Gestaltqualitäten

[383] Gestaltqualitäten nennt CHR. VON EHRENFELS »positive Vorstellungsinhalte, welche an das Vorhandensein von Vorstellungscomplexen im Bewußtsein gebunden sind, die ihrerseits aus voneinander trennbaren (d.h. ohne einander vorstellbaren) Elementen bestehen« (Üb. Gestaltqual. Viertelj. f. wiss. Philos. 1890 S. 262 f.). A. MEINONG nennt sie »fundierte Inhalte« (Zeitschr. f. Psychol. II, 245 ff.). Nach KREIBIG heißt »Gestaltqualität« die Tatsache, daß das zwischen den Gliedern oder unterschiedenen Teilen eines anschaulichen Ganzen bestehende Band innerer Relationen diesem Ganzen eine Gestalt ausdrückt, welche als neues Gesamtmerkmal zur bloßen Summe der Merkmale aller Glieder oder Teile hinzutritt (Werttheor. S. 62). Nach H. CORNELIUS sind Gestaltqualitäten die »Merkmale der Complexe, durch welche die Complexe sich von der Summe der Merkmale ihrer Bestandteile unterscheiden« (Einf. in d. Philos. S. 24). »Die sämtlichen verschiedenen Arten der Anordnung, in welchen die Inhalte unserer Wahrnehmung auftreten können, die gleiche Form, die wir an verschiedenen [383] Teilen unseres Gesichtsfeldes, die gleiche Melodie, die wir an Tonfolge verschiedener Höhe, die gleiche Färbung, die wir an verschiedenen Zusammenklängen bemerken – all dies sind Qualitäten der eben bezeichneten Art. Ebenso gehören zu diesen Qualitäten die räumlichen Distanzen, welche wir verschiedenen Punkten in unserem Gesichtsfelde, die qualitativen Distanzen, die wir verschiedenen Tönen oder verschiedenen Farbqualitäten zuschreiben – kurz alles, was wir an bestimmten Begriffen von Beziehungen oder Relationen unserer Bewußtseinsinhalte besitzen; so auch die abstracten Begriffe der Beziehung, der Ähnlichkeitsbeziehung, der Ähnlichkeit in dieser oder jener Hinsicht, der, Verschiedenheit u.s.w.« (l.c. S. 240 f.). Vgl. WITASEK, Zeitschr. f. Psychol. XII, 189; HÖFLER, Psychol. S. 152 f.; STOUT, Analyt. Psychol. Gegen die Lehre von den Gestaltqualitäten: LIPPS.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1. Berlin 1904, S. 383-384.
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