Ritter

[277] Ritter, heißen ursprünglich in Deutschland diejenigen Freigebornen, welche ihren Obern die schuldigen Kriegsdienste auf eigne Kosten zu Pferde zu leisten im Stande waren. Zwar mußte vor und nach Carls des Großen Zeiten schon ein jeder, der etwa ein Lehn oder eine andre Besitzung hatte, mit ins Feld, mußte sich auf ein halbes Jahr aus seinen Mitteln mit Waffen und Kleidung, und auf drei Monathe sogar mit Lebensmitteln versorgen und seinem Obern im Kriege dienen: doch brauchte dieß nicht schlechterdings zu Pferde zu geschehen; denn die Deutschen Heere hatten in diesem Zeitraume noch wenig Reiterei. Als aber die Deutschen in der Folge mit den Avaren, die an der Donau lang hin (in dem heutigen Ungarn) wohnten, durch Kriege bekannt geworden waren, so war auch nun in Deutschland eine andre Bildung, eine andre Disciplin, kurz, eine andre Kriegskunst nöthig. Diese Avaren hatten leichte Pferde, waren leicht bewaffnet, ließen sich nicht leicht in ein Treffen ein, sondern suchten vielmehr ihren Feinden durch schnelle Wendungen zu schaden, indem sie solche zu überfallen oder zu umringen trachteten, um hernach ein desto größeres und schauderhafteres Blutbad mit ihren Pfeilen unter denselben anrichten zu können. Dieß ward ihnen bei den Deutschen um so leichter, da diese so schwer geharnischt waren, schwere Pferde hatten, auch schwere Lanzen und große, unbehülfliche Schwerter führten, nicht zu verschweigen, [277] daß die Deutschen Heere meist aus Infanterie bestanden, welche, bei der damahligen Art Krieg zu führen, gegen eine leichte Reiterei an sich wenig oder gar nichts auszurichten im Stande war. Unter solchen Umständen nun, und daß die Deutschen Heere es mit jenen fremden Völkern, den Avaren, aufnehmen konnten, mußte man auf eine bessere und zweckmäßigere Reiterei bedacht sein. Dieß geschah, und die reichern Besitzer ließen sich dazu gebrauchen. Nicht lange blieben ihre Heldenthaten unbekannt, sondern die Heerführer ehrten sie bald auf eine solche ausgezeichnete Art, daß dabei die Verdienste, die ehedem andre Freigeborne bei jener alten Art Krieg zu führen sich erworben hatten, ganz verdunkelt wurden. Sie nannten sich nun ausschließungsweise milites, und fingen an sich für besser zu halten, als für bloße Freigeborne; aber endlich waren sie auch immer mehr und mehr auf die Vergrößerung ihrer Güter und Besitzungen bedacht, und brachten es dahin, daß sie dieselben erblich erhielten, unter dem Beding jedoch, daß sie ihren Obern in Kriegen auf eigne Kosten zu Pferde beizustehen verbindlich wären, welche Verbindlichkeit sie eidlich ihren Obern zusagen mußten. Ihr Dienst dauerte aber jetzt nicht auf so lange Zeit, sondern nur auf 6 Wochen.

Von hier an fangen sich die eigentlichen Ritterzeiten und das so genannte Ritterwesen in der Geschichte an; von hier an empfängt aber auch zugleich der in und außerhalb Deutschland gewöhnlich gewordne Lehnsnexus seine wahre, feste Ausbildung und Beständigkeit: aber auch die Entstehung des niedern Adels ist hier zu suchen. Unter diesen Rittern standen die Bannerherren in ganz vorzüglichem Ansehen, so wohl bei den Obern, als unter den Rittern selber. Es wurden aber nur diejenigen Ritter mit dem ehrenvollen Beinamen, Bannerherren, belegt, denen ihr Herzog eine Fahne oder Bannier ertheilt hatte, daß die von ihnen abhängigen Mitstreiter sich an sie anschließen sollten. Um aber diese Bannerherrenwürde behaupten zu können gehörte Vermögen dazu: denn es mußte ein solcher Mann die von ihm abhängigen Ritter, wenn sie kein Vermögen hatten, aus seinen Mitteln ausrüsten und unterhalten. Seitdem nun in den Kriegen auf die Reiterei (Cavallerie, Ritterschaft, gleichbedeutende [278] Worte in diesem Zeitraume) so sehr viel ankam, so konnte es freilich nicht fehlen, daß so ein Ritter nicht hätte Anlaß haben sollen, auf andre Freigeborne mit Stolz und Verachtung herabzublicken, besonders da sein Oberer selbst ihm mit so vieler Auszeichnung begegnete; ja, es konnte wohl nicht fehlen, daß man in diesen Ritterzeiten die Ritterwürde nicht für die höchste Ehrenstufe hätte halten sollen, zumahl da so ein Ritter, wären auch seine Besitzungen von nicht zu großem Umfange gewesen, schon in der Ritterwürde Gelegenheit hatte, vermöge der Ritterspiele, an denen er Theil nehmen durfte, an die Obersten im Staate sich anzuschließen und auch wohl seine Besitzungen zu vermehren. Nicht zu verschweigen, daß selbst die Obern die Ritterwürde suchten und zu solcher sich einweihen ließen.

