Händel-Schütz

[157] Händel-Schütz, geborne Schüler, berühmte deutsche Schauspielerin und mimisch-plastische Künstlerin, wurde 1772 zu Berlin geb., wo ihr Vater, ein talentvoller Bühnenkünstler, im Engagement stand. Sie versuchte sich als Kind, durch Schönheit ausgezeichnet, zuerst im Ballet, ging als Jungfrau zum Schauspiel über und erfreute sich der Belehrung des berühmten Prof. Engel, dem sie ihre künstlerische Ausbildung verdankte. In ihrem 16. Jahre vermählte sie sich mit dem Tenoristen Eunicke, ging mit diesem nach Amsterdam, debutirte dort mit dem ungeheuersten Beifall, kam 1794 nach Frankfurt a. M., wurde hier mit dem Maler Pforr bekannt, studirte unter seiner Anleitung die Rehberg'schen Kupferwerke der Attituden der Lady Hamilton, und weckte so ihr schlummerndes Talent für die belebte Plastik. 1796 kehrte sie nach Berlin zurück und war daselbst 10 Jahre lang in hochtragischen und sentimentalen Partien die Zierde dieser Bühne. Unübertrefflich war namentlich ihre Darstellung der Johanne d'Arc, und keine deutsche[157] Schauspielerin kann sich rühmen, diese Rolle so oft dargestellt zu haben, wie Henriette Eunicke. Sie trennte sich nach dieser Zeit von ihrem Gatten, verließ die Bühne und vermählte sich mit dem Arzt Dr. Meyer, welchem sie nach Stettin folgte. Schon nach einem Jahre aber, fühlend, daß wechselseitige Neigungen und Bedürfnisse nicht zu einander paßten, trennte sie sich auch von diesem und ging eine neue Ehe mit dem Militärarzt Handel ein. Dieser starb jedoch bald darnach und Henriette sah sich genöthigt, zum Theater zurück zu kehren. Sie unternahm eine dramatische Kunstreise, auf welcher sie hauptsächlich mimisch-plastische Darstellungen nach berühmten Gemälden zur Anschauung brachte. Sie entwickelte in Mimik, Gruppirung und Draperie eine solche Meisterschaft, daß der steigende Beifall ihr einen bedeutenden Ruf sicherte und sie ihre Zeitgenossen im vollsten Sinne des Wortes zur Bewunderung hinriß. Gleichzeitige Dichter, z. B. Schenkendorff, Zacharias Werner, Brentano, Schlegel, Tieck u. A. erfreuten sich ihrer persönlichen Bekanntschaft und schilderten ihre Darstellungen zum Theil poetisch, wie die Blumenlese aus ihrem Stammbuch, welche 1815 in Leipzig erschien, beweist. Unübertrefflich waren ihre Sphynx, Niobe, Medea, ihre Magdalenen und Madonnen etc. Bald darauf verheirathete sie sich in Halle mit dem dortigen bekannten Professor der Philosophie Julius Schütz, der ihr zu Liebe Schauspieler wurde und sie von nun an auf ihren Kunstreisen durch Deutschland, Dänemark, Holland, Rußland, Schweden, Frankreich begleitete. 1818 kehrte sie nach Halle zurück und nahm 1820 in Leipzig nach einigen Gastvorstellungen Abschied von der Bühne. Sie privatisirte – geschieden von ihrem letzten Gemahl, Schütz, der sich später in Hamburg aufhielt – eine Reihe von Jahren in Halle und lebt seit 1832 in Stargard bei ihrem Schwiegersohne, dem dortigen Rector Benzemann. – Hoch oben an der Ostsee, nur von Erinnerungen durchschimmert, vergessen von den Zeitgenossen, ungekannt von der jungen Generation, verlöscht nun[158] dieser Stern deutscher Kunst, der eine Reihe von Jahren glänzend am Himmel des Theaters geleuchtet hat.

–n.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 5. [o.O.] 1835, S. 157-159.
Lizenz:
Faksimiles:
157 | 158 | 159
Kategorien: