George Jacques Danton

[317] George Jacques Danton, aus Arcis für Aube in Champagne gebürtig, vor der Revolution Advocat (nicht Roßarzt, wie einige fälschlich behaupteten), dann [317] Mitglied der Pariser Municipalität in den Jahren 1791 und 1792, auf einige Wochen, nach dem Umsturze des Königthums, Justizminister, und endlich Mitglied des Nationalconvents. Unter den Französischen Demagogen spielte er eine der wichtigsten, aber auch zugleich zweideutigsten Rollen, bei welcher es immer ungewiß blieb, ob wahrer Eifer für die Beförderung des Guten, oder strafbare Heuchelei und schändlicher Eigennutz seine Schritte leiteten. Danton hatte wenig Erziehung genossen und eigene Bildung beinahe ganz vernachlässigt; alle seine Handlungen trugen daher das Gepräge einer ungebildeten Originalität an sich. Seine Einbildungskraft war eben so gigantisch, wie seine äußere Gestalt, für welche jedermann zurückschreckte und selbst die Freiheit zitterte, wie St. Jüst sich einst ausdrückte. Wenn Danton auf der Rednerbühne sprach, oder vielmehr brüllte, so schien er Verzuckungen zu haben, und schlug mit donnernder Stimme alles darnieder, was sich ihm entgegen stellte. Dieser tobenden Beredsamkeit verdankte er seinen ersten Ruhm, da er in den frühern Zeiten der Revolution einer der heftigsten Volksredner bei den Cordeliers war. Als Mitglied der Municipalität trat er mit seinem Haß gegen den Hof ganz laut hervor, und man rieth daher dem letzern, ihn durch Bestechungen zu gewinnen. Ob nun gleich Danton von dieser Seite nicht ganz unzugänglich gewesen sein mag, da er in der Folge selbst einmal äußerte, »daß bei so einer großen Begebenheit, wie die Revolution, einige kleine Summen, die man für sich behalte, nicht in Anschlag kommen könnten« – so war er doch nicht zu bewegen, etwas für die Hofpartei zu unternehmen, sondern blieb seinen Grundsätzen, welche auf den gänzlichen Umsturz des Thrones gerichtet war, treu. Er nahm den thätigsten Antheil am 10. August; veranstaltete, oder hinderte als Justizminister wenigstens nicht, die empörenden Septemberscenen; machte als Deputirter im Nationalconvent die wüthendsten Motionen, und verband sich auf das Junigste mit Robesviere und Marat. Er glaubte den zerrütteten Staatskörper erst in volle Gährung setzen zu müssen, ehe eine Palingenesie desselben bewirkt werden könnte, und verabscheute deßwegen die halben Maßregeln der immer zwischen Schrecken und Mäßigung hinschwankenden Girondepartei. Ganz Paris zitterte (im Sept. 1792) vor der Ankunft der [318] Preußen; der Convent war entschlossen, seinen Posten zu verlassen, und sich an einen andern Ort zu begeben; alles hatte den Muth verloren, nur Danton nicht. Er bot die ganze Stärke seiner Beredsamkeit auf, und flößte da durch den Furchtsamen so viel Zuversicht ein, daß man einmüthig beschloß, Paris nicht zu verlassen. Ein Mann von so ausgezeichneter Unerschütterlichkeit und Energie würde vielleicht, wenn sich einige einsichtsvolle und rechtschaffene Männer an ihn angeschlossen, und seinen Muth mit ihrer Klugheit geleitet hätten, der Ordnung der Dinge eine ganz andere Lenkung haben geben können. Aber es geschah nicht, und Danton sah wohl ein, daß man ihn ihm Grunde verachtete, und nur so lange benutzte, als man Vortheil von ihm zu ziehen hoffte. Seine eigentlichen Anhänger wurden größten Theils entweder ein Opfer der Gegenpartei, oder sie mißbrauchten die große Gewalt, die er ihnen selbst eingeräumt hatte, und arbeiteten auf seinen eignen Ruin. Danton konnte wohl die kühnsten Plane entwerfen, und auch anfänglich mit vielem Glück ausführen; aber es fehlte ihm die nöthige Beharrlichkeit und Gedult, um alles bis aus Ende zu verfolgen. Zufrieden, die Bahn gebrochen zu haben, überließ er die weitere Ausführung seinen Anhängern, und pflegte der Ruhe und des Genusses. Er befand sich unter den Französischen Commissarien, welche in die Niederlande geschickt wurden; eine Gelegenheit sich zu bereichern, die er in dem vollsten Maße benutzte. Gegen Ende des Sommers 1793 kehrte er höchst mißvergnügt über die Tyrannei der herrschenden Partei, welche damals den General Cüstine und die Königin Antoinette zur Guillotine führte, vielleicht auch, um den übeln Eindruck, den sein Betragen in den Niederlanden erregt, durch diese Entfernung desto eher verlöschen zu lassen, in seinen Geburtsort zurück, und entwarf daselbst in ländlicher Ruhe wahrscheinlich neue Plane, wodurch eine andere Ordnung der Dinge herbeigeführt werden sollte. Aber es war zu spät, er konnte bei seiner Rückkunft nach Paris sich den ehemaligen Einfluß nicht wieder verschaffen, und wurde endlich von dem verschlagenen Robespierre, der in ihm schon längst einen gefährlichen Nebenbuhler gefürchtet hatte, gestürzt und auf das Schafott gebracht. Man nahm ihn gegen Ende des Märzes 1793 bei Nacht gefangen, brachte ihn vor das Revolutions-Tribunal, und beschleunigte, aus Furcht[319] vor unruhigen Bewegungen, seinen Prozeß so viel als möglich. Schon am 5. April mußte er, als angeblicher Feind der Republik, die Guillotine besteigen. Er blieb bis auf den letzten Hauch standhaft und unerschrocken, beschuldigte aber seine Richter geradezu der Parteilichkeit und Bestechungen. Robespierre frohlockte über seinen Tod, wie einst Sulla über den Fall des Marius, mit welchem Danton vielleicht in mehrerer Rücksicht verglichen werden könnte.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 1. Amsterdam 1809, S. 317-320.
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