Zwar sind jene Ritterzeiten, da nun stehende Armeen errichtet worden, schon langst vorbei; zwar bewirkt seit vielen Jahren der Briefadel, was ehedem bloß der Ritter durch seine Dienste im Kriege sich zu verschaffen im Stande war: indessen haben sich doch noch aus jenem Zeitraume her jene der Ritterschaft sonst verliehenen oder von derselben angemaßten Rechte bis auf die gegenwärtigen Zeiten großen Theils erhalten; freilich in dem einen Staate mehr als in dem andern, je nachdem unserm niedern Adel es mehr oder weniger gelungen ist, gegen den Regenten sowohl, als gegen die übrigen Mitunterthanen, die Bürger sich Einfluß zu verschaffen und sich mehr oder minder wichtig zu machen.

Es lassen sich aber diese dem niedern Adel oder der Ritterschaft (jetzt gleichbedeutende Worte; denn im niedern Adel wird, genau genommen, die Ritterschaft des Mittelalters gegenwärtig fortgepflanzt) noch übrigen Rechte füglich in persönliche und dingliche Rechte abtheilen. Jene kommen dem Adel als Adel vorzugsweise in einem Staate zu; diese aber schränken sich auf gewisse Besitzungen ein. Zu der erstern Classe gehören folgende: 1) daß jeder Adliche seinem Geschlechtsnamen die Partikel von, von dem, von der, zu, de vorzusetzen berechtigt ist; da hingegen alle diejenigen, die bürgerlichen Standes sind, ihren bloßen Geschlechtsnamen hinsetzen; 2) daß Adliche in mehrern Staaten auf Officiersstellen in der Armer vorzüglichen Anspruch zu machen berechtigt sind; 3) daß zu [279] gewissen Hofstellen bloß Adliche befördert werden, z. B. zu Kammerherren und dergleichen, wobei man meist auf ritterartigen Adel sieht; 4) daß zu gewissen Präbenden und Stellen ausschließungsweise der alte Adel nur gelassen wird, z. B. in den hohen geistlichen Stiftern; 5) daß ferner bloß alter Adel in gewisse Orden aufgenommen, und der davon abhangenden Präbenden theilhaftig werden kann, z. B. in den Deutschen Orden, in den Maltheser- oder Johanniterorden; 6) daß bloß Adliche in der Regel Lehn- und Rittergüter eigenthümlich an sich zu bringen berechtigt sind, wenn nicht dieses Recht auch Bürgerlichen vermittelst Privilegiums, oder vermöge rechtsverjähtter Observanz zuständig ist; 7) daß ein Adlicher schon wegen seiner Person einen privilegirten Gerichtsstand hat, wäre er auch ohne Besitzung; 8) daß Adliche in gewissen hohen Collegien sich von ihren Collegen bürgerlichen Standes absondern können, und ein eignes Latus ausmachen dürfen; 9) daß überhaupt ein jeder Adliche über jeden unberangten Bürgerlichen den Vorrang genießt; 10) daß der Adliche ein adliches Wapen führen darf, das heißt, ein Wapen mit Helm und Schild.

Die dinglichen Rechte unsrer heutigen Ritterschaft oder des niedern Adels machen die zweite Classe aus. Sie haften auf ihren Besitzungen und dauern fort. Dahin gehören folgende: 1) die Landtagsfähigkeit. In mehrern Deutschen Provinzen ist zum Besten des Landes den Ständen ein gewisser Einfluß verstartet; um nun diesen zeigen zu können, werden die Stände versammelt. Gemeiniglich theilen sich dieselben in zwei Hauptclassen ab, nehmlich in Ritterschaft und Städte. Letztere erscheinen bei diesen Versammlungen vermittelst gegebnen Auftrags durch Deputirte; die von der Ritterschaft aber ein jeder in Person, und zwar vermöge seiner Besitzung. Dieses Recht nun, auf dem Landtage erscheinen zu dürfen, bleibt dem Gute eigen, sollte auch dasselbe in die Hände eines Bürgerlichen kommen. Daher muß auch der Ruf zum Landtage an jeden Rittergutsbesitzer, ohne Unterschied des Standes und der Geburt, geschehen. Freilich muß man in manchen Landen Deutschlands, wie z. B. in Chursachsen, das Recht, auf Landtagen erscheinen zu dürfen, sehr genau von der Landtagsfähigkeit eines Gutes unterscheiden. Diese, die Landtagsfähigkeit [280] bei Lehn- und Rittergütern, ist dinglich, das heißt, sie haftet auf dem Gute, und verpflanzt sich auf jeden Besitzer; die Ausübung der Landtagsfähigkeit aber ist gewisser Maßen auch zugleich persönlich, oder vielmehr gemischt. Denn a) daß einer vermöge Besitzung landtagsfähig werden könne, dazu gehört ein Gut, dem diese Qualität, die Landtagsfähigkeit, ankleben muß; und b) daß die Landtagsfähigkeit des Guts in Ausübung gesetzt werden könne, dazu wird ein adlicher Besitzer, und zwar, wie bei uns in Chursachsen, ein Landtagsfähiger vom Adel erfordert1.

[281] Ein andres dingliches Recht der Ritterschaft ist 2) die Steuerfreiheit. Der Grund zu dieser Befreiung ist[282] in den ehemahligen Ritterdiensten zu suchen, wozu der Adel oder die Ritterschaft verbindlich war. Ehedem, das heißt, so lange der Adel die Ritterdienste that, war es sehr billig, daß er um derselben willen für seine Besizzungen diese Befreiung genoß. Dieß geschah, und es brauchte der Adliche von wegen seines Guts auch nicht das mindeste zu den Steuern zu contribuiren. Nachdem aber die Ritterdienste aus der Mode gekommen sind, so würde es sehr unbillig sein, wenn von den Besitzern adlicher Güter oder der Rittergüter nichts zu den Bedürfnissen eines Landes beigetragen werden sollte. Und hierzu [283] sind auch heut zu Tage in jedem Lande diese Güterbesizzer pflichtig, obwohl solche Prästationen nicht überall Steuern heißen, auch dieselben gemeiniglich weit leidlicher zu sein pflegen, als die Steuern, die ein andrer Unterthan zum Besten des Landes zu entrichten hat. – In Chursachsen sind manche Rittergüter steuerfrei geblieben – und das sind meist die altkanzleischriftsäßigen Güter; – dagegen müssen von andern Steuern entrichtet werden, nehmlich von den neuschriftsäßigen Gütern. Diese letztern heißen daher, eben um des Umstands willen, daß Steuern davon zu entrichten sind, beschockte Güter, jene aber, wo keine Steuern zu entrichten sind, unbeschockte Güter. Die Besitzer der unbeschockten Güter bewilligen auf jedem Landtage wegen dieser Befreiung ein gewisses Aequivalent, welches pro rata von ihnen beigetrieben wird. – So genießt

3) die Ritterschaft für ihre Rittergüter auch die Befreiung von Einquartierung als ein dingliches Recht; eine Befreiung, die ebenfalls aus den alten Ritterzeiten sich herschreibt. Diese Befreiung jedoch schränkt sich heut zu Tage bloß auf Friedenszeiten, und auch bloß auf den wirklichen Rittersitz ein. In Chursachsen genießen alle Rittergutsbesitzer diese Befreiung für den eigentlichen Rittersitz in Friedenszeiten, z. B. bei Durchmärschen und Cantonirungen, und kommt jener Unterschied unter amts- und schriftsäßigen, und, bei den letztern, unter alt- und neuschriftsäßigen Rittergütern nicht in Anschlag. Hätte jedoch der Rittergutsbesitzer in seinem Dorfe auch zugleich ein Bauerngut, wie es sehr oft der Fall ist, so wird auf solches, gleich andern Bauergütern, auch Einquartierung hingelegt.

Ein anderweitiges dingliches Recht, was der Rittergutsbesitzer wegen seines Gutes ausüben darf, ist 4) das Recht, Bier zu brauen. Dieses Recht ist freilich bald von größerm, bald von geringerm Umfange. So viel Vier brauen, als zum Hauswesen gebraucht wird, darf in der Regel jeder Gutsbesitzer. Man nennt dieß: zum Tischtrunk brauen. Allein so zu brauen, daß mit dem gebrauten Biere ein Gewerbe getrieben werden könne, entweder daß dasselbe an die Ortseinwohner verkauft, oder wohl gar in fremde Orte zum Verkauf geschafft werden könne, dieß Recht steht nicht jedem Rittergute zu, besonders nicht demjenigen, welches noch nicht eine Meile [284] von der nächsten Stadt entfernt liegt, weil widrigenfalls jenes Bierzwangsrecht, das den Städten als ein Zweig der bürgerlichen Nahrung verliehen ist, dabei zu sehr geschmälert und beeinträchtigt würde.

Die sogenannte Patrimonialgerichtsbarkeit, welche so sehr vielen, ja wohl den mehrsten Rittergütern zusteht, unter die dinglichen Rechte der Rittergüter ganz unbedingt aufnehmen zu wollen, ist nicht, wenigstens nicht dergestalt richtig, daß dem Rittergute bloß um des Umstandes willen, weil es die Rechte eines solchen Gutes hat, auch die Gerichtsbarkeit zustehen müsse. Zwar leiten manche Rechtsgelehrte die Entstehung dieser Patrimonialgerichte aus jenen Zeiten her, wo die Rittergutsbesitzer ihre Unterthanen als Leibeigne behandelten; allein, wenn man auch zugeben muß, daß manches Rittergut den Rechtsgrund zu der ihm anklebenden Gerichtsbarkeit aus jenen Zeiten, wo Leibeigenschaft galt, herleiten könne, so gilt das nicht im Allgemeinen. Zudem sind ja erst in neuern Zeiten, und nachdem schon lange vorher die Leibeigenschaft verschwunden war, hin und wieder viele Rittergüter entstanden, auf welchen ebenfalls diese Patrimonialgerichtsbarkeit haftet. – Nein, die Patrimonialgerichtsbarkeit ist, so wie überhaupt jede Art der Jurisdiction, ein Ausfluß aus der Landeshoheit, ein Regale. Gleichwie aber jedes niedre Regale entweder durch Verträge mit dem Landesherrn, oder durch Verjährung undenklicher Zeit erworben werden kann, so kann dieß ebenfalls auch mit der Patrimonialgerichtsbarkeit der Fall werden. Den Beweis, daß diese Patrimonialgerichtsbarkeit nicht bloß als ein den Lehn- und Rittergütern zustehendes dingliches Recht angesehen werden müsse, mögen diejenigen einzelnen Häuser und kleine unbedeutende Plätze hier abgeben, die, ohne ritterschaftliche Eigenschaft in sich zu vereinigen, diese Patrimonialgerichtsbarkeit haben; so wie im Gegentheil sich hin und wieder wirkliche Lehn- und Rittergüter finden, auf denen die Patrimonialgerichtsbarkeit nie gehaftet hat. So viel ist inzwischen richtig, daß, wenn einem Rittergute die Patrimonialgerichte zustehn, solche nun auch als ein demselben anklebendes, als ein dingliches Recht zu betrachten sein, und als solche auf jeden Besitzer übergehn.


