III. Der griechische Heroenkultus

Soweit griechisches Leben sich über Städte und Landschaften ausbreitete, sah man überall außer den Tempeln auch Heroengräber, welche einen regelmäßigen, alljährlichen, nicht selten mit Furcht verknüpften, von phantastischem Aberglauben begleiteten Dienstgenossen, bisweilen auch außerordentliche Sühnungen verlangten. Es konnten bloße Grabmäler von einer der gewöhnlichen Formen sein, aber auch eigentliche Gebäude (ἡρῷα) mit säulengeschmücktem Oberbau, umgeben von Pflanzungen, alten Bäumen und sogar einer Halle rings um das Ganze1. Bisweilen standen sie in Tempelhöfen oder auf der Agora, oder sie befanden sich in der Mitte des Stadthauses, des Prytaneion oder Buleuterion2. Andere sah man auf dem Lande, oft weit von den Städten entfernt, bis in einsame Waldtäler. Die wenigen erhaltenen Reste, das sog. Harpagosdenkmal von Xanthos (im Britischen Museum) und das Heiligtum auf dem Hügel über Mylasa in Karien geben eine ungefähre Vorstellung3. In manchen Tragödien sah man die Thymele der Orchestra zum Heroengrab umgestaltet, und dies ohne Zweifel in einer sehr schönen Weise. Asylrecht und Orakel schlossen sich nicht selten an diese Grabmäler an. Von den allerwichtigsten Heroengräbern aber waren manche nicht sichtbar; in einer Krypta unter dem Erechtheion lagen die Gebeine des Kekrops und des Erechtheus, und oft wurde die Stätte überhaupt geheimgehalten.

Für die Kunde vom Anblick der Heroen selbst sorgte die bildende Kunst, teils in Einzeldarstellungen, teils in jenen oft sehr ausgedehnten[207] anathematischen Gruppen, deren einzelne Gestalten Pausanias aufzuzählen pflegt4, nicht zu reden von den vielen sonstigen Bildwerken, in welchen Heroen vorkommen konnten5. In der Malerei sollen sie durch eine Aureola ausgezeichnet gewesen sein.

Welche wundersame Wandelungen der Begriff Heros durchmachte, und wie eine und dieselbe Gattung von Zeremonien urzeitlichen, nur der Poesie angehörenden Wesen und für hochverdient geltenden Leuten der spätesten Zeit des verkommenen Griechentums dargebracht werden konnte, wird weiterhin zu erörtern sein. Für diese Verehrung gab es ein eigenes Ritual6, verschieden von dem des Götterdienstes (welcher vor allem das Brandopfer voraushatte)7. Dies Ritual war hervorgegangen aus dem gewöhnlichen Grabdienst und offenbar nur eine feierlichere Gestalt des letztern. Schon die Namen lauteten anders: Statt Heiligtum (ἱερόν) hieß es Heroon oder σηκός (Einfriedung), statt der Altäre (βωμοί) hatte man niedrige, ja vertiefte Herde (ἐσχάραι), statt opfern (ϑύειν) sagte man mit einem besondern Ausdruck ἐναγίζειν8. Der Dienst geschah in der Abenddämmerung, auch bei Nacht. Man grub eine Grube an der Westseite des Grabmals und sprach die Formeln gegen Westen gewandt9; die Opfer, welche man in die Grube goß, waren Wein, Milch, wohlriechende Salben und Tierblut, letzteres ohne Zweifel, weil man den Verstorbenen durch dessen Genuß wiederbelebt dachte, wie die Schatten im elften Gesang der Odyssee10; die Opferflammen, von welchen die Rede ist11, stiegen nicht auf von einem Tierbrandopfer, sondern wohl nur von Weihrauch. Im phokischen Tronis12 genoß ein Heros, über dessen[208] wahren Namen man stritt, unter der Bezeichnung Archegetes sogar einen täglichen Kult; die Phokier gossen das Blut durch eine Öffnung in das Grab. Am Harpyiendenkmal von Xanthos ist eine Öffnung zu solchem Zwecke noch sichtbar; am Grabe des Hyakinthos, welches sich zu Amyklä in der altarähnlichen Basis des riesigen Apollon befand, war links eine eherne Tür angebracht. Eine weitere Andacht war das Bekränzen der Heroengräber, auch das Hinlegen abgeschnittener Locken; wichtigern Heroen aber wurden oft sehr große Aufzüge gehalten und prächtige Kampfspiele kriegerischer wie musischer Art gestiftet, wie einst in der alten Zeit allen vornehmen Toten, dem homerischen Patroklos wie dem Amphidamas von Chalkis13. Dieser Art waren die »glänzenden Opfer« der Ätolier zu Ehren des Geschlechts des Oineus, also Tydeus und Diomedes, von welchen Pindar14 singt; der Dichter wußte aber sogar persönlich mit Heroen umzugehen: bei seiner Wohnung in Theben hatte er einen »Nachbar und Hüter seiner Habe« am Heros Alkmäon, welcher ihm vor einer Reise nach Delphi erschienen war (wenn auch wohl nur im Traume) und ihm eine Weissagung gegönnt hatte; »ich schwinge Blumengewinde an ihn und netze ihn mit Gesang«15.

Den mächtigsten Ernst des heroischen Grabesdienstes verrät uns aber nur die Tragödie. In den »Choephoren« des Äschylos ist von Anfang an der im Grabe lebend, ermutigend, schützend gedachte Agamemnon eine mithandelnde Kraft, ohne welche die ganze Rache nicht zustande käme; er wird vom Chor (V. 450) angefleht, herauf ans Licht zu kommen, und Orestes (V. 480) ruft die Erde an, ihn emporzusenden16. In den »Persern« geschieht dies mit Dareios wirklich und Äschylos wagt mit dem persischen Heldenkönig, was er mit einem griechischen Heros auf der Szene schwerlich würde gewagt haben: das vollständige und großartige Bild einer Totenbeschwörung.

Dem Aias, Sohn des Oïleus, wurde in seiner Heimat Lokris alljährlich ein reich mit Opfern beladenes Schiff brennend ins Meer hinausgelassen17. Durch den Dreizack des erzürnten Poseidon war einst die Klippe, auf[209] welche er sich gerettet, zerschmettert und samt dem Helden in die Flut geworfen worden, und nun sandte man auf gut Glück ein Opfer aus, welches ihn aufsuchen sollte.


Den Ursprung aller dieser Übungen darf man in den frühesten Zeiten suchen, da die Toten des Hauses18 nächst dem Feuer des Herdes als göttliche Wesen galten. Was hiervon sich weiter bis in die späteste historische Zeit rettete, war noch immer eine Art von religiösem Dienst, der an das Grab gebunden war, und zwar im Zusammenhang mit einem besondern Glauben in betreff der Seele. In der von keiner lehrenden Autorität geleiteten griechischen Religion behauptete sich neben der homerischen Schattenwelt und den davon abgeleiteten Gedankenbildern eine ältere Anschauung, wonach der bestattete Tote – gleichviel ob seine Leiche begraben oder verbrannt worden – noch mit irgendeinem Teil seines geistigen Wesens im Grabe weiter lebte. Er konnte hören, was man ihm zurief oder zuflüsterte, und für die Getränke, die man ihm in sein Grab goß, für die Speisen, die man in dessen Nähe hinstellte oder begrub, wurde ihm noch ein Genuß zugetraut, ja ein Bedürfnis. Er konnte, auch wenn seine Seele weit entfernt gedacht wurde, zum Genuß der Opfer herbeikommen. Die weitern Schattierungen dieses Glaubens, wonach die Seelen bei den Gräbern weilten19 oder dieselben besuchten oder im Gefolge der Hekate herumschwebten, mögen hier außer Betracht bleiben.

Nun hat das Wort Heros neben seinem bekannten, sehr auszeichnenden Sinn im täglichen Leben auch noch einen bescheidenern, als Ehrenbezeichnung für jeden irgendwie angesehenen Verstorbenen, etwa wie heute »der Selige«, und dieser Gebrauch des Wortes kann der alte und ursprüngliche gewesen sein. Der ältere und vornehme Tote aber, auch wenn man wenig mehr von ihm wußte, und wenn z.B. sein Geschlecht, das ihm früher die Totenehren erwies, ausgestorben sein mochte, war schon durch sein größeres Grabmal über die gewöhnlichen Toten erhaben; und nun hatte die ältere Bevölkerung von Griechenland eine Masse auffallender Grabmäler hinterlassen, besonders Erdhügel, eingefaßt von steinernen Rundmauern. Es konnte nicht ausbleiben, daß die Volksmeinung den auf diese Weise Bestatteten eine höhere Würde beilegte.

[210] Fragt man aber, wie sich jener auszeichnende, poetische Sinn des Namens Heros habe bilden und es zu einer allgemeinen Anerkennung bringen können, so wird kaum ein Zweifel darüber herrschen, daß der Anschauungskreis, in welchen der epische Gesang das Griechenvolk hineinführte, das Wesentliche dabei getan hat20. Man lernte ein Geschlecht kennen, das zwar dem Schicksal tragisch untertan, aber von idealer Herrlichkeit gewesen, anders »als wie jetzt die Sterblichen sind«. Sogar bis zur Konstruktion einer Reihe von Geschlechtern urmenschlicher Art brachte es Hesiod in seinen »Werken und Tagen« (V. 106 ff.), und sein viertes Geschlecht sind eben die Heroen des Epos; nach ihrem Untergang vor Theben und Ilion beginnt das fünfte, eiserne, unter welchem leben zu müssen der Dichter so ergreifend beklagt. Andere ließen das Heroenzeitalter noch bis zur dorischen Wanderung währen, aber die letzten persönlich berühmten Heroen blieben doch diejenigen, welche nach der Einnahme von Ilion ein unglückliches Ende unterwegs oder zu Hause, oder, wie Diomed und Äneas, Herrschaft in weiter Ferne gefunden hatten.

Einige Heroen des trojanischen Krieges liegen noch in den Hünengräbern vor Ilion, welche bereits die Verehrung des ganzen Altertums genossen haben. Die Neu-Ilier selbst opferten noch zu Strabos Zeit21 an den Gräbern derselben Helden, welche doch die alte Stadt völlig zerstört hatten. Das merkwürdigste Grab jedoch wäre das des Protesilaos gewesen22, des ersten Hellenen, welcher bei der Landung vor Troja aus dem Schiffe sprang, aber auch des ersten, welcher getötet wurde. Er lag bestattet bei Elaius auf dem thrakischen Chersonnes, und am Grabe dieses Erstlings des großen Kampfes mag sich vielleicht, als das Epos die Völker zu begeistern anfing, eine ganz besondere Andacht entzündet haben. Ohnehin gab es eine Sage, welche ihn der Oberwelt gleichsam näher rückte als andere Heroen: es hieß, daß er nach seinem Tode noch einmal für kurze Stunden auf der Oberwelt erschienen sei; seine Gattin Laodameia[211] hatte dies von den Göttern erfleht23, und auf deren Gebot Hermes ihn zurückgeführt, und als er wieder zu den Schatten zurückkehren mußte, starb Laodameia mit ihm. Zur Zeit der Perserkriege24 war seine Grabstätte offenbar eine umständliche Anlage mit einem innern Heiligtum (ἄδυτον) und einem umfassenden Bezirke (τέμενος); reiche Weihgeschenke, goldene und silberne Schalen, Erz, Gewänder hatten sich an diesem Grabe gesammelt, ohne Zweifel als Lösung von Gelübden nach Erhörung von Bitten. Später gab der Heros auch Orakel25 und heilte Krankheiten, und die Ulmen um den Bau zeigten im Wachsen und Welken ihrer Zweige ein geheimnisvolles Verhalten, je nachdem sie hoch genug gediehen waren, um über den Hellespont hinüber Ilion zu erblicken. Eine merkwürdige Schrift des späten Altertums, die Heroika des Philostratos, läßt hier und in der Umgegend den Protesilaos mit andern erlauchten Heroen der trojanischen Zeit ein geheimnisvolles Geisterleben führen, und auch vor Ilion selber gehen diese Schatten um und erscheinen den Landleuten und Hirten26.

Von einem solchen Beisammenleben verklärter Heroen hatte aber schon die älteste Poesie gewußt; in Hesiods »Werken und Tagen« (V. 166 ff.) heißt es von ihnen und ihrem Aufenthalt auf den Inseln der Seligen:


»Ihnen verlieh dann Leben und Wohnsitz fern von den Menschen

Zeus der Kronide, und weiset sie hin an die Enden der Erde,

Fern von der Ewigen Sitz; als König beherrschet sie Kronos.

Diese bewohnen daselbst, das Gemüt von Sorgen entlastet,

Nah des Okeanos Wirbeln, den tiefen, der Seligen Inseln,

Glücklich Heroengeschlecht: es beschenkt sie mit Früchten wie Honig

Dreimal reifend im Jahr das nahrungspendende Erdreich.«


Und wohl eben dies verklärte Dasein ist geschildert in dem geheimnisvoll prächtigen Bruchstück eines pindarischen Trauergesanges27: »Bei uns oben ist es Nacht, ihnen aber leuchtet in der Unterwelt die Herrlichkeit der Sonne; vor ihrer Stadt liegt purpurrosig die Flur; Schatten gibt[212] der Weihrauchbaum, und schwer lasten die goldenen Früchte. Sie aber ergötzen sich zu Roß und mit Ringkampf, andere mit Würfeln oder mit Saitenspiel, und was nur Wonne heißt, ist hier völlig aufgeblüht. Und Duft verbreitet sich über dem lieblichen Gefilde, da sie mit der fernhin leuchtenden Opferflamme vielerlei Rauchwerk mischen auf den Altären der Götter.«

Auch eine bestimmtere Örtlichkeit wurde als Wohnsitz wenigstens einiger seligen Heroen namhaft gemacht, seit der Pontus sich mit griechischen Kolonien gefüllt hatte; die nicht mehr aufzufindende, in der Nähe der Istrosmündungen liegende Insel Leuke, von zwanzig Stadien Umfang, dicht bewaldet, voll zahmer und wilder Tiere, mit einem Heiligtum und einem Standbild des Achilleus; dieser aber lebte zugleich noch dort, vermählt mit Helena, im Umgang mit den beiden Aias, mit Patroklos und Antilochos28.

Vielleicht wesentlich von der Troja-Sage ausgehend dehnte sich dann im griechischen Bewußtsein das Bild des Heroentums aufwärts aus, in die frühern Generationen hinein. Mythische Gestalten von verschiedener Schicht und Herkunft, wenn und weil sie episch wurden, ordneten sich in die Heroen ein: Gebilde der ältern Sage von Theben, von Argos, von Kreta, vom Stamme der Minyer, von Kalydon, ferner Stammeshelden wie der Ionier Theseus; endlich auch göttliche Gestalten, deren Tradition ein völlig epischer Lebenslauf geworden war29, wie die ehemaligen Sonnengötter Herakles30 und Perseus; die Dioskuren und ihre erlauchte Schwester Helena, deren wandelbares Antlitz bisweilen Züge der Jägerin Artemis, der Selene und der Aphrodite verrät, bis sie am Ende wieder ganz deutlich zur Göttin wird. – Von einer Menge dieser epischen Heroen, deren Ruhm ganz Griechenland durch das Epos kannte, wurden noch die Gräber gewiesen, oder bisher namenlose Gräber einer uralten Zeit wurden ihnen zugeeignet.

Außer diesen der ganzen Nation bekannten Gestalten hatten die meisten Städte noch aus ihrer dunkeln Frühzeit voller Gewalt und Gefahren die Erinnerung an örtliche Heroen. Oft freilich waren nur noch deren Namen übrig; die Lokalmythen, welche ihren Ruhm verkündet hatten, waren untergegangen, oder Gesamthellas erfuhr nichts davon, weil die epischen Sänger und später die attischen Tragiker sie unberührt gelassen.[213] Daher in allen Städten jene Heroa, oft mit eingefaßtem heiligem Bezirk (τέμενος), von auswärts ganz unbekannten Lokalheroen; auch an Ort und Stelle wußte man meist wenig oder nichts mehrA1 von ihnen, rief sie aber vor den Schlachten gerne zur Hilfe an. Die Platäer hatten sieben solche »Anführer«, welche vor der berühmten dortigen Schlacht angerufen wurden31. Der Kultus, welchen man solchen Gräbern erwies, wurde sehr ernst genommen, und wenn es sich dabei um prächtige Verherrlichung durch Kampfspiele handelte, wirkte ohne Zweifel jener Wetteifer von Stadt gegen Stadt mit, der in Griechenland so Großes zu vollbringen vermochte.

Als einmal der Typus eines kultwürdigen Heros feststand, offenbarte sich das Bewußtsein, daß dieser hohe Rang nicht ein geschlossener, sondern noch immer zu erringen sei. Schon das Geblüt, welches in den Adern griechischer Edeln floß, mochte dazu antreiben: waren jene alten Heroen zum Teil Göttersöhne gewesen, so rühmten sich noch jetzt Unzählige göttlicher Abstammung, wenn auch in entferntem Gliede. Gefallene Anführer von Städtefehden mögen schon frühe soviel als heroische Ehren genossen haben. Sodann gab seit dem VIII. Jahrhundert die Aussendung von Kolonien einen besonders reichlichen Anlaß zur Kreierung von Heroen. Bereits nämlich verehrte fast jede Griechenstadt ihren wirklichen oder mythischen Gründer als Heros32, und diese Ehre ließen sich nun auch die Anführer kolonialer Aussendungen nicht nehmen, ja dieselbe muß mit der Zeit als ein Recht betrachtet worden sein, welches bis in ganz späte Jahrhunderte hinein festgehalten wurde. Auf der Agora einer Hellenenstadt am Pontus oder am Nil, in Sizilien oder am Nordufer des westlichen Mittelmeeres wird das Heroon des Gründers (κτιστής οἰκιστής) selten gefehlt haben. In einzelnen Fällen konnte der Heroenrang sogar erzwungen werden; Hieron von Syrakus vollzog gewaltsam eine Neugründung des schon bestehenden Katana, um dort als Heros verehrt zu werden33. In Sparta galten die Könige, welche man bei Lebzeiten in ihrer Macht so sehr einschränkte, nach ihrem Tode als Heroen34, und zwar[214] nicht schon, weil sie Herakliden waren, sonst hätten auch ihre Verwandten derselben Ehre teilhaftig sein müssen. Auf einigen Inseln dagegen wurden (laut Grabschriften) die Sprößlinge der regierenden Geschlechter überhaupt als Heroen gefeiert35. Manchmal wurde bei Kalamitäten durch Orakel die Verehrung eines Heros befohlen, welcher als von alters her in der betreffenden Stadt vorhanden, aber vergessen und hierüber erzürnt galt. Von Delphi sind eine Anzahl solcher Bescheide ergangen. – Im Kriege konnte die Erhebung zum Heros vielleicht sofort und von selbst eintreten, wenn ein Gefallener, sogar von der feindlichen Mannschaft, einen außerordentlichen Eindruck gemacht hatte. Der Krotoniate Philippos, ein olympischer Sieger und der schönste der damaligen Hellenen, fiel auf dem Abenteurerzuge des Spartaners Dorieus im Kampfe gegen sizilische Phönizier und Egestaner; letztere aber bestatteten ihn um seiner Schönheit willen in einem Heroon und brachten ihm Opfer zur Sühne36. Als auf dem Zuge des Xerxes zu Akanthos der Achämenide Artachaies an einer Krankheit starb, ein Riese mit riesiger Stimme, und das Perserheer ihm den Grabhügel errichtete, gebot doch ein Orakel den griechischen Akanthiern, ihm als einem Heros zu opfern37.

Im Verlaufe der Zeit endlich wurde – es ist schwer zu sagen, wann und wo zum erstenmal – die Erklärung eines zeitgenössigen Menschen zum kultwürdigen Heros die Sache eines Volksbeschlusses38, eines Psephisma, d.h. einer Stimmung, und von deren Dauer und vom Weiterherrschen der dekretierenden Partei wird auch die Dauer der Verehrung abgehangen haben. Die Syrakusier stifteten gegen Ende des V. Jahrhunderts ihrem Gesetzesredaktor Diokles von Staats wegen ein Heiligtum39, aber bald darauf zerstörte der ältere Dionysios dasselbe, seinen Befestigungen zu Liebe, offenbar ohne die mindeste Sorge vor der Rache eines so neuen Heros. Am ehesten werden den im Siege (oder wenigstens während eines Krieges) umgekommenen Feldherrn die heroischen Ehren öffentlich zuerkannt worden sein. Den sterbend in die Stadt Amphipolis getragenen Brasidas40 bestattete zunächst seine spartanische Mannschaft, dann umbauten[215] die Bürger das Grab und feierten ihn fortan als einen Heros mit Kampfspielen und jährlichen Opfern, ja sie zerstörten den Gedächtnisbau ihres bisher geltenden Stadtheros und Neugründers, des Atheners Hagnon, und zernichteten jede Erinnerung an dessen Gründerschaft; fortan war Brasidas ihr Stadtheros. Noch im lamischen Kriege (322 v. Chr.) begruben die Athener ihren infolge eines Steinschusses gestorbenen Feldherrn Leosthenes »auf heroische Weise wegen seines Ruhmes im Kriege«41. Es ist merkwürdig, daß der tote Timoleon unter gewiß allgemeiner und tiefer Rührung des syrakusischen Volkes zwar feierliche Wettkämpfe, sowohl musische als gymnische, und einen offenbar sehr prächtigen Grabbau, aber nicht den Rang eines Heros erhielt, indem dies sonst in dem bei Plutarch42 aufbewahrten Staatsbeschluß gesagt sein würde. – Dagegen erhielt anderthalb Jahrhunderte später in Messene der ältere Aithidas, ein siegreicher Anführer gegen die Makedonier, eigentlichen Heroenkult43. Und da mit der Zeit der Ton in solchen Dingen zu steigen pflegt, weil man für das Übliche allgemach abgestumpft worden ist, so darf man sich nicht wundern, daß die hochverdienten Anführer des achäischen Bundes, Aratos und Philopömen, nach ihrem Tode soviel als zu Göttern erklärt wurden, in einer Zeit, da schon Lebende unter den Diadochen sich Götter nennen ließen44. Eine weitere Entwertung des bloßen Heroentitels mochte darin liegen, daß er Verstorbenen erteilt wurde, wenn die Polis mit Verschwendung sonstiger Ehren, wie Kränze, Proedrien, Statuen usw. am Ende war und ein außergewöhnliches Dankgefühl für städtische Euergesie an den Tag zu legen hatte. Als in Tarsos der hochbejahrte Stoiker Athenodoros starb, welcher Präzeptor des Augustus gewesen war und seiner Vaterstadt eine Steuererleichterung[216] hatte verschaffen können, stiftete der Demos ihm eine alljährliche Feier als einem Heros45.

Ganze Kriegerscharen, welche im Kampf gefallen, konnten schon in früher Zeit heroischen Kultus erhalten. Die Phigalier hatten den stärksten Grund, am gemeinsamen Grabe jener Oresthasier, welche sich wissentlich für sie und ihr Heil in den Tod gegeben, jährliche Heroenopfer darzubringen46. Und eine frevelhaft gemordete Schar, wie die Phokäer im italischen Agylla, konnte durch Kalamitäten einen Spruch der Pythia, sie als Heroen zu feiern, veranlassen47. Den Einwohnern von Platää lag noch zur Kaiserzeit48 ein großes jährliches Heroenopfer ob für die in der berühmten Schlacht des Jahres 479 Gefallenen, und auch die Marathonier verehrten (außer den in der Schlacht bei Marathon aufgetretenen mythischen Helden) die an Ort und Stelle bestatteten Gefallenen ausdrücklich als Heroen49. Natürlich kannten dann spätere GrabrednerA2 keine Grenzen mehr in Betracht der Ehren, welche sie für alle in irgend einem Kriege Umgekommenen in Anspruch nahmen. Perikles sagte wenigstens von den beim Zug gegen Samos Gefallenen50, sie seien unsterblich geworden wie die Götter, und Demosthenes, oder wer sonst seine Grabrede verfaßt hat, ruft (§ 34): »Wie sollten wir nicht alle die für glückselig halten, welche man billig als Beisitzer der Götter der Unterwelt und als desselben Ranges betrachtet mit den frühern Helden auf den Inseln der Seligen?«

Die bisher aufgezählten Gattungen von Heroen umfaßten lauter menschliche oder für menschlich geltende Persönlichkeiten aus Mythus und Geschichte. Dagegen sind wir bei einer Anzahl von wunderlichen allegorischen Wesen in Verlegenheit zu sagen, wie sie zum Namen von Heroen gelangt sind; sie gehören eher an den äußern Rand der Dämonenwelt, als Schutzgenien von Essen und Trinken. So in Munychia der Akratopotes (Trinker ungemischten Weines)51 und in Sparta die von den Köchen des Zusammenspeisens verehrten Keraon und Matton (Weinmischer[217] und Gerstenbrotbeck)52, sowie in Böotien zu Skolos der Megalartos und der Megalomazos (Großbrot und Großkuchen); auch der in Troas als Heros geltende Daites wird in diese Reihe zu stellen sein. Man darf sie sich als halbkomische Fratzen vorstellen, über deren Heroentum eine volkstümliche Laune entschieden hat.

Einen dogmatischen Entscheid darüber, was ein Heros sei, war überhaupt niemand in der Lage zu geben53, wohl aber glaubte die Philosophie von ihren Anfängen an sich in dieser Sache äußern zu müssen. Thales hatte gesagt: alles sei voll von Göttern; Heraklit lehrte: alles sei voller SeelenA3 und Dämonen, und dabei lag offenbar jener alte Polydämonismus zugrunde, welcher sich in Hesiods »Werken und Tagen« ausgesprochen hatte. Der erste aber, welcher den Heroen eine deutlichere Stelle im Range der Wesen anwies, war vielleicht mehr Religionsstifter als Philosoph: Pythagoras54. Hier heißt es einmal: die Götter seien höher zu ehren als die Dämonen, und die Heroen höher als die Menschen. Und anderswo: die ganze Luft sei voll von Seelen, und diese seien für Dämonen und Heroen zu halten; von ihnen kämen den Menschen und auch den Tieren Träume und VordeutungenA4 von Krankheit und Gesundheit; auf sie bezögen sich die Reinigungen und Abwendzeremonien und alle Mantik. Immerhin scheint von Pythagoras an die später übliche Stufenreihe von Göttern, Dämonen, Heroen, Menschen und vernunftlosen Wesen55 bei den Philosophen eine allgemeinere Geltung erlangt zu haben. – In der platonischen Apologie des Sokrates (28, c) heißen die Heroen zum erstenmal Halbgötter (ἡμίϑεοι), und zwar deutlich »soviele im Kriege gegen Troja umgekommen sind«. – Die Stoa war der Meinung, die Heroen seien die abgeschiedenen Seelen, aber nur der Wackern56. Später interessierten sich die Neuplatoniker, wie für alle außerweltlichen Wesen (welchen sie sich durch ihre Theurgie zu nähern suchten), so auch für die Heroen. Auf den Volksglauben jedoch, welcher hierin ein sehr mächtiger Aberglaube war, hatte die ganze Philosophie nicht den mindesten Einfluß ausgeübt, nur daß die Meinung verschiedener Philosophen57 zufällig mit der vieler andern Leute zusammentraf: die Heroen seien die von den Leibern geschiedenen Seelen überhaupt, und die der Guten seien gut, die der Bösen böse.

[218] Das Volk aber nannte die Heroen gerne mit einem ehrfurchtsvollen Namen, der freilich auch die Götter umfaßte: die Mächtigern, die Höhern, κρείττονας.


Frägt man nun nach dem, was die Heroen für die Griechen waren, so würden sich für die verschiedenen Zeiten wohl beträchtliche Unterschiede ergeben, und wäre es auch nur die früher so große und später so völlig erloschene Beteiligung der Orakel am Heroenkult, indem ja überhaupt deren Befragung in der Folge durch eine Menge anderer Zukunftserforschungen in den tiefsten Schatten geraten war. Allein im Volke dauerte die Beschäftigung mit den Heroen fort, und noch unter den Antoninen fand Pausanias den betreffenden Glauben aller Orten wenigstensA5 soweit lebendig, daß man Bescheid wußte und wegen der Heroen sich oft in Sorgen befand. Es wird nun mit der mehr feierlichen und offiziellen Seite der Sache zu beginnen und dann zu der populären überzugehen sein.

In ganz Griechenland hatten, wie gesagt, schon die frühern Bevölkerungen – wer sie auch gewesen sein mögen – eine Menge von Grabmälern, zum Teil gewaltige Hünengräber, hinterlassen, und es wird unmöglich sein zu bestimmen, wann und wie zuerst die Volksphantasie mit denselben großartige oder furchtbare Vorstellungen verknüpfte. Außerdem war das Begräbniswesen der ältern Griechen selbst lange Zeit äußerst feierlich und pomphaft, wenigstens bei den Leichen der Mächtigen58. Neben der allgemeinen Achtung vor den Gräbern, wie sie allen gesitteten Völkern eigen ist, tritt nun ein aus Verehrung und Furcht gemischtes Gefühl auf, und das Heroengrab kann eine wichtige Sache im täglichen Leben werden. Ein neues, eingedrungenes Herrschervolk ehrt z.B. auch die heroischen Toten des unterworfenen Volkes: als bei der dorischen Wanderung die Ätolier des Oxylos Elis überzogen, behielten neben den ätolischen Heroen auch die vorgefundenen elischen ihren Kultus59, und da man das Land mit den Unterworfenen durch ein Abkommen teilte, wird man kaum anders gekonnt haben. Sehr frühe scheint dann der Glaube entstanden zu sein, daß sich bei Kriegen die Helden aus ihren Gräbern erheben müßten, um ihren Nachkommen und ihrem Volke beizustehen, und hieran mögen sich die weitern Vorstellungen geknüpft[219] haben. Die Lokrer 2. B. glaubten an die Anwesenheit ihres Heros Aias, Sohn des Oïleus, in ihren Schlachten; ihre unteritalische Kolonie, das Volk der epizephyrischen Lokrer, im Kampf gegen die Krotoniaten, hatte denselben unsichtbar mit sich, und der krotoniatische Anführer hatte gehört, wo im Vordertreffen Aias stehe und dahin seinen Angriff gerichtet, wurde aber, offenbar von dem Heros60, in die Brust verwundet. Seine Heilung durch Aias selbst, den er auf jener Insel Leuke aufsuchen mußte, bildet den Schluß dieser merkwürdigsten aller Heroenfabeln61. Bei Marathon kämpfte auf seiten der Athener ein Heros, welcher mit einem Pfluge sehr viele Barbaren erschlug, und zu dessen Verehrung unter dem Namen Pflüger (Echetlaios) ein Orakelspruch die Sieger anhielt62; auch der Ortsheros Marathon und Theseus scheinen als Mitkämpfer gefeiert worden zu sein. Bei der Verteidigung von Delphi gegen das Heer des Xerxes waren die riesigen Gestalten der dortigen Heroen Phylakos und Autonoos in die Perser hineingestürmt63. Bei Salamis breiteten Heroen von Ägina her64 die Arme über die hellenischen Trieren, und man glaubte, es seien die Äakiden, welche vor der Schlacht waren um Hilfe angerufen worden. Auf der athenischen Flotte hatte sich während der Schlacht eine Schlange erzeigt, und ein Götterspruch offenbarte, dies sei der sa laminische Heros Kychreus65. Vor der Schlacht von Platää wurde sieben Heroen (ἀρχηγέταις, Gründern) dieser Stadt geopfert, welche mit Namen aufgezählt werden66, und zwar geschah es auf Bescheid von Delphi, wo man diese Namen gewußt zu haben scheint; offenbar wurde ihr Mitkämpfen in der Schlacht wenigstens erhofft. Im peloponnesischen Kriege mag manches der Art vorgekommen sein, was Thukydides beschwiegen hat, bei Leuktra aber erschien der alte Todfeind von Sparta, der Heros von Messenien, Aristomenes67, den Thebanern zu Hilfe als künftigen Befreiern seiner Heimat; und noch als die Gallier unter Brennus Delphi angriffen, zeigten sich in voller Waffenrüstung die Heroen Hyperochos, Amadokos (oder Laodokos), Pyrrhos (der Sohn Achills) und wiederumA6[220] der schon genannte Phylakos68. In einer umfangreichen Gruppe von Kämpfern zu Roß und zu Fuß, welche schon im V. Jahrhundert die Tarentiner nach Delphi weihten69 wegen eines Sieges über die Peuketier, war auch sowohl der urzeitliche Gründer von Tarent, Taras, als der historische, Phalanthos, mit dargestellt, und zwar auf der Leiche eines gefallenen Feindes stehend.

Außer diesen beiden verehrte die Stadt auch noch durch periodische Heroenopfer Atriden und Tydeiden, Äakiden, Laertiaden und Agamemnoniden70, und überdies besaß sie einen Achillstempel. Anderswo in Großgriechenland hatte man noch viele Sagen von der Anwesenheit troischer Helden selbst, des Philoktet und Tlepolemos und namentlich des Diomed, welche nach dem Kriege von Troja hierher gelangt wären, auch wies man in unteritalischen Tempeln Reliquien71 vor, wie die Geschosse des Herakles, das Werkzeug des Epeios, welcher das trojanische Roß gefertigt, die Waffen des Diomed und seiner Gefährten, und ein ehernes Halsband, welches er einer Hirschkuh umgelegt. In Tarent dagegen handelt es sich um frei aus dem Mutterlande nach Italien übertragene Heroenkulte, vielleicht weil unter den spartanischen und andern Einwanderern Abkömmlinge jener erlauchten Heldenfamilien sich befanden. In den Schlachten aber mögen, nach dem Anathem zu urteilen, nur Taras und Phalanthos als Schützer erschienen sein.

Es war gewiß nicht bloß wünschbar, sondern der Stolz einer Stadtbevölkerung, in den Schlachten solche Ahnen mitkämpfend zu wissen, unsichtbar oder sichtbar, und immer zum Schrecken der Feinde. Hier, wie bei aller weitern Verehrung der Heroen, kommt noch mit in Betracht, daß man – trotz aller Opfer – der eigentlichen Götter zu wenig sicher war, sowohl in betreff ihres Wohlwollens als ihrer Macht; vom Heros als Stadtpatron war im entscheidenden Augenblick vielleicht mehr zu hoffen72, freilich auch zu fürchten, wenn man ihn verkannt, vergessen oder gar beleidigt hatte. Und nun treten die Orakel, vor allem Delphi, wenn[221] sie bei Landesunglück beraten werden, häufig ein mit Anweisung zur Sühnung erzürnter oder doch vernachlässigter Heroen. Die Männer von Delphi mögen manches aus den Erinnerungen der Städte gewußt, das meiste aber von den Anfragenden selbst erfahren und danach ihre Bescheide eingerichtet haben; was sie in den meisten Fällen ohne Zweifel erreichten, war eine Losspannung der geängstigten Gemüter durch einen neuen Grabdienst, während vielleicht die betreffende Kalamität ohnehin vorüberging.

Ein weiteres Stadium war dann die – fast ohne Ausnahme auf Orakel hin – erfolgte Übertragung von anderswo liegenden Heroengebeinen, in der Regel als Gewähr von Sieg und Wohlergehen. Alte Heroen konnten einer Stadt fehlen oder unwirksam geworden sein, und sie erwarb nicht ohne Mühe und Gefahr einen neuen. Und zwar handelt es sich meist um bekannte, auch ruhmvolle Männer der mythischen und noch der historischen Zeit, auch um berühmte heroische Frauen, während die schon vorhandenen Heroengräber an Namen geknüpft sein mochten, von deren Inhabern man soviel als nichts wußte73. Alle Mittel, auch sinnreicher Diebstahl, werden aufgewandt, um in Besitz dieser oder jener Heroenleiche zu gelangen. Öfter fand man riesige Knochen vor74, etwa von urweltlichen Tieren, und berechnete sogar daraus das Leibesmaß des Heros; daß man aber die Seele desselben mitzugewinnen glaubte, sagt uns ein berühmtes Wort Pindars75: der in Kolchis gestorbene Phrixos verlangt von Pelias Zurückführung seiner »Seele«, womit doch materiell die Übertragung der Gebeine gemeint sein muß. Auch sonst wird öfter vorausgesetzt, der betreffende Heros verlange die Translation. Den Anlaß gibt auch hier etwa eine öffentliche Kalamität76, aber besonders gerne ein politisches Gelüste; wenigstens pflegt die Gegend, welche sich ihren[222] Heros hat rauben lassen, bald darauf dem Angriff und selbst der Eroberung von seiten der Reliquienräuber ausgesetzt zu werden. Zeitlich machte vielleicht den Anfang die berühmte Erwerbung des in Tegea bestatteten Orestes durch die Lakedämonier77; ganz besonders lehrreich aber (um 600 v. Chr.) ist, was der Gewaltherrscher von Sikyon, Kleisthenes, sogar gegen den Willen von Delphi zu verüben wagte78. Adrastos, der bisherige Hauptheros der Stadt, dessen Heroon auf der Agora stand, war ihm als Argiver mißfällig geworden, und er wünschte, daß derselbe »von selbst fortginge«; er ließ sich aus Theben einen dortigen Heros, Melanippos, abtreten, der bei Lebzeiten der größte Feind des Adrastos gewesen war, und baute ihm (nämlich seinen Gebeinen) einen geweihten Raum im Prytaneion an der sichersten, d.h. wohl dem Volkswiderwillen am ehesten entzogenen Stätte; die Opfer, welche bisher dem Adrastos gebracht worden, erhielt jetzt Melanippos; die tragischen Chöre aber, womit man bisher die Schicksale des Adrastos gefeiert, ersetzte Kleisthenes durch Chöre für Dionysos. In einem spätenA7 historischen Roman79, welcher indes wichtige echte Züge des griechischen Lebens enthält, läßt König Agesilaos im böotischen Haliartos das Grab der Alkmene öffnen, allein die Gebeine, welche nach Sparta gebracht werden sollten, fanden sich nicht vor, und über die Gegend kam Unfruchtbarkeit und Überschwemmung, worauf der spartanische Kommandant der Kadmeia das Grab wieder zuschüttete und Trankopfer brachte.


Eine Gegenwehr gegen solchen Raub geweihter und hilfreicher Überreste konnte nun darin gefunden werden, daß man wichtige Gräber geheimhielt. Wie man solchen Geheimnissen bestimmte Mitwisser sicherte, verrät uns die eben genannte Quelle. Man besorgt, der Kommandant werde in Theben das Grab der Dirke aufsuchen, dessen Stelle niemand kennt als die gewesenen Reiteranführer; jeder abtretende Hipparch nämlich pflegte dem antretenden nachts heimlich das Grab zu zeigen, wobei sie gewisse Opfer ohne Feuer brachten, deren Spuren sie dann verwischten; hierauf trennten sie sich und gingen im Dunkel jeder seines Weges. Im Augenblick, da der Roman spielt, sind fast alle ehemaligen Reiteranführer als Flüchtlinge abwesend, und der Spartaner wird nichts erfahren. – In[223] Korinth hielt man die Gräber des Neleus und des Sisyphos geheim80, in Trözen das des Hippolytos81; als Kimon die Reste des Theseus von der Insel Skyros nach Athen zu holen hatte, konnte er deren Stätte nur mit Mühe ermitteln82. Bei Sophokles wird vorausgesetzt83, daß das Grab des Ödipus jeweilen durch den König von Athen nur dem ältesten Sohne werde geoffenbart – und, dürfen wir hinzusetzen: mit dem Erlöschen des Königtums werde vergessen werden.

Eine Variante der Übertragung von Gebeinen ist das Zerstreuen der Asche eines Toten über ein ganzes Gebiet; so derjenigen des Neoptolemos über den Gau von Ambrakia84 und der des Solon über die Insel Salamis85. Die Wohltat war dann eine allverbreitete und durch keinen Raub mehr zu stören.

Daß Heroengebeine auch etwa über der Erde aufbewahrt und unter Umständen vorgezeigt wurden, geht daraus hervor, daß Kaiser Hadrian in Ilion solche zu küssen bekam. Es könnte auch geschehen sein, daß sie in Kriege und Schlachten mitgenommen wurden. Schon Troja hatte erst eingenommen werden können, als die Achäer das Schulterblatt des PelopsA8 erhalten hatten, welches später in Olympia gezeigt wurde86. Aussagen bei Herodot87 über Äakiden und Tyndariden (Dioskuren), welche man auf das Mitnehmen und sogar Ausleihen von Bildern derselben zu beziehen pflegt, sind vielleicht eher auf Reliquiarien zu deuten, wie man solche im Mittelalter nicht selten in den Kampf mittrug. Als seit dem Hader zwischen den spartanischen Königen Demaratos und Kleomenes nur noch je der eine König in den Krieg zog, wurde zugleich festgesetzt, auch von den Tyndariden müsse hinfort einer zu Hause bleiben. »Denn früher waren auch diese beiden mit ihnen gegangen, als Angerufene, ἐπίκλητοι.« Es ist kaum anzunehmen, daß von bloßen Bildern so viel Aufhebens gemacht und ihnen eine magische Kraft im Kampfe zugetraut worden wäre.

Neben allem aber, was man von einem Heros in Krieg und Frieden hofft, meldet sich – und zwar schon im Mythus – auch, was von seinem[224] Unwillen (ὀργή) zu fürchten ist. Nach der Einnahme von Ilion liegen die Achäer an der thrakischen Küste vor Anker88 und können nicht weiter, weil Achill über seinem Grabe erschienen ist und die Opferung der Polyxena verlangt. Einem durch Feinde bedrängten kretischen Stadthäuptling wird durch ein Orakel befohlen, den Ortsheroen eine Jungfrau zu opfern, und das Los, welches befragt wird, trifft (nach Art des Mythus) seine Tochter89. Mahnungen der Heroen wird man sogar nicht immer abgewartet haben; bei wichtigerm Beginnen wurden zum voraus Heroen desjenigen Orts, auf welchen sich die Unternehmung bezog, heimlich gewonnen. Solon erhielt90 vor seinem Angriff auf Salamis einen delphischen Bescheid, dortige Heroen, »Führer des Landes«, zu versöhnen; er fuhr bei nächtlicher Weile hin und opferte dem Periphemos und dem Kychreus.

Ein unvergängliches Denkmal des Gefühlskreises, der sich an das Grab eines Menschen der heroischen Zeit knüpfen konnte, ist der »Ödipus in Kolonos« des Sophokles. Die Thebaner, welchen der rachsüchtige Dulder entwichen ist, haben ihn nicht in ihrer Stadt, sondern nur an der Grenze ihres Gebietes begraben wollen, und nun sollen sie seine Reste überhaupt nicht haben, vielmehr ihr Verderben dabei finden, daß er auf attischem Boden bestattet werden wird. »Meine kalte verborgene Leiche soll einst ihr warmes Blut trinken«. Attika aber soll ihn nicht als einen »nutzlosen Bewohner« in sich beherbergen; wissentlich und willentlich soll durch sein Sterben in Kolonos alles Glück auf ewig an das attische Land geheftet werden91. Auf das großartigste verbindet sich mit diesem Grabe ein Eingang in die Unterwelt, deren Stimmen man noch mit zuA9 vernehmen glaubt.

Die eifrigste Anrufung, die festeste Überzeugung der Gegenwart, womit man je zu Heroen gebetet, mag dann vorgekommen sein bei der von so vielen Wundern begleiteten Neugründung von Messene, unter der Leitung des Epaminondas, nachdem er Sparta zu Boden gekämpft hatte92. Nach Opfern an die thebanischen, argivischen und messenischen großen Schutzgottheiten »riefen sie gemeinschaftlich zu ihren Heroen, sie möchten als Mitbewohner zurückkommen, die Messene, Tochter des Triopas, dann den Eurytos und den Aphareus und deren Söhne, und von den Herakliden den Kresphontes und den Äpytos; am meisten aber riefen alle den Aristomenes an« – den ruhmvollen Helden des zweiten messenischen[225] Krieges vor drei Jahrhunderten. Zu den mythischen Erinnerungen des von aller Welt Enden heimgekehrten und hergestellten Volkes gesellte sich die größte historische.

Auf das bisher Gesagte hin tritt nun auch die Bedeutung der doppelt vorhandenen Heroengräber in das wahre Licht. Die Todesstätte eines Heros, von welchem man Heil oder Unheil erwarten konnte, war vielleicht schon im Mythus an zwei verschiedenen Stellen lokalisiert, und an beiden Orten zeigte man alte Gräber; oder man war an der einen Stätte zwar der Sache nicht gewiß, wollte aber dem Heros nichts schuldig bleiben. In Theben fand sich ein Heroon des Iolaos, obgleich man wissen konnte, daß er auf Sardinien gestorben war93. Außerdem wirkte die noch lebendige Sitte der Kenotaphien oder Leergräber mit ein, welche94 fortwährend solchen Toten gesetzt wurden, die in weiter Ferne, im Kriege, zur See gestorben und deren Leichen nicht zu bekommen gewesen waren. In Elis hatte auf ein Orakel hin Achilleus ein Kenotaphion (κενὸν μνῆμα) erhalten95, an welches sich ein heftiger Trauerkult der Frauen knüpfte. Bei Theben zeigte man das Grab des Teiresias96 und gab doch zu, daß es leer und daß der große Wahrsager bei Haliartos gestorben sei. Der Herold des Epos, Talthybios, hatte seine Gräber in Sparta und im achäischen Ägion, und beide Städte brachten ihm Totenopfer97. Und noch spät in der historischen Zeit ergingen Orakelsprüche dieses Inhalts. Der große Kimon, obwohl anerkanntermaßen in denA10 Kimoneia zu Athen bestattet, hatte doch auch ein Grab zu Kittion, wo er gestorben war; bei Hungersnot hatte die Gottheit befohlen, ihn hier als einen Höhern (κρείττονα) zu verehren98 – und für einen Nicht-Gott war noch immer das Grabmal die nächstliegende Form hierfür.

Bei Pausanias (I, 41 ff.) fällt die Beschreibung von Megara auf schon durch Erwähnung sehr zahlreicher Gräber aus der mythischen Zeit überhaupt, auch solcher, welche regelmäßigen Kultus genossen; namentlich aber dadurch, daß eine Anzahl davon wie von den Megarern, man möchte sagen, usurpiert erscheinen. Man sah ein Heroon des attischen[226] Königs Pandion, welcher doch notorisch anderswo, und zwar in der Nähe bestattet war, ferner das Denkmal der Amazonenkönigin Hippolyte, welche nach ihrer Niederlage durch Theseus sich »aus Herzeleid« sollte nach Megara geflüchtet haben. Wenn man dann das Grab der Ino Leukothea, welche in der Nähe der Stadt von einem Fels ins Meer gesprungen war, den Megarern wird lassen müssen, so befremdet doch wieder das Heroon der Iphigenia und das Heiligtum des Adrastos, welche beide in Megara gestorben sein sollten, während doch das Grab des letztern in Sikyon einen so namhaften Kultus genoß, und vollends Iphigenias Ausgang eher überall hin als nach Megara weist. Wo Gründe und Umstände für solche Lokalisierungen vorgebracht werden, sind es nachlässige Erdichtungen; Adrastos sollte auf der HeimfahrtA11 vom thebanischen Kriege aus Kummer wegen des Todes seines Sohnes gerade in Megara gestorben sein; ein Heiligtum der Artemis wurde als Stiftung Agamemnons ausgegeben, bei Gelegenheit seines Besuches in Megara, da er den hier wohnhaften Kalchas habe zur Teilnahme am Zug gegen Ilion bewegen müssen. Wie kam ferner das megarische Dorf Erineia zum Grabe einer Kadmostochter? Auch hier sagte man, Autonoe sei aus Gram über das Schicksal ihres Hauses von Theben hierher übergesiedelt. Wir verzichten auf Hypothesen, welche wir nicht näher begründen könnten99.


Tatsächlich nahm der Heroendienst neben allem Götterdienst im griechischen Leben noch spät eine wichtigere Stelle ein, als es auf den ersten Anblick scheint; man möge nur die Jahresfeiern in Betracht ziehen, welche Pausanias im eigentlichen, erinnerungsreichen Hellas überall am Leben fand. Im ganzen wird man schließen dürfen, daß, wo die Grabesehren für gewöhnliche Verstorbene streng beobachtet wurden, dies auch mit dem Heroendienst der Fall gewesen sein möge, denn das zugrunde liegende Gefühl war von Hause aus dasselbe; dazu kam aber noch für die Heroen ein populärer Glaube. Nicht nur im Kriege, sondern in jeder Not und Gefahr scheinen Heroen – wir erfahren nur nicht immer, welche – um Schutz angerufen worden zu sein, vielleicht nicht viel weniger als Götter; es gab Heroenheiligtümer, welche ganz voll waren von Exvoto-Gemälden100, und da muß das in dem Bau lebend gedachte Wesen als sehr hilfreich gegolten und die Phantasie in hohem Grade beschäftigt haben.[227]

Fragte man freilich nach den Heroen überhaupt, ohne einen einzelnen zu nennen, so meinte das Volk, dieselben brächten ihr Dasein hin mit Zechen auf den Inseln der Seligen, so wie man es in Gruftmalereien und auf Gefäßen häufig abgebildet sah, und – wurde hinzugefügt – wie man es gerne mitmachen würde101. Schon bei Aristophanes spricht jemand102 eine recht zuversichtliche Hoffnung dieser Art aus: »Wir würden ja nicht so bekränzt und gesalbt auf die Bahre gelegt werden, wenn wir nicht drunten sogleich ans Trinken kämen; deshalb heißen ja die Toten Selige (μακάριοι); man sagt: der Selige ist geschieden, er ist entschlummert, der Glückliche! Er hat jetzt keinen Ärger mehr! Und wir opfern ihnen auf heroische Art (ἐναγίσμασιν) wie Göttern und weihen ihnen Trankspenden und bitten sie, uns Gutes heraufzuschicken.« So wie hier die gewöhnlichen Toten den Heroen ungefähr gleichgestellt werden, so auch in der sehr alten Sitte, das was beim Essen vom Tische fiel, nicht aufzuheben – nach der einen Aussage: indem man es den werten Verstorbenen überließ103, – nach einem Fragment des Aristophanes104: indem es den Heroen gehöre. Man wird dabei an jene uralten Zeiten erinnert, da die Toten im Hause begraben wurden.

Was dann die einzelnen, mit Namen bekannten Heroen betrifft, so wurden wohl in einer neuerungssüchtigen Stadt wie Athen z.B. selbst mit einem Schutzpatron der Gerichtshöfe wenig Umstände gemacht105, und wenn Todesstrafe auf jeder Verletzung der Bäume im Bezirk eines Heroon stand, sogar auf dem Abhauen eines Schosses106, so wird man hierin weniger die große religiöse Scheu (δεισιδαιμονία) der Athener zu erkennen haben, als die einfache Überzeugung, daß bei der großen Holzarmut ohne drakonische Strafen die Pflanzungen in Kürze wären ausgeholzt worden; auch war das attische Gesetz mit Todesstrafen äußerst freigebig, wenigstens mit der Androhung von solchen. Auf dem Lande war der Respekt größer: die sog. »Jungfrauen«, nämlich die riesigen Zypressen, welche das einfache Heroon des Alkmäon bei Psophis umstanden, wagte niemand zu fällen107. In aufgeregten Zeiten aber war auch[228] jenes nämliche athenische Volk bekanntlich für alle Arten von Aberglauben empfänglich und wird sich vor dem Unwillen seiner Heroen gefürchtet haben wie ein anderes. Und noch immer wurden ja neue Heroen kreiert wie z.B. jene Kriegsanführer, und auch Sophokles ist durch Staatsbeschluß zum Heros unter dem Namen Dexion, der Aufnehmende, erhoben worden, weil er den Asklepios in seinem Hause empfangen hatte108. Vermutlich war die Aufforderung hierzu von Leuten aus dem Volke, etwa von den Nachbarn, ausgegangen, denn den damaligen Demagogen sähe sie nicht ähnlich. In mancher griechischen Stadt und draußen in der Umgebung mag sich an ein altes Grab eine Art volkstümliche Kanonisation geknüpft haben, und wenn in den Berichten von einem Orakelbefehl die Rede ist, so wird ein solcher nicht jedesmal wirklich ergangen, sondern oft nur später vorausgesetzt worden sein. Und auch, wenn ein Orakel gefragt wurde, wird es nicht immer Delphi gewesen sein, wie die erhaltenen Aufzeichnungen angeben, sondern eine der nächsten, in der alten Zeit so zahlreichen Fragestätten. Beim Andenken an böse Händel aus mythischer Zeit schuf wohl schon die Furcht die Heroen: diejenigen thessalischen Scharen109, welche einst den Otos und Ephialtes zur Besitznahme von Naxos begleitet, die dortigen Thraker überwältigt und einander dann gegenseitig im wildem Kampfe getötet hatten, wurden später von den Eingebornen als Heroen verehrt. Wie freundlich dagegen das Grabmal des Liebespaares Rhadine und Leontichos bei Samos am Wege zum großen Heratempel! Hier erfährt man nichts von einer ausdrücklichen Erhebung der beiden zu Heroen, wohl aber, daß die Liebeskranken hinpilgerten und Gelübde darbrachten110. Aus Argos trieb man die Schafe zum heiligen Bezirk des Agenor111, »weil derselbe entweder ein trefflicher Schafzüchter oder ein besonders herdenreicher König gewesen«. Unweit von Oropos stand das Grabmal des Narkissos (nicht des bekannten) aus Eretria, und dieser galt wirklich als Heros und hieß der »Schweigsame«, und die Vorübergehenden pflegten ihre Gespräche einzustellen112. Ein andermal sind es unschuldig Ermordete, welche Heroenopfer erhalten113, wie hie und da im Mittelalter den Heiligennimbus; auf eine eingetretene schwere Kalamität hin hatte man aus Delphi diese Weisung bekommen. Vor der Schlacht von[229] Leuktra brachte Epaminondas dem dort begrabenen Skedasos und dessen beiden Töchtern Opfer derselben Art samt Gelübden114; die Töchter, von Spartanern genotzüchtigt, hatten sich erhängt, und auch der Vater, als er kein Recht fand, hatte sich getötet; damit nun zu aller sonstigen Vergeltung an Sparta auch diejenige für diesen Frevel komme, nahm Epaminondas die Kanonisation auf sich115. Aus verwirrten Erinnerungen an furchtbare alte Pestzeiten konnte das Grab eines halb fabelhaften alten Arztes heroischen Kultus erhalten, vergessen werden und später abermals Verehrung genießen, wie das des »heilenden Fremdlings«, des Skythen Toxaris, in Athen, welches noch zu Lucians Zeit116 beständig bekränzt und von Fieberkranken besucht wurde. Im Mittelalter galt hie und da die von einem Heiligengrab mitgenommene Erde, ja der Staub als heilkräftig. Zur Zeit des Pausanias117 mußte man in Theben das Grab des Zethos und des Amphion, einen Erdaufwurf, von rohen Steinen umgeben, in dem unserm April entsprechenden Monat ernstlich hüten, weil die phokischen Tithoreer – nach einem Spruche des Bakis – Erde davon zu rauben suchten, um sie dem in Tithorea befindlichen Grabmal der Antiope anzufügen, was ihnen Fruchtbarkeit, den Thebanern aber Unfruchtbarkeit bringen sollte.

Unter sonst unerhörten Umständen konnte selbst ein Sklave zum Heros erhoben werden, und zwar auf dem sklavenreichen Chios, etwa um 300 v. Chr.118. Der sehr fähige Anführer eines Sklavenaufstandes, Drimakos, der die Stadt zu einem vernünftigen Abkommen genötigt hatte, welches sie dann brach, um einen Preis auf seinen Kopf zu setzen, ließ sich, da er gealtert war, von seinem Liebling töten, damit dieser durch Vorweisung seines Hauptes den Preis erhalte. Als hierauf die Sklaven wieder Raub und Gewalttat übten, erinnerten sich die Chier an die Billigkeit und Mäßigung des Getöteten, errichteten ihm auf dem Lande draußen ein Heroon und benannten ihn als »wohlgesinnten Heros«. Dort brachten ihm dann freilich auch die ausgewichenen Sklaven die Erstlinge von[230] dem, was sie zu rauben pflegten; dafür erschien Drimakos manchem Bürger im Traum, um ihm solche Überfälle voraus anzukündigen, und die, welchen er erschien, brachten ihm dann ihrerseits Opfer an seinem Heroon. Hier ist alles bezeichnend, das Merkwürdigste aber wäre, die Anschauungen und Erwägungen der Chier zu kennen in dem Augenblick, da sie ihren Sinn änderten und den Kultus des gefürchteten Toten beschlossen.

Laut der Volksmeinung erschienen die Heroen überhaupt manchen Leuten im Traum119; sie hatten aber noch andere Mittel, sich vernehmlich zu machen: man hörte an ihren Gräbern bisweilen befremdliches Getön. Vom Gesamtgrab der athenischen Gefallenen meldet noch Pausanias das allnächtliche Pferdegewieher und den Kampflärm120; wer es absichtlich hören wolle, dem bekomme es nicht gut, wer aber nur zufällig dazu komme, den treffe der Unwille (ὀργή) der Dämonen nicht. Nun gelten sonst, wie oben bemerkt wurde, theoretisch die Dämonen als eine von den Heroen verschiedene, höherstehende Gattung von Wesen, allein das Wort Dämon hatte zu seinen so verschiedenen Bedeutungen beim Volk auch die eines Gespenstes angenommen, und insofern der Heros zum Gespenste wird, heißt er jetzt hie und da in dieser herrenlos gebliebenen Religion auch Dämon, wofür noch weitere Belege folgen werden. Daß der ummauerte geweihte Bezirk (τέμενος), in welchem manches Heroengrab stand, oft für völlig unbetretbar galt, wird seinen Grund nicht bloß in der Sorge vor der Verletzung des Grabes gehabt haben; man wollte wahrscheinlich den Heros schon nicht im Schlummer stören und war überhaupt froh, wenn sich das Gespenst nicht regte. Die wunderlichsten Phantasien verbanden sich mit den Besorgnissen vor diesen Wesen. Ein Heros regt sich z.B. furchtbar, wenn Amtsgenossen derjenigen Verrichtung, die ihm bei Lebzeiten eigen gewesen, beleidigt oder getötet werden. Der Zorn des Herolds der Atriden, Talthybios, über die Tötung der persischen Herolde zur Zeit des Dareios war laut Herodots offenbar sehr ernster Überzeugung121 nur durch den Untergang des Miltiades und zwei Generationen später von zwei nach Persien bestimmten lakedämonischen Gesandten zu sühnen. Anderseits richtete sich etwa der Haß eines[231] Heros gegen die ganze Kollegenschaft eines solchen, der ihn beleidigt hatte: auf Rhodos durfte dem Heroon des Okridion kein Herold nahen, weil einst ein solcher dabei behilflich gewesen war, als dem Okridion die Braut entführt wurde122. Zu dieser Feindschaft nach Kategorien gehört auch der Groll eines Heros wegen weiblichen Verrates: zu Tanagra war, in mythischer Zeit, Eunostos durch Anstiften eines Weibes umgekommen; seinem von einem heiligen Hain umgebenen Heroon durfte nun kein Weib nahen, und bei Erdbeben, Dürre und andern Wunderzeichen wurde ängstlich nachgeforscht, ob dies nicht dennoch geschehen sei. Noch zu Plutarchs Zeit verließ der Heros in solchen Fällen sein Grab123, und Leute sahen ihn auf dem Wege zur Küste, wie zum Bade wandeln.

Abgesehen von allen Heroengräbern konnte es aber vorkommen, daß Teile einer Heroenleiche noch gar nicht bestattet waren, und dann war zu erwarten, daß ein solcher Heros – unglücklich wie der Elpenor der Odyssee124 – sich beständig sichtbar erzeigte. Die Gegend des böotischen Orchomenos125 wurde fortwährend mit Schaden heimgesucht durch das Gespenst des Aktäon, welches auf einem Fels hauste. Auf Anfrage in Delphi erhielt man den Bescheid: wenn man noch einen Rest von Aktäon (über der Erde) finde, denselben zu begraben, ein ehernes Abbild des Gespenstes zu fertigen und dasselbe an dem Fels mit eisernenA12 Banden zu befestigen. Dies alles muß geschehen sein; Pausanias, der das Gebilde noch sah, fügt hinzu: und noch jährlich bringt man dem Aktäon heroische Opfer.

In der volkstümlichen Anschauung war vielleicht der Heros längst ein gefährlicher Kobold, während man ihn offiziell noch von der feierlichen Seite nahm. Für die Wandelung in den Ansichten ist eine Fabel in der Sammlung des Babrios126 höchst lehrreich. Auf einem Bauerngut liegt ein Heroengrab; der Landmann bringt Opfer, Kränze und Weinspenden und betet zum Heros um reichliches Gutes; da erscheint ihm derselbe im Traum und spricht: nichts Gutes gewährt dir ein Heros; um solches mußt du die Götter bitten; wir sind Spender alles Übels, das die Menschen verfolgt; willst du Übles, dann bitte; auch wenn du nur um ein Übles bittest, gewähre ich dir viele! – Unter den Sprichwörtern und Redeweisen der Alexandriner127 findet sich das folgende aufgezeichnet:[232] um zu sagen: ich bin keiner von denjenigen, welche den Leuten nichts Gutes gönnen, sagte man: ich bin keiner von den Heroen, denn, fügt der Aufzeichner hinzu, die Heroen sind eher bereit zu schaden als zu nützen.

Ganz bedenklich war es, wenn der Heros als Incubus der Frau des Gehöftes einen Besuch machte. Herodot, welcher die Geschichte128 vorbringt, gilt bekanntlich dafür, daß seine Behandlung spartanischer Dinge nicht völlig frei sei von Bosheiten, die man sich in Athen (und vielleicht auch heimlich unter unzufriedenen Spartanern) erzählte, aber innerhalb des damaligen Gesichtskreises liegt die Erzählung unvermeidlich. König Demaratos von Sparta hat seine Mutter durch ein feierliches Stieropfer am Altar des »Zeus des Gehöftes« zum Reden gezwungen und von ihr die Auskunft erhalten, er sei, wenn nicht vom König Ariston, dann von dem Heros Astrobakos erzeugt, dessen Heroon im Vorhof des Königshauses stand; der, welcher zu ihr gekommen in der betreffenden Nacht, habe sie bekränzt, die Kränze aber seien von jenem Heroon genommen gewesen.

Die Heroen erzeigen sich ferner nicht bloß als bösartig überhaupt, sondern speziell als prügelsüchtig129, und bei Nacht noch mehr als bei Tage, und wenn man, hieß es, sie gerne aus großen Gefäßen trinkend abbilde, so geschehe dies um jene Eigenschaft eher auf ihre Trunkenheit als auf ihren Charakter (τρόπος) zurückführen zu dürfen. Wer nächtlicherweile mißhandelt worden war, mochte etwa eher einen Heros als einen Bekannten anklagen.

Was vollends von Leidenschaft und Aberglauben im griechischen Gemüte schlummerte, das kam zum Ausbruch an den großen Kampfspielen, bei den Wettkämpfern selbst wie bei den Zuschauern. Im Hippodrom von Olympia130 befand sich eine Art von Rundaltar, genannt der Pferdescheumacher, Taraxippos, und darin sollte ein maliziöses Wesen hausen, welches man vor der Fahrt durch Opfer zu begütigen suchte. Die meisten glaubten, ein Heros liege darin begraben, etwa Alkathoos, welcher einst, wie andere Freier der Hippodameia, im Hippodrom Unglück gehabt habe und nun auf die Wettfahrenden neidisch und ein übelwollender Dämon sei.

[233] Endlich umfaßt die berühmte Spukgeschichte, welche um den Anfang des V. Jahrhunderts v. Chr. im unteritalischen Temesa ihren Ausgang fand131, alles, was Volkswahn und religiöse Konfusion in betreff eines sogenannten Heros zusammenbringen konnten. Das betreffende Wesen, welches abwechselnd Heros und Dämon heißt, soll ein Gefährte des hier angekehrten Odysseus, namens Polites gewesen und von den Eingebornen gesteinigt worden sein, weil er im Trunke ein Mädchen genotzüchtigt hatte. Er tötete hierauf Leute von Temesa, jung und alt, so daß die Einwohner bereits auf Abzug nach einer andern Gegend gedacht haben sollen; nach andern Berichten hätte er aber auch höchst lästige Tribute eingezogen, und dabei wird man an eine Gaunerbande denken dürfen, welche sich bei dem Grabe eingenistet hatte. Endlich wies Pythia die Temesier an, den Heros zu versöhnen, ihm einen heiligen Bezirk samt Tempel zu weihen – offenbar das Heroon zwischen wilden Ölbäumen, welches noch Strabo sah, – und ihm jährlich die schönste Jungfrau von Temesa zu geben, der Form nach ohne Zweifel als Jahrespriesterin dieser saubern Gottheit. Sie taten so, worauf der Schrecken aufhörte, während n.a. auch noch jene Tribute fortgedauert hätten132. Immerhin war man auf einen Vertragsfuß mit dem gefährlichen Heiligtum gelangt und erwies demselben regelmäßige Andacht. Eine solche Zeremonie war eben im Gange, als der berühmte Faustkämpfer Euthymos, ein epizephyrischer Lokrer, von seinen griechischen Siegen nach Italien zurückkehrte; er verlangte, in das Heiligtum hineingelassen zu werden und das Mädchen zu sehen; er empfand Mitleid, dann Liebe; sie schwor ihm die Ehe, wenn er sie retten würde, und nun erwartete er bewaffnet den »Dämon« und besiegte ihn im Kampf; damit war der »Heros« aus dem Orte vertrieben und verschwand, indem er ins Meer versank. Weniger romantisch lautet der Ausgang bei Älian: Euthymos hatte jenen nicht bloß besiegt, sondern gezwungen, noch mehr herauszugeben, als er geraubt hatte; es wäre also mit dem Kobold noch parlamentiert worden, und wohin er geriet, meldet Älian nicht. Auch Strabo sagt nur: Euthymos zwang ihn, die Eingebornen vom Tribut zu lösen.

In besonderm Sinne merkwürdig ist dann, was Pausanias Weiteres beifügt: Euthymos, der eine herrliche Hochzeit gehalten, erreichte ein hohes Alter und »verließ dann das Menschenleben auf eine andere Weise[234] als durch den Tod133«. Hier wird der Sieger über das Gespenst selber zum übermenschlichen Wesen. Berühmte Wettkämpfer, zur Zeit der höchsten Begeisterung für das agonale Treiben, galten freilich ohnehin als von Göttern erzeugt und also schon als Heroen, auch wenn man deren sterbliche Väter mit Namen kannte, und Pausanias hat nicht nur vorher von Euthymos berichtet, er habe als Sohn eines Flußgottes gegolten, sondern er meldet auch von dem großen Rival desselben, Theagenes von Thasos, er sei von Herakles erzeugt gewesen134. Es ist möglich, daß Euthymos selber dergleichen von sich geglaubt und um soviel kühner dem Gespenst (oder was es war) von Temesa getrotzt hat.

Auf dieses hin wird nun auch die unerhörte Geschichte erklärlich, welche unser Gewährsmann135 von dem berühmten Ring- und Faustkämpfer Kleomedes von Astypaläa erzählt. Derselbe hatte (496 v. Chr.) in Olympia seinen Gegner im Faustkampf getötet und war darob seines Sieges verlustig erklärt worden. Aus Schmerz und Trauer – wohlbemerkt, nicht wegen der Tat, sondern wegen dieser Erklärung der Kampfrichter – fiel er in Wahnsinn; nach Astypaläa zurückgekehrt, riß er in der Schule, wo sich etwa sechzig Knaben befanden, den Pfeiler um, welcher das Dach trug, so daß sie alle verschüttet wurden; von den Einwohnern mit Steinen verfolgt, floh er in den Athenetempel, kroch in eine Kiste und zog deren Deckel über sich; die Einwohner konnten sie nicht öffnen, zerschlugen sie endlich und fanden sie leer; auf Anfrage in Delphi, was mit Kleomedes vorgegangen sei? – kam in zwei Hexametern der Bescheid: Kleomedes sei der letzte der Heroen und als ein Unsterblicher mit Opfern zu ehren, wie dann hinfort geschah. Vom Tatbestand mag man hier nach Belieben denken; in der Anschauung spielen durcheinander: der längst erworbene agonale Ruhm des Landsmanns samt der darauf bereits begründeten Reputation eines übernatürlichen Wesens; anderseits die Gefährlichkeit und Furchtbarkeit der Heroen, über welche die Einwohner der Insel und diesmal auch das Orakel von Delphi eines Sinnes gewesen sein müssen136. Kleomedes mochte als Heros erscheinen, schon weil er[235] entsetzlich gewesen. Andere Gespenster flößen Grauen ein durch ihr Erscheinen, dieses durch sein Verschwinden.


Da nun eine völlige Trennung von Heroen und Gespenstern unmöglich ist, mag in Kürze noch von den letztern die Rede sein. An solchen ist in Hellas kein Mangel gewesen, und es gehört zu den Wahnvorstellungen über die Glückseligkeit der alten Griechen, daß sich bei ihnen nichts dergleichen hätte erzeigen können. Das meiste ist von ähnlicher Art wie bei andern Völkern, einiges aber eigentümlich. Zunächst wird es nicht mehr befremden dürfen, wenn zwischen Seelen Verstorbener und Dämonen die Unterscheidung schwankt und unsicher wird, ganz ähnlich wie bei den Heroen137.

Vor allem waren und blieben die Gräber unheimlich, weil irgendein Rest des bewußten, geistigen Lebens des Verstorbenen mit der Leiche verbunden geglaubt wurde138. Wären es nur die Gräber von Angehörigen des Besuchers gewesen, so hätte die Pietät ihn beruhigen können, allein es handelte sich um ganze Gräberstraßen und Nekropolen. In Sparta, wo die Gräber in der Stadt selbst lagen, galt es als eine ganz besondere Anleitung zum Mut für die Knaben, daß man sie an das Gehen zwischen den Grabstätten gewöhnte. Eine ganz widrige Vorstellung begann das Bild der Hekate139, einer ehemals sehr vornehmen Göttin, zu verunstalten: man hielt sie mit der Zeit für die Herrin der an den Gräbern haftenden Seelen und suchte sie durch angstvolle Opfer zu bestimmen, diese vom Erscheinen abzuhalten; es hieß, daß sie nachts, von Seelen begleitet, unter Hundegebell, in entsetzlicher Gestalt um die Gräber schwärme. Bei den Italiern hatte das Erscheinen von Schatten in größerer Anzahl noch eine viel weitere Bedeutung: es war ominös und ging großen Ereignissen voran, wie die Verschwörung Catilinas (Dio Cassius XXXVII, 25) und der Tod Cäsars waren. (Virgil, Georg. I, 477. Ovid, Metam. XV, 797). Schon zur Zeit Hannibals erschienen in Rom an vielen Stellen Gestalten in der Toga (wenn togatorum statt togarum zu lesen ist) und verschwanden vor den Augen der näher Hinzutretenden. Später, gegen den großen Aufstand der italischen Völker hin (um 90 v. Chr.) sah man zu Fäsulä[236] zwischen den Gräbern eine gewaltige Menge von blassen Leuten in Trauergewand bei Tage scharenweise herumwandeln140.

Wenn die Lehre von der Seelenwanderung einen größern Einfluß auf den griechischen Volksglauben gehabt hätte, so wäre hier auch umständlicher der leibvakanten Seelen zu gedenken und ihres Verhaltens in der Zwischenzeit, bis Hermes sie in neue Leiber leitet; wir lassen dies jedoch auf sich beruhen.

Häufig erschienen Verstorbene den Lebenden im Traume, meist um irgend eines Anliegens willen, wie bei allen Völkern, und nicht immer wird zwischen Träumen und Wahrnehmung im halben oder ganzen Wachen genau unterschieden worden sein141. Deutlich aber, und bisweilen in sehr schreckhafter Gestalt, traten solche auf, welche »vor der bestimmten Zeit« auf gewaltsame Weise ihren Tod gefunden142; sie erschienen an der Stelle, wo ihr Leichnam begraben lag. Die plautinische Komödie Mostellaria, wahrscheinlich Nachbildung von Menanders »Phasma«, beweist (Akt II, Szene 2), daß das Spuken eines vor langen Jahren in einem bestimmten Hause Ermordeten ein auf der attischen Szene völlig verständliches Motiv war: das Haus gehört nun dem Gespenst; der Unglückliche hat vorzeitig aus dem Leben müssen, als sein Gastfreund ihn um seines GoldesA13 willen ermordete und in dem Gebäude verscharrte; der Orkus nämlich weist solche vor der Zeit Umgekommene zurück. Der jüngere Plinius erzählt mit vollem Glauben eine wirklich in Athen vorgekommene Erscheinung dieser Art143, zwischen zwei römischen Spukgeschichten. Statt der Erscheinung des einen ist auch im Plural von εἴδωλα oder φάσματα (Gespenstererscheinungen) die Rede, so in der Geschichte des Damon von Chäroneia144, welcher auf Anordnung der Stadtbehörden in dem Salbraum eines dortigen Gymnasions ermordet worden war; als sich Gespenster erzeigten und Seufzen gehört wurde,[237] ließ man die Türen vermauern, aber noch zur Zeit, da Plutarch lebte, klagten die Nachbarn über Erscheinungen und Stimmen. Harmloser und bei viel geringerm Anlaß erscheinen etwa Verstorbene, die noch einen Wunsch zu äußern haben. Zwar nur im Lügenfreund des Lucian (Kap. 27) überliefert, aber ein niedliches Bild griechischen Lebens ist die Geschichte des Eukrates, welcher seine geliebte verstorbene Gattin mit ihrem ganzen Putz und Schmuck dem Scheiterhaufen übergeben hatte: am siebenten Tag darauf, als er einsam saß und Platos Phädon (περὶ ψυχῆς) vor sich hatte, kam sie herein, setzte sich neben ihn und klagte, eine ihrer goldenen Sandalen sei nicht mit verbrannt worden; dieselbe war in der Tat unter einen Kasten gefallen und bei der Leichenfeier nicht zu finden gewesen. Indem sie aber redete, bellte das meliteische Hündchen, und sie verschwand; die Sandale jedoch fand sich später und wurde nachträglichA14 ebenfalls verbrannt. Hier ist auch der Erzählung145 zu gedenken, welche die Grundlage zu Goethes Braut von Korinth geworden ist, aber eher in Amphipolis spielt. Den Anlaß bildet ohne Zweifel ein wirklich geglaubtes Ereignis, die Aufzeichnung jedoch ist die eines Wundersammlers aus diadochischer oder bereits römischer Zeit, welcher einen Brief fingiert, den ein höherer makedonischer Beamter geschrieben habe. Am Anfang verstümmelt, überladen mit unnützen Einzeltatsachen, zum Teil offenkundig übel fingiert, hat der Bericht im Innern unseres großen Dichters eine gewaltige Wandelung durchmachen müssen, bis das Thema so gestaltet war, wie es ihm diente. Bedeutsam ist und bleibt, daß die tote Philinnion leiblich erscheinen muß, weil sie leiblich genießen will146. Ihren Namen hat Goethe bekanntlich in den »Wilhelm Meister« herübergenommen für eine seiner zierlichsten weiblichen Schöpfungen. – Die beiden folgenden Geschichten in derselben Quelle147 vom Ätolarchen Polykritos und von zwei gespenstisch auftretenden Toten nach der Thermopylenniederlage des Antiochos (191 v. Chr.) sind als Hergänge ganz roh und wohl nur zu dem Zwecke ersonnen, Weissagungen daran zu knüpfen.

Die geflissentliche Totenbeschwörung, eine nicht gar zu seltene griechische Praxis, wozu das Interesse sowohl als der Kummer und die Sehnsucht148 die Hinterlassenen bewegen konnte, wäre hier schon zu erwähnen, insofern sie die Folge von vorhergegangenen Erscheinungen der[238] Toten war. Der Sieger von Platää, Pausanias, ist hier ein doppeltes Beispiel: das von ihm erdolchte Mädchen aus Byzantion quält ihn durch Erscheinungen und wird endlich gebannt und steht Rede (s. unten), er selbst aber, nach seinem Untergang, macht dann die Stätte desselben, den Tempel der Athene Chalkioikos in Sparta, als Gespenst unsicher und behelligt (ἐτάραξε) die Besucher, bis durch bannkräftige Leute aus Italien und Thessalien Wandel geschafft wird149. Vielleicht erfolgten sogar die meisten Totenbeschwörungen auf Erscheinungen, wenigstens auf Traumerscheinungen hin; der Tote mußte bewogen werden, mit seinen Wünschen oder Aufschlüssen deutlicher Rede zu stehen. An das Bild einer der Rede und Mitteilung fähigen Schattenwelt überhaupt war die Phantasie der Griechen schon durch den XI. Gesang der Odyssee gewöhnt; daß aber auch die Anrufung der Heroen im Grabe bereits einer Beschwörung nahekommt, ist oben angedeutet worden; der einzelne Tote in seinem Grabe wird als wachend oder als erweckbar angesehen. Bei Homer dagegen war es das allgemeine »Haus des Hades«, wo sich vom Erebos150 her die Toten in Scharen einfanden.

Für die Totenbeschwörung in der historischen Zeit gab es dann bestimmte Örtlichkeiten (Nekyomanteia, Psychomanteia, Psychopompeia) und ein Personal von sogenannten Psychagogen, wahrscheinlich nicht einmal in völligem Geheimnis. Eine soviel als unbeaufsichtigte Religion, wie die griechische, konnte neben so vielen rauschenden Festlichkeiten und verehrten Mysterien recht wohl auch ein Ritual wie das der Nekromantie dulden151. Wenn Plato dieselbe nur als ein Verbrechen völlig ruchloser Menschen gelten läßt152, vielleicht weil er Nekromanten oder Psychagogen (wie er sie nennt) zufällig nur als Betrüger kannte, so hatte die Sache doch auch ihre tröstliche, besänftigende Seite, und mitzuhalten war ja niemand gezwungen, und wenige mögen dazu reich genug gewesen sein. Das Hervorrufen von Schatten kommt auch außerhalb Griechenlands bei verschiedenen Völkern und Rassen und nicht bloß bei der Hexe von Endor vor, auf welche König Saul sich angewiesen sah, nachdem er selber die »Totenbeschwörer und klugen Männer« aus dem Lande geschafft hatte. Man lese mit einigem Nachdenken das 28. Kapitel des[239] ersten Buches Samuel153, und man wird nicht mehr durchaus der Meinung Platos sein, sondern zugeben, daß die Psychagogen völlig überzeugte Menschen wenigstens sein konnten. Diese Dinge sind allermindestens so ernst zu nehmen als das, was unsere Zeit hat erleben müssen, daß nämlich mitten in unsern Großstädten zwischen Börsenkursen, politischen Sensationstelegrammen und Feuilletonsnovellen der Spiritismus hat unzähligen Leuten über den Kopf wachsen können.

Von den betreffenden Örtlichkeiten war diese oder jene ohnehin bekannt als Eingang in die Unterwelt, z.B. Tänaron154, Heraklea Pontica155 und das Heiligtum am Fluß Acheron im Lande der Thesproter156; in der Nähe des uralten Cumä hat man die Wahl zwischen der Palus Acherusia und dem Lacus Avernus, wenn man das berühmte Nekyomanteion ermitteln will. Bei andern Eingängen des Hades, sogenannten Plutonien und Charonien, erfährt man vielleicht zufällig nichts von Totenbeschwörung, und einige davon waren später zu harmlosen Kuranstalten geworden157.

Das älteste genau oder scheinbar genau überlieferte Beispiel: Periander, der seine Boten an das thesprotische Nekyomanteion schickt, um den Schatten seiner Gemahlin Melissa befragen zu lassen, ist unter allen Umständen lehrreich, weil es die allgemeinen Voraussetzungen beleuchtet, welche um die Wende vom VII. zum VI. Jahrhundert geherrscht haben müssen. In diesem Sinne ist die Erzählung158 im höchsten Grade echt; was die wüste Phantasie und der tiefe Tyrannenhaß der Korinther sich über eine vielleicht wirklich vorgekommene Totenbefragung ihres Herrschers haben einbilden können, enthält sie vollständig; ersonnen wird freilich sein, daß Periander die Gattin ermordet und dann ihren Leichnam beschlafen habe (wenn auch der letztere Zug in ein damals wirklich vorhandenes Seitengebiet des Aberglaubens hineinleuchten könnte). Und erstaunlich ist dann die in ihm vorausgesetzte Härte: statt die Gattin zu versöhnen oder statt froh zu sein, wenn ihr Schatten ihn nicht aufsuchte, läßt er sie befragen wegen einer offenbar geringen Sache, welche wahrscheinlich mit Geld wäre abzutun gewesen, und dies geschieht durch[240] Boten, welchen dann Melissa die greulichsten Dinge soviel als deutlich offenbart, hernach aber wird noch ganzA15 unbefangen durch eine zweite Botschaft die Schlußantwort des Schattens eingeholt.

Noch in frühere Zeit, in die erste Hälfte des VII. Jahrhunderts, fällt die Sühnung der »Seele« des berühmten Jambendichters Archilochos, und hier ist von besonderer Wichtigkeit, daß das Orakel von Delphi denjenigen, durch welchen Archilochos im offenen Feldstreit umgekommen, Kallondas, genannt Korax, ausdrücklich dazu anweist159; diese Sühnung ist nämlich ohne Erscheinung des Schattens nicht denkbar. Pythia hatte als Ort nicht etwa das Grab genannt, wo vielleicht bloße Opfer genügt hätten wie bei Heroen, sondern Tänaron, und hier war, wie schon gesagt, nicht nur ein Eingang in die Unterwelt, sondern ein Psychopompeion, und schon der alte kretische Gründer der dortigen Stadt, Tettix, hatte dasselbe angetroffen. Die Totenbeschwörung hat also unter Umständen in Delphi als völlig erlaubt gegolten. In der Römerzeit160 mochte man dann nach Belieben konstatieren, daß aus der Höhle von Tänaron kein weiterer Weg abwärts führe, wo eine unterirdische Wohnung von Göttern und ein Sammlungsort der Seelen sein könnte.

Von dem Ritual erfahren wir natürlich soviel als nichts, indem schon die Berichterstatter darüber gewiß meist im Dunkel blieben. Wachend und besonnen mögen einige den Schatten erwartet haben, andere vielleicht in Ekstase oder in Betäubung, wieder andere in einem auf bestimmte Opfer erfolgten Traum, so daß der ganze Hergang dem des Tempelschlafes glich; dieser aber pflegte durch das Personal des Heiligtums irgendwie, vielleicht durch magnetische Behandlung herbeigeführt zu werden. Aus unbestimmter Zeit ist eine Schilderung dieser Art vorhanden, welche zufällig die umständlichste Nachricht von Totenbefragungen überhaupt ist161. Im griechischen Terina, an der Westküste von Bruttium, starb dem reichen Elysios sein hoffnungsvoller Sohn Euthynoos plötzlich und ohne kenntliche Ursache; aus Sorge, es möchte Gift oder Zauber im Spiele gewesen sein, begab sich Elysios in ein Psychomanteion, brachte die »gebräuchlichen« Opfer und legte sich zum Schlaf. Da sah er folgendes Gesicht: ihm erschien sein eigener Vater, welchen er dringend bat, ihm den Urheber des Todes seines Sohnes anzugeben. Der Vater antwortete: »Deshalb komme ich! Nimm aber von dem da an, was er dir bringt. Da wirst du alles erfahren!« – und dabei deutete er auf einen ihm folgenden Jüngling, welcher dem Sohne glich, auch im Alter. Elysios fragte diesen, wer er sei, und derselbe antwortete:[241] »ich bin der Dämon deines Sohnes«, und gab ihm ein Schreibtäfelchen, auf welchem zu lesen war: Du fragtest, Törichter? Einfältiger Sinn der Menschen! Euthynoos ist tot nach Fügung des Schicksals (μοιριδίῳ ϑανάτῳ), denn daß er weiter lebte, wäre nicht gut gewesen, weder für ihn noch für die Eltern!162

Einfacher war die Totenbefragung durch Schlaf auf oder bei dem betreffenden Grabe. Kyrsas von Chios, der den Sokrates in Athen besuchen wollte, traf ihn nicht mehr lebend und schlief dann an dessen Grabe; da erschien ihm Sokrates im Traum und redete mit ihm, Kyrsas aber, »nachdem er dies eine von dem Philosophen genossen«, fuhr wieder von dannen163. Die Pythagoreer dagegen, deren Freundschaftspflichten über den Tod hinaus reichten, übten bisweilen am Grabe des Genossen nicht bloß Trankopfer (und sogar Brandopfer), sondern auch eigentliche Beschwörung, bis ihnen irgendwie geantwortet wurde. Dies ist die Voraussetzung in dem – so willkürlich betitelten – plutarchischen Roman vom Daimonion des Sokrates (Kap. 6 bis 16); die verstorbenen Mitglieder des Bundes können sich zunächst zu erkennen geben bis in weite Ferne durch Träume und eigentliche Erscheinungen (φάσματα ἐναργῆ), wobei sie besondere heilige Begehungen an ihrem Grabe oder auch Übertragung der Gebeine verlangen, und zwar erkennt der Träumende an bestimmten Zeichen, ob die Erscheinung (εἴδωλον) die eines Verstorbenen oder die eines noch Lebenden sei. Nun ist auf solche Mahnungen hin Theanor von Kroton nach Theben gereist und hat daselbst abends am Grabe des Lysis die Trankopfer vollzogen und die Seele des Lysis gerufen, damit sie künde, was vollzogen werden müsse. »Nach Eintritt der Nacht sah ich zwar nichts, glaubte aber eine Stimme zu hören: das Ruhende möge nicht bewegt werden! der Leib sei von den Freunden fromm bestattet worden, die Seele aber sei schon ausgeschieden und entlassen zu einer neuen Geburt, wo sie auch einen neuen Dämon zum Begleiter erhalten habe«. Theanor wird des andern Tages im Gespräch mit Epaminondas, dem Schüler des Lysis, berichtet, wie dieser den Lysis begraben habe und weiß nun, daß der Schüler vom Lehrer selbst bis in die geheimsten Dinge (ἀπόῥῥητα) hinein unterrichtet worden ist.

Ganz anders konnten die Beschwörungen verlaufen, wenn rohe oder gewaltsame Menschen sich darauf einließen. In den König Kleomenes von Sparta (Ende des VI. Jahrhunderts) teilten sich bekanntlich[242] Grausamkeit und Aberglauben, bis er in Wahnsinn endete. In der Zeit164, bevor er König war, hatte er einen Genossen seiner Machenschaften an Archonides, welchem er schwur, er werde als König »alles mit dessen Kopf tun«. Dann tötete er denselben und bewahrte den abgeschnittenen Kopf in Honig; bei jedem Vorhaben beugte er sich dann gegen das Gefäß und sprach aus, was er zu tun gesonnen sei; damit meinte er, seinen Eid zu beobachten. Dies kann sich alles wörtlich so verhalten haben, vielleicht aber steckt in der Sage die Ansicht von einer jedesmaligen Beschwörung des Ermordeten, welcher Auskunft geben mußte. Kleomenes war aus dem einen spartanischen Königshause der Eurystheniden; bald nach ihm werden von einem Sprößling des andern, jenem mächtigen, verwilderten Pausanias, jene schon oben berührten düstern Geschichten aus demselben Gebiet erzählt. Er hatte die schöne Kleonike von Byzantion zwar mit Gewalt entführt, aber nicht mit Willen, sondern in nächtlicher Verwirrung getötet165. Dennoch verfolgte ihn ihr Schatten in seinen Träumen mit drohenden Worten und zerrüttete das Bewußtsein des von Entdeckung bedrohten politischen Verräters vollends. Umsonst übte er allerlei Reinigungszeremonien und suchte als Schutzflehender den »Zeus der Zuflucht« (Zeus Phyxios) auf; endlich im Nekyomanteion von Heraklea am Pontus166 ließ er die Kleonike mit Sühnen und Trankopfern beschwören, und sie erschien und sagte: sein Leiden werde bald ein Ende nehmen, wenn er einmal in Sparta sei, mit diesem Ende aber war sein Untergang gemeint. Vermutlich auf seiner letzten Reise dahin besuchte er auch noch die Psychagogen im arkadischen Phigalia, doch erfährt man nicht mehr, was ihm diese gewährten167. Von ihm selbst, wie er nach seinem Tode spukte, ist bereits Erwähnung geschehen.

