Credit

[483] Credit heißt im Geschäftsleben der Glaube und das Zutrauen zu Jemand, daß er seine Verbindlichkeiten pünktlich erfüllen, z.B. ihm anvertraute Waaren zu festgesetzter Zeit bezahlen werde, und von Dem, welcher sich eines solchen Zutrauens erfreut, sagt man: er hat Credit. Dieser gründet sich theils auf die Voraussetzung, daß der Schuldner den guten Willen habe, seinen Verpflichtungen nachzukommen, theils auf den Glauben, daß er auch die Fähigkeit dazu besitze, und endlich auf die Gewißheit, daß er nöthigenfalls zur Erfüllung seiner Versprechungen mit Erfolg und Schnelligkeit gerichtlich gezwungen werden könne. Ohne Credit würde der Handel in seiner jetzigen Ausdehnung gar nicht bestehen können; denn wollte ein Kaufmann nur für den Betrag seines baaren Vermögens Geschäfte machen, so würde er sich selbst bei ansehnlichen Mitteln in seinen Unternehmungen sehr beschränken müssen. Hätte er z.B. 100,000 Thlr. und müßte diese, um amerik. und ostind. Waaren dafür einzukaufen, nach Amerika und Ostindien transportiren, bevor er die Waaren erhalten könnte, so würde das nicht nur sehr umständlich, sondern auch sehr kostspielig und langwierig sein. Er würde sein Capital vielleicht zwei Jahre nicht weiter benutzen können, müßte natürlich die Zinsen sammt den größern Kosten auf die Waaren schlagen und außerdem einen ansehnlichen Gewinn davon nehmen, weil er in zwei Jahren sein Capital nur einmal umzusetzen vermöchte. Anstatt daher, wie jetzt, mit vielleicht drei und vier vom Hundert Gewinn zufrieden, würde er viermal so viel nehmen und also mit Kosten und Zinsen vielleicht um die Hälfte und noch mehr theurer verkaufen müssen, als jetzt, wo man ihm die Waaren auf ein halbes und ganzes Jahr anvertraut oder creditirt, und er also schon viel Geld daraus gelöst haben kann, wenn er sie bezahlen muß. Doch nicht blos der Kaufmann, auch der Landmann und der Gewerbtreibende überhaupt bedarf häufig des Credits, indem Beide mancherlei Auslagen zu machen haben, die sie nicht sofort wiederbekommen und zum Betrieb ihres Gewerbes vielerlei Material und Werkzeuge anschaffen müssen. Wie für den Privatmann, ist auch für den Staat der Credit von sehr hoher Bedeutung, und die Sorge, ihn zu erhalten und zu bewahren, gehört zu den heiligsten Pflichten der Regierung. Wenn sie keinen Credit hat, so wird sie in vielen Fällen die Geldsummen, deren sie zur Erreichung wichtiger Zwecke dringend bedarf, [483] nicht herbeischaffen können und die heilsamsten und nützlichsten Unternehmungen wieder aufgeben müssen. Einem plötzlich im Lande entstandenen Mangel an baarem Gelde läßt sich z.B. oft nicht anders abhelfen, seinen nachtheiligen Folgen für den Verkehr nicht anders vorbeugen, als durch Einführung von sogenanntem Papiergelde oder Erhebung einer Anleihe (s.d.), was aber nur dann und nur in dem Maße geschehen kann, als der Staat Credit besitzt.

Im Allgemeinen sind ein wohlgeordneter Rechtszustand, besonders eine tüchtige Proceß-, Concurs- und Hypothekenordnung, Lebhaftigkeit des Verkehrs und günstige Lage des Landes für Handel und Industrie, Intelligenz, Arbeitsamkeit und Sparsamkeit der Bewohner, eine aufgeklärte, die Interessen des Volks mit Liebe umfassende Verwaltung, gleiche Vertheilung der Abgaben und zweckmäßige Erhebung derselben, Redlichkeit, Offenheit und Sparsamkeit im Staatshaushalte die besten Beförderungsmittel des Credits. Doch ist man demselben häufig noch durch besondere Einrichtungen zu Hülfe gekommen, hat zur Belebung desselben mehr oder weniger zweckmäßige Vorschläge gemacht, und in Bezug darauf sind die Wechsel-, die Bank- und die Versicherungsanstalten (s.d.) von Belang. Man nennt daher Creditsystem jede Einrichtung, welche von einer Gemeinheit oder mehren Gemeinheiten oder von Regierungen zur Beförderung des Credits getroffen wird. Es werden darüber bestimmte Grundsätze öffentlich bekannt gemacht, und in der Regel tritt die ganze Gemeinheit mit ihrem sämmtlichen Vermögen als Schuldnerin ein, wodurch jeder einzelne Gläubiger seine Foderung mehr als nöthig gedeckt sieht und zugleich aus dem moralischen Charakter der Gemeinheit die Überzeugung herleitet, daß sie die übernommene Gesammtverbindlichkeit treu erfüllen werde. Der höchste Grad der Sicherheit wird dann erreicht, wenn der volle Werth der Schuld durch Hypothekenscheine, Pfandbriefe u.s.w. in die Gewalt des Gläubigers mit dem Rechte gegeben wird, sich davon nöthigenfalls bezahlt zu machen. Ein solches Creditsystem wurde 1770 von dem schles. Adel unter dem Namen der schles. Landschafts-Creditbank und in der Kur- und Neumark seit 1777 unter der Benennung kur- und neumärkisches ritterschaftliches Creditwerk mit kön. Genehmigung errichtet und auch mit gutem Erfolge in andern Ländern nachgeahmt. Die gesammte Landschaft läßt bei solchen Vereinen, wenn Jemand Geld borgen will, von ihren Abgeordneten dessen Güter abschätzen, worauf sie dann gestempelte Pfandbriefe bis auf eine gewisse Höhe des Güterwerths ausfertigen läßt, dagegen das Geld aufnimmt und Schuldnerin des Darleihers wird, welcher mit dem eigentlichen Schuldner nichts zu thun hat. Die Landschaft erhebt die Zinsen und läßt sie an den Inhaber der Pfandbriefe, welche wie Staatspapiere auf den Inhaber lauten, auszahlen und besorgt auch durch ihre Bevollmächtigten die Wiedereinlösung der Pfandbriefe. Auf ähnliche Weise können sich auch Creditvereine unter Kaufleuten, Gewerbtreibenden und andern Classen der Staatsbürger bilden, wenn ihnen solches die Regierung gestattet. Sie leisten dann wechselseitig mit ihrem beweglichen und unbeweglichen Vermögen Sicherheit und setzen auf Grund derselben einen angemessenen Werth in Papieren in Umlauf, welche vor den Staatspapieren noch den Vorzug haben, daß sie weniger von den politischen Conjuncturen abhängig sind. – Creditbriefe sind Schreiben, welche an ein Handelshaus oder eine Person den Auftrag enthalten, Jemandem auf Rechnung des Ausstellers Geld auszuzahlen. Ist die Summe nicht bestimmt, sondern dem Belieben des Inhabers überlassen, so nennt man sie offene. Sie sind besonders für weite Reisen sehr bequem und zweckmäßig, indem sie den lästigen und oft gefährlichen Transport des Geldes entbehrlich machen. Für Ausstellung desselben wird gewöhnlich dem Aussteller neben der Summe, auf welche sie lauten, noch ein gewisses Procent vergütet, welches nach den Ländern verschieden ist, wohin sie lauten.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 483-484.
Lizenz:
Faksimiles:
483 | 484
Kategorien: