Fünftes Kapitel.

Römer und Parther[475] 245.

Eine Fortsetzung der Kriege gegen Mithridates und Tigranes ist der Feldzug, den Crassus als Statthalter von Syrien gegen die Parther unternahm. Die Parther sind ein den Persern nah verwandtes Volk, und ihre Kampfesweise war ganz die der alten Perser. Sie kämpften als Reiter und Bogenschützen; neben dem Bogen führten die Reiter aber auch, wie schon die Perser, blanke Waffen, namentlich Spieße.

Die Unterscheidung, die man auf Grund einiger Wendungen in den Quellen hat machen wollen, daß die große Masse der parthischen Krieger aus leichtbewaffneten Unfreien bestanden habe, eine ganz kleine Anzahl Freier gepanzerte Ritter gewesen seien, mag nicht ganz ohne einen reellen Kern sein, etwas Greifbares ist jedoch nicht zu erkennen, und weitere Folgerungen für die Ereignisse ergeben sich daraus nicht.

Das römische Heer war sieben Legionen, 4000 Reiter und 4000 Leichte stark; das scheint sehr bedeutend, da aber die Legionen nicht vollzählich waren, ist es doch nur auf 36000 Mann zu schützen, während das Heer Alexanders, auf 47000 Mann angegeben wird. Das Heer Alexanders war überdies für den bevorstehenden Kampf günstiger zusammengesetzt als das römische: es zählte 7000, das römische nur 4000 Reiter; wie viel von dem macedonischen Fußvolk wir als Leichte anzusehen haben, ist mit Sicherheit nicht zu erkennen.

Über den Verlauf des römischen Feldzuges haben wir eine ziemlich ausführliche, wenn auch anekdotenhafte Schilderung in[475] Plutarchs Crassus und eine Erzählung bei Dio Cassius. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit läßt sich etwa folgender Kern herausstellen.

Wohin Crassus seinen Marsch letzten Endes richten wollte, ist nicht sicher überliefert, vielleicht nach Seleucia. Die Parther erwarteten die Römer nicht hinter dem Tigris, sondern gingen ihnen in die mesopotamische Ebene entgegen und schon nach wenigen Märschen erfolgte der Zusammenstoß. Es gelang den Parthern, einen Teil der römischen Reiterei unter Führung des jüngeren Crassus, des Sohnes des Feldherrn, der sich in Gallien unter Cäsar sehr ausgezeichnet hatte und seinem Vater mit 1000 gallischen Reitern zugezogen war, in einen Hinterhalt zu locken und zu vernichten. Das römische Heer war nun nicht mehr in der Lage, seine Offensive fortzusetzen, sondern mußte umkehren. Vergleichen wir die Situation mit der der 10000 Griechen nach der Schlacht bei Kunaxa, so scheint sie noch nicht so sehr gefährdet. Bogenschützenreiter können einer geschlossenen Infanterie mit guten Schutzwaffen nicht so gar viel anhaben; die wehleidigen Schilderungen unserer Quellen über das schreckliche Schießen der Parther, die ganze Kamelladungen von Pfeilen in Reserve mitführten, um sich nicht zu verschießen, dürfen uns nicht darüber täuschen, daß diese Bogenschützen zu Pferde keine anderen sind, als wir sie auch sonst aus der Kriegsgeschichte namentlich der alten persisch-griechischen Kämpfe, kennen. Die Römer hatten dagegen doch auch noch eine gewisse Menge Leichte, die zu Fuß einen viel sichereren Schuß hatten als die Parther zu Pferde, und einen Rest der Reiterei, der Ausfälle machen konnte, wenn die feindliche sich gar zu nahe herandrängte.

Überdies wird von den Parthern ganz ebenso wie von den Persern berichtet, daß sie sich abends, um nicht einem nächtlichen Überfall ausgesetzt zu sein, sehr weit vom Feinde entfernten und den Römern die Möglichkeit unbelästigter Nachtmärsche gaben. Endlich war der Rückmarsch, den die Römer hatten, nur ganz kurz, gar nicht zu vergleichen mit dem der 10000. Ihr Zusammentreffen mit den Parthern fand einen Marsch südlich von Carrhä, südöstlich von Edessa, statt, nur etwa 10 Meilen entfernt vom Euphrat.246[476]

Wenn die Griechen dennoch entkamen und das römische Heer auf dem Rückzug fast aufgerieben wurde, so dürfte der Grund nicht in der besonderen Tapferkeit der Parther gesucht werden, denn auch den Persern hat es an persönlicher Tapferkeit nicht gefehlt. Auch die Zahl der Parther wird man nicht geneigt sein, höher anzusehen, als einst der Perser, wenn man die Übertreibungen der Griechen auch noch so sehr reduziert. Die Quellen machen viel Wesens von dem Verrat eines in dieser Gegend herrschenden Fürsten; worin aber eigentlich der Schaden bestand, den er den Römern zufügte, außer in einem angeblich falschen Rat, und daß er selbst mit seiner Hilfsmacht vor der Schlacht entfloh, wird nicht deutlich. Gerade da, wo man es erwarten sollte, bei dem Untergang der römischen Reiterei, wird er nicht erwähnt, so daß die römische Niederlage durch diesen Verrat nicht erklärt werden kann. Ich glaube vielmehr, das entscheidende Moment wird darin liegen, daß einst die Perser unter Tissaphernes es nicht für nötig hielten, mit eigener Blutarbeit das griechische Heer zu überwältigen; sie hofften, daß die Eindringlinge in den karduchischen Bergen ohnehin zugrunde gehen würden, und wenn die Karduchen dabei ihre Opfer zu bringen hatten, so war das den Persern um so lieber. Die Parther aber mußten alles daran setzen, die Römer nicht bloß zurückzutreiben, sondern ihnen das Wiederkommen zu verleiden, und daß ihnen dies nun wirklich gelang, lag von seiten der Römer in ihrer großen Masse. Die Griechen Xenophons waren 13000 Mann stark, mit allen Knechten wohl nicht über 20000 und ohne großen Troß und Fuhrpark. Die Römer auch nach der Niederlage der Reiterei zählten noch 30000 Kombattanten, mit sehr großem Troß und Fuhrkolonnen, im ganzen gewiß 50-70000 Menschen. Diese Masse konnte sich dem Feinde nicht durch schnelle Märsche, besonders Nachtmärsche, die den Griechen halfen, entziehen.

Man teilte sich zwar, nachdem man Carrhä erreicht und von da den Weitermarsch angetreten hatte; ein Korps mit dem Feldherrn selbst wandte sich statt westwärts zum Euphrat nach Norden, um in den armenischen Bergen Deckung zu finden, aber die Lage wurde verschlimmert durch die einreißende Demoralisation. Die endliche Katastrophe wurde nicht durch ein allgemeines Gefecht herbeigeführt, sondern durch eine Verhandlung, auf die Crassus die Schwäche hatte,[477] sich persönlich einzulassen und wobei er, sei es, daß der Argwohn Mißverständnisse hervorrief, sei es, daß die Parther mit Vorbedacht Verrat übten, umgebracht wurde.

Zwei aus den Resten seiner Armee gebildete Legionen haben noch bei Pharsalus unter Pompejus gegen Cäsar gefochten.


Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1920, Teil 1, S. 475-478.
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