Fünftes Kapitel.

Cromwell.

[211] Man kann zweifeln, ob in einer Geschichte der Kriegskunst Cromwell eine Stelle zu geben ist, da man nicht sagen kann, daß in der Kette der fortschreitenden Entwicklung ein Glied seinen Namen trägt. Immerhin ist er ein so gewaltiger Kriegsmann und seine Armee eine so eigentümliche und bedeutende Erscheinung, daß man sie nicht übergehen darf246.

Im Mittelalter hatte, wie wir gesehen haben, England vermöge seiner streng zentralisierten Monarchie eine sehr wirksame Kriegsverfassung hervorgebracht. In den Kriegen der roten und weißen Rose hatte sich dieses Kriegswesen so zu sagen selbst verzehrt. Die großen Condottiere-Familien hatten sich gegenseitig vernichtet. Die Monarchie der Tudors, die dem Bürgerkrieg ein Ende machte und einen fast schrankenlosen Despotismus aufrichtete, beruhte nicht auf einem starken Kriegswesen, sondern auf einer raffinierten Polizei-Organisation.

Man hatte Ansätze zu einer gewordenen, stehenden Armee, namentlich zur Niederhaltung der Iren, aber sie kann sich nicht entwickeln, da das Parlament aus Besorgnis, den königlichen Despotismus noch mehr zu befestigen, keine Gelder dafür bewilligt.

Die große Aufgabe wäre gewesen, den deutschen Protestanten im dreißigjährigen Krieg zu Hülfe zu kommen. Aber wie schon[211] Elisabeth, um die Steuerempfindlichkeit ihrer Untertanen zu schonen, die Niederländer nur schwach gegen die Spanier unterstützt hatte, so griffen ihre Nachfolger nicht in Deutschland ein, obgleich gerade in der Hoffnung auf diesen Rückhalt die Böhmen den Kurfürsten von der Pfalz als Schwiegersohn König Jacobs von England zu ihrem König erwählt hatten. Aber einige mit freiwilligen Beiträgen ausgerüstete Hülfstruppen war alles, was England aufbrachte.

Für die Verteidigung des Landes und die Erhaltung der Ordnung im Innern bestand die uns bereits aus dem Mittelalter bekannte Miliz (Bd. III, 2. Buch, 5. Kapitel). Jede Grafschaft bildete eine ihrer Größe entsprechende Truppe mit militärischer Einteilung und Offizieren. Die Waffen wurden in eigenen Zeughäusern aufbewahrt und es wurden auch einige militärische Übungen gemacht. Jeden Monat im Sommer traten sie für einen Tag zu einer Übung zusammen. »Trained bands« aber hießen, wie man gesagt hat, diese Milizen mehr, weil sie exerzieren sollten, als weil sie wirklich exerziert hätten. Ihr militärischer Wert war, wie wir das auch von den Landesbewaffnungen in vielen deutschen Territorien erfahren haben, gering.

Sie sollten gesetzlich auch nicht nur nicht außerhalb des Königreichs, sondern womöglich nicht außerhalb der Grenzen der eigenen Grafschaft verwendet werden. Etwa anderthalb Jahrhunderte vergingen, in denen England wohl zuweilen Kriege führte, aber nur sehr geringe kriegerische Leistungen aufzuweisen hat. Wie in Deutschland und Frankreich lebten zwar auch in dem englischen Adel die kriegerischen Traditionen der Väter fort, aber mit ritterlichen Aufgeboten waren Kriege nicht mehr zu gewinnen, und warb man Söldner, so fehlte ihnen die Tradition, die den deutschen Landsknechten den Wert verlieh. Von allen protestantischen Ländern das bei weitem stärkste, konnte England doch in der europäischen Politik mangels einer Wehrverfassung keine wesentliche Rolle spielen, weder in den Hugenottenkriegen, noch in dem Freiheitskampf der Niederländer, noch im Dreißigjährigen Kriege, wo endlich das mit so geringfügigen physischen Kräften ausgestattete Schweden die Führung ergriff.[212]

Der Mangel einer wirksamen Kriegsverfassung beherrscht naturgemäß auch den Bürgerkrieg. Sowohl die Anhänger, die der König Karl I. um sich sammelte, wie die Aufgebote des Parlaments waren, wenn auch vom Parteieifer erfüllt, doch zu locker, um große Entscheidungen zu erfechten. Unter den Waffen waren auf jeder Seite wohl 60000 bis 70000 Mann, aber bei weitem der größte Teil davon wurde für die Besatzung der Städte und festen Schlösser verbraucht, so daß die Entscheidungen im freien Felde von nicht mehr als 10000 bis 20000 Mann ausgefochten wurden. Auf beiden Seiten gab es Offiziere und Mannschaften, die in niederländischen oder schwedischen Diensten gestanden und in Schlachten des 30jährigen Krieges gefochten hatten. Die Formen, die hier ausgebildet waren, wurden jetzt auf England übertragen, aber es vergingen mehrere Jahre, bis sie sich bei den Massen eingelebt hatten, so daß erst der Krieg selbst, wie in anderen Epochen der Weltgeschichte (in den Hussitenkriegen und später in der französischen Revolution) die wirklichen Heere erzeugte.

Diese Umwandlung des Heeres, die Ersetzung lockerer Aufgebote von Bürgerwehren und Freiwilligen durch eine qualifizierte Armee ist im wesentlichen das Werk Cromwells, und zur weltgeschichtlichen Persönlichkeit wird er dadurch, daß er diese von ihm geschaffene Armee sowohl taktisch zu verwenden, wie strategisch zu führen versteht. Als Mitglied des Parlaments hatte Cromwell den Antrag gestellt, daß der Oberbefehl über die Miliz vom König an das Parlament übergehe; als über dieser Forderung der Bürgerkrieg ausbrach, ließ er sich, 43 Jahre alt, zum Rittmeister ernennen und formierte in seiner Grafschaft eine Schwadron. Soldat war er bis dahin nicht gewesen. Als das Parlamentsheer bei dem ersten größeren Zusammenstoß bei Edgehill (23. Oktober 1642) einen Mißerfolg erlitt, äußerte er auf dem Rückzug zu Hampden: »Eure Truppen sind meist alte, abhängige Dienstmänner, Weinzapfer und ähnliches Gesindel. Die des Feindes dagegen sind Söhne von Gentlemen und junge Männer von Rang. Glaubt Ihr, daß der Mut so elender und niederer Burschen jemals dem von Leuten gewachsen sein wird, die Ehre, Tapferkeit und Entschluß im Herzen haben? Ihr müßt Leute von einem Geist auszuheben suchen und, nehmt mir nicht übel, was ich sage, von einem Geist, der ebensoweit[213] reicht, als der von Gentlemen.« Männer von Ehre, fügte er hinzu, müßten durch Männer von Religion bezwungen werden, und wo diese lebten, das wisse er. Es ständen nicht die richtigen Männer an der Spitze, äußerte er ein ander Mal; die Advokaten hätten mehr zu sagen als die Militärs.

In diesem Geiste hatte er erst seine Schwadron, dann sein Regiment gebildet und im Jahre 1645, also im ersten Jahre des Krieges, wurde beschlossen, nach diesem Muster eine neue Feld-Armee zu schaffen. Bis dahin hatte eigentlich gar kein einheitliches Parlamentsheer existiert, sondern mehrere Heeresgruppen, die von den einzelnen Grafschaften oder Assoziationen von Grafschaften unterhalten wurden. Die stärkste dieser Assoziationen, eine Reihe von örtlichen Grafschaften, hatten sich schon an Cromwell und seine Grafschaft angeschlossen und gab nun den Kern für das »Neue Modell«. Das Parlament versprach diesem neuen Heer regelmäßige Bezahlung, nicht mehr durch die Grafschaften, sondern aus der Staatskasse. Obgleich dieses Heer nicht stärker als einige 20000 Mann war, reichten die vorhandenen Bestände doch nicht ganz für die Neubildung aus und die Gemeindebehörden wurden angewiesen, die erforderliche Ergänzung durch Aushebung zu beschaffen.