Es wird anzunehmen sein, daß bei weitem die meisten Fälle der Totenbefragung geheim blieben, und daß wir von solchen DingenA16 nur zufällig erfahren, wenn es etwa eine berühmte Persönlichkeit betraf. Und so kann es auch beträchtlich mehr Nekyomanteia gegeben haben als die, welche erwähnt werden. Der Traum hatte bei den Griechen ein ganz anderes Gewicht als bei uns, und gewiß sehr häufig kamen Traumerscheinungen Verstorbener vor, welche etwas wünschten, oder von welchen man etwas zu wünschen hatte; sobald man sich nun das überaus Schreckhafte wegdenkt, welches unsere jetzige Phantasie mit solchen Vorgangen[243] verbindet, und dafür die Möglichkeit einer Pietätspflicht eintreten läßt, so war die Beschwörung nicht etwas so Außerordentliches. Im Geräusch von Athen vernimmt man allerdings kaum einen Ton dieser Art, doch wird bei Aristophanes168 auf das Beschwören überhaupt angespielt als auf eine Übung, welche den Zuschauern bekannt und verständlich sein mußte. Wie selten dann aber auch Jahrhunderte hindurch die Spuren sein mögen, in der römischen Zeit taucht die Praxis wieder sehr deutlich empor und nicht bloß bei gewissen Kaisern, sondern auch im Privatleben, so daß man voraussetzen darf, daß sie nie völlig aufgehört hatte. Nur war sie beweglicher geworden und nicht mehr an bestimmte Heiligtümer gebunden, auch mögen sich ihrer die verschiedensten Leute bemächtigt haben statt der alten Psychagogen von Beruf169.


Die Erscheinungen außermenschlicher Wesen würden die vorliegende, von den Heroen ausgegangene Betrachtung nicht mehr berühren, wenn es in diesen Dingen bei den Griechen eine feste Grenze gäbe. Allein diese Schreckgebilde sind, je nach den Aussagen, bei Lebzeiten bestimmte Individuen gewesen. Neben den Lamien als Gattung, als schönen gespenstischen Weibern, welche Kinder und Jünglinge an sich locken und ihnen nach Weise der Vampyrn das Blut aussaugen170, wird eine Lamia genannt als Tochter des Belos und der Libye, welche Kinder raubte und umbrachte aus Groll, weil Hera die ihrigen getötet, die sie von Zeus hatte. Nicht eine Gattung, nur ein entsetzliches, überall gefürchtetes Einzelwesen war die Empusa, welche eine grauenvolle Gestalt nach der andern annehmen konnte171 und als Sendbotin der Hekate, auch wohl als identisch[244] mit ihr betrachtet wurde172. Und während sich die Erwachsenen offenbar nicht wenig vor solchen Gebilden fürchteten, machten sie törichterweise noch den Kindern bange mit einem Gespenst, welches nie erschien, mit der Mormo.

Außer diesen und andern für bekannt geltenden Physiognomien tauchen dann im Leben des Einzelnen Erscheinungen aus dem Dunkel empor, meist in bestimmter Beziehung auf Lage und Augenblick, welche man unter dem noch so vieles andere bezeichnenden Namen von Dämonen kennen lernt. Daß Dämon öfter geradezu für Gespenst gesagt wird, ist bereits erwähnt worden, wenn auch daneben die Ausdrücke φάσματα, εἴδωλα vorherrschen. Jedenfalls werden wir hier solche Dämonen auszuschließen haben, welche als große, unsichtbare Menge die Welt umschweben und auch diejenigen, welche als Dämonen des Antriebs und als beständige Begleiter des einzelnen Menschen gedacht werden, diesem aber nie zu Gesichte kommen173.

Es gab Leugner, welche meinten, keinem Vernünftigen begegne jemals die Erscheinung eines Dämons174, nur Kinder, Weiber und konfuse, kränkliche Schwächlinge schleppten sich mit solchen leeren Meinungen, während sie nur eben in sich selbst als bösen Dämon den Aberglauben trügen. Von solcher Freiheit ist dann ein großer Abstand bis auf jenen Eukrates in Lucians »Lügenfreund«, welcher (Kap. 17) damit prahlt, daß ihm Dämonen sehr häufig bei Tage und bei Nacht begegnen; er scheue sie nicht mehr, seitdem er von einem Araber einen (aus dem Eisen von Hinrichtungskreuzen verfertigten) Ring erhalten habe und die Bannformel (ἐπῳδή) wisse175. Lucian schreibt allerdings in einer Zeit, da auch der Beschwörer, welcher Dämonen herbeirief, bereits eine wichtige Person geworden war; Beschwörer gefährlicher geheimer Götter hatte es aber von jeher und auch zu Platos Zeit gegeben. Und wenn man im[245] täglichen Leben bei plötzlichen, zumal schlimmen Vorkommenheiten immer geglaubt hatte, es sei etwas Dämonisches – unausgeschieden vom Göttlichen (ϑεῖον) – in der Nähe, so hing am Ende der Unterschied zwischen Sichtbarwerden und Unsichtbarbleiben an einem Wenigen.

Um die größere oder geringere Wucht des Glaubens an erscheinende Dämonen richtig zu schätzen, wird man auszumitteln haben, wie hoch hinauf, bis zu welchen geistig und sittlich bedeutenden Individuen derselbe sich erstreckte. Der große Demokrit, wenn die ihm beigelegten Äußerungen176 echt sind, glaubte an Gespenster (εἴδωλα), welche sichtbar und hörbar demA17 Menschen sich nähern, die Zukunft künden und wohltätig oder schädlich sein können; man möge darum beten, daß nur gute erscheinen; ihrer Natur nach seien sie von langem Dasein, doch nicht unvergänglich. Für das nun zunächst Folgende, die berühmten Visionen des Dion von Syrakus und des Brutus, ist mit Plutarch177 zuzugeben, daß beide davon sogleich ihren Leuten erzählten, d.h. von der Wahrheit der Gespenster subjektiv völlig überzeugt waren. Beides sind Ankündigungen des baldigen Unterganges; die Erscheinung ist das persönliche böse Schicksal, so wie sich dasselbe in der Phantasie eines Griechen und eines griechisch gebildeten Römers spiegeln mochte.

Dion in seiner ängstlichen Moralität ist verdüstert, weil er den Schurken Herakleides endlich hat töten lassen; zugleich aber ist er schon umgarnt von der Verschwörung des Kallippos. Eines Abends, gegen Dämmerung, saß er einsam, tief in Gedanken in der Vorhalle seines Hauses; auf ein Geräusch von der andern Seite her wandte er sich um und erblickte ein mächtiges Weib, in Tracht und AntlitzA18 wie eine Erinys der tragischen Szene, welche mit einem Besen das Haus fegte. Tief erschüttert rief er seine Freunde, sagte ihnen, was er gesehen und bat sie, die Nacht bei ihm zu bleiben; das Gespenst kehrte indes nicht wieder. Nach wenigen Tagen sprang sein (mißratener) Sohn wegen einer geringen Ursache vom Dach herab und blieb tot, und kurz darauf ging Dion selber durch die Verschwörer auf die jammervollste Weise unter. Der Dämon des Verderbens nimmt hier wohl eine Gestalt an, welche eigentlich die einer Rachegottheit wegen einer begangenen Tat ist, allein wir dürfen sagen, nur zufällig, als Erinnerung an ein zuletzt Geschehenes in einer ganzen Kette von tödlichen Tatsachen und Umständen.

Brutus178, im Begriff mit seinem Heere bei Abydos nach dem europäischen Ufer hinüberzugehen zum Entscheidungskampf, wacht gedankenvoll[246] in tiefer Nacht in seinem Zelt bei schon dunkel brennendem Licht; er hört jemanden eintreten, schaut nach dem Eingang, und vor ihm steht schweigend eine schreckliche, fremde Gestalt von ungewöhnlichem Wuchs. Brutus wagt zu fragen: »Wer bist du, Gott oder Mensch, und was willst du, daß du zu mir kommst?« Die Erscheinung antwortet: »Ich bin dein böser Dämon; bei Philippi wirst du mich wiedersehen.« – »Ich werde,« erwidertA19 Brutus. Man wird hier unter Dämon, wie oben unter der Erinys, nur das zu einer Gestalt verdichtete Untergangsschicksal zu verstehen haben, nicht einen der unsichtbaren Lebensbegleiter, an welche manche Griechen geglaubt haben. Als die Gestalt verschwand, rief Brutus sogleich seine Sklaven, womit die geglaubte Wirklichkeit des Herganges bewiesen ist; weniger sicher überliefert und wohl erst von Plutarch aus seiner sonstigen Kenntnis philosophischer Systeme hinzugedichtet ist das folgende Gespräch mit Cassius, welcher als Epikureer dem Freunde die Möglichkeit von Gespenstern überhaupt ausreden will179. In der Folge freilich wird auch Cassius mitgerissen von der Masse von Prodigien, welche diesen ganzen berühmten Krieg begleiten. Vor dem letzten Entscheidungskampf, bei Philippi, erschien dann das Gespenst wieder und verschwand diesmal lautlos. Im Leben Cäsars äußert Plutarch, dasselbe sei ein Beweis gewesen, daß Cäsars Ermordung den Göttern nicht gefallen habe, allein deshalb braucht es noch nicht in der Anschauung des Brutus selbst ein von den Göttern gesendetes gewesen zu sein. Etwas besonderes ist, daß dasselbe bei der ersten Begegnung den Ort entscheidenden Kampfes geweissagt hatte, welchen Brutus damals noch unmöglich ahnen konnte; er erhielt sein Stelldichein.

Dies waren Visionen auserwählter Menschen, welche bedeutender Phantasiebildungen fähig waren; im Volke werden die Erscheinungen Verstorbener das große Übergewicht gehabt haben, sobald eine düstere, sorgliche Stimmung denselben im Wachen oder im Traum die Pforte öffnete. Doch kennt auch das Volk die Erscheinung eigentlicher Dämonen. In noch halbmythischer Zeit war zu Argos, als Strafe von Apollo gesandt, die Ποινή (Rachegeist) erschienen, nicht bloß eine Seuche, welche die Kinder wegraffte, sondern ein wirklicher Dämon, ein individuelles Gespenst, welches denn auch von Koroibos erlegt wurde180. Dagegen scheint das Δεῖμα (Furcht), welches die Korinther nach einer Seuche derselben Art laut einem Orakelspruch als weibliche Grauengestalt errichteten181,[247] nur eine symbolische Figur gewesen zu sein. Um so merkwürdiger ist dann die Erscheinung eines Dämons vor großen Volksmassen; dieselbe wird zwar nur in dem Tendenzroman des Philostratos vom Leben des Apollonios von Tyana (IV, 10) berichtet, aber auf eine Weise, welche von den sonstigen Erfindungen dieses Buches deutlich absticht.

Im Theater zu Ephesos sah man, ohne Zweifel aus Marmor, das mächtige Gebilde eines Molosserhundes, vielleicht als Anathem infolge einer Seuche, denn der gefürchtete Sirius mit seiner Gluthitze führt Krankheiten mit sich, und seine Gestalt konnte wohl als Sinnbild von solchen und zugleich als Abwendegeschenk (ἀποτρόπαιον) gestiftet worden sein182. An diesen vermutlichen Tatbestand knüpft nun die Erzählung an. Die Stadt, von der Pest heimgesucht, lädt den Wundermann Apollonios dringend ein zu erscheinen; er kommt und ruft das Volk ins Theater. Hier findet sich ein alter häßlicher Bettler in Lumpen, mit eingesunkenen Augen. – »Umringt ihn! Dies ist derA20 Feind der Götter!« ruft Apollonios. – »Nehmt Steine, soviel ihr könnt, und werft ihn!« – Anfangs zögern die Ephesier, indem der Alte fleht und um Erbarmen ruft, allein Apollonios mahnt mit Machtgebot, nicht abzulassen, und bei den ersten Steinwürfen blickt der Alte auf, und seine Augen sprühen Feuer; da merken die Leute, daß es ein Dämon ist und werfen nun derart, daß sich ein Hügel von Steinen über ihn häuft. Nach einer Zwischenzeit befahl Apollonios die Steine wegzuräumen, damit man innewerde, welches »Tier« man getötet habe. Es geschah, und statt eines Mannes fand sich ein Hund vom Ansehen eines Molosserhun des, aber groß wie der mächtigste Löwe, den Schaum der Wut vor dem Rachen. Es ist wohl denkbar, daß Philostratos eine an der betreffenden Tiergestalt haftende Sage im Munde des Volkes von Ephesos als spontane Erfindung vorfand und sie auf seinen Helden Apollonios bezog, auch wenn sie ursprünglich einem andern gegolten hatte183. Wie viele Bildwerke in allen hellenischen Ländern mögen zu derartigen Phantasien Anlaß gegeben haben! Später, in Konstantinopel, hing sich an die dorthin zusammengeschleppten Statuen eine Menge von Aberglauben.

Auch ganze Scharen dämonischer Wesen, deren abendländisches Gegenstück etwa das wilde Heer in seinen vielen Variationen sein mag,[248] machen sich im Altertum bisweilen sichtbar oder doch hörbar. Am Tage der Schlacht von Salamis184, auf dem der Insel gegenüberliegenden thriasischen Gefilde erhob sich von Eleusis her ein Staubwirbel, »wie von dreißigtausend Menschen«, und ein Schall wurde hörbar, in welchem der sog. mystische Iakchos, das Prozessionslied der Athener beim Zuge der alljährlichen Eleusinien, sich erkennen ließ. Attika ist in jenem Augenblick von seinen Bewohnern geräumt, und der Zug nach Eleusis, welcher eben an diesemA21 Tage geschehen sollte, ist unmöglich; ein Geisterzug tritt für diesmal an seine Stelle; dreißigtausend aber ist die dem Herodot geläufige Zahl der attischen Bürger185. Das der Sage zugrunde liegende Gefühl kann zunächst sein: daß die Gottheiten von Eleusis, oder auch: daß die Athener auf das hehre Fest unter gar keinen Umständen verzichten können; Neuere aber sind in poetischer Auffassung des Ereignisses weitergegangen: »es sind die Seelen eingeweihter Athener, zu Heroen gewordene Geister, welche ihre Herrin, die eleusinische Göttin, aussendet« (Schöll) – was auf sich beruhen mag. Das Merkwürdigste jedoch ist, daß der eine der beiden Augenzeugen des Herganges, der Athener Dikäos, über die Erscheinung wie selbstverständlich Bescheid weiß, und seinem Genossen, dem spartanischen König Demaratos, ganz unbefangen erklärt: das Getön sei ein gottgesandtes und bedeute eine Hilfe für die Athener und ihre Verbündeten; lasse es sich auf dem Peloponnes, also auf einem Festlande nieder, so werde Xerxes und sein Heer auf festem Boden Schaden leiden; wende es sich über die Schiffe bei Salamis, so werde der König seine Flotte verlieren. In der Tat wurde aus Staubwirbel und Schall eine Wolke, welche emporstieg und dann bei Salamis sich auf das Lager der Athener niedersenkte. Dies ist vielleicht die früheste Kunde186 von einem in der Folge stark verbreiteten Glauben an in der Luft erscheinende Geisterheere, welche entweder beiden auf Erden kämpfenden Parteien oder nur der zum Siege bestimmten entsprechen187. Noch in den Kriegen Constantins kommen solche himmlische[249] Legionen regelmäßig vor, sodann in zahlreichen Aussagen unseres Mittelalters, ja in Kunden der neuern und neuesten Zeit, je nachdem in furchtbaren Augenblicken Wolkenbilder die Phantasie aufregten.

Bei diesem allem handelt es sich um Reflexe aus dem Menschenleben, und auch die Geisterscharen Constantins sind, wenigstens so, wie sie Christen und Heiden sichtbar erschienen sein sollen, das Abbild irdischer Scharen. Anders tönt es, wenn ein Gott mit Gefolge einen Herrscher verläßt, der zu einem bösen Schicksal bestimmt ist. Als Octavian188 gegen Alexandrien im Anzug war, um die Mitte der Nacht, da die ganze Stadt den Atem anhielt aus Furcht und Erwartung des Kommenden, hörte man plötzlich den harmonischen Zusammenklang vieler Tonwerkzeuge und Jubelruf und Tanzschritt wie von Satyrn, als zöge ein lärmender bacchischer Zug hinaus; es rauschte mitten durch die Stadt gegen dasjenige Tor hin, wo die Feinde nahten, dort wurde es am lautesten und verstummte dann. Wer nachdachte, sagte sich, Antonius werde wohl von demjenigen Gotte verlassen, welchem er sich stets am meisten verglichen und in der Lebensweise genähert hatte: der dionysische Schwarm hatte sich gespenstisch reflektiert, unsichtbar, aber laut genug189. Hierher gehört auch die – gewiß nicht israelitische, vielleicht römische, noch eher hellenistische – Vorstellung, welche sich hundert Jahre später an einen geheimnisvollen Vorgang im Tempel von Jerusalem knüpfte190, kurz vor Einnahme der Stadt durch Titus: Der Bau leuchtete von feurigen Wolken, die Pforten gingen plötzlich auf; eine mehr als menschliche Stimme erschallte: »Die Götter ziehen hinaus!« – und dabei vernahm man »gewaltige Bewegung der Hinausschreitenden.«

Von dem bloß Hörbaren war eben manches nicht eigentlich gespenstisch, sondern die Stimme eines außermenschlichen Wesens, besonders einer warnenden Gottheit. Aus Bäumen, Flüssen, Quellen glaubte man hie und da deutliche Worte zu vernehmen, und von dem Ton, welcher bisweilen die Ohren treffe, meinte wenigstens Pythagoras, es sei eine Stimme der »Höhern«191, was man freilich auf Götter wie auf Dämonen,[250] Heroen und selbst einfach auf Verstorbene beziehen kann. Die Ausdrücke hierfür (ὄσσα, φήμη, κλῃδών) sind sämtlich von schwebender Bedeutung und bezeichnen auch nur ein schnell herumgehendes Gerücht oder ein von Menschen ohne Absicht gesprochenes, aber ominös aufzufassendes Wort usw. In der so geheimnisvoll erzählten Geschichte von der Schlacht von Mykale, bei deren Beginn man schon den am nämlichen Tag in weiter Ferne erfochtenen Sieg von Platää erfuhr, läßt uns Herodot192 im Dunkeln darüber, welche Art von Offenbarung eigentlich stattfand; eine späte rationalistische Erklärung193 geht dahin, daß der Feldherr Leotychides eine Depesche ersonnen habe. Neben der gewaltigen Menge sonstiger Prodigien freilich verschwinden bei den Griechen diese von unbekanntem Munde durch die Luft tönenden Worte, während bei den Römern sehr laute Götterstimmen dieser Art nicht zu selten vorkommen; wegen der vor dem gallischen Überfall geschehenen Warnung erhielt sogar der »Redesprechende«, Aius Locutius, einen eigenen Tempel194. Als der zum Unglück bestimmte Konsul Mancinus sich im Herkuleshafen nach Spanien einschiffte, hörte man unversehens das Wort: »Bleibe, Mancinus!« Unter den Prodigien des Iulius Obsequens, der dies meldet, werden auch Stimmen in verschlossenen Tempeln erwähnt.

