Thales

[109] Thales, einer von den Sieben Weisen Griechenlands, geboren zu Milet in Jonien, zu Anfange der 35. Olympiade (oder ums J. 640 vor Chr. Geburt). Von vornehmer Abkunft und ansehnlichem Vermögen, ließ er sich eine Zeit lang zu Verwaltung öffentlicher Ehrenämter gebrauchen; allein er legte sie nieder, um ganz sich im Stillen der Philosophie und besonders auch der Mathematik und Physik zu widmen. Er ging auch noch spät auf Reisen, besonders nach Egypten, wo er bei den Priestern zu Memphis und Diospolis noch viel Nahrung für seine Studien fand. Durch seine astronomischen und geometrischen Erfindungen machte er sich einen sehr großen Namen, so daß er auch unter die Zahl der Sieben Weisen Griechenlands gesetzt wurde. Unter diesen war er der einzige, der eine philosophische Secte, die Jonische, stiftete. Sein Studiren fesselte ihn so sehr, daß er die Verwaltung seiner Güter seiner Schwester Sohn überließ; über die Betrachtung des Himmels fiel er einst in eine Grube, worüber er freilich dem Spott seiner Magd ausgesetzt wurde, die sich darüber lustig machte, daß er das begreifen wolle, was am Himmel sei, und doch nicht sehe, was vor seinen Füßen auf der Erde liege. Seiner Mutter, die oft in ihn drang sich zu verheirathen, antwortete er, so lange er noch jung war: Es ist noch nicht Zeit, und dann, als er älter war: Es ist nun nicht mehr Zeit. Er starb in der 58. Olympiade (ungefähr 548 vor Chr. Geb.) in einem sehr hohen Alter von etlichen und 90 Jahren. Daß er für den Weisesten seiner Zeit gehalten wurde, beweist folgende Anecdote: Batyclus, ein reicher Arkadier, hinterließ seinem Sohne Tyrcus einen goldnen Dreifuß, mit seltenen Figuren geziert, mit der Anweisung, denselben dem Weisesten unter allen Griechen zum Geschenk zu geben. Tyrcus brachte ihn dem Thales; dieser aber sendete ihn an Bias: und so kam er immer weiter, bis an den Solon, der ihn dann wieder dem Thales zusendete. Thales verbat ihn aufs neue, und [109] bat nunmehr, ihn dem Appolinus Dyndimius zu widmen. – In der Geometrie wurden ihm viel Erfindungen zugeschrieben; in der Astronomie soll er zuerst das Jahr in 365 Tage und in die vier Jahreszeiten getheilt, die Tropicos bezeichnet, die Sonnenfinsternisse zuerst ausgerechnet und vorhergesagt haben. In der Physik nahm er das Wasser als das erste Princip aller Dinge an etc.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 6. Amsterdam 1809, S. 109-110.
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