Bis dahin waren, wie wir hörten, die Heere hüben und drüben einander sehr ähnlich gewesen. Auf beiden Seiten waren Offiziere, die bei den Niederländern oder unter Gustav Adolf gedient hatten, und das Offizierkorps bestand hüben wie drüben aus Edelleuten. Daß im Parlamentsheer mit der Zeit auch zuweilen Gemeine, die sich ausgezeichnet hatten, zu Offizieren befördert wurden, machte doch im ganzen keinen Unterschied. Auch von den 37 Obersten und Generalen der neuen Armee waren 9 Lords, 21 Landedelleute und nur 7 bürgerlicher Herkunft; erst in den späteren Jahren rückten an die Stelle der Edelleute, die nun ihrer politischen und religiösen Überzeugung willen das Schwert ergriffen hatten, mehr Berufssoldaten. Der Unterschied zwischen den beiden Heeren darf also nicht etwa im Aristokratischen und Demokratischen gesucht werden. Die Bezeichnung »Kavaliere« und »Rundköpfe«, als ob diese die Locken des vornehmen Mannes verschmäht hätten, die jene zierten, ist irreführend. Die Bilder der[214] Führer und Offiziere der »Rundköpfe«, Cromwells wie der anderen, zeigen sie alle im Lockenschmuck. Nur beim Beginn des Bürgerkrieges marschierten die Puritaner aus mit verschnittenen Haaren, als wenn sie, wie eine Zeitgenossin schreibt, nur hinauszögen, bis ihr Haar wieder gewachsen wäre.

In den ersten Jahren des Bürgerkrieges wurden die Truppen der Rebellen geführt von hervorragenden Parlamentsmitgliedern, den Grafen Essex und Manchester. Indem man das neue Heer bildete, schuf man auch ein neues Oberkommando. Die Parlamentsgenerale hatten den Krieg geführt immer mit der Perspektive, daß man sich schließlich doch mit dem König wieder vertragen werde. Graf Manchester sagte: »Wenn wir auch den König neunundneunzig Mal besiegen, er ist der König und seine Nachkommen werden es auch sein; aber wenn der König uns einmal schlägt, so werden wir alle gehängt und unsere Nachkommen Sklaven.« Jetzt wurde ein Gesetz erlassen, die »Selbstentsagungs-Akte«, wonach die Mitglieder des Parlaments keine Kommando-Stellen im Heer mehr bekleiden sollten. Die Kriegführung sollte, so zu sagen, von der Politik losgelöst werden. Das Parlament ernannte den Höchstkommandierenden und wählte den General Thomas Faircax. Dieser erhielt das Recht, seinerseits sämtliche Offiziere, die Obersten und Kapitäne noch mit Zustimmung des Parlaments zu ernennen. Wäre Cromwell ein Mann gewesen wie andere, so wäre ihm mit diesen Maßregeln die Zukunft abgeschnitten gewesen. Denn als Mitglied des Parlaments hätte er seine Stellung in der Armee, in der er mittlerweile zum Generalleutnant aufgerückt war, niederlegen müssen. Aber das Ergebnis war das umgekehrte. Cromwells Ansehen bei der Truppe war so groß, daß man nicht wagte, die Selbstentsagungsakte auf ihn anzuwenden, Fairfax aber war reiner Soldat, eine unpolitische Natur. Indem nun Cromwell zugleich in der Armee und im Parlamente blieb, hatte er auf den zwölf Jahre jüngeren General Fairfax einen Einfluß, der ihm, obgleich er nur an der zweiten Stelle stand, die tatsächliche Leitung in die Hand gab.

Die Armee des neuen Modells beruhte darauf, daß sie den Charakter der Bürger-Aufgebote völlig abstreifte und eine streng disziplinierte, rein militärische Korporation bildete. Den Untergrund[215] der Disziplin aber bildete die Religion. Man muß immer im Auge behalten, daß das Heer im Verhältnis zur Waffe der Bevölkerung sehr klein ist. Es ist eine Korporation von Gesinnungsgenossen, zugleich Truppe und Sekte. Man hat sie nicht uneben mit Kreuzfahrern oder den Ritterorden verglichen. Das englische Revolutionsheer ist also etwas durchaus anderes als etwa später das französische Revolutionsheer, und auch etwas durchaus anderes als etwa ein deutsches Landknechtsheer. Mit jenem hat es gemeinsam den Zusammenhalt durch eine bestimmte religiös-politische Gesinnung, aber es ist das Gegenteil, weil es nicht Massenaufgebot, sondern Auslese darstellt. Mit Landsknechten hat es gemeinsam das Kriegertum, ebenfalls eine Auslese, aber bei den Landsknechten ist es das Kriegertum niederster Art, der animalische Mut ohne jeden idealen Zweck, in der Judependenten-Armee ist es das Kriegertum im Dienste einer Idee. In den französischen Hugenottenkriegen ist es zur Bildung eines geschlossenen Heeres nach Art des Cromwell'schen nicht gekommen. Die Heere in diesen Kriegen, die immer wieder durch Friedensschlüsse und Waffenstillstände unterbrochen wurden, behielten den Charakter von Adels- oder Bürger-Aufgeboten und Söldner-Schaaren.