Einmal hat ein Schutzgeist der Tiere des Waldes sich unsichtbar vernehmen lassen. Aus alten makedonischen Sagen wußte man, daß einst ein Königssohn195 auf hitziger Jagd nach Rotwild in einer Schlucht eine Stimme hörte: »Taste die Hirsche und Rehe nicht an!« Er sah sich rings um, bemerkte nichts und wich von dannen, in der Furcht, die Stimme möchte »von einer höhern Ursache her« laut geworden sein.

Wahrhaft schauerlich darf man sich die Wirkung des Gelächters unsichtbarer Wesen vorstellen. Als Mithridates in Kleinasien einen Eumenidenhain in Brand setzte, hörte man ein ungeheures Gelächter »sine autore«, worauf die Seher doch ein Menschenopfer an die beleidigten Göttinnen verlangten; nun aber drang noch aus der Halswunde des[251] gemordeten Mädchens ein Lachen hervor, welches »das Opfer störte«196. Und als Caligula den olympischen Zeus des Phidias wollte nach Rom schleppen lassen, um demselben dort seinen eigenen Bildniskopf aufzusetzen, tönte der Tempel von Gelächter, sobald jemand von den beauftragten Leuten das Werk nur anrühren wollte197.


Fußnoten

1 Vgl. Thukyd. II, 17, wo die Heroa, wie die Tempel, den in die Stadt Geflüchteten ein Obdach gewähren. Eine bloße Mauer um den heiligen Bezirk (τέμενος) wird bei den meisten vorauszusetzen sein. – Einzelne Gräber von Heroen waren ganz einfach, etwa ein bloßer Steinblock, Pausan. IX, 5, 7; vgl. IX, 18, 2.

2 Hierüber bes. Pausan. I, 43, 3.

3 Das Harpyiendenkmal von Xanthos (ebenfalls im Brit. Museum) und das Grab des Theron bei Girgenti waren wohl bloße Privatgräber.

4 Statt aller übrigen Stellen Pausan. X, 10.

5 Die drei vergoldeten Statuen auf dem römischen Prachttor in Paträ stellten die Ortsheroen als Knaben dar, vielleicht in einer römischen Umdeutung? Pausan. VII, 20, 3.

6 Pausan. IV, 3, 6, τὰ νομιζόμενα ἥρωσιν.

7 Pausan. II, 10, 1.

8 Aus Höflichkeit wurde dies Wort auch von gewöhnlichen Totenopfern gebraucht, so mehrmals bei Isäos. In ungenauer Rede wird anderseits auch vom Heroenopfer oft ϑύειν gesagt. Wie scharf aber bisweilen unterschieden wurde, vgl. Pausan. II, 10, 1 bei Anlaß des Heraklesheiligtums in Sikyon. Beförderung eines Heros zum Gott durch Orakelspruch. Pausan. III, 15,5.

9 Ein Stück alten Rituals bei Athen. IX, 78.

10 In mythischer Zeit kamen auch Menschenopfer vor: Neoptolemos opfert am Grabe seines Vaters die Polyxena, wovon die prächtige Schilderung Euripid., Hekuba 520 ff. Auch für die Heroen einer Stadt auf Kreta wurde auf Befehl eines Orakels eine Jungfrau geopfert. Parthenios c. 35.

11 Pausan. IX, 18, 3.

12 Pausan. X, 4, 7. Daß man dann das Fleisch an Ort und Stelle verzehrte, war gegen jeden sonstigen Grabritus.

13 Hesiod opp. et dies 652.

14 Pindar, Isthm. IV, 24 ff.

15 Pindar, Pyth. 8, 56 ff. Das Heroon enthielt vielleicht ein Orakel.

16 Bei Euripides in der »Elektra« ist zwar von Agamemnon als einem im Grabe Hörenden und mehrfach um Hilfe Angerufenen die Rede, allein die Szene geht nicht am Grabe vor sich, und ebendies gilt von den Anrufungen im »Orestes«, V. 1225 ff. – In der »Hekabe« aber V. 107 wird erzählt, wie Achill in goldenen Waffen vor dem ganzen griechischen Heer über seinem Grabe erscheint, um die Tötung der Polyxena zu verlangen. Vgl. auch Sophokl. Elektra 453.

17 Eudocia Violar. 30.

18 Zuerst im Hause selbst, dann in dessen Nähe bestattet. – Von einem schwer zu bestimmenden Volk in Afrika, welches in einer Linie mit Troglodyten und Garamanten genannt wird, heißt es bei Pompon. Mela I, 8: Augilae Manes tantum deos putant, per eos deierant, eos ut oracula consulunt; precatique quae volunt, ubi tumulis incubuere, pro responsis ferunt somnia. Vielleicht war es in uralter Zeit bei den Griechen nicht viel anders. Noch auf dem Grabe des Sokrates werden wir den Kyrsas schlafend finden, und Sokrates erscheint ihm im Traume.

19 Plato, Phädon, p. 81, a. 108, b.

20 Pausan. braucht z.B. als Zeitbestimmung für einen Zeitgenossen des Herakles den Ausdruck ἀνὴρ τῶν καλουμένων ἡρώων, oder, um die Zeit des Zuges der Sieben gegen Theben zu bezeichnen: ἐπὶ τῶν καλουμένων ἡρώων. Bei der Erzeugung des Heros wird öfter ein göttlicher und ein menschlicher Vater angegeben. Paus. X, 6, 1: »für den Parnasos wie für andere sogen. Heroen nennt man als Vater sowohl den Poseidon als den Theopompos.« Seine Mutter war die Nymphe Kleodora.

21 Strabo XIII, p. 596. Wo man im übrigen Griechenland die Gebeine eines vor Ilion Gefallenen besaß, erzählte man von einer Übertragung. Pausan. IX, 39, 2.

22 Pausan. I, 34, 2 gilt er als Gott, aber III, 4. 5 doch nicht als über andern Heroen stehend.

23 Laut Euripid. (fragm. Protesil.) hatte er selbst es bei den »untern Göttern erbeten.«

24 Herodot IX, 116.

25 Vgl. das Orakel des Odysseus in dem ätolischen Gau der Eurytanen Aristot. fragm. πολιτεία Ἰϑακησίων.

26 Ihre kriegerischen und agonalen Übungen und ihre Jagd nehmen sich besser aus als das Kegelschieben, womit in der nordischen Sage verzauberte Ritter (außerdem auch Engel sowohl als Verdammte) sich abgeben müssen. – Von einem Weiterleben des Rhesos in seinem Heroon im thrakischen Gebirge Rhodope erzählt Philostratos II, 8 beiläufig.

27 Pindar, ϑρῆνοι, fragm. 1 (Böckh).

28 Vgl. u.a. Pausan. III, 19, 11. – Die Schilderung einer zur Zeit Hadrians als Leuke geltenden Insel s. bei Arrian, Periplus c. 21.

29 Die Wege und Weisen, durch welche Götter zu Heroen verblassen, mögen hier unerörtert bleiben.

30 Doch wird bei Herakles schon während seines Lebens hie und da, und dann bei seinem Tode eine Vergötterung, d.h. ein Wiedereintreten ins Göttliche angenommen.

31 Plut. Aristid. 11.

32 In welchem Stadium des griechischen Bewußtseins sind die Stammherrn oder Anführer der griechischen Stämme zu »eponymen« Heroen geworden? und wann die Schutzpatrone von Körperschaften wie z.B. die der attischen Phylen? ja von Zünften und Gewerben, wie z.B. Talthybios der Heros aller Herolde wurde? – Ahnherrn und Stifter für alles und jegliches namhaft zu machen, war eine alte und neue hellenische Art.

33 Diodor XI, 49. – Schon Hierons verstorbener Bruder Gelon wurde heroisch verehrt, dieser aber aus freiem Willen des Volkes, ebd. 38.

34 Xenoph. de re p. Laced. XV, 9.

35 C.F. Hermann, Gottesdienstliche Altert. § 16, 26.

36 Herodot, V, 47.

37 Herodot VII, 117.

38 Zu den frühesten Beispielen, wenn auch ohne ausdrückliche Erwähnung eines Psephisma, gehören die löblichen sizilischen Tyrannen Gelon von Syrakus und Theron von Agrigent, Diodor XI, 38. 53.

39 Diodor XIII, 35.- Vgl. bei Pausan. VIII, 9, 5 die zweimalige Umnennung eines Heroons des Podares in Mantinea. – Dem großen Hippokrates brachten seine Mitbürger von Kos alljährliche Totenopfer an seinem Geburtstage. Westermann, Biogr. p. 450.

40 Thukyd. V, 11. – Es war 422 v. Chr.

41 Diodor XVIII, 13. – Auf Kalauria genoß ein Toter desselben Jahres, Demosthenes, ganz deutlich heroische Ehren; man erfährt jedoch nicht, seit welcher Zeit. Pausan. II, 33, 3.

42 Plut. Timol. 39. – Das Timoleonteion auf der Agora von Syrakus wurde später mit Hallen umbaut, und Palästren wurden hineingebaut, womit es ein Gymnasion wurde; ein τέμενος war es offenbar nie gewesen.

43 Pausan. IV, 32, 2, wo man sieht, daß die Ehre mißverständlich auf einen viel späteren Nachkommen dieses Namens übergegangen war.

44 Plut. Arat. 53. Aratos bekam in Sikyon seinen eigenen Opferer, wobei nicht ἐναγίζειν, sondern ϑύειν gesagt wird; auch hieß er nicht bloß Neugründer der Stadt, sondern σωτήρ. Philopömen erhielt laut Diodor, fragm. l. XXIX, ἰσοϑέους τιμάς, jährliche Stieropfer, Hymnen usw. – Im Mythus war z.B. Alkestis durch ihren Opfertod unmittelbar zur Göttin geworden, Eurip. Alk. 999. Amphiaraos aber, der nach seinem Verschwinden in der Erde als Gott galt, war es vielleicht von jeher gewesen.

45 Lucian, Macrobii 21. – Ein offizielles Verzeichnis der Heroen gab es natürlich nicht, und ob die Schrift eines gewissen Diokles περὶ ἡρώων überhaupt ein Verzeichnis war oder enthielt, ist nicht bekannt.

46 Pausan. VIII, 39, 2-41, 1.

47 Herodot I, 167.

48 Plut. Aristid. 21. Die umständliche Beschreibung dient wenig zur Kenntnis des Heroenopfers überhaupt, da die Zeremonien offenbar sehr exzeptionell sind.

49 Pausan. I, 32, 3.

50 Plut. Per. 8.

51 Athen. II, 9. Etwa ein Herakles?

52 Ebd. IV, 74.

53 Den Hohn Lucians hierüber findet man Dial. mort. 3, 2.

54 Diog. Laert. VIII, 1, 19 (23). Vgl. auch 19 (32).

55 So aufgezählt bei Plutarch, De Ei apud Delph. 13.

56 Diog. Laert. VII, 1, 78 (151).

57 57 Plut. de placitis phil. I, 8.

58 Vgl. die große Dipylon-Vase. – In Athen mäßigte erst Epimenides die wilde, bunte Trauer der Weiber, Plut. Solon 12.

59 Pausan. V, 4, 1, vgl. V, 15, 7. Seinen früh verstorbenen Sohn Aitolos begrub Oxylos nach Weisung eines Orakels im Tor von Elis, indem derselbe weder in noch außerhalb der Stadt ruhen sollte; man opferte ihm als Heros, vgl. V, 4, 2. Man kann fragen, ob Oxylos das Orakel richtig erriet oder dessen Verbot umging.

60 Τρωϑεὶς ὑπὸ τοῦ φάσματος, Konon 18.

61 Pausan. III, 19, 11. Die Geschichte spielt um 600 v. Chr.

62 Pausan. I, 32, 4. Vgl. I, 15, 3.

63 Herodot VIII, 31 f.

64 Plut. Themist. 15. – Zu den Wundern der Schlacht von Salamis gehört auch der geheimnisvolle Schnellsegler, welcher die im Entwischen begriffene korinthische Flotte zur Umkehr in die Schlacht bewog. Herodot VIII, 94. – Vielleicht ist er als Geisterschiff gedacht. – Vgl. auch VIII, 109 die Worte des Themistokles an die Flottenmannschaft.

65 Pausan. I, 36. 1.

66 Plut. Aristid. 7.

67 Pausan. IV, 32, 4.

68 Pausan. X, 23, 3. – N.a. erschienen sogar die drei Gottheiten Apollon, Artemis und Athene. Justin. XXIV, 8. – Das Wunder möchte freilich demjenigen beim Angriff des Xerxes nachgebildet sein.

69 Pausan. X, 13, 3. Von der Erscheinung der Dioskuren in Schlachten ist hier abzusehen, weil sie als Götter kommen.

70 Aristot. Mirabil. 106 bis 110. – Außerdem bei Strabo das Totenopfer der (pylischen) Metapontier für die Neleiden. VI, 1, 15, p. 264.

71 Vgl. Justin. XX, 1, 2. Dazu die aus Troja nach Italien gekommenen Pallasbilder.

72 In der Kaiserzeit trat hie und da der Heroenkult sogar in den Vordergrund zum Nachteil des Götterkultes, wenn man dem Lucian (deor. concil. 12) glauben soll.

73 Sogar die Benennung konnte unsicher geworden sein; die Heroenaltäre, welche Pausanias (X, 33, 3) zu Charadra in Phokis sah, galten nach den einen den Dioskuren, nach andern einheimischen Heroen.

74 Die Gedanken des Pausanias über diese Riesigkeit: I, 35, 3 f. – III, 22, 7. – VI, 5, 1. Vgl. Phlegon, Mirabilia, 11. 12. 14-19. Andere Male hielt man solche Funde für Knochen von Giganten Pausan. VIII, 32, 4. – Von der paläontologischen Sammlung des Augustus dagegen sagt Sueton (Oktav. 72): immanium belluarum ferarumque membra praegrandia, quae dicuntur Gigantum ossa et arma (sic) heroum. Über den einen Zahn des kalydonischen Ebers, welchen Aug. nach Rom gebracht hatte, vgl. Pausan. VIII, 46, 2.

75 Pindar Pyth. IV, 284 (160).

76 Eine Übertragung bei einer Pestilenz auf einen Orakelspruch hin war die der Gebeine des Hesiod: aus dem lokrischen Nemea, n.a. aus Naupaktos holten ihn die Orchomenier und begruben ihn auf ihrer Agora, ohne Zweifel als Heros. Proclus bei Westermann Biogr. p. 49. Pausan. IX, 38, 3.

77 Herodot I, 66. 68. – Pausan. VIII, 54, 3. Andere Beispiele Pausan. IV, 32, 3. – VI, 20, 4. – VII, 1, 3. – VIII, 9, 2. – VIII, 36, 5. – IX, 18, 4. – IX, 29, 3 (Doppelübertragung der Gebeine des Linos). – IX, 30, 5 (Geschichte von den Gebeinen des Orpheus). – IX, 38, 3 (die Gebeine des Hesiod).

78 Herodot V, 67.

79 Plutarch, De genio Socratis, 5.

80 Pausan. II, 2, 2.

81 Pausan. II, 32, 1.

82 Plut. Kimon 8.

83 Soph. Oed. Kol. 1531.

84 Hygin, fab. 123.

85 Diog. Laert. I, 2, 15.

86 Pausan. V, 13, 3.

87 Herodot V, 75. 80. 81. VIII. 64. 83. 84. Die Unsterblichkeit der Dioskuren würde nicht hindern, daß man zugleich ihre Überreste besessen hätte. Noch bei Homer sind sie wirklich Söhne des Tyndareos und nicht des Zeus.

88 Euripid. Hek. 36.

89 Parthenios, narrat. 35.

90 Plut. Solon 9.

91 Über das wirkliche Grab des Ödipus und dann noch ein besonderes Heroon Pausan. I, 28, 7. – I, 30, 4.

92 Pausan. IV, 27, 4.

93 Pausan. IX, 23, 1.

94 Sie waren von andern Gräbern zu unterscheiden durch eine besondere Zutat, das ἴκριον. Vgl. Marcellin, vita Thucyd.

95 Pausan. VI, 23, 2. – Solche vereinzelte Achillskulte gab es hie und da; einen sehr eifrigen auf der kleinen Insel Astypaläa erwähnt Cicero, De nat. deor. III, 18.

96 Pausan. IX, 18, 3. – In Argos sah man ein Kenotaph der vor Ilion und auf dem Rückweg Umgekommenen, ebd. II, 20, 4.

97 Pausan. VII, 23, 7.

98 Plut. Kimon 19.

99 Weitere Belege zum Lokalisieren von Heroen an Orten, die dem Heros fremd sind, s. Nachtrag 5.

100 Athen. VIII, 44.

101 Ἐν μακάρων νήσοις πίνειν μετὰ τῶν ἡρώων. Lucian, Jup. confut. 7.

