Thales

[437] Thales, einer der Sieben Weisen (s.d.) Griechenlands, Sohn des Examios u. der Kleobuline, geb. zu Milet gegen 640 v. Chr., lebte Anfangs den öffentlichen Geschäften, ließ den Halysfluß abdämmen u. rieth zur Errichtung eines Jonischen Bundesrathes zum Schutz gegen die drohende Macht der Perser, reiste dann nach Ägypten, wo er mathematische u. astronomische Studien machte, nach Kreta, Phönicien u. hielt sich eine Zeit lang am Hofe des Königs Krösos in Lydien auf. Er starb während der Olympischen Spiele, denen er als Zuschauer beiwohnte, gegen 550 v. Chr. Mit Solon soll er eine Unterredung bei Periander in Korinth gehabt haben. Als einst bei Kos ein goldener Dreifuß aufgefunden worden war u. das Orakel zu Delphi denselben dem Weisesten zu verehren befohlen hatte, so wurde er dem Th. zugeschickt. Th. war gewissermaßen der Gründer der Ionischen od. Physischen Schule, u. da jene Schule als die erste in Griechenland galt, so hat man den Th. auch als den Begründer der griechischen Philosophie angesehen. Unter seinen Nachfolgern zeichnete sich bes. Anaximander aus. Die Schriften, welche man später von ihm anführte, sind untergeschoben. Sein Hauptverdienst bestand wohl in dem Losreißen von den mythischen u. poetischen Vorstellungen der Früheren, in der Erhebung zum eigenen Denken u. darin, daß er der Speculation eine bestimmte Richtung gab. Das Grundprincip der Dinge war ihm das Wasser od. das Urfeuchte, woraus durch Verdickung u. Verdünnung Erde, Luft, Feuer, Thiere u. Alles hervorging; Thiere entständen aus feuchtem u. flüssigem Samen u. nährten sich größtentheils durch Flüssigkeiten; Pflanzen keimten aus feuchtem Samen aus, selbst die Gestirne nährten sich aus den wässerigen Dünsten des Meeres; in Wasser löste sich aber auch Alles wieder auf. Ob Th. auch noch ein formales Princip angenommen habe, läßt sich nicht behaupten, obgleich ihm Spätere die Lehre von einer bildenden Vernunft (Weltseele, Νοῦς) beilegen. Sonne, Mond u. Sterne betrachtete er nicht mehr als göttliche Wesen nach dem Volksglauben, sondern als blose Körper. Von den, von den Sieben Weisen herrührenden Gnomen, wird ihm das: Γνῶθι σεαυτόν (Kenne dich selbst!) beigelegt. Er soll auch die Eintheilung des Jahres in 365 Tage u. der Sphäre des Himmels in fünf Kreise (Zonen), den Arktikos, die Wendekreise, den Äquator u. den südlichen Polarkreis, zuerst aufgestellt haben. Sonnenfinsternisse erklärte er durch das Vortreten des Mondes vor die Sonne u. sagte auch eine Sonnenfinsterniß 597 v. Chr. voraus. Vgl. I. H. Müller, De aqua, principio rerum, ex mente Thaletis, Alt. 1718; Döderlein, Animadvers. de Thalete, 1750; Plouquet, De dogmatibus Thaletis, Tüb. 1763; Harleß, De Thaletis doctrina de principio rerum, Erl. 1780–84, 3 Progr., Fol.; Flatt, De theismo Thaleti abjudicando, Tüb. 1785; Göß, Über den Begriff der Geschichte der Philosophie u. das System des Th., ebd. 1794; Ritter, Geschichte der Ionischen Philosophie, Berl. 1821.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 437.
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