Belagerung von Parma.

1247/48.

[370] Köhler nimmt an, daß Parma etwa 80000 Einwohner gehabt habe. Das ist sicher viel zu viel. Heute hat es knapp 50000, und der Stadtteil auf dem linken Ufer war nach Köhlers Angabe damals bedeutend kleiner als gegenwärtig, der auf dem rechten jedenfalls nicht größer.378 Kaiser Friedrich II. hatte nach den Annalen von Parma selber 10000 Mann,379 und das wäre ja schon ein sehr bedeutendes Heer; jedenfalls haben wir in dieser Angabe aus dem Lager der Gegner das Maximum dessen, was wir vielleicht annehmen dürfen.

Friedrich betrieb die Belagerung in der Art, daß er dem kleineren Stadtteil auf dem linken Flußufer gegenüber ein befestigtes Lager anlegte, das er Vittoria nannte, und von hier aus die Umgegend von Parma verwüstete und Zuzug zu verhindern suchte.380 Da der Hauptteil der Stadt aber nicht eingeschlossen war, die Belagerten selber über bedeutende Streitkräfte verfügten und ihre[370] Bundesgenossen, namentlich die Mantuaner, die mit einer Flotte auf dem Po erschienen, ihnen tatkräftig halfen, so hatte der Kaiser keine Aussicht, sie wirklich zu bezwingen, höchstens sie allmählich mürbe zu machen. Köhler berechnet, daß, wenn der Kaiser die Stadt völlig hätte einschließen wollen, die Kontravallation einen Umfang von einer deutschen Meile gehabt und 40000 Mann Besatzung erfordert hätte. Angenommen, daß dieser Umfang nicht zu groß berechnet ist, so ist es doch sicher die Besatzung, denn die Kontravallation brauchte ja nicht allenthalben gleichmäßig besetzt zu werden. Es genügte, wenn an den Zuzugsstraßen allenthalben sturmfreie Forts errichtet wurden und ein Graben mit Pallissadierung den Belagerten die freie Bewegung nahm. In diesem Falle hätte der Kaiser auch nicht das besondere Deckungskorps bei Guastalla nötig gehabt. Daß Friedrich, der doch ein erfahrener Kriegsmann war, sich statt dessen mit jener Viertels-Blockade begnügte, scheint mir ein genügender Beweis, daß er für die Einschließung zu schwach war, sein Heer also nur eine sehr mäßige Stärke gehabt haben kann.

Im Winter entließ der Kaiser die Kontingente von Bergamo, Pavia, Tortona, Alessandria und detachierte nach Treviso und Alessandria. Die Truppen, die bei ihm blieben, bestanden aus 1100 Reitern, 2000 Cremonesen zu Fuß und einer unbestimmten Zahl Saracenen, die Gesamtzahl wird also 5000 schwerlich überschritten haben.

Hiervon waren noch 1000 Mann detachiert, und der Kaiser selbst war mit 500 Reitern auf die Jagd geritten, als die Parmesen am 18. Februar einen Ausfall machten.

Köhler hat plausibel gemacht, daß der Ausfall nicht vorbedacht war. Die Parmesen wollten im Grunde nur eine Expedition an den Po gegen König Enzio machen, hatten dazu etwa die Hälfte ihrer Mannschaft bestimmt und fielen mit der anderen Hälfte nur aus, um jener den Rücken zu decken. Da geschah es, daß die Kaiserlichen ohne Befehl und ohne volle Wappnung sich in eine Rauferei mit den Ausgefallenen einließen, die für sie so übel auslief, daß die Verfolger mit den Fliehenden zugleich in Vittoria eindrangen und es einnahmen. Nach ihrem eigenen Bericht haben die Parmesen 1500 Mann erschlagen und 3000 gefangen[371] genommen, der Wahrheit näher wird wohl der Bericht der Placentiner Annalen sein, wonach 100 Ritter und 1500 Fußgänger gefangen wurden.

Hätte der Kaiser eine bedeutendere Truppenzahl in Vittoria gehabt, so hätte ein solcher Überfall wohl nicht gelingen können. 5-6000 Mann aber waren für die Durchführung des strategischen Planes, wie ihn Friedrich betrieb, an sich nicht zu wenig. Selbst wenn die Verteidiger von Parma vielleicht zahlreicher waren, so konnten sie die Gegenfestung Vittoria doch nicht nehmen und konnten ihrerseits fort und fort von dort aus drangsaliert werden. So etwa hatten ja auch einst die Normannen Paris und die mailändischen Ritter ihre eigene Stadt belagert, und auch Barbarossa hatte einst Mailand nicht wirklich eingeschlossen, sondern nur die ganze Umgegend verwüstet und die Zufuhren abgesperrt. Das hatte genügt, in etwa neun Monaten die Unterwerfung herbeizuführen. Friedrich II. war viel schwächer, auch im Verhältnis zu der belagerten Stadt, die gewiß viel kleiner als Mailand war. Barbarossa beherrschte Oberitalien so weit, daß er Mailand wirklich aushungerte, ohne daß auch nur ein ernstlicher Versuch von anderer Seite gemacht wurde, der Stadt zu helfen. Gegen Friedrich II. standen im Jahre 1247 so viele Kommunen in Waffen, daß er nicht bloß gegen die Stadt, sondern ebenso sehr gegen ihre helfenden Freunde zu kämpfen hatte. Trotzdem würde der Kaiser vielleicht zum Ziel gelangt sein, wenn nicht die Indisziplin und der Leichtsinn der Soldaten bei der zufälligen Abwesenheit des Kaisers von Parmesen die unverhoffte Gelegenheit zu dem vernichtenden Schlage gegeben hätte. Den Kaiser trifft also nicht der Vorwurf eines strategisch falsch angelegten und geleiteten Unternehmens, sondern der Unvorsichtigkeit, daß er persönlich das Lager verließ an einem Tage, wo die Besatzung durch Detachierung sehr geschwächt war.

Dies Ergebnis ist wichtig auch weiter rückwärts. Wäre der Kaiser wirklich noch im Herbst 1247 imstande gewesen, ein ganz großes Heer aufzustellen, so ist nicht abzusehen, weshalb er solche Anstrengung nicht zu einer Zeit gemacht hat, als sein Sieg von Cortenuova noch nachwirkte und er damit den definitiven Erfolg hätte erraffen können. Besondere neue Hilfsmittel standen ihm im[372] Jahre 1247 keineswegs zu Gebote; im Gegenteil, er war durch mannigfachen Abfall geschwächt. Nehmen wir aber an, daß seine Kräfte tatsächlich bereits sehr reduziert waren, so wird sein Verhalten durchaus verständlich.

Die mehr oder weniger zufällig herbeigeführte Niederlage schadete zwar für den Augenblick dem Staufen sehr, führte aber die Entscheidung in dem Kampf so wenig herbei, wie einst sein Sieg von Cortenuova.


Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1923, Teil 3, S. 370-373.
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