Königliche Schenkung und hospitalitas.

[356] Tit. 54 der lex Burg. schreibt vor, daß derjenige, der durch die Freigebigkeit des Königs Land und Leute erhalten hätte, nicht außerdem »ex eo loco, in quo ei hospitalitas fuerat delegata«, jene zwei Drittel und ein Drittel Sklaven in Anspruch nehmen dürfe. Inwiefern konnte jemand, der dem König ein Gut geschenkt hatte, wo er auch wohnte, noch anderswo hospes sein? Zwei Auslegungen scheinen möglich.

Es könnte sein, daß der Begriff des hospes sich bereits sehr gewandelt hatte, so daß er nicht den wirklich Einquartierten bedeutete, sondern denjenigen, der auf gewisse Leistungen wie ein Einquartierter Anspruch hatte. So war der Umweg, daß die Possessoren ihre Leistungen erst einer Zentralstelle zuführten und diese sie dann an die Hundertschaften verteilte, vermieden. Die Hundertschaftsführer (oder Teilführer) gingen direkt an die Verpflichteten, mißbrauchten aber dies Recht unter Umständen, von ihnen die Landabtretung zu fordern.

Die andere und doch wohl bessere Auslegung ist, daß die hospitalitas hier eine Einquartierung in altem Sinne bedeutet, die stattgefunden hatte, ehe der Betreffende sein Landgeschenk vom König erhalten. Indem er dieses in Besitz nahm, behauptete er doch noch sein Quartierrecht, wo er es eben gehabt hatte, und leitete hieraus dann den Teilungsanspruch ab.

Mittelbar geht übrigens aus dieser Bestimmung auch hervor, daß tatsächlich nicht das ganze Landgebiet, sondern nur gewisse ausgewählte Güter aufgeteilt wurden; denn der Titel nimmt ja an, daß die Römer ungerechterweise zur Teilung gezwungen worden seien. Das können nicht etwa einzelne bevorzugte Leute gewesen sein, denn dieselben Verhältnisse oder Beziehungen, die ihnen diesen Vorzug verschafften, hätten sie sicherlich auch gegen die widerrechtliche Beraubung geschützt. Die Bestimmung ist nur verständlich, wenn es solcher Römer, die nicht zu teilen brauchten, ganze Klassen oder Gruppen gab.

HEINR. BRUNNER kommt m. E. auch in der 2. Aufl. seiner »Deutschen Rechtsgeschichte« nicht zu einem klaren Bilde von der Natur und dem Vorgang der »Landnahme« der Germanen. Er hält fest an dem Bilde, daß die Wohnsitze der alten und neuen Bewohner sich einander durchsetzt hätten, wie die Felder eines Schachbrettes, obgleich die Zahl der Germanen doch dazu viel zu klein war. Auf der andern Seite nimmt auch Brunner jetzt an (S. 74 Anm. 4) und belegt es mit einem neuen, wertvollen Zeugnis, daß es die Kolonhöfe nicht waren, die geteilt wurden. Außer dem[356] Großgrundbesitz, der die Kosten der Maßregel vorzugsweise getragen haben möge (S. 74), sollen auch mittlere Güter zur Teilung gekommen sein (S. 76 Anm.). Soll nun aber auf diese Weise jeder Burgunder Zweidrittel eines Gutes erhalten haben? Dann hätte ihre Zahl ja noch viel kleiner sein müssen, als selbst ich annehme. Es scheint aber, daß Brunner aus der Wendung des Gesetzes »populus noster ... duas terrarum partes accepit« wirklich schließen will, daß jeder Burgunder ein solches Landlos empfangen habe.

Gegen wen die Wendung geht (S. 76), »als ob das jus hospitalitatis die Germanen alle zu Grundherren erhoben habe, die von den Abgaben der überwiesenen Kolonen ein Rentnerleben führen konnten«, habe ich nicht ausfindig machen können.[357]

Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1921, Teil 2, S. 356-359.
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