. der Ban Stephan Twartko das ganze Küstenland besetzte und sich zum König von B. und Serbien erklärte. Als König Siegmund den Aufstand der bosnischen Großen unterdrückt hatte, rief der rachsüchtige Fürst Hervoja die Türken herbei, die B. zuerst 1415 verwüsteten. Doch nahmen die serbischen Könige wieder[255] von B. Besitz, bis es von Mohammed II. 1463 dauernd erobert wurde. Der letzte König, Stephan Tomasevic, wurde enthauptet, 100,000 Menschen als Sklaven weggeschleppt, 30,000 Knaben unter die Janitscharen eingereiht; viele Bosniaken nahmen den Islam an und wurden nun die Herren des Landes (Begs). Nur einen kleinen Teil von B. behaupteten die Ungarn bis zur Schlacht von Mohács 1526. Seitdem war ganz B. türkisch, obgleich Eugen von Savoyen 1697 bis Sarajevo vordrang. Im Karlowitzer Frieden 1699 wurde der Pforte der Besitz von B. ausdrücklich bestätigt. Durch Abgaben schwer bedrückt, erhob sich der mohammedanische Landadel 1826–31, 1849 und 1850, wurde aber durch Omer Pascha niedergeworfen. 1875 brach im Anschluß an eine Erhebung der Herzegowina ein neuer Aufstand aus, den die türkische Regierung wegen gleichzeitiger andrer Kämpfe nicht dämpfen konnte. Der Berliner Kongreß beauftragte endlich Österreich-Ungarn mit der Okkupation und Verwaltung Bosniens und der Herzegowina. Dieses ließ 29. Juli 1878 seine Truppen über die Grenze rücken, hatte aber blutige Kämpfe mit der fanatisierten mohammedanischen Bevölkerung zu bestehen, so daß die Okkupation erst Ende Oktober, nach Eroberung der Festungen Bihač und Kladus, vollendet war. B. wurde nun unter österreichisch-ungarische Verwaltung gestellt, über die der österreichisch-ungarische Reichsfinanzminister die Oberaufsicht führt. Die Beziehungen zur Türkei wurden durch einen Vertrag vom 21. April 1879 geregelt, der die Souveränität des Sultans über B. nominell anerkannte. 1880 wurde B. dem österreichischen Zollgebiet einverleibt und 1881 ein Wehrgesetz nach österreichischem Muster mit allgemeiner Wehrpflicht eingeführt. 1882 erhielt B. eine Zivilverwaltung. Über die Reformen und den Fortschritt, den B. seit 1878 auf allen Gebieten getan, s. oben (insbes. »Industrie« etc., S. 255). Trotzdem kam es wiederholt zu Aufständen, insbes. 1883. In jüngster Zeit bildete sich von Mostar aus eine neue Bewegung unter den Mohammedanern, die (vielleicht unter dem Einfluß Montenegros und Serbiens) scharfe Klagen gegen den Reichsfinanzminister Kállay erhob. Die Unzufriedenen verlangen, daß die gewaltsame Katholisierung und die kroatische Propaganda aufhöre, daß ferner der Wakuf-Fonds seiner kirchlichen Bestimmung zurückgegeben, die Steuer nicht so strenge eingetrieben werde u. dgl. Minister Kállay hat sein Vorgehen vor den Delegationen wiederholt und 1900 in einer eignen Studie (s. unten, Literatur) verteidigt. Doch im Mai 1901 und April 1902 tauchten die alten Beschwerden verschärft wieder auf.

[Literatur.] Thömmel, Beschreibung des Wilajets B. (Wien 1867); Blau, Reisen in B. und der Herzegowina (Berl. 1877); Helfert, Bosnisches (2. Aufl., das. 1879); v. Schweiger-Lerchenfeld, B., das Land und seine Bewohner (das. 1879); Strauß, B., Land und Leute (das. 1882–84, 2 Bde.); Asbóth, B. und die Herzegowina (Wien 1888, 4 Bde.); Waal, Reisebilder aus B. (das. 1895); Renner, Durch B. und die Herzegowina (Berl. 1896); Capus, A travers la Bosnie (Par. 1896); W. L. Arndt und E. Arndt-Ceplin, Reisebilder aus B. und der Herzegowina (Berl. 1898); Preindlsperger, Bosnisches Skizzenbuch (Dresd. 1900); L. Olivier, La Bosnie et l'Herzégovine (Par. 1901); »Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild«, Bd. 19 (Wien 1901); Mojsisovics, Tietze und Bittner, Grundlinien der Geologie von B. etc. (Berl. 1880); Walter, Beitrag zur Kenntnis der Erzlagerstätten Bosniens (das. 1887); Stix, Das Bauwesen in B. und der Herzogewina (Wien 1887); Eichler, Justizwesen Bosniens und der Herzegowina (das. 1889); Schneller, Die staatsrechtliche Stellung von B. und der Herzegowina (Leipz. 1892); Szokolay, Die sanitären Verhältnisse Bosniens (Sarajevo 1895); Ballif, Die Wasserbauten in B. und der Herzegowina (Wien 1896–99, 2 Tle.); Poech, L'industrie minérale de Bosnie (das. 1900); Derselbe, Die Landwirtschaft in B. und der Herzegowina (amtlich, das. 1900); »Wissenschaftliche Mitteilungen aus B. und der Herzegowina« (hrsg. vom bosnischen Landesmuseum in Sarajevo, das. 1893ff., bisher 8 Bde.); »Bosnischer Bote. Universal-Hand- und Adreßbuch« (hrsg. von Walny, Budap. 1897ff., jährlich); Reisehandbücher von Boroević (Wien 1887), von der Bosnischen Post (das. 1897), von Neufeld (das. 1902).

Zur Geschichte: Klaić, Geschichte Bosniens bis zum Zerfall des Königreichs (Leipz. 1885); Haardt, Die Okkupation Bosniens (Wien 1878); »Die Okkupation Bosniens und der Herzegowina im Jahre 1878«, Bericht des österreichischen Generalstabs (das. 1879); »Der Aufstand in der Herzegowina, Südbosnien und Süddalmatien« (das. 1883); E. Marbeau, La Bosnie depuis l'occupation austro-hongroise (Par. 1881); vgl. Thallóczys, Bosznia (ungar., Budap. 1902); Petriniensis, B. und der kroatische Staat (Agram 1898); »Geschichte der Sicherheitstruppen und der öffentlichen Sicherheit in B. 1878–1898« (hrsg. von der Landesregierung 1899); [Kállay], Die Lage der Mohammedaner in B., von einem Ungarn (Wien 1900); darauf als Antwort: »Kállay und B.-Herzegowina, von einem Mohammedaner aus Travnik« (Budap. 1900); Nikaschinovitsch, B. und die Herzegowina unter der Verwaltung der österreichisch-ungarischen Monarchie (Berl. 1901, Bd. 1; ungerecht gegen Österreich).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 253-256.
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