Fußnoten

1 Beinahe sollte man veranlaßt werden zu glauben, daß, da die Landtagsfähigkeit der Rittergüter so viele Einschränkungen annimmt, dieselbe nicht unter die dinglichen Rechte der adlichen Rittergüter gezählt werden könnte. Aber nein, sie bleibt ein dingliches oder dem Rittergute anklebendes Recht; nicht zu verschweigen, daß alle diese Einschränkungen bloß die Ausübung desselben betreffen. Ja, auch dann noch würde die Landtagsfähigkeit ein dingliches Recht für das Gut sein können, wenn dieselbe auch noch eingeschränkter wäre. Noch entsteht hierbei die Frage: ob denn sogar zum Wesen eines Lehn- und Ritterguts in unsern Tagen die Landtagsfähigkeit gehöre? Diese Frage muß freilich, wenn man einen Blick auf die Entstehung der Rittergüter richtet, im Allgemeinen bejahet werden; es lassen sich aber, wenn man auf einzelne Deutsche Staaten sieht, freilich viele Ausnahmen auffinden, so daß man leicht in die Versuchung kommen kann, das Gegentheil zu vertheidigen. In Chursachsen z. B. unterscheidet man unter schriftsäßigen und amtssäßigen Gütern. Letztere heißen deßwegen so, weil deren Besitzer das churfürstliche Amt, unter dem sie liegen, in Prozeßsachen als die erstere Instanz anerkennen müssen, und deren Gerichte auch ihre erstere Appellationsinstanz hier finden. Diesen amtssäßigen Rittergütern nun klebt keine individuelle Landtagsfähigkeit an, sondern es werden unter jedem Amte ein oder mehrere landtagsfähige Besitzer amtssäßiger Rittergüter zum Landtage gerufen und beordert. Schriftsäßige Rittergüter aber heißen in Chursachsen diejenigen, deren Besitzer bloß in der Landesregierung oder in sonst einem hohen Landes-Collegium, das eine der Landesregierung gleich hohe Gerichtsbarkeit ausübt, als der erstern Instanz, Recht zu leiden pflichtig sind, und deren Gerichte wiederum auch bloß ein solches hohes Collegium als ihre Appellationsinstanz anzuerkennen brauchen. Dieß ist in Chursachsen der wahre Unterschied und das richtige Kennzeichen unter amts- und schriftsäßigen Rittergütern. Um aber die Landtagsfähigkeit eines Ritterguts richtig zu begreifen, und um zu wissen, ob demselben solche zustehe oder nicht, muß man selbst wieder unter den schriftsäßigen Rittergütern unterscheiden, ob solche altschriftsäßig, oder nur neuschriftsäßig sind. Jenen, den altschriftsäßigen, oder, genauer ausgedrückt, den altkanzleischriftsäßigen Rittergütern, steht die Landtagsfähigkeit ordentlich als ein dingliches Recht nebst der Steuerfreiheit und andern in Sachsen noch übrigen Rittergutsrechten zu; hingegen geben die neuschriftsäßigen Güter ihren Besitzern weder Landtagsfähigkeit, noch andre ritterschaftliche Rechte, sondern sie befreien sie bloß von dem Gerichtsstande des Amtmanns. Dieser auffallende Unterschied unter alt- und neuschriftsäßigen Gütern schreibt sich erst aus den neuern Zeiten her, nehmlich seitdem mehrere Rittergüter aus bloßen Alloden entstanden sind, und seitdem mehrere Besitzer amtsäßiger Rittergüter sich von dem Gerichtsstande der Amtleute zu eximiren gewußt haben. Da nun auf diesen so wie auf jenen, vorher schon keine Landtagsfähigkeit haftet, auch von jenen vorher Steuern entrichtet werden mußten; so haben sie auch, so groß auch an sich der Widerspruch sein mag, wenn man sie nehmlich nach den anklebenden Rittergutsrechten alter Zeiten abmessen will, bei ihrer Veränderung und Erhebung zu schriftsäßigen Gütern ihre vorherige Qualität behalten. Diesem bemerkten Unterschiede gemäß, können nun in Chursachsen, wenn von dem der Ritterschaft zustehenden Rechte, auf Landtagen zu erscheinen, die Rede ist, folgende Sätze festgesetzt werden: 1) daß dazu ein altkanzleischriftsäßiges Lehn- oder Rittergut erfördert werde; 2) daß der Besitzer desselben von altem ritterartigen Adel sei; hingegen daß, wenn 3) ein solches altkanzleischriftsäßiges Gut in den Händen eines Besitzers von neuem Adel, oder wohl gar in den Händen eines Bürgerlichen sich befindet, der Besitzer zwar zum Landtage erfordert werde, aber nicht erscheinen dürfe, und sonach das Erfordern oder der Ruf zum Landtage bloß in reservationem juris geschehe. Um nun zu wissen, ob den Gutsbesitzer seine adliche Geburt zu Sitz und Stimme auf dem Landtage qualificire, oder nicht, so muß ein jeder, der ein dergleichen Gut nur erst neuerlich sich acquirirt hat, bei seinem erstesmahligen Erscheinen auf dem Landtage die Ahnenprobe machen. Aller dieser vorstehenden Einschränkungen ungeachtet, welche in Chursachsen in Ansehung der Rittergüter sich vorfinden, bleibt doch die Landtagsfähigkeit – wenn anders sie ihnen wirklich zusteht – ein dingliches Recht derselben; ja sie gehört in der Regel zum Wesen der Rittergüter, nehmlich der altschriftsäßigen Rittergüter.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 4. Amsterdam 1809, S. 277-285.
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