Homöopathie

[411] Homöopathie bezeichnet das von Sam. Hahnemann (s.d.) erfundene Heilsystem, welches sich von allen bisherigen Verfahrungsarten in der Heilkunde seinen Grundsätzen nach wesentlich unterscheidet. Das Wort Homöopathie ist nach dem Griechischen gebildet und bezeichnet ein Heilverfahren, bei welchem zur Heilung der Krankheiten solche Mittel angewendet werden, welche im gefunden Körper einen ähnlichen Zustand herzustellen vermögen, wie derjenige ist, an welchem der Kranke leidet. Außer von der auf diese Weise der Homöopathie zu Grunde liegenden Überzeugung, welche auch durch den lat. Satz similia similibus curantur (d.h. Ähnliches wird durch Ähnliches geheilt) ausgedrückt wird, gehen die Homöopathen auch noch von dem Grundsatze aus, daß nur einfache Arzneimittel in der Medicin in Anwendung zu bringen seien und daß diese bei einer strengen Diät des Kranken nur bei sehr kleinen Gaben die gewünschte Heilwirkung hervorzubringen vermögen. Die homöopathische Diät besteht in einer Enthaltung von allen denjenigen Nahrungsmitteln, die selbst auf den gesunden Menschen eine Wirkung hervorzubringen vermögen, welche der eines Heilmittels gleicht. Die Wahl des Heilmittels in einem besondern Krankheitsfalle bestimmt nicht ein einzelnes Symptom der Krankheit, sondern die Gesammtheit aller auch der scheinbar geringfügigsten Symptome. Daher hat der homöopathische Arzt, ehe er ein Mittel gibt, den Zustand des Kranken auf das Allseitigste zu prüfen, hierbei auch auf die bisherige Lebensweise, auf die früher ihn betroffenen Krankheitsfälle u.s.w. genau einzugehen. Es ist endlich ein Grundsatz der Homöopathen, die Wirkung eines Heilmittels erst vollkommen abzuwarten und zu beobachten, ehe sie zur Wahl eines andern Mittels oder zur Wiederholung der frühern Gabe schreiten; bei heftigen und schnell zur Entscheidung führenden Krankheiten pflegen sie jedoch das Mittel, von dessen Anwendbarkeit sie überzeugt sind, auch in kürzern Zeiträumen zu wiederholen.

Die Homöopathie hat sehr viele Gegner gefunden, aber auch viele begeisterte Anhänger. Die letztern sind, wie dieses bei einer noch so jugendlichen Wissenschaft auch nicht anders möglich war, in manchen Punkten von der strengen Lehre Hahnemann's mehr oder weniger abgewichen, und Hahnemann selbst hat manche seiner Annahmen im Verlaufe [411] der Zeit verändert. Die Gegner der Homöopathie haben wenigstens so viel eingestehen müssen, daß in gewissen Fällen der Grundsatz, auf welchem Hahnemann's Lehre beruht, Anwendung finde und daß jedenfalls Vereinfachung der Arzneimittel, Verminderung der Quantität, in welcher sie dem Kranken zu reichen, und endlich eine strenge Diät zeitgemäße Verbesserungen in der Medicin seien.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 411-412.
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