Elftes Kapitel.

Die Elefanten.

[608] Die letzte Schlacht des Altertums, in der Elefanten zur Verwendung gekommen sind, war die Schlacht bei Thapsus. Es wird also passend sein, an dieser Stelle einen Überblick zu geben über das, was wir über die militärische Verwendung dieser Tiere im Altertum nunmehr aus der Betrachtung sämtlicher Schlachten, in denen sie vorkommen, gewonnen haben.

Die Schlacht am Hydaspes gab uns zu der Bemerkung Veranlassung, daß die Überwältigung der Elefanten den Macedoniern doch recht schwer geworden sein müsse, da wir nachher sehen, wie sehr sie selber sich bemühen, dieses Kriegsinstrument zu erwerben. Sehen wir nun aber auf den Erfolg, so scheint sich die umgekehrte Schlußfolgerung zu ergeben, da wir nicht eine einzige beglaubigte Schlacht finden, in der die Elefanten etwas Wesentliches ausgerichtet haben, im Gegenteil meistens der an Elefanten stärkere Teil geschlagen worden ist. Das Unglück will, daß die berühmtesten Elefantenschlachten alle mehr oder weniger nur legendarisch oder anekdotenhaft überliefert sind. Die einzige, von der wir uns ein historisch brauchbares Bild machen können, bleibt die erste, die Schlacht am Hydaspes. Die Diadochenschlachten, die Pyrrhusschlachten, die Schlachten des ersten punischen Krieges gewähren alle keine zuverlässige Ausbeute. Bei Zama-Naraggara und Thapsus erfahren wir wohl, daß Elefanten in angeblich großer Zahl vorhanden waren, aber nichts von ihrer Leistung, und ihre Herren wurden geschlagen. Die Bilanz der Siege und Niederlagen, wenn wir alle Nachrichten nehmen, wie sie sind, spricht gegen die Elefanten. Sie sind beteiligt an den Siegen von Ipsus, Antiochus I. über die Gallier, von Heraklea, Asculum, Tunes, Hamilkars über die[608] Söldner, am Tajo (Hannibal über die Spanier299), an der Trebia, bei Kynoskephalä und Pydna. Sie haben aber, obgleich auf ihrer Seite in großer Mehrzahl oder allein vorhanden, die Niederlage nicht verhindert am Hydaspes, in Parätakene, in Gabiene, bei Gaza, Benevent, Agrigent, Panormus, Raphia, Himera300, Bäcula, Metaurus, Zama, Magnesia, Muthul301, Thapsus. Irgend ein Beispiel, daß die Elefanten geschlossene Infanterie durchbrochen hätten, ist nicht berichtet. Das einzige Mal, das in Betracht kommen könnte, bei Kynoskephalä, wird ausdrücklich gesagt, daß die Macedonier noch nicht geordnet waren, als die Römer sie angriffen und die Elefanten sie sprengten.

Bei Zama sollen die Römer Intervalle zwischen ihren Manipeln gelassen haben, damit die Elefanten durch diese Gassen gingen. Bei Tunes stellten sie sich umgekehrt sehr tief auf, und Polbius (I, 33, 10) lobt ausdrücklich diese Aufstellung als eine gegen Elefanten geeignete. Beide Nachrichten gehen, wie wir wissen, auf ungenügende Quellen zurück; das Wertvollste ist wohl das Urteil des Polybius, der die tiefe Aufstellung billigt, den Elefanten also nicht die Kraft zutraut, sie zu durchbrechen. Nach seiner eigenen Erzählung hätten die Elefanten immerhin in den vordersten Gliedern der römischen Phalanx eine ziemliche Verheerung angerichtet, aber die Schilderung muß doch wohl übertrieben sein, da wir sonst in den späteren Schlachten öfter dergleichen hören müßten.

Die wirklich gut beglaubigte Wirkung der Elefanten ist nur die gegen Reiter, deren Pferde sie scheu machen, und Leichtbewaffnete.

