Erstes Kapitel.

Das macedonische Heerwesen.

[167] Der taktische Gedanke des Epaminondas wurde aufgenommen und fortgebildet von König Philipp II. von Macedonien. Macedonien war ein wesentlich agrarischer Flächenstaat mit sehr geringer städtischer Bevölkerung. Die Masse der Bauern und Hirten war nicht wohlhabend genug, sich eine Hoplitenrüstung zu halten, und konnte sich auch nicht so leicht an einem Ort zu größeren Massen zusammenballen; um nach der etwa in der Mitte gelegenen Hauptstadt Pella zu gelangen, brauchte man von den entfernteren Grenzstrichen vier bis fünf Tagemärsche. Es hatte sich daher ein besonderer Kriegerstand, ein Adel ausgebildet, der zu Pferde kämpfte, während das Volk nur Peltasten stellte, die, ohne taktische Ordnung kämpfend, als eine bloße Hilfswaffe angesehen wurden und es mit griechischen Hopliten nicht aufzunehmen vermochten.

Trefflich läßt einmal Thucydides (IV, 126) den Brasidas seinen Leuten den Unterschied zwischen griechischer und barbarischer Kampfesweise auseinandersetzen. Der spartanische Feldherr muß vor einer sehr überlegenen Schar kriegerischer Illyrier den Rückzug antreten, und seine Soldaten sind von Furcht erfüllt, aber er sagt ihnen: nur die Erscheinung der Barbaren, ihre Zahl, ihr Kriegsgeschrei, das Schwenken ihrer Waffen sei furchtbar. Aber im Handgemenge leisteten sie nichts, denn sie blieben nicht in Reih und Glied und sähen keine Schande darin, von ihrem Platz zu weichen. Wenn es aber in das Belieben eines jeden gestellt sei, ob er kämpfen oder weichen wolle, so fehle es nie an Gründen, sich zurückzuziehen;[167] deshalb zögen die Barbaren es vor, aus der Ferne zu drohen, statt handgemein zu werden.84

Da der eigentliche macedonische Kriegerstand, der Adel, wiederum nicht sehr groß sein konnte, so bildete das ältere Macedonien nur einen schwachen Kriegsstaat.

Erst die feste monarchische Autorität, die König Philipp II. aufrichtete, schuf aus diesen Elementen ein Kriegswesen, das bald allen Nachbarn überlegen wurde. Der König brachte die Mittel auf, um neben den griechischen Söldnern, die er in seinen Dienst nahm, ein stehendes Heer aus seinen Untertanen zu unterhalten, gab ihnen eine militärische Erziehung, fand für dieses Heer neue und eigentümliche Kampfesformen und entlockte der Kunst der Taktik Kräfte, die über das Griechentum hinaus eine neue Stufe der Kriegskunst darstellen.

Wir beginnen mit der


Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1920, Teil 1, S. 167-168.
Lizenz: