Tuch

[490] Tuch, Im Allgemeinen wird unter Tuch besonders im Fabrikwesen jedes gewebte Zeuch von Wolle, Leinen oder Baumwolle verstanden, im engern Sinne und im gemeinen Leben legt man aber diesen Namen nur dem bekannten dichten, gewalkten Gewebe von Krempelwollgarn bei, welches vorzugsweise zur Männerkleidung dient. Es wird mit den verwandten Geweben, dem Kalmuck, Tüffel, Fries, Kasimir, Halbtuch, von den Tuchmachern, oder in Tuchfabriken auf dem zu den einfachsten Webstühlen gehörenden Tuchmacherstuhle, aus dem jetzt gewöhnlich von Spinnmaschinen gelieferten Garne verfertigt. Ist dieses aus gefärbter Wolle gesponnen, so erhält man in der Wolle gefärbtes (z.B. wollgrünes, wollblaues) Tuch, wie das feinere immer sein soll; wird aber das roh vom Stuhle kommende Tuch gewaschen und vor dem Walken gefärbt, so heißt es lothloden- oder waschfarben und hält die Farbe immer noch dauerhafter als das später im Stück gefärbte oder Meßgut. Die Güte des Tuchs hängt von der Feinheit und zweckmäßigen Sortirung der Wolle, von der Gleichheit des Garnes, dem Festschlagen beim Weben und langem Walken, wodurch es den sogenannten Kern bekommt, und von der sorgfältigern Behandlung bei dem Färben, Rauhen, Scheren und der weitern Zurichtung ab. Als ein Maßstab der Feinheit gilt die Anzahl der (nach der Länge gehenden) Kettenfäden, deren ordinaire Tuche 1200–1500, oder wenn sie sehr breit sind, bis 2200 zählen, während man bei seinen 3–4000 und mehr rechnet. Das Garn zu diesen muß besser gedreht sein als das zu den (quer laufenden) Einschlagfäden. Alle Tuche müssen ansehnlich breiter gewebt werden, als sie nachher ausfallen, weil sie beim Walken sehr eingehen; ein zuletzt zwei Ellen breites Tuch war z.B. vorher gegen drei Ellen breit; ebenso vermindert sich dabei die Länge auf alle vier Ellen etwa um eine. Das öftere Rauhen, Streichen mit Bürsten, Scheren, Pressen und das Decatiren (s.d.) geben dem Tuche das äußere glatte und glänzende Äußere. Mittelfeine Tuche können durch diese jetzt vervollkommneten Zurichtungsarten, welche vorzugsweise durch die sogenannten Tuchbereiter besorgt werden, den äußern Glanz und die Weichheit seiner erhalten. Bei dem großen Verbrauche des Tuches ist die Verfertigung desselben und der Handel damit stets von großer Bedeutung gewesen. Die feinsten Tuche kamen in frühern Zeiten aus Spanien, wo die feinste Wolle gewonnen wurde, dann zeichneten sich die engl., die niederländ. und die franz. durch die vollkommenste Tuchfabrikation aus, in der aber jetzt manche deutsche und besonders rheinländische Fabriken dem Auslande völlig gleichkommen. Ordinaire Tücher werden besonders im östl. Deutschland sehr viel verfertigt, doch lange nicht mehr in der Menge wie vor der Zeit, wo allein östl. für 12 Mill. Thlr. deutsche Tuche [490] jährlich ausgeführt werden konnten, was der hohen russ. Zölle wegen aber beinahe ganz aufhören mußte. – Auf manchen Meß- und Marktplätzen gibt es theils ältere, theils neuere sogenannte Tuchhäuser, Tuchhallen oder Gewandhäuser, in deren dazu besonders eingerichteten, bedeckten Räumen Tuche und tuchartige Zeuche zum Verkauf ausgelegt werden. – Tuchknappe ist gleichbedeutend mit Tuchmachergesell.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 490-491.
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