Feuer

[109] Feuer. Diese mächtige, belebende, wärmende, erzeugende Naturkraft ist es, die im Kern unsers Planeten wirkt und sein Herz und seine Adern schwellt, die in siedenden Quellen ausströmen oder als verheerende Vulkane ausbrechen; sie ist es, die in der dunklen Wolke schlummert, als sengender Blitzstrahl zündet und im Gefolge des majestätischen Donners über die Erde zieht; sie ist es, die als Sonnenfeuer Weltsystemen wohlthätige Wärme gibt, die Bande des Eises sprengt und der Oberfläche der Planeten, Blumen und Kräuter, die ganze vegetabilische Welt und mit ihr das organische Leben von Myriaden Wesen entlockt, die die Weltkörper zum Umschwung treibt, sie bildet und verzehrt, als hundert Meilen langer Schweif den Kometen durch die Sonnensysteme begleitet, als Irrlicht im Sumpfe brennt, im Steine und Holze schlummert, das Wasser in Dampf verzehrt und gewaltige Kräfte entwickelt, den Felsen sprengt, die Schneehütte des Eskimo nicht nur erwärmt, sondern zugleich erleuchtet, dem Menschen die Nahrung bereitet, seine düsteren Machte – eine mildthätige Schwester der Sonne – erhellt und so ewig wirkt, schafft, belebt, erhält und nur dereinst auf des Weltschöpfers Gebot verloschen, erkalten, ersterben wird, wo dann der Pulsschlag der Natur stockt und las[109] alte Chaos wieder eintritt. – Den Alten war das Feuer ein Element; sie schieden es von Luft, Erde und Wasser, und ließen es im Vereine mit diesen wirken. Prometheus raubte es vom Himmel und Zeus ließ ihn zur Strafe dafür an den Felsen schmieden. Bis in das graueste Alterthum hinauf verfolgen wir das Dasein des Feuers, allen wilden Völkern ist es bekannt, der Natchersindianer, wie der Halbmensch auf Neuholland und in den Urwäldern des Caps versteht es zu erzeugen. Es ist als ob die Natur einen Instinkt dazu in den Menschen gelegt hätte, und sie hat es in der That gethan; denn wer lehrte den Wilden zwei Hölzer an einander reiben oder Kiesel über welken Blättern zusammenschlagen? Diese Himmelsgabe, die zugleich Licht und Wärme spendende, hatte bei den meisten Völkern ihre Tempel. Der Mensch fühlte ihr Wirken, aber faßte ihr Entstehen nicht; er hielt sie für ein Ausströmen der Gottheit. So betete der Parse vor der ewig flammenden Naphtaquelle an, der Römer hegte das nie verlöschende Feuer der Vesta, und Peru's Völker blickten zur Sonne, weihten ihr Tempel und rühmten sich der Abkunft von ihr. – Was ist Feuer? – Feuer ist Wärme, ist Licht; aber nicht immer beides zugleich; denn auch der hohle Baumstamm leuchtet, ohne zu wärmen und zwei über einander laufende Metallplatten erwärmen ein Zimmer, ohne zu leuchten. Feuer ist die höchste Potenz der Wärme, der Punkt, wo die Wärme auf's Höchste gestiegen, sich belebt und verzehrt, ihr Blütenmoment. Was ist aber wieder Wärme, ein Kind des Feuers, wie das Licht! »Der Mensch,« sagt Wimmer, »sich schämend, seine Unwissenheit zu gestehen, nimmt seine Zuflucht zu Worten, um mit ihrer Hilfe sich mitunter selbsttäuschend vorzuspiegeln, er wisse, was er nicht weiß.« Diesem Umstande haben die Worte: Element, Stoff, Kraft und dergleichen ihr Dasein zu danken. Indem wir also von Elementen sprechen, erklären wir damit: daß wir Wirkungen erkennen, deren Ursachen nothwendig vorhanden, aber uns nicht klar sind.« – Feuer ist das Auflösen, Sichentwickeln gewisser[110] Stoffe, animalischer, vegetabilischer, mineralischer Bestandtheile; sein entbindendes Element ist die Luft, denn ohne Luft kein Feuer, die Luft ist die Nahrung des Feuers und ohne Luft hin und wieder doch Licht; denn der Phosphor leuchtet auch im luftleeren Raume, wie das faule Holz. Wimmer sagt, wo er von der Schöpfung der Sphären spricht: »der Hauch Gottes, der schaffende Wille, erscheint mir als störend das Gleichgewicht der Elemente in der Tiefe. Einmal gestört, mußten sie den Gesetzen, die in ihnen selbst lagen, gehorchen. Die Bewegung, welche aus der Störung dieses Gleichgewichts entstand, führte verwandte Elemente zur Vereinigung. Der Feuerstoff oder das Licht vereinte sich mit dem Aether und ward Wärme, Elementarfeuer. Der Wasserstoff verband sich mit dem Irdenstoff und es entstand ein Niederschlag, Nebelflecken, wie wir jetzt deren noch immer unzählige bemerken, als werdende Welten. Leben gebend, zog die Wärme die kalten Stoffe, den Irden und Wasserstoff, um sich, und indem die verschiedenen Stoffe, sein und grob, warm und kalt sich mengten, entstand jene chemische Wechselwirkung, welche lösend und verbindend die verschiedenen Stoffe modisizirte. Die natürliche Bewegung ward durch das Streben der Stoffe, ihr Sein zu behaupten, kreisförmig, und die Anhäufung des Wärmestoffes oder des Feuers durch Reibung der gröbern Theile wirkte erhitzend auf den Irden- und Wasserstoff. Die Wirkung war diejenige, welche wir täglich sehen. Das Wasser löste sich in Dunstkügelchen auf, die, selbst wieder kleine Sphäroiden bildet, im Raume kreisten, während der schwere Irdenstoff sich niederschlug, und erhitzt zur geschmolzenen, glühenden Masse wurde. Durch die Wärme gewirbelt, fliegen diese Massen auf unregelmäßigen Bahnen durch den Raum. Wir sehen sie noch heut zu Tage als Sternschnuppen, Meteore, feurige Kugeln, Nebelmassen, Kometen; wie Blüthen eines Baumes fallen ja unendliche als Weltenfruchtkeime, die nie zur Reise kommen, selbst in unsern Planeten herein, sobald sie sich in seinen Wirkungskreis verirren.« –[111] Und so ist es dieselbe unnennbare Kraft, die das Sphäroid im Raume regelmäßig herumtreibt, die im Kiesel schlummert, von der Sonne glühende Pfeile herabschießt, im Vulkane brüllt, die Traube reist, das Schiff durch die widerspenstigen Wogen des Weltmeers treibt, den Demant verkohlt, Krystalle schmelzt, in der Atmosphäre schlummert und dem Sumpfe entsteigt, um wieder die Wolke zu schwangern. – Wir schließen mit Schillers Worten:

"Wohltätig ist des Feuers Macht,

wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht,

und was er bildet, was er schafft,

Das dankt er dieser Himmelskraft."

Siehe die Artikel Licht und Wärme.

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Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 4. [o.O.] 1835, S. 109-112.
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