Abraham Gotthelf Kästner

[505] Abraham Gotthelf Kästner (geb. zu Leipzig den 27. Sept. 1719), einer der ersten und berühmtesten Mathematiker. Sein Vater, Rechtslehrer auf der Universität zu Leipzig, hatte diesen seinen Sohn ebenfalls zum Juristen bestimmt, und dieser gelangte durch den Umgang mit seinem Vater gleichsam spielend zu einer Menge von Kenntnissen; ohne jemals eine öffentliche Schule besucht zu haben, vollendete [505] er noch im Knabenalter die gewöhnlichen Schulstudien: er ward schon im 12ten Jahre Student, im 14ten Notar, und im 18ten Magister; allein, durch seinen Lehrer, den Prof. Hausen, vorzüglich angezogen, wählte er lieber das Studium der Mathematik. Da er zu lange auf eine Professur harren mußte, so ging er nach Göttingen, ward hier 1756 Professor der Mathematik und Physik, wie auch Aufseher der Sternwarte, wurde 1765 zum Königl. Großbritannischen und Braunschweig-Lüneburg. Hofrath ernannt, und endete hier erst im Jahre 1800 (10. Juni) sein Leben. Theils durch seine zahlreichen sowohl mathematischen als physikalischen Schriften, theils aber auch durch seine Entdeckungen und seine eigenthümliche Methode hat er sich in der Geschichte der Wissenschaften, an deren Spitze er in Deutschland seit einem halben Jahrhundert stand, einen bleibenden Ruhm erworben; seine Lehrbücher verdrängten nach und nach die Wolfischen, die sich bis dahin im Besitz der mathematischen Lehrstühle behauptet hatten, und erhielten den entscheidendsten Einfluß in die Vervollkommnung und Erweiterung des mathematischen Studiums. Mit dem schärfsten Abstractions-Vermögen paarte sich in diesem seltenen Kopfe ein fast unerschöpflicher Witz. Daher die vielen Epigramme, die – vielleicht nicht allemal authentisch – unter seinem Namen bekannt sind. Seine witzige Laune riß ihn oft so hin, daß er dann keines Menschen schonte. Es war ihm unmöglich, einen beißenden Gedanken zurückzuhalten, und er selbst stellte sich das Prognosticon, daß er an verhaltenem Witze sterben werde. Er hatte zwar manche Eigenheiten in seiner Kleidung, in seinen Sitten etc. aber auch sehr viel Güte und Herzlichkeit. – Sei ein Rechenmeister, wie Kästner! war zu seiner Zeit ein ziemlich allgemeines Sprichwort.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 7. Amsterdam 1809, S. 505-506.
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