Handkuss

[159] Handkuss. Dieser Gebrauch findet sich nicht nur bei aufgeklärten, sondern auch bei den meisten unkultivirten Völkern der Gegenwart und Vorzeit. Ursprünglich war der Handkuß Religionsgebrauch; man grüßte Sonne, Mond und Sterne, indem man seine eigene Hand küßte. Die alten Indier warfen sich vor der Sonne nieder und küßten dabei ihre Hand. Die reichen Griechen brachten den Göttern Opfer, die Armen aber begnügten sich, ihre Anbetung durch Handküsse zu vollziehen. Von den Griechen ging dieser Gebrauch zu den Römern über, bei denen einst Jemand für einen Gottesläugner ausgegeben ward, weil er vor einer Bildsäule vorbeigegangen war, ohne die Ceremonie des Handkusses zu beobachten. Nach der Einführung des Christenthums behielten die Bischöfe den Handkuß als eine Ehrenbezeigung bei. In den ersten Zeiten der römischen Republik wurde sie nur von Untergebenen ihren Obern erwiesen. Freie Leute gaben sich die Hände und umarmten sich. Unter den Kaisern wurde der Handkuß ein wesentlicher Gegenstand des Ceremoniels. Höflinge mußten knieend die Hand des Kaisers oder auch nur den Saum seines Gewandes küssen. Papst Leo der Große führte statt des Handkusses den Fußkuß ein, der noch jetzt bei Audienzen, welche Sr. Heiligkeit ertheilt, gebräuchlich ist. – Schon in der Bibel findet man die Sitte des Händeküssens und Salomo erwähnt dessen als eines Gebrauches der Schmeichler. Als Cortez nach Mexiko kam, fand er dieselbe Sitte unter den Wilden. Tausend Oberhäupter begrüßten ihn, indem sie mit ihren Händen die Erde berührten und diese dann an den Mund drückten. An vielen Höfen ist noch jetzt der Handkuß eine Ceremonie der Etikette und Gesandte, Hofleute etc., werden feierlich zum Handkuß zugelassen. – In unserm geselligen Leben ist der Handkuß fast überall üblich. Der galante junge Mann küßt der Dame seines Herzens, der Matrone, die er verehrt, aus [159] Liebe oder Ehrfurcht die Hand. Kinder küssen die Hand ihrer Eltern, die Hand, welche sie segnet; der fromme Christ drückt auch die Hand des Priesters, welche das Sacrament spendet, an seine Lippen. Das Wort Handkuß eignet sich zu folgender artigen Charade: »Mein Erstes gibt die Freundschaft, mein Zweites die Liebe, und mein Ganzes die Ehrfurcht.«

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 5. [o.O.] 1835, S. 159-160.
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