Die Franziscaner

[55] Die Franziscaner, welche den ausgebreitetsten aller Mönchsorden bilden, sind Bettelmönche, und verdanken ihren Ursprung dem heiligen Franciscus von Assisi im Herzogthum Spoleto, einem gutmüthigen Schwärmer, der um das Jahr 1208 mit einigen Anhängern eine herumschweifende Lebensart anfing, sich gänzlich von Almosen nährte, und das Gelübde der Armuth zur höchsten Pflicht seiner Geweihten machte. Nach erlangter päpstlicher Bestätigung breitete sich der Orden durch Italien, Frankreich, Spanien und mehrere Lande aus; und Franciscus gab ihm den Namen der Minoriten (fratres minimi), d. h. der niedrigsten Brüder, als ein Zeichen der Demuth: er erlaubte denselben keine andere Kleidung als einen langen Rock von grobem braunem Tuch, eine Kappe und Holzschuhe ohne Strümpfe, Statt des Leibgürtels aber einen Strick. Nach seinem Tode entzweiten sich bald die strengern [55] Ordensbrüder, die man geistliche Brüder nannte, von den minder strengern (Conventualen oder Klosterbrüdern), da letztere, wider die Regeln der Bettelmönche, sich bleibendes Eigenthum sammelten. Nach vielen blutigen und grausamen Verfolgungen trennten sich die erstern ganz von den letztern, besonders im 13. und 14. Jahrhundert; und sie kommen von dieser Zeit an unter dem Namen Observanten oder Minoriten vor. Aus den Franziscanern entstanden viele andere Orden, die alle ihre Regel befolgen, z. B. die Capuziner, Cordeliers, Barfüßer u. s. w. Die Franziscaner bilden einen Predigerorden: sie wurden im Mittelalter nebst den Dominicanern zu den höchsten geistlichen Stellen genommen; und ihr großer, oft sehr schädlicher Einfluß auf Staatssachen ist erst im sechzehnten Jahrhundert durch die Jesuiten geschwächt worden.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 2. Amsterdam 1809, S. 55-56.
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