Sonne und Mond

[925] Sonne und Mond als Kunstvorstellung. Das klassische Altertum stellte Sonne und Mond mit dem Wagen auf der Himmelsbahn sich bewegend, vor, jener von vier, diese von zwei Pferden gezogen, Helios emporsteigend, Selene sich senkend. Wo der Wagen fehlt, ist der Sonnengott am Strahlenkranz und an der Peitsche, der Fackel oder einer Kugel in der Hand, die Mondsgöttin an der Sichel über dem Haupt und an dem kreisförmig über demselben ausgespannten Gewand kenntlich; auch nur als Brustbilder, oder als Köpfe, oder endlich bloss nach der mathematischen Figur als Scheibe nnd Sichel findet man sie. Manchmal ist das Haupt des Sonnengottes mit Strahlen umgeben, sowie sich die Sonne auch als Gesicht mit neun Strahlen in einem Rund abgebildet findet. Die christliche Kunst hat die beiden Gestirne sowohl in mathematischer Figur, als in den erwähnten drei Graden der Personifikation abgebildet: bloss angedeutet durch das Gesicht, oder als halbe Figur oder in ganzer Gestalt.

Die Figuren von Sonne und Mond finden sich sowohl bei alttestamentlichen Ereignissen, namentlich in der Schöpfung und bei der Geschichte des Joseph, Josua und Jonas, als bei der Person Christi in verschiedenen Epochen seines Lebens angebracht, bei der Geburt, unzähligemal bei der Kreuzigung, wobei Sonne und Mond, zum Zeichen der Verfinsterung, in der Regel ihr Antlitz mit dem Gewand oder einem Tuch verhüllen, sodann bei der Kreuzabnahme, der Himmelfahrt und öfter zur Seite des verherrlichten Christus. Seit dem 13. Jahrhundert hört die persönliche Darstellung von Sonne und Mond auf und sie erscheinen statt dessen in der Hand von Engeln oder Genien, oder bloss als Gesicht, oder in mathematischer Figur als Scheibe und Sichel. Seit Anfang des 16. Jahrhunderts wurde die Vorstellung von Sonne und Mond neben dem Gekreuzigten fast allgemein aufgegeben, während dagegen im Gebiete der profanen Kunst die Personifikation beider Himmelskörper mit voller mythologischer Ausstattung neuerdings dem Altertum entnommen wird. Piper, Mythologie der christlichen Kunst II, S. 116–199.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 925.
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