Nero

[244] Nero Claudius Cäsar Drusus Germanicus. Dieser durch Schwelgerei, Wollust und Grausamkeit so berüchtigte Römische Kaiser, geb. im 37. Jahre der christlichen Zeitrechnung, war ein Sohn des Domitius Aenobarbus und der Agrippina (s. Agrippina), die nach dem Tode ihres ersten Gemahls den Kaiser Claudius heirathete und denselben vermochte, ihren ihm zugeführten Sohn zu adoptiren. Nero war 17 Jahr alt, als er nach dem Tode des Claudius von der gewonnenen Leibwache zum Kaiser ernannt wurde. Der Anfang seiner Regierung war ziemlich mild; er gab den wohlmeinenden Rathschlägen des Afranius Burrhus, der General der Garde war, und des Lucius Annäus Seneca, seines Lehrers in der Beredsamkeit, Gehör. Allein bald änderte sich die Scene. Er gerieth in die Gesellschaft der liederlichsten Menschen, die jedes gute Gefühl, das er noch besaß, völlig in ihm erstickten; und nun überließ er sich ohne Scheu einer beispiellosen Schwelgerei, der Befriedigung der niedrigsten Lüste und einer gränzenlosen Verschwendung. Mit unerhörter Grausamkeit wüthete er gegen [244] seine nächsten Anverwandten; er befleckte sich durch den Mord seines Stiefbruders Britannicus, seiner eignen Mutter, seiner Gemahlin Octayia und vieler von den edelsten Römern, unter welchen sich auch Seneca befand, dem er den Befehl zuschickte, sich selbst zu tödten. Um sich an dem Anblicke einer brennenden Stadt zu weiden, soll er Rom anzünden lassen und mit teuflischer Freude dem Brande zugesehen haben.1) Oft waren die Launen dieses Tyrannen höchst kindisch und lächerlich. Da er affectirte, der größte Virtuos in mehreren schönen Künsten, vorzüglich in der Musik und Schauspielkunst, zu sein, so verleitete ihn dieses zu vielen Albernheiten; und er trug kein Bedenken, seine Talente in diesen Künsten öffentlich zu zeigen, wiewohl er nicht darin die Fertigkeiten besaß, wodurch er sich bei seinen Lastern auszeichnete. Endlich war das [245] Römische Volk seiner Ausschweifungen und Grausamkeiten müde; und die Empörung, welche in den Provinzen gegen ihn entstanden war, drang bis nach Rom. Verlassen von allen, entfloh er auf das Landgut eines seiner Freigelassenen, und endigte als Selbstmörder im 32. Jahre seines Alters und im 14. seiner Regierung sein schändliches Leben, als er eben auf Befehl des Senats ergriffen werden sollte.


Fußnoten

1 Ich sage soll; Viele verdammen ihn geradezu als schuldig. Der letzte Punkt, daß ihm die Zerstörung Freude gemacht, scheint außer Zweifel zu sein. Den Brand selbst anlangend, welcher von den vierzehn Quartieren, aus welchen Rom bestand, nur vier unbeschädigt ließ, muß man bemerken, daß er doppelt war: der erste wurde am sechsten Tage gelöscht; aber gleich darauf brach das Feuer in der Wohnung des kaiserl. Günstlings zum zweiten Mahle aus, und dauerte zwei Tage. Streng erwiesen kann es nun gar nicht werden, daß Nero an einer dieser Feuersbrünste oder gar an beiden Theil habe. Gesetzt aber auch, man müsse ihm das Urtheil sprechen, so ist man um so weniger gezwungen, ihm dabei einzig die ganz teuflische Absicht, sich an dem Anblicke des brennenden Roms zu weiden, zuzuschreiben, da man dann, zu Folge seiner bekannten Leidenschaft zu bauen (vermöge welcher er nach diesem Brande seinen ungeheuern Pallast mit dem goldnen Haufe, welcher von dem Palatinischen Hügel bis an den Esquilinischen reichte, erbaute), eher annehmen könnte, das er zu diesem Brande mitgewirkt habe, um freiern Raum zum Bauen zu bekommen.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 244-246.
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