Sonne

[285] Sonne. Dieser strahlende Held, der wie ein Bräutigam aus seiner Kammer hervorgeht, um Licht, Segen und Heiterkeit bis an die äußersten Grenzen seines weiten Gebietes zu verbreiten, ist 20,666,800 M. von der Erde entfernt. Eine Kanonenkugel, die in einer Sekunde 600 F. durchläuft, bedürfte, wenn sie diesen weiten Raum durcheilen wollte, einer Zeit von 25 Jahr 10 Monaten. Anderthalb Millionen Erdkugeln würden Platz haben in der Sonne, alle 11 Planeten mit ihren Nebenplaneten, zusammengeworfen und in eine einzige Masse vereinigt, nicht mehr als den 800sten Theil ihres Körpers einnehmen; übertrifft doch ihr Durchmesser an Länge den Erddurchmesser 112 Mal! Nach den ewigen Gesetzen der Attraction (s. d.) zwingt sie die planetarischen Weltkörper in weiten Kreisen um sie zu wandern; ihre prachtvolle Oberfläche leuchtet und glüht von ihrem eigenen Lichte und ihrer eigenen Wärme, welches beides sie in solcher Fülle besitzt, daß sie, gleich einem goldgekrönten Herrscher, von ihrem Ueberflusse noch reichlich ihren Satrapen mittheilen vermag. Selbstständig schafft sie ihr Feuer, welches die Erden belebt und befruchtet; ausgerüstet mit der Kraft, aus den[285] entferntesten Enden ihres Reiches, aus dem ganzen Weltenraume den Lichtstoff zu schöpfen, zieht sie ihn in der Gestalt des Thierkreislichtes an sich und wandelt ihn auf räthselhafte Weise in Sonnenglanz um. Ihre Strahlen, die sie den Planeten sendet, sind jedoch nicht heiß, sondern nur mäßig warm; sie erhalten ihre Wärme erst in der niederen, mit eigenem Wärmestoffe versehenen Erdenatmosphäre. Sonach ist auch die S., der früheren Ansicht zuwider, kein Feuerklumpen, sondern jedenfalls ein eben solcher Weltkörper wie unser Wohnort, mit Meeren und Bergen, mit Flüssen und Thälern lieblich geschmückt, unter dessen Lichthülle, wie unter der Nebelhülle der Erde Gottesbilder wandeln und lieben, forschen und sich sehnen nach dem Urlichte. 90,000 Mal schwächer als das Tages-, und nach Bouguer 300,000 Mal schwächer als das wirkliche Sonnenlicht ist das Licht des Vollmondes. Und sollte jenes Tageslicht durch funkelnde Sterne ersetzt werden, so müßten 764 Mill., die aber alle wie der Sirius glänzten, das Himmelsgewölbe schmücken. Gleich wunderbar, ein Blitz aus den räthselhaften Tiefen der Schöpfungsnacht, ist das Sonnenlicht auch in seiner Bewegung: den ungeheueren Weg von der S. zu uns legt es in 8 Min. 7½ Sek. zurück; in jeder Minute durchläuft es 41,000 M., und übertrifft die Geschwindigkeit des Schalles (s. d.) 900,000 Mal, und den Flug der Erde 10,000 Mal. So thront die S. inmitten der kreisenden Gestirne als die Königin des Himmels, und bewegt sich nur ernst und majestätisch in einer Zeit von etwa 25½ Tagen um ihre eigene Axe. Eine Sonnenfinsterniß entsteht, wenn sich der Neumond zwischen uns und die Sonne so stellt, daß dadurch scheinbar die S. uns als ganz oder zum Theil bedeckt erscheint: im ersteren Fall ist die Sonnenfinsterniß total, im letzteren partiell. Die Mondesscheibe zieht nämlich von Abend nach Morgen vor der Sonne vorbei, welche dadurch das Ansehen eines ab- oder zunehmenden Mondes erhält. Zuweilen kommt der Mond so zu stehen, daß er mit seiner kleinen Scheibe die Sonnenscheibe gerade bedeckt, wodurch letztere[286] als ein bloßer heller Ring erscheint, ringförmige Sonnenfinsterniß (s. Mondfinsterniß). – Betrachtet man die Sonnenscheibe durch gute, mit Lichtdampf geschwärzte Fernröhre, so bemerkt man an ihr hie und da Flecken, die in der Mitte schwarz und am Rande mit einem bräunlichen oder weißgrauen Nebel umgeben sind, die man Sonnenflecke nennt und zwischen welchen sich hin und wieder Lichtadern durchschlängeln, die heller als der übrige Theil der Sonnenfläche erscheinen und Sonnenfackeln genannt werden. Die trifftigste Hypothese über die Natur dieser Flecke ist die Herschel'sche. Nach derselben ist die Sonne wie die Erde mit einer Dunstatmosphäre umhüllt, über welche die Lichtatmosphäre des Sonnenkörpers ruht. Ist nun irgend ein Theil der Sonnenfläche von diesen atmosphärischen Decken, der Dunst wie Glanzhülle, oder von der Glanzhülle allein befreit, so erscheint dieser Theil, da er gegen die glanzvolle Hülle zu wenig Licht besitzt, im ersteren Falle als ein schwarzer, im letzteren als weißgrauer Punkt. – Sonnensystem nennt man im weitern Sinne eine Sonne, mit allen sie umkreisenden Weltkörpern, im engern Sinne unsere Sonne, mit ihren Planeten, Kometen und den Monden. Das Verdienst, hierin die Wahrheit erforscht zu haben, gebührt dem unsterblichen Copernicus (s. d.). Zu unserem Sonnensystem gehören, außer einer bestimmten Anzahl von Kometen, die Planeten: Merkur, Venus, Erde mit ihrem Monde, Mars, Vesta, Juno, Ceres, Pallas, Jupiter mit 4, Saturn mit 7, und Uranus mit 6 Monden, welche sich sämmtlich in elliptischen (s. Elliptik) Bahnen um die Sonne drehen, während sich wiederum die Monde und Nebenplaneten zu gleicher Zeit elliptisch um die Hauptplaneten bewegen. Außerdem kreisen die Planeten bekanntlich alle um ihre eigene Axe, welche Bewegung man ihre Rotation nennt. Das Gesetz der allgemeinen Schwere und Schwungkraft, welches an den Fäden der Attraction und Repulsion das ungeheuere All ruhig und sicher leitet, entdeckte der große Newton (s. d.): – dieses ist das Gesetz, durch welches der[287] große Weltenschöpfer die Sonnen schwebend im Weltenraume umherführt, wodurch er Monde an Erden, Erden an Sonnen, Sonnen an Sonnen und Weltenheere an Weltenheere gereiht hat!

V.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 9. [o.O.] 1837, S. 285-288.
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