Burgundiones, qui infra venerunt


Burgundiones, qui infra venerunt.

[355] Tit. 107. Add. II, § 11 der lex Burg. lautet: »De Romanis vero hoc ordinavimus, ut non amplius a Burgundionibus, qui infra venerunt, requiratur, quam ad praesens necessitas fuerit, medietas terrae. Alia vero medietas cum integritate mancipiorum a Romanis teneatur: nec exinde ullam violentiam patiantur«. Die Burgunder, »qui infra venerunt« können nicht wohl andere als nachträgliche Einwanderer sein. Was aber ist die terra, von denen ihnen die Hälfte ohne Unfreie gegeben werden soll? Die Hälfte einer Kolonenstelle? Unmöglich aus den mehrfach dargelegten Gründen. Die Hälfte eines Großbetriebes? Das wäre sehr viel gewesen, hätte aber dem Einzögling ohne Sklaven nicht viel genützt. Paßte der Graf, in dessen Gau er sich niederlassen wollte oder sollte, das ihm zuzuweisende Gut seinen eigenen wirtschaftlichen Kräften an, suchte also für einen wohlhabenderen Mann, der selbst mit einigen Knechten, Vieh und Geräten angerückt kam, ein größeres, für einen fast Besitzlosen ein Kolonengut zum Teilen aus? Das wäre doch eine unerträgliche Willkür gewesen, die noch dazu gerade die reichsten Römer von vornherein von dieser Belastung frei ließ.

Ich denke, es wird etwa so vozustellen sein. Die Burgunder, die nachträglich kamen, waren entweder einzelne, wohl meist solche, die als Söldner eine Zeitlang in römischem Dienst in Italien oder Konstantinopel gelebt hatten, oder ganze Geschlechter oder Bruchteile von solchen. Die einzelnen wurden nicht besonders angesiedelt; sie traten entweder nunmehr in den Dienst eines burgundischen Großen oder sie suchten ihr Geschlecht und ihre Familie auf und wurden von und bei diesen untergebracht. Von diesen Fällen handelt unser Paragraph nicht; er bezieht sich vielmehr auf ganze Gruppen, die noch aus Deutschland nachrückten. Diesen wurde nachträglich ein Gut aus dem Besitz eines römischen Großen angewiesen, und jede burgundische Familie erhielt hier, wie bei den früheren Verteilungen, einen Kolonenhof, resp. ein entsprechendes Stück des Herrenackers als freien Besitz. Die exmittierten Kolonen brachte der Herr anderswo unter. Die Hälfte, die der Römer abtreten soll, bedeutet »höchstens die Hälfte«, nicht die Hälfte schlechtweg, denn das würde ja, je nach der zufälligen Zahl der Ansiedler und der Größe des Gutes zu unerträglichen Ungleichheiten führen. Bei der ursprünglichen Ansiedlung waren die 2/3 immer wirklich abgetreten und der etwaige Überschuß dem Hunno oder sonstigen Anführer der Gruppe zugefallen, der daraus, wie wir sahen, für gewisse Kriegsbedürfnisse zu[355] sorgen hatte und dabei für sich selbst eine hohe wirtschaftlich-soziale Stellung gewann. Den Nachkömmlingen gewährte man diesen Vorteil nicht mehr. Sollten sie zum Kriege aufgeboten werden, so fiel die Last, sie auszurüsten, dem Grafen zu.


Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1921, Teil 2, S. 355-356.
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