London

[406] London. Dieser merkwürdige, in mancher Rücksicht einzige Ort in der Welt, die Hauptstadt des Brittischen Reichs, der größte Handelsplatz, den es giebt (mit einem Seehafen), welcher gegen eine Million Einwohner zählt, eine Anzahl, die im Winter durch den Englischen Adel noch ansehnlich vermehrt wird, besteht aus [406] drei Haupttheilen, 1) aus der eigentlichen Stadt London (welchen die Engländer die City nennen, und der den östlichen Theil ausmacht); 2) aus Westminster (oder, richtiger zu reden, aus der westlichen Seite der Stadt, von dem die eigentlich so genannte Stadt Westminster nur einen kleinen Theil ausmacht und 3) aus Southwark. – Er liegt an der Themse, in der Grafschaft Middlesex; doch gehören mehrere Theile von London noch zu andern Grafschaften. Die ganze Stadt ist sieben Englische Meilen lang, und über eine halbe Deutsche Meile breit, und faßt 130,000 Häuser in sich; man zählt allein über 300 gottesdienstliche Gebäude, 22 Hospitäler und 95 Armenhäuser daselbst. – Das eigentlich so genannte London oder die City bildet mit der westlichen Seite der Stadt sowohl in Rücksicht auf die Beschaffenheit der Häuser, als auf die Bewohner derselben, einen auffallenden Contrast. Die Häuser in der City, welche größten Theils nach der erschrecklichen Feuersbrunst im Jahre 1666 (wo 13,400 Häuser, 87 Kirchen, 26 Hospitäler u. s. f. abbrannten) aufgebaut worden, sind unregelmäßig, unbequem und in engen schlechten Straßen versteckt; und so wie der Hof, welcher seinen Sitz in Westminster hat, ohnedieß einen großen Theil der großen und glänzenden Welt dahin versammelt, so ist auch noch besonders seit den letzten dreißig Jahren eine ordentliche Volkswanderung nach dem westlichen Theile der Stadt geschehen, der allgemein für den Sitz der großen und feinen Welt gehalten wird, so daß zwischen beiden Theilen der Stadt in Rücksicht der Sitten eine merkliche Verschiedenheit, und deßhalb auch eine gewisse gegenseitige Verachtung und Eifersucht Statt findet. – Unter die großen öffentlichen Gebäude in der City gehört die Börse und die Bank (welche letztere in der That prächtig ist); in deren Nähe sich eine zahllose Menge Kaffeehäuser (auf denen große Geschäfte gemacht werden), das Posthaus, die Assecuranzhäuser, der Pallast des Lord Majors (der ersten Magistratsperson in der City), the Mansion-house genannt, die Häuser der Ostindischen und anderer Handlungsgesellschaften, die Wohnungen fast aller Banquiers u. s. f. kurz alles befindet, was den Gang der Geschäfte beschleunigen kann. Ferner sind in der City merkwürdig: die vortreffliche Wasserkunst [407] unweit der Londner Brücke, wodurch die Stadt mit Wasser aus der Themse versehen wird, und welche i. J. 1582 ein Deutscher, Namens Moritz, anlegte und Hadley nachher verbesserte; die Paulskirche, ein Werk von einer erstaunenden Größe, das jedoch zu versteckt liegt, um die gehörige Wirkung zu thun; die Tower, ein altes Fort, wo ein wichtiges Archiv und die Reichskleinodien verwahrt werden, das ferner der einzige Münzort im Königreich ist und auch zum Staatsgefängniß dient; das Bedlam-Hospital (s. diesen Art.); das Versammlungshaus der Akademie der Wissenschaften. – In dem westlichen Theile der Stadt, der ganz von der City abgesondert ist, wo man fast nichts als zierliche Häuser, prächtige Plätze, schnurgerade, herrlich erleuchtete Straßen und das schönste Steinpflaster in Europa sieht, und welcher fast mehr als die Hälfte von ganz London ausmacht, bemerken wir: den St. James Pallast, die königliche Residenz, ein altes unregelmäßiges Gebäude, auf dessen Platze ehedem ein dem h. Jacob (St. James) gewidmetes Hospital stand; die Westminster-Abtei oder Kirche, eins der größten vorhandenen Meisterstücke der Gothischen Baukunst, wo das Begräbniß der Könige und einer Menge berühmter Männer aller Stände, mit einer unzähligen Menge der herrlichsten Denkmähler ist (unter welchen letztern wir hier die Denkmähler von Heinrich VII. und Heinrich VIII. von Newton, Shakespear und Händel auszeichnen); Westminsterhall, wo der König gekrönt und Gericht gehalten wird; das Parlamentshaus, ein altes schlechtes Gebäude; die große und prächtige Westminster-Brücke, 1223 Fuß lang und 44 Fuß breit, welche vor ungefähr 30 Jahren geendigt wurde und 150,000 Pf. St. kostete (außer dieser Brücke giebt es noch zwei große Brücken in London, die Londner Brücke und die Blakfriarsbrücke, welche, nach Beendigung der Westminster-Brücke, im Mittelpunkt der Stadt errichtet ist und diese an Zierlichkeit und Pracht noch übertrifft); mehrere Kirchen in vortrefflichem Geschmack; mehrere schöne Plätze, in deren Mitte gewöhnlich ein schöner grüner Platz zum Spazirengehen eingerichtet ist, vorzüglich Großvenor Square, mit der Statue Georgs I. zu Pferde; der prächtige Pallast [408] der Königin; Carls ton House, der Pallast des Prinzen von Wallis; der St. James-Park (s. diesen Art.); Sommersethouse, ein von der Nation erbauter prächtiger Pallast, worin der königlichen Akademie der Künste (zu deren Präsident nach Reynolds Tode West gewählt wurde) Zimmer eingeräumt sind; das Coventgarden-Theater; das Drurylane-Theater, das angesehenste in London, welches vor einigen Jahren von neuen gebaut worden ist; das Opernhaus zu Haymarket; das prächtige Pantheon, wo Concerte, Bälle und Maskeraden gehalten werden, welches aber vor einigen Jahren abbrannte und neu erbaut wird; das Brittische Museum, eine Sammlung von schätzbaren Alterthümern und Seltenheiten, welches zuerst aus der Sloanischen Sammlung von Naturalien und Alterthümern entstanden, und vor nicht gar langer Zeit mit dem vortrefflichen Cabinet des berühmten Ritters Hamilton vermehrt worden ist, und auch in einem schönen Gebäude aufbewahrt wird (außer dem Brittischen Museo sind als Privatcabinete vorzüglich die vortreffliche Huntersche Münz- und Medaillen-Sammlung, unstreitig die erste in der Welt, und der Naturalienschatz des Ritters Ashton Lever, welcher vorzüglich eine unendliche Sammlung von Vögeln enthält, zu bemerken); das Findlings-Hospital; das London-Infirmary oder Hospital, eine der schönsten Anstalten in ganz England. – Southwark, in der Grafschaft Surrey; hier ist vorzüglich das merkwürdige Schuld-Gefängniß Kings-Bench zu bemerken, innerhalb dessen die Gefangnen (welche nicht selten ihre Familien mit sich dahin nehmen) die größte Bequemlichkeit und Freiheit genießen, so daß sie sogar Bälle und Concerte darin geben. – Eine Englische Meile von der Stadt, in dem Dorfe Chelsea, liegt das berühmte Ranelagh, in dessen ungeheuren und prächtigen Salon täglich (Sonntags ausgenommen) vom April bis Juli glänzende Concerte gegeben werden, und zwei Englische Meilen von der Westminster-Brücke der berühmte Garten zu Vauxhall, einem schönen Dorfe an den Ufern der Themse, wo vom Mai bis August ebenfalls (mit Ausnahme des Sonntags) täglich Concerte gegeben werden. – Uebrigens ist zu bemerken, daß London seit [409] den letzten dreißig Jahren ungeheuer – durch mehr denn 50,000 neue (gewöhnlich schöne, doch nicht pallastähnliche Häuser, deren man in London wenig trifft) Häuser – vergrößert worden ist; nur schade, daß das schönste Gebäude wegen des Steinkohlen-Dampfs seine äußere Schönheit nicht lange behält, sondern auswendig schwarz wird! Endlich ziehen noch zwei Dinge die Bewunderung der Fremden an sich, die sich zwar nach dem Gesagten vermuthen lassen, welche aber selbst die höchste Vorstellung davon übertreffen sollen: das außerordentliche Gewühl von Menschen in London; und dann die ungeheure Zahl, die angenehme Ordnung und die reiche Pracht der Kramladen daselbst.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 2. Amsterdam 1809, S. 406-410.
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