Jonien

[478] Jonien, eben das im vorigen Art. erwähnte, von Jon gestiftete Reich, welches vor dessen Ankunft Aegialea hieß, theilte sich in 12 Stämme und Städte, die zusammen einen republikanischen Staat ausmachten. Als in der Folge die Achäer aus [478] Argos und Lacedämon von den Heracliden vertrieben wurden, und mit Gewalt hier eindrangen, mußten jene Jonier nach Attika ziehen, und da ihnen der Raum hier zu enge ward, vereinigten sie sich mit mehrern Atheniensern und andern, und gingen zusammen unter Anführung des Neleus, Kodrus Sohn, nach Asien hinüber, sahen sich dann bald im Besitz des ganzen reichen Landstrichs, und behielten hier den Namen Jonien bei. Bald ward dies Land durch Handlung, Schiffahrt, Ackerbau, dessen allem sich die fleißigen, betriebsamen Jonier immer so sehr unterzogen, eins der blühendsten. Zwölf Städte zusammen ausmachend, schlossen sie den berühmten ionischen Bund, unter welchen Ephesus die vornehmste und die Hauptstadt von ganz Klein-Asien war. Anfangs zwar monarchisch und von kleinen Königen beherrscht, wurde ihre Verfassung bald demokratisch; jede Stadt machte einen einzelnen Freistaat, doch hatten sie einen gemeinschaftlichen Bund, zu dessen Feier sie alle Jahre bei einem Tempel des Neptun zusammenkamen und über die gemeinschaftlichen Angelegenheiten sich besprachen. In der Folge, als das Lydische Königreich sich erhob, mußten sich bald mehrere dieser Städte unterwerfen; Crösus nahm ihnen allen ihre Freiheit, doch so, daß sie wenigstens ihre Verfassung gegen Entrichtung eines Tributs, beibehielten; allein Cyrus überwältigte sie bald ganz, und im Jahr der Welt 3440 waren alle Jonier nebst den asiatischen Griechen von den Persern unterjocht. Indessen suchten sie das Joch so viel möglich abzuwerfen, das ihnen auch, als nachher unter Xerxes sie wider ihre eignen Landsleute fechten sollten, gelang, indem sie durch ihren plötzlichen Abfall auch den Sieg der Griechen unter Themistocles gegen die Perser befördern halfen. Sie erlangten denn endlich mit mehreren asiatischen Griechen und durch Hülfe der Lacedämonier und Athenienser (ungefähr 3535) wirklich ihre Unabhängigkeit; diese aber brachte ihnen keinen großen Vortheil, sie wurden doch in der Folge immer wieder von den Persern unterjocht, bis nachher Alexander sie wieder frei machte, bei welcher Freiheit sie sich auch so leidlich erhielten, [479] bis zuletzt die Römer Herren von Asien wurden, und Jonien durch unerschwingliche Abgaben herunterbrachten, wobei sich besonders Sylla und Cassius als wahre Blutigel auszeichneten. Doch brachten Handlung und Künste des Luxus, von den Römern besonders geschätzt, die industriösen Jonier wieder in die Höhe; ja mehrere Städte erhielten noch einen höhern Glanz, als ehedem; allein die Saracenen vertilgten zuletzt diese ihre Blüthe gänzlich.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 7. Amsterdam 1809, S. 478-480.
Lizenz:
Faksimiles:
478 | 479 | 480
Kategorien: