Walpurgis

[479] Walpurgis, Walpurga, Walburga, eine berühmte Aebtissin zu Heidenheim im 8. Jahrhundert. Sie, eine Tochter Richards, eine Nichte des heil. Bonifacius (s. d. A.) und Schwester des heil. Wilibald war in England gehoren, blieb, den richtigern Erzählungen zu Folge, bei der Abreise ihres Vaters und Bruders nach Deutschland, in England zurück, begab sich dann in das Kloster Winbruna, wo die [479] heil. Tetta Aebtissin war, und nach einigen Jahren, ungefähr in der Mitte des 8. Jahrh., dem Wunsche Bonifacius gemäs, auch nach Deutschland, wo sie in dem Kloster Bischofsheim so lange als Klosterfrau sich befand, bis das Kloster Heidenheim von Wilibald erbauet, und sie von diesem als Aebtissin des zugleich hier mit errichteten Frauenklosters eingesetzt wurde Ihr frommes exemplarisches Leben bewog viele zum Uebergang zum Christenthum; und ihre Tugenden und das viele Gute, was sie stiftete, gaben bald nach ihrem Tode (der ungefähr 776 bis 78 erfolgte) Veranlassung genug, sie als Heilige und Wunderthäterin zu erheben; auch wurden sehr viele Reliquien von ihr aufbewahrt und eben so unterließ man nicht, ihr zu Ehren viele Kirchen, Klöster und Kapellen zu erbauen, und ihr zu widmen. Kein Wunder, daß man denn auch den Saamen zu vielem Aberglauben, welcher besonders an dem Tage oder Nacht, wo ihre Heiligsprechung vor sich gegangen – dem 1 Mai – getrieben wird, ausgestreuet hat. So ist z. B. das Walpurgis-Feuer in manchen Gegenden eine abergläubische Handlung, wo das gemeine Volk am Walpurgis-Abend Strohwische, an lange Stangen gebunden, anzündet und damit herumläuft, um, ihrem Wahne nach, für Menschen und Vieh die bösen Einflusse dadurch zu vernichten, welche die Hexen bei ihrer für diese Nacht vorzunehmenden Spazierfahrt etwa hinterlassen möchten. Besonders gehört dahin auch eben diese berüchtigte Walpurgis-Nacht vor dem ersten Mai, wo denn nach dem bekannten Volksaberglauben, die Hexen auf dem Blocks-Berge große Assemblee halten und mit dem Teufel und andern bösen Geistern sehr vertraute Conversationen veranstalten sollen. – Aus den päpstlichen Legenden wird erzählt: Die heil. Walpurgis sei mit den Aposteln Philipp und Jakob umhergezogen, um das Wort Gottes zu hören und verbreiten zu helfen. Weil man aber aus diesem Umgang allerhand nachtheilige Verleumdungen geschöpft hätte, habe Walpurgis ihren dürren Reisestock in die Erde ge, steckt, welcher dann in der darauf folgenden Nacht, zum unumstößlichen Beweis ihrer Keuschheit, zu grünen [480] angefangen. Eben daher komme es denn, daß man auch diese Nacht grüne Birken vor die Häuser setze, um damit die muthwilligen und in ihrem Brokkentaumel umherschwärmenden Hexen abzuwehren. Und wem sind nicht die vielen Albernheiten bekannt, die oft in dieser Nacht in gewissen Gegenden vorgenommen werden, und an welchen der, leider immer noch nicht vertilgte, Aberglaube so warmen Antheil hat?

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 8. Leipzig 1811, S. 479-481.
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