Marie von Medicis [2]

[44] Marie von Medicis, Königin und Regentin von Frankreich, Tochter Franz II. von Medicis, Großherzogs v. Toscana, und Johannens v. Oestreich, 1573 geboren, brachte es durch Schönheit und lebhaften Geist bald dahin, daß viele Fürsten um ihre Hand warben: endlich vermählte sie sich 1600 mit dem großen König Heinrich IV. von Frankreich; allein theils die häufigen Ausschweifungen desselben, theils die ganz einander zuwiderlaufenden politischen Grundsätze beider Personen erregten unter ihnen mancherlei Zwiste. Ihr Gemahl ließ sie, da er sich eben zu einem großen Feldzuge rüstete, am 13. Mai 1610 zur Königin krönen und wollte ihr die Reichsregentschaft übertragen: allein den nächstfolgenden Tag fiel dieser unvergeßliche Monarch unter Ravaillacs meuchelmörderischen Händen! Sehr auffallend ist es, daß dieß gerade an dem Tage geschah; daß einer der Herren, die in der Kutsche mit Heinrich saßen, Matiens Günstling war, und daß die Richter Ravaillacs mit dem ängstlichsten Bemühen jeden Umstand entfernten, der zu einiger Kenntniß der Mitverschwornen hätte führen können: (m. vergl. den Art. Ravaillac), ja viele Geschichtschreiber beschuldigen sogar die Königin selbst als Theilnehmerin an diesem Morde. Allein, war sie auch, nach der Behauptung Vieler, bei jener in undurchdringliches Dunkel gehüllten Geschichte unschuldig, so verdient doch ihr nachheriges Leben, eine Kette von Unordnungen, Intriguen, Schwachheiten, unzeitiger Schärfe, Herrschsucht und Willkühr, den lautesten Tadel. Sie änderte als Regentin und Vormünderin ihres Sohns Ludwigs XIII. den Hauptplan ihres Gemahls, der auf Schwächung [44] der spanisch-östreichischen Macht gieng, stiftete mit Spanien das genaueste Freundschaftsbündniß, und reizte dadurch, so wie durch manchen Druck, die Hugenotten zum Aufstand. Heinrichs Grundsätze ganz verlassend, verabschiedete sie seine Minister, und zog zwar den verdienstvollen Richelieu, Anfangs ihren Günstling, an den Hof, ließ sich aber auch zugleich von dem nichtswürdigen, geistlosen Marschall dʼAncre, den sie aus dem Staube erhoben hatte, und seiner Gemahlin Leonore Galigai beständig leiten, und dieses Ehepaar hatte nun die eigentliche Oberherrschaft über Frankreich, wurde aber zum Glück bald gestürzt. Der Marschall fiel durch Meuchelmord, seine Gemahlin starb auf dem Schaffot, und Marie wurde von ihrem Sohne, der sich vor ihrer Herrschsucht nicht sicher glaubte, 1617 nach Blois verwiesen. Von nun an war ihr Leben eine ununterbrochene Kette von Mühseligkeiten; aber auch im Unglück zeigte sie sich in schlechtem Lichte, da sie, nach vielfachen fruchtlosen Bitten um Wiedereinsetzung in ihre vorigen Würden, mit Ludwigs innern und äußern Feinden correspondirte, und verschiedene Bürgerkriege und Verschwörungen, theils anstiftete, theils begünstigte. Sie mußte, da Ludwig alles erfuhr, nach Compiegne sich begeben, floh aber dann in die spanischen Niederlande nach Brüssel, suchte indessen nicht nur Spanien, sondern auch Karl I., König von England, und sogar des Königs Bruder, den Herzog Gasto von Orleans, zum Kriege gegen ihren Sohn zu reizen. Allein alles wurde, hauptsächlich durch die Wachsamkeit des Cardinals Richelieu, vereitelt, der, uneingedenk der Urheberin seines ganzen Glücks, ihr, um sich wegen empfangener Beleidigungen zu rächen, alle Unterstützung des Königs gänzlich entzog und sie dadurch in die hülfloseste Armuth versetzte. Sie reiste selbst nach England zu Karl I. und suchte Hülfe, mußte aber auf Befehl des Parlaments das Reich verlassen, irrte als eine Verlassene, entblößt von den nothwendigsten Bedürfnissen, umher, und bald endigte der Tod ihre Leiden zu Köln am 3. Jul. 1642. – Sie war zwar unglücklich, und ein Opfer des Verfolgungsgeistes dessen, den sie mit Wohlthaten überhäuft hatte; allein die Stimme des Mitleids darf die historische Wahrheit[45] nicht verdrängen: Herrschsucht und Cabale, große politische Fehler, Despotismus, und Unachtsamkeit auf des Reichs Wohlfahrt, hatten sie mit Recht verhaßt gemacht; die von ihr nachher angestifteten oder beforderten Unruhen trugen allerdings viel zur Zerrüttung Frankreichs bei, die während der ganzen Regierung des schwachen Ludwigs XIII. fortdauerte: und blos ein Mann, wie Richelieu, war fähig, dem gänzlichen Ruin Frankreichs vorzubeugen.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 8. Leipzig 1811, S. 44-46.
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