George Friedrich Händel

[154] George Friedrich Händel. Dieser mit Recht so [154] berühmte Tonkünstler wurde zu Halle im Magd. 1685 geboren. Sein Vater, ein Wundarzt, hatte ihn für die Rechtsgelehrsamkeit bestimmt, und verbannte, da der Hang seines Sohnes zur Musik ihm äußerst mißfiel, alle musikalischen Instrumente aus seinem Hause. Allein der junge Händel wußte sich dennoch ein schlechtes Clavier zu verschaffen, verbarg es in einem Winkel seiner Wohnung, und übte sich des Nachts darauf. Als einem Knaben von sieben Jahren erlaubte man ihm doch in Weißenfels, wohin nunmehr sein Vater berufen worden war, bisweilen die Orgel nach geendigtem Gottesdienst zu spielen, und Letzterer ließ sich endlich auf Zureden des Herzogs bewegen, der Neigung seines Sohnes freien Lauf zu lassen. Er schickte ihn wieder nach Halle, wo er den ersten festen Grund legte, dann 1696 nach Berlin, wo sein Ruf bald vor den König kam, der ihn mit Geschenken überhäufte; jedoch lehnte Händel alle übrigen Anträge ab, ging nach Hamburg, und gab nach dem Tode seines Vaters Unterricht in der Musik, um seiner Mutter nicht zur Last zu fallen. Bald ward er Directeur bei der Oper, und kam in Lebensgefahr, da ihm einer seiner Mitwerber einen heftigen Degenstich beim Weggehn aus dem Orchester beibrachte, welcher aber durch ein Notenbuch, das Händel unter dem Rocke hatte, glücklich aufgefangen wurde. Seine erste Oper, Almira, wurde dreißig Tage hinter einander gegeben; die übrigen erlangten gleichen Beifall. Nach fünfjährigem Aufenthalt in Hamburg trat er seine Reise nach Italien an, erntete in Florenz mit seiner ersten Italiänischen Oper, so wie ein Jahr darauf in Venedig, gleichen Beifall ein; und als ihn der bekannte Domenico Scarlatti bei einer Maskerade die Harfe spielen hörte, rief er aus »nur der Sachse oder der Teufel kann so spielen!« Bald breitete sich Händels Ruf sowohl wegen seiner Compositionen als auch wegen der Vollkommenheit, mit der er mehrere Instrumente spielte, durch ganz Italien aus, das er endlich nach sechsjährigem Aufenthalte verließ, und in Hannover an Stephaniʼs Stelle Kapellmeister bei Georg I. ward. In England, wohin er zu reisen Erlaubniß erhielt, nahm man ihn mit solchem Beifall auf, daß er nach der zweiten Reise, die er wieder dahin machte (wo er auch 1712, bei Gelegenheit des Utrechter Friedens, sein berühmtes [155] Te Deum setzte), Hannover vergaß, und ganz in London blieb. Händel, der Gegenstand der allgemeinen Verehrung, stand nun neun Jahre lang der von ihm errichteten neuen musikalischen Akademie rühmlichst vor, bis endlich Streit und Cabale, so wie der alles bezaubernde Gesang des Farinelli (den der Adel nebst Porpora zu einer neuen Unternehmung kommen ließ) doch das Uebergewicht über ihn erhielten. Der Verdruß hierüber hatte ihm einen Schlagfluß zugezogen; und als er nachher 1736 aus dem Aachner Bade, das er seiner zerrütteten Gesundheit wegen gebraucht hatte, zurück kehrte und seine Opern wieder hervorbrachte, besuchte man sie nicht mehr. Er stellte sie daher ein; aber eben diesem Umstande haben wir nun seine großen Oratorien zu verdanken, die ihn eigentlich unsterblich gemacht haben. Die Einführung derselben, welche dis dahin nur in Italien bekannt waren, fand zwar große Schwierigkeiten; allein nach und nach, besonders da er seinen Messias in Dublin zum Besten der Gefangenen zu einer Zeit aufführte, wo seine Umstände selbst sehr mißlich waren, überhäufte ihn die Englische Nation bei seiner abermahligen Rückkehr nach London mit den größten Lobeserhebungen. Der Messias ward das Lieblingsstück der Engländer; und Händel führte es nun jährlich zum Besten des Findelhauses – eines Instituts, das damahls nur noch in der Kindheit war – auf. Sein Ruhm und sein Beifall dauerten ununterbrochen fort; und nur der Umstand, daß er (1751) blind ward, konnte seine letzten Lebensjahre verbittern. Dennoch verließ ihn sein Feuer nicht; er spielte seine Orgelconcerte, worin er besonders Virtuose war, fort, componirte auch noch, indem er seine Gedanken in die Feder dictirte; ja er führte noch sechs Tage vor seinem Tode eins seiner Oratorien selbst auf. – Wenn ihn auch seine übrigen Talente nicht schon berühmt gemacht hätten, so wird doch sein Messias, auch bei Nichtkennern, immerfort sein Andenken unsterblich erhalten. Welcher nur etwas Gebildete hat nicht von der Aufführung dieses Oratoriums gehört, die jährlich in der Westmünster-Abtei zu London (wo ein prächtiges Denkmahl in Marmor Händels Grab bezeichnet) seit 1784 veranstaltet worden ist, an welcher die berühmtesten Virtuosen, eine Mara, ein Cramer [156] etc. Theil zu nehmen sichs zur Ehre geschätzt haben? Im Jahre 1787 wurde es von achthundert Tonkünstlern wiederhohlt, die Einnahme betrug über 24,000 Pfund Sterling; auch jetzt wird es noch jährlich zum Besten abgelebter Künstler wiederhohlt, und die Probe mit einer halben, die Aufführung selbst mit einer Guinee bezahlt. Auch in Deutschland, besonders unter Hillers Direction und nach dessen Unterlegung des Deutschen Textes in Berlin und Leipzig, hat es die große Wirkung nicht verfehlt. Seine Opern wußte er immer nach dem Geschmacke der Nation, für deren Bühne er sie schrieb, einzurichten; daher der Beifall in England, wo oft ein beliebtes Volkslied, das er mit Verschönerung und künstlichen Abwechselungen aufs Theater brachte, ihm die enthusiastische Verehrung der Engländer zuzog. Seine Kirchenstücke, wo er sich zugleich als großen Contrapunktisten zeigte, und unter denen auch noch Judas Maccabäus, Saul etc. sich auszeichnen, bleiben, besonders in Rücksicht der Chöre, unnachahmlich. Als Orgelspieler endlich war er einer der berühmtesten, so daß man ihn dem berühmten Joh. Sebastian Bach hat an die Seite setzen wollen. An körperlicher Kraft hierzu hat es ihm wenigstens bei seiner ungewöhnlichen Stärke nicht gefehlt, und Stunden lang konnte er mit dem größten Nachdruck auf der Orgel spielen, ohne zu ermüden. Er starb den 13. April 1759.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 2. Amsterdam 1809, S. 154-157.
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