102 Fragment aus den Ταγηνισταί, bei Stobäus ed. Meineke IV, p. 116.

103 Athen. X, 30.

104 Diog. Laert. VIII, 1, 19. – Auch Pythagoras verbot dergleichen aufzuheben.

105 Aristoph. Vesp. 394 ff. – Zur Zeit der alten Komödie gab es Stücke mit dem Titel »die Heroen« von Chionides und von Krates.

106 Älian. V.H. V, 17. – Beim Heroon der Hyrnetho in Epidauros durfte man nicht einmal das, was von den dortigen Ölbäumen zur Erde fiel, mitnehmen. Paus. II, 28, 3.

107 Pausan. VIII, 24, 4. – Der Granatbaum mit den blutsaftigen Früchten auf dem Grabe des Menoikeus zu Theben: IX, 25, 1.

108 Der Traumverkehr des Sophokles mit Herakles, Cicero de divin. I, 25. Auch hatte er einst schädliche Winde gestillt. Philostr. Vita Apollon. VII, 8 § 7.

109 Diodor V, 51.

110 Pausan. VII, 5, 6.

111 Plut. Quaest. Graec. 50. – Vgl. das Einsegnen der Tiere bei Kirchen des heil. Antonius an dessen Jahresfeste.

112 Strabo IX, p. 404. – Vgl. Alkiphron III Ep. 58.

113 Pausan. VIII, 23, 5.

114 Pausan. IX, 13, 3. ἐνήγιζέ τε καὶ εὔχετο.

115 Was er sich damals sogar in den Tempeln von Theben für Künste erlaubte, um glückliche Vorbedeutungen zu schaffen, vgl. Polyän, Stratag. III, 3, 8 und 12. – Diodor XV, 52 f.

116 Lucian., Scytha. – Schon im Leben des Redners Äschines (Westermann, Biogr. p. 265) wird τὸ τοῦ Ἰατροῦ ἡρῷον erwähnt.

117 Pausan. IX, 17, 3.

118 Athen. VI, 88-90. Vgl. bei Konon narrat. 20 die Sage vom gefangenen Rinderhirten auf der Chalkidike, welcher sich durch Verrat nützlich macht und gleichwohl getötet wird; darauf folgt Götterzorn (d.h. wohl eine Pest) und auf ein Orakel hin die Errichtung eines prächtigen Grabmals für den Rinderhirten, welchem man seither als einem Heros opfert.

119 Die verschiedenen Bedeutungen solcher Träume behandelt Artemidor a.m.O. – Herakles erscheint nach seinem Tode einer ganzen Bevölkerung als Gespenst, φάσματι φανείς, Konon narrat. 3.

120 Andere Beispiele von gespenstischem Rossegewieher und Posaunenschall ohne Beziehung auf Heroengräber: Plutarch Parall. 7 und 20. – Das Gepolter in Reliquienschreinen von Heiligen war im Mittelalter nicht selten, wenn dem betreffenden Ort eine Gefahr drohte.

121 Herodot VII, 134. 137. – Pausan. III, 12, 6. Vgl. auch I, 36, 3 die Tötung eines athenischen Herolds durch die Megarer und die Folgen davon.

122 Plut. Quaest. Graec. 27, vgl. 28. – Warum auf Tenedos kein Flötenspieler in den heiligen Bezirk des Tennes eintreten durfte, vgl. Diodor V, 83.

123 Plut. Quaest. graec. 40.

124 Od. XI, 71. Vgl. die Klage des noch unbestatteten Patroklos Il. XXIII, 65.

125 Pausan. IX, 38, 4.

126 Babrios, Sylloge I, fab. 63.

127 Plutarch, de proverbiis etc. 32.

128 Herodot VI, 69. Die ganze betr. Partie von c. 61. an macht den Eindruck einer stark novellistisch gefärbten Darstellung.

129 χαλεποὺς καὶ πλήκτας, aus Chamäleon bei Athen. XI, 4. – Laut dem Scholion zu Aristophanes (Av. 1490) δυσόργητοι καὶ χαλεποὶ τοῖς ἐμπελάζουσι γίγνονται, weshalb man denn auch schwieg beim Vorübergehen an Heroengräbern überhaupt und nicht bloß an jenem oben erwähnten des Narkissos.

130 Pausan. VI, 20, 8. – Außer Alkathoos riet man noch auf vier andere; Pausanias selbst dachte an einen Poseidon Hippios. Auch bei den isthmischen Spielen gab es einen Taraxippos, dagegen wußte man im Hippodrom von Kirrha, wo die Rennen der pythischen Spiele gehalten wurden, nichts der Art vorzuzeigen. X, 37, 4.

131 Pausan. VI, 6, 3. – Strabo VI, p. 255. – Älian. V, H. VIII, 18.

132 Erhielt jener etwa erst jetzt den Namen Polites = Mitbürger? Wobei man sich immerhin auf den wirklichen Genossen der Odysseusfahrt dieses Namens (Od. X, 224 ff.) berufen konnte. – Die Leute von Thurioi erklärten den Nordwind zu ihrem πολίτης und dotierten ihn demgemäß mit einem Hause und einem Landlos, weil er eine feindliche Flotte zerstreut hatte. Älian V, H. XII, 61.

133 Kürzer heißt es von dem gleich zu erwähnenden Theagenes ἀπῆλϑεν ἐξ ἀνϑρώπων, Pausan. VI, 11, 2, und auch hier ist kein gewöhnlicher Tod gemeint. – Über Euthymos ziemlich rätselhaft Plin. H.N. VII, 48. Es wurde ihm schon bei Lebzeiten geopfert.

134 Pausan. VI, 11, z. – Eine Identität von Heros und Fluß läßt Strabo IX, p. 428 ahnen: »Unweit der Thermopylen mündet südlich in den Asopos der Phoinix, gleichnamig mit dem Heros, dessen Grab in der Nähe gezeigt wird.«

135 Pausan. VI, 9, 3.

136 Vgl. Diognetos, den Kreter, welcher in Olympia seinen Gegner im Faustkampf getötet hatte; die Elier verweigerten ihm nicht nur den Siegeskranz, sondern trieben ihn fort, weil der Unterlegene Herakles geheißen hatte wie der große Heros. »Die Kreter aber ehren nun den Diognetos als einen Heros.« Ptolem. Hephäst. V.

137 Wir übergehen das Erscheinen Lebender an einem andern Ort, als wo sie sich wirklich befinden, wie dies von Pythagoras, von dem Ringer Taurosthenes (Pausan. VI, 9, 1) u.a. berichtet wird.

138 Hierüber noch in später Zeit sehr belehrend Lucian, de luctu, 9. 19.

139 Die Stellen s.L. Georgii in Paulys Realenzyklop. IV, S. 1389 (Art. magia) in reicher Auswahl.

140 Jul. Obsequens, Prodigia.

141 Z.B. wenn Pindar einer Verwandten einen ganzen Hymnus singt, und zwar als Traumbild. Pausan. IX, 23, 2.

142 Das Umgehen (περινοστεῖν) kam nach der Meinung vieler nur solchen zu, nicht aber den κατὰ μοῖραν Gestorbenen, Lucian, Philopseud. 29. – Die εἴδωλα der noch lebenden Freier als Vorgesicht des Sehers Theoklymenos, Odyss. XX, 355. – Undefinierbar die εἴδωλα im Isisheiligtum von Tithorea, Pausan. X, 32, 9. – Die φάσματα, die nach Plutarch, Solon, 12 in Athen erschienen, waren ohne Zweifel Schatten der ermordeten Anhänger des Kylon.

143 Plin. VII, ep. 27, ad Suram. – Ein Beispiel aus Korinth, doch von besonderer Art der Erscheinung, bei Lucian, Philopseud. 30.

144 Plut. Kimon, 1. Eine der interessantesten [interessantern] Episoden aus der frühern Zeit der römischen Herrschaft über Griechenland.

145 Bei Phlegon von Tralles in den Mirabilia. Vgl. Paradoxographi, ed. O. Keller, S. 57. Ebd. Praefat. S. LVII.

146 Eine vampyrartige Lamie wie bei Goethe ist sie nicht; der Gastfreund nimmt sich nachher aus Kummer, ὑπ᾽ ἀϑυμίας, das Leben.

147 Phlegon a.a.O.

148 Lucian, Demonax, 25.

149 Plutarch, de sera num. v. 17. – Derselbe fragm. ed. Teubn. VII, p. 99. Diese Hinwegbanner sind wieder eine besondere Gattung, Exorzisten.

150 Odyss. XI, 36.

151 Fortassis enim talia tunc licebant. S. Augustin de civ. Dei VII, 3 5.

152 Seine starken Ausdrücke de legg. X, p. 909 b. Daß die wirklichen Betrüger die Worte des hervorgerufenen Schattens durch Bauchrednerei hervorgebracht haben mögen als ἐγγαστρίμυϑοι, ist denkbar. Die Stelle Aristoph. Vesp. 1019, wo der Gassenprophet Eurykles das auch kann, spräche eher dagegen.

153 Das übrige bei Winer, bibl. Realwörterbuch u.d. Art. Totenbeschwörer.

154 Pausan. III, 25, 4.

155 Diodor XIV, 31. Pompon. Mela I, 19. Daß diese beiden Örtlichkeiten, und zwar Höhlen, einander ähnlich waren, s. Mela II, 3.

156 Pausan. IX, 30, 3; hier sah schon Orpheus den Schatten der Eurydike.

157 Strabo XIII, p. 629 ff. – XIV, p. 636. 649 f. – über Hierapolis am obern Mäander, Thymbria, Acharaka. – Außerdem bloße Erwähnungen von Charonien bei Antigonos § 123 (Keller, Paradoxographi): der Kimbros in Phrygien; die Grube auf dem Berg Latmos.

158 Herodot V, 92. Vgl. III, 50.

159 Plutarch, de sera num. vind. 17. Älian. fragm. 80.

160 Pausan. III, 25, 4.

161 Plutarch consol. ad Apollon. 14.

162 Bei Cicero (Tuscul. quaest. I, 48) heißt es nur, Elysios sei in ein (ungenanntes) Psychomanteion gekommen, um die Ursache des Todes seines Sohnes zu erfragen, und dort seien ihm drei Verse (eben jenes Inhaltes) in tabellis gegeben worden, man erfährt nicht, von wem.

163 Suidas bei Westermann, Biogr., p. 443. – Vgl. S. 225, Anm. 2.

164 Das Folgende aus Älian V.H. XII, 8 kann sich unmöglich auf einen andern Kleomenes beziehen.

165 Plut. Kimon 6. – Ders. de sera num. vind. 10. – Pausan. III, 17, 7.

166 Es war eine »acherusische Höhle« (ad Manes pervius).

167 Nach Tänaron kam er nicht zu solchen Zwecken, sondern weil sich ein Mitwisser in das dortige Asyl begeben hatte.

168 In der dunkeln Stelle, Aves 1553 ff. – Ein Jahrhundert später in einer Komödie eine Anspielung auf den Schatzräuber Harpalos, welcher seine verstorbene Hetäre Pythionike beschwören ließ. Athen. XIII, 68.

169 Hier möge zum Schlusse noch eine sehr alte Totenbeschwörung, wenn es eine solche gewesen ist, aus dem von Sittl mitgeteilten βίος Ὁμήρου erwähnt werden, wovon bisher nur ein Auszug in einer Madrider Handschrift bekannt war: Homer selber kam an das Grab des Achill (offenbar dasjenige von Ilion) und flehte darum, den Heros so sehen zu dürfen, wie er in die Schlacht schritt in seinen letzten (von Hephästos gefertigten) Waffen; Achill wurde sichtbar, Homer aber erblindete vom Glanze der Waffen, – worauf Thetis und die Musen aus Mitleid ihm die Gabe der Dichtung verliehen (vgl. Sitzungsberichte der Akad. d. Wiss. zu München, 1888, sowie den sechsten des Homer bei Westermann, Biogr., p. 31).

170 Meroe und Panthia im I. Buch des Apuleius sind wahre Lamien, und die Zauberinnen von Larissa, welche in Gestalt von Wieseln den Schlafenden Nase und Ohren abfressen, sind nichts Besseres. Die Lamia »oder Sybaris« als Höhlenungetüm unweit Krissa s. Antonin. Liberal. 8.

171 Aristoph. Ranae 290.

172 Empusen und Lamien sind durcheinander geworfen in der Spukgeschichte bei Philostr. Vita Apollon. IV, 25, welche zu den interessant ersonnenen gehört. – Andere gespenstische Wesen s. Georgii in Paulys Realenz. s.v. magia Bd. IV, S. 1391. – Das Bild der Lamien als Vampyrglaube hat in Griechenland bis auf die neuesten Zeiten weitergelebt. Eine in wechselnden Gestalten erscheinende Empusa durch mutiges Schimpfen vertrieben, Philostr. a.a.O. II, 4.

173 Eine Hauptquelle über die Dämonen im allgemeinen bleibt Plutarch de defectu oracc. 13 ff., freilich bereits abhängig von einer gewissen Systematisierung. Vgl. Apuleius de deo Socratis II, 235 ff. (ed Bipont.)

174 Plut. Dion. 2.

175 Sonst trug man gern einen Jaspis bei sich zur Abwehr von Gespenstern. Eudocia Viol. 343, wohl erst aus einer Zeit, da der Glaube an die magische Kraft gewisser Steine zu einem System ausgebildet war. Das Denkmal hiervon sind die Λιϑικά des sog. Orpheus (IV. Jahrh. n. Chr.).

176 Bei Mullach, fragm. 3. phys.

177 Obige Stelle in seinem Dion. 2, dann 55. 56.

178 Plut. Brut. 36. 48. Cäsar 69.

179 Auch einem andern Cäsarmörder desselben Namens, Cassius Parmensis, erschien kurz vor seinem blutigen Ende ebenfalls [andern, gleichnamigen Cäsarmörder ... blutigen Ende der] der κακοδαίμων. Val. Max. I, 7.

180 Pausan. I, 43, 7.

181 Pausan. II, 3, 6.

182 Daneben stand noch ein Herakles, wahrscheinlich als ἀλεξίκακος.

183 Andere zum Teil sehr massive dämonische Erscheinungen in der Kaiserzeit (z.B. Dio Cass. LXXIX, 17) werden hier gerne übergangen, da sie meist nicht mehr rein griechischen Ursprunges sind. So schon die ἄνϑρωποι διάπυροι welche unter den Erscheinungen vor Cäsars Tod angeführt werden. Plut. Iul. Cäs. 63.

184 Herodot VIII, 65.

185 Ebd. V, 97.

186 Noch der sagenhaften Zeit gehört das Stratagem der Phokier, als sich ihrer fünfhundert bei Vollmond mit Gips bestrichen, zum Schrecken ihrer thessalischen Feinde, welche ϑειότερόν τι zu sehen glaubten. Herodot VIII, 27, Pausan. X, 1, 5.

187 Aus sehr vielen, namentlich römischen Beispielen, u.a. Virgil, Georg. I, 474, mit der Variante, daß man zwar nichts sieht, aber in den Lüften Waffenlärm hört (Prodigien der Zeit von Cäsars Ermordung). Weiteres Plin. H.N. II, 58. – Valer. Max. I, 6. – Im Mittelalter kommen die gespenstischen Heerscharen auch wohl aus dem Erdboden und verschwinden wieder in denselben. Matth. Paris. ad. a. 1236. – Übrigens schon bei Iul. Obsequens kämpfen die Geisterheere am Volturnus zu Sullas Zeiten auf der Erde, und man findet hernach die Spuren von Menschen und Rossen und zertretenes Gras und Gebüsch.

188 Plut. Anton. 75.

189 Am Tage der Schlacht bei Pharsalos erhob sich in Pergamon aus dem Dionysostempel ein Lärm von Pauken und Cymbeln, welcher durch die ganze Stadt ging. Dio Cass. XLI, 61. Laut Iul. Obsequens erhob sich damals auch in Antiochien Geschrei und Waffenlärm, daß man zweimal auf die Stadtmauern eilte um nachzusehen. – Einst in früherer Zeit auf Cephalenia »turba in coelo cantare visa« (derselbe).

190 Tacit. Hist. V, 13.

191 Φωνὴ τῶν κρειττόνων Älian V, H. IV, 17. – Vgl. Cicero, de divin. I, 45.

192 Herodot IX, 100 f.

193 Polyän. I, 33.

194 Plutarch Übersetzt (de fort. Roman. 5) frei, aber gut φήμης καὶ κλῃδόνων (scil. ἱερόν). – Die Zukunftserforschung durch κλῃδόνες beim Altar des Apollon Spondios in Theben und im Kledonentempel bei Smyrna (Pausan. IX, 11) gehört wahrscheinlich nicht hierher, weil sie eine irgendwie provozierte scheint gewesen zu sein.

195 Älian Hist. anim. X, 48. – Wieweit die sich anknüpfende Geschichte von der hilfreichen Schlange dazu gehört, wird nicht deutlich. – Die εἴδωλα, durch welche ein Uneingeweihter während des Geheimopfers im phokischen Isisheiligtum in todbringenden Schrecken versetzt wird (Pausan. X, 32, 9), mögen hier wenigstens erwähnt werden.

196 Iul. Obsequens.

197 Dio Cass. LIX, 28.

Anmerkungen: A1 Oeri: nichts von. A2 Oeri: Grabdenkmäler. A3 Oeri: Götter. A4 Oeri: Vorbedeutungen. A5 Oeri: Glauben wenigstens. A6 Oeri: wieder. A7 Oeri: spätern. A8 Oeri: Theseus. A9 Oeri: noch zu. A10 Oeri: der. A11 Oeri: Heimkehr. A12 Oeri: ehernen. A13 Oeri: Geldes. A14 Oeri: nachher. A15 Oeri: wird ganz. A16 Oeri: Fällen. A17 Oeri: den. A18 Oeri: Anblick. A19 Oeri: erwiderte. A20 Oeri: ein. A21 Oeri: jenem.

Quelle:
Jakob Burckhardt: Gesammelte Werke. Darmstadt 1956, Band 6.
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