Publicität

[593] Publicität oder Öffentlichkeit heißt in Bezug auf den Staat die allen Staatsangehörigen gegebene Möglichkeit, sich zuverlässige Einsicht in die Grundsätze, Einrichtung und Ergebnisse der Staatsverwaltung zu verschaffen. Sie ist dringendes Bedürfniß in allen aufgeklärten und in der Civilisation weiter vorgeschrittenen Staaten, wo jeder gute Bürger den innigsten Antheil am gemeinen Besten nehmen soll, und das wesentliche Erfoderniß zur Bildung einer wahren öffentlichen Meinung (s.d.) und Befestigung des öffentlichen Vertrauens zu einer Regierung. Aber nicht allein die innern Verhältnisse eines möglichst vollkommen organisirten Staates bedürfen der Publicität, sondern auch die Beziehungen und Verhandlungen seiner Regierung mit andern Staaten; nur werden die letztern, da sie keinem Staate ausschließlich angehören, auch in den Ländern, wo die größte Publicität herrscht, gewöhnlich nicht vor ihrer Beendigung derselben überliefert. Die Publicität soll aber nicht etwa blos auf mündliche Mittheilung beschränkt. sein, sondern sich der Buchdruckerpresse, des vornehmsten Organs aller Öffentlichkeit, bedienen dürfen, welchem Gebrauche indeß noch da und dort vielerlei Schranken entgegenstehen. (S. Censor und Preßgesetze.) Sie soll nicht blos in den Verhandlungen der Landstände, nicht blos in Bezug auf die allgemeine Staatsverwaltung, sondern namentlich auch in der Rechtspflege, sowie in der Gemeindeverwaltung stattfinden, wenn man von ihr die Beförderung der menschlichen Vervollkommnung will verlangen können, welche sie auszuüben fähig ist, ohne ihre von der Gesellschaft selbst bedingten Grenzen zu überschreiten.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 593.
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