Heinrich der vierte [2]

[186] Heinrich der vierte war der erste König aus dem Hause Bourbon, und unter allen Französischen Königen derjenige, dessen Andenken bis in die ersten Jahre der Revolution mit der entzückendsten Begeisterung geehrt wurde. Wenn man an die Vorgänger dieses Königs, an Carl IX. und Heinrich III. zurück denkt, und erwägt, wie durch die Grausamkeiten dieser Regenten Frankreich entvölkert, und durch den Lurus und die Sittenverderbniß, die während ihrer Regierungen einriß, verdorben und geschwächt wurde; so wird man bald überzeugt, daß sich Heinrich IV. den Beinamen des Großen weit leichter erwerben konnte, als wenn er verdienstvollere und edlere Fürsten zu Vorgängern gehabt hätte: dessen ungeachtet kann man ihm den Ruhm eines gerechten und weisen Beherrschers eben so wenig als die Ehre eines tapfern und glücklichen Kriegers streitig machen. Sein 1593 erfolgter Uebertritt zu der katholischen Religionspartei war sicherlich nicht das Werk der Ueberzeugung, sondern ein Schritt der Nothwendigkeit und Politik; wahrscheinlich [186] glaubte der König, daß er den Hugenotten, deren Haupt er ehemahls gewesen war (s. Pariser Bluthochzeit) weit wichtigere Dienste würde leisten können, wenn er sich nur erst den ruhigen Besitz des Königreichs gesichert und die Häupter der Parteien völlig unterdrückt hätte. Das Edict von Nantes war im Jahr 1598 eine Folge davon; aber die weitern Absichten des Königs wurden durch den Meuchelmörder Ravail ac hintertrieben, welcher ihn auf der Straße in seinem eignen Wagen 1610 ermordete, nachdem ein gewisser Chastel einige Jahre vorher einen vergeblichen Angriff auf sein Leben gewagt hatte. Die Idee einer allgemeinen christlichen Weltrepublik, welche Heinrich beabsichtigt haben soll, war allerdings groß und edel genug, um in dem Kopfe dieses Königs zu entstehen: allein wahrscheinlich war es dabei zunächst auf die Schwächung der Oestreichschen Monarchie abgesehen; was weiter darauf folgen sollte, glich mehr einem schönen Ideal als einem ausführbaren Entwurfe.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 2. Amsterdam 1809, S. 186-187.
Lizenz:
Faksimiles:
186 | 187
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika