Engel

[153] Engel sind nach der Ansicht der Hebräer höhere, von Gottgeschaffene Wesen, die seinen Thron als Rat umgeben und ihm als Boten dienen. Bis zum Exil dachte man sie sich in menschlicher Gestalt, im Exil verschmolz ihr Begriff unter persischem Einfluss mit dem Begriff Dämon. Das nikäische Konzil (787) setzte fest, sie hätten einen ätherischen Körper, das lateranische von 1215 gab ihnen Unkörperlichkeit. Sie wurden im früheren Mittelalter geflügelt, in reifer Jünglingsgestalt, in Diakonentracht und unbeschuht dargestellt, seit dem 13. Jahrhundert auch als schwebende Kinder, die letzteren tragen häufig musikalische Instrumente. Mit Vorliebe erzählte das Mittelalter vom Abfall der Engel von Gott, eine Lehre, die besonders von Gregor d. Gr. ausgebildet wurde. Nach Jes. 14, 12 ff. und 2 Petri 2, 4 nahm man an, dass ein Teil der Engel von Gott abgefallen sei und dass Gott ebendeshalb, um die dadurch entstandenen Lücken wieder auszufüllen, den Menschen erschaffen habe. Darüber zürnten nun die in der Hölle zu Teufeln degradierten ehemaligen Engel und beschlossen, den Menschen von Gott abwendig zu machen, was denn auch, aber ohne vollständigen Erfolg, durch den in eine Schlange verwandelten Lucifer in's Werk gesetzt wurde. Die kirchliche Kunst sowohl als die Poesie haben den Sturz der Engel vielfach dargestellt, die letztere z.B. in der dem angelsächsischen Dichter Kaedmon zugeschriebenen Genesis, und noch Milton im verlorenen Paradiese. Die christliche Lehre teilte die Engelwelt in 9 Engelchöre ein, welche drei Ordnungen bilden, von denen die erste ihre Glorie unmittelbar von Gott empfängt und sie auf die zweite überträgt, welche ihrerseits wiederum die dritte, mit der geschaffenen Welt in Verbindung tretende, erleuchtet. Die I. Ordnung bilden: 1. Chor, die Seraphim, bedeuten die Liebe zu Gott, haben 6 Flügel, 2 am Kopf, 2 an den Füssen, 2 über die Hüfte vorgeschlagen und tragen in jeder Hand eine Rolle mit den Worten: Heilig, heilig etc. Ihr Oberhaupt ist der Erzengel Uriel. – 2. Chor: die Cherubim, bedeuten die Erkenntnis Gottes, daher oft vieläugig dargestellt, mit 4 oder 2 Flügeln oder mit geflügeltem Haupt oder auf feurigen Rädern stehend, oft nur als geflügelte Köpfe. Ihr Oberhaupt ist Jophiel. – 3. Chor: die Throne, bedeuten die Gerechtigkeit Gottes, stützen seinen Thron, oder erscheinen als feurige Räder mit vielen Augen oder tragen eine Palme oder Krone oder einen Thron in den Händen. Ihr Oberhaupt ist Zaphkiel.II. Ordnung, 4. Chor: die Herrschaften, dominationes, welche Gott über die Welt ausübt. Sie tragen Zepter, Schwert oder Kreuz, ihr Oberhaupt ist Zadkiel. – 5. Chor: die Kräfte oder Tugenden, virtutes, tragen in der rechten eine Dornenkrone und in der Linken den Kelch des Heils. Ihr Oberhaupt ist Haniel. – 6. Chor: die Mächte oder Gewalten, potestates, bewahrende und schützende Engel, tragen Donnerkeil und flammendes Schwert. Ihr Oberhaupt der Erzengel Raphael. Alle Engel der II. Ordnung tragen lange Alben, goldene Gürtel, grüne Stolen, auch wohl Goldstäbchen, in der linken das Gottessiegel; sie sind barfuss. – III. Ordnung. 7. Chor: die Fürstentümer, principatus, die Hüter der Fürsten, tragen Zepter und Gürtel oder Schwertgehänge[153] mit einem Kreuz vor der Brust, in der Hand einen Lilienstengel und Schuhe an den Füssen. Ihr Oberhaupt ist Chamael. – 8. Chor: die Erzengel. Nach jüdischer Tradition sind es ihrer, 4, die katholische Kirche anerkennt als heilige bloss 3, nämlich: St. Michael erscheint in seinen drei Ämtern, als Anführer der himmlischen Heerscharen beim Besiegen der Höllenmächte, als Herr und Führer der abgeschiedenen Seelen (Seelenwäger) und als Schutzpatron der streitenden Kirche, als kräftiger Jüngling von ernster Schönheit im steten Kampf mit den Mächten der Finsternis, dem Drachen mit dem Menschenkopf am Schwanz. Als Seelenwäger hält er die Wage, in deren Schalen je eine oder mehrere nackte Seelen sitzen. Gabriel, der Engel der Geburt und des Werdens, trägt einen Lilienzweig mit umgewickeltem Spruchband (ave Maria gratia plena) und ein reichgeschmücktes Priestergewand, oder er erscheint als Jäger mit Hifthorn und Hunden, welcher das vor ihm in den Schoss der Maria geflüchtete Einhorn erjagt. Raphael, der begleitende Schutzengel der Wanderer und Pilger, daher mit Wanderstab und Pilgerflasche, selten mit dem Schwert dargestellt. Am meisten erscheint er in der Geschichte des Tobias, er erscheint auch den Hirten bei der Geburt Christi. Der von der römischen Kirche nicht anerkannte Uriel wird dennoch viel dargestellt mit Schriftrolle oder Buch, erscheint dem Moses im feurigen Busch, sitzt auf dem Grabe Jesu und geht mit den Jüngern nach Emmaus. – 9. Chor: die Engel. Siehe Müller und Mothes, Arch. W. Art. Engel, Engelchöre, Erzengel und Sturz der Engel. Otte, Handb. Abschn. 158.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 153-154.
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