Das beste Zeugnis für ihre Nützlichkeit im Gefecht aber bleibt immer, daß auch die großen Feldherren sie immer von neuem gebraucht haben, namentlich Hannibal und auch Cäsar, von dem wenigstens Cicero einmal in einer der Philippiken sagt (V, 17, 46), daß er für den parthischen Krieg Elefanten angeschafft habe. Tatsächlich verwandt hat er sie nicht. Die Römer haben nach dem zweiten punischen Krieg, als die mit den numidischen Königen in enge Beziehungen getreten waren, die ihnen Tiere lieferten, sie das[609] ganze zweite Jahrhundert hindurch gebraucht, freilich immer nur in Verbindung mit Hilfsvölkern und in geringer Zahl302. Sie haben sie verwandt nicht bloß gegen die Macedonier, sondern auch in Spanien303 und gegen die Gallier. Obgleich sie hier gegen die nordischen Barbaren sehr gute Dienste geleistet haben sollen304, erscheinen sie merkwürdigerweise schon im Cimbernkrieg nicht mehr und auch nicht in Cäsars gallischem Krieg. Als ihm in Afrika der Numiderkönig Juba mit Elefanten gegenübertrat, ließ er sich Tiere aus Sizilien nachkommen, um seine Soldaten und Pferde an den Anblick zu gewöhnen und zum Kampf mit ihnen einzuüben.

Fassen wir die ganze kriegsgeschichtliche Erfahrung des Altertums zusammen, so dürfen wir sagen, daß die Brauchbarkeit und der Nutzen der Elefanten für das Gefecht jedenfalls nicht zu hoch veranschlagt werden darf. Gegen Völker, die sie noch gar nicht kannten und gegen Reiter und Schützen haben sie Erfolge gehabt, die aber z.B. für die Pyrrhusschlachten von den Besiegten, um sich dadurch zu entschuldigen, sehr übertrieben worden sind305. Truppen, die sie kennen und sich nicht vor ihnen fürchten, ihnen auszuweichen und sie richtig anzugreifen wissen, werden, wie schon Alexander am Hydaspes, mit ihnen fertig, nicht durch irgendwelche Kunststücke, durch Scheumachen und Feuerpfeile, sondern durch sachgemäßen Waffengebrauch. Was dieser sachgemäße Waffengebrauch sein mußte, erkennen wir, wenn wir die naturwissenschaftlichen Werke nachschlagen, wo sie charakterisiert werden.

Der Elefant ist danach keineswegs unverwundbar, sondern hat sogar eine ziemlich empfindliche Haut, und wenn Spieße und Pfeile ihn auch nicht direkt töten, so dringen sie doch so tief ein, daß sie im Leibe stecken bleiben306, und der Schmerz macht die Tiere unlenksam[610] und scheucht sie zurück. Oft genug wird berichtet, daß sie dann in die Reihen der eigenen Truppen eindringen, sie verwirren und Niederlagen veranlassen, z.B. einmal eine der Römer vor Numantia307. Als äußerstes Mittel für solchen Fall hatten, wie schon oben erwähnt, die Kornaks einen spitzen Stahlkeil bei sich, den sie dem Tier mit einem Hammer in den Nacken schlugen, um es zu töten und unschädlich zu machen.

Die bei den Alten immer wieder auftauchende Behauptung, daß der indische Elefant dem afrikanischen überlegen sei (auch Livius bei Magnesia XXXVII, 39) haben wir ebenfalls schon oben als Fabel abgewiesen.

Die Taktiker, Asklepiodot, Älian, Arrian, enthalten nichts über ihre Verwendung.

Die sämtlichen Nachrichten aus dem Altertum über die Elefanten sind zusammengestellt bei A. W. SCHLEGEL in der »Indischen Bibliothek« Bd. I, S. 129 und namentlich in dem sehr brauchbaren Werke »Histoire militaire des éléphans depuis les temps les plus reculés jusqu'à l'introduction des armes à feu« par le chev. P. ARMANDI, ancien colonel d'artillerie. Paris 1843.

Vgl. ferner oben S. 221 und S. 252 Anmerkung.[611]

Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1920, Teil 1, S. 608-612.
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