Schmidt, Eugen Heinrich

[645] Schmidt, Eugen Heinrich, geb. 1851 in Znaim (Mähren), lebt in Berlin. S. lehrt einen idealistischen Pantheismus, den er mit dem Gehalte des Christentums zu vereinen weiß; er neigt zur Mystik: und vertritt eine neue »Gnosis«. Die Erkenntnis der Seins- und Denkformen entspringt aus intellektueller Anschauung, in der sich uns die konkrete, unendliche Einheit des Absoluten darstellt. »Alles muß als vollwirkliches Spiel der in lebendiger Einheit sich betätigenden Urwirklichkeit sich darstellen, die wir selbst sind.« Die göttliche Natur des Menschen offenbart sich uns in intellektueller Anschauung. Alle Wissenschaft ist in der Intuition begründet. Die Denkformen sind »Anschauungsformen höherer Art«, höhere Lebenswirklichkeiten, welche die niederen, sinnlichen umspannen, »universale Variationsformen der Anschauung des Bildlichen selbst, die das Material der Empfindung als eigenes differentiales Moment in sich begreifen«. Die Bestimmung der Begriffe liegt in der »Vermittlung zweckmäßiger Varianten, um zutreffende Nachbilder des Naturerkennens herzustellen«.[645] Die Funktion des Denkens überhaupt ist das »Variieren«. Das Ich ist der »Inbegriff der individuellen geistigen Funktionssphäre«. Der Mensch erkennt sich im Lichte des universalen Selbstbewußtseins. Im Innern des Menschen besteht eine positive Unendlichkeit des Schauens, die höheren Lebens- und Denkformen sind »Unendlichkeitsfunktionen«. Schönheit ist »das im Bilderschleier sich verhüllende Menschenwesen«, das Kunstwerk »Symbol des ganzen vollen Menschenlebens«, es spiegelt die Idee wieder. Die Kunst fördert den Keimungsprozeß der Menschheit.

SCHRIFTEN: Das Geheimnis der Hegelschen Dialektik, 1888. – Michelet und das Geheimnil der Hegelschen Dialektik, 1888. – Ibsen als psychologischer Sophist, 1889. – Die Gottheit Christi, 1892. – Das Geheimnis Christi, 1895. – Fr. Nietzsche an der Grenzscheide zweier Weltalter, 1898. – Leo Tolstoi u. s. Bedeutung für unsere Kultur, 1901. – Die Kulturbedingungen der christlichen Dogmen und unsere Zeit, 1901. – Die Gnosis, 1903-07. – Der Idealstaat, 1904. – Kritik der Philosophie vom Standpunkt der intuitiven Erkenntnis, 1908. – Ibsen als Prophet, 1908. – Neue Horizonte, 1908. – Christus, 1908, u. a.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 645-646.
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