Die Kavallerie machte in der Cromwell'schen Armee, wo in den Armeen des späteren Dreißigjährigen Krieges, ein Drittel und bis zur Hälfte der Gesamtstärke aus. Die meisten Mannschaften hatten ihre eigenen Pferde und ihre eigene Ausrüstung. Sie empfingen einen so reichlichen Sold, daß sie als Gentlemen leben konnten und es waren viele Gebildete unter ihnen, die in diesem Dienst eine gute Stellung erblickten.

Unsere Leute, sagte ein alter royalistischer Offizier später einmal zu einem puritanischen, hatten die Sünden von Menschen, Trinkern und Buhlen; eure die Sünde der Teufel, geistlichen Hochmut und Rebellion.

Da die Offiziere ernannt und nicht etwa gewählt waren, so war das Prinzip der Autorität streng gewahrt. »Ich befehle: jeder Mann fügt sich, oder er ist entlassen«, schrieb einmal Cromwell. »Ich dulde keinen Widerspruch von irgend Einem.« »Gleiche Uniform – darum handelt es sich – ist eine Notwendigkeit, denn vielfach haben sich wegen der Verschiedenheit der Uniformen unsere[216] Leute unter sich geschlagen247.« Auch an der obersten Stelle galt die Autorität. Der Kommandierende hielt zwar sehr häufig Kriegsrat mit seinen Obersten, hielt sich aber an dessen Beschlüssen nicht gebunden, sondern gab seine Befehle nach eigenem Ermessen.

Die militärische Zucht, die nach einem Ausdruck Cromwells »in der Leidenschaft und Wahrheit des Glaubens fußte«, wurde benutzt, durch Exerzieren und Üben aus den Reitern fest zusammenhaltende taktische Körper zu bilden. Graf Essex hatte im Beginn des Bürgerkrieges geglaubt, auf das Durch-Exerzieren der Milizen verzichten zu dürfen; es genüge, wenn sie nur das Notwendigste verständen. Cromwell verlangte umgekehrt, nicht nur daß man tüchtige Leute zu Kapitänen mache, sondern auch, daß man ihnen Zeit lasse, ihre Truppen zu exerzieren.

An Tapferkeit fehlte es auch der Reiterei im Dienste des Königs nicht und in dem Prinzen Ruprecht von der Pfalz, seinem Neffen, einen Sohn des Winterkönigs, hatte Karl I. einen im 30jährigen Kriege ausgebildeten, sehr achtbaren Reiter-General. Graf Essex verzweifelte einmal, daß man je der königlichen eine ebenbürtige Kavallerie an die Seite stellen könne. Die Überlegenheit, die endlich dennoch die Eisenseiten Cromwells entwickelten, beruhten nicht nur auf ihrer Tapferkeit, sondern auf der Disziplin, die es den Führern ermöglichte, sie nach der Attacke sofort wieder zu sammeln. Hoenig stellt fest (II, 2, 435), daß in allen vier Feldzügen Ruprechts bis zu seinem Ende als Reitergeneral bei Nafeby, der Fehler, daß die Reiter sich nach der Attacke nicht wieder sammelten, immer wiederkehre und schließt daraus, daß dem Prinzen das Verständnis für diese Forderung gefehlt habe. Soll man das glauben? Ein Reiter-General, dem nicht einmal wiederholte üble Erfahrung lehrte, wie notwendig das Sammeln nach der Attacke, wie gefährlich die ungeordnete Verfolgung oder gar das Beutemachen ist? Ich möchte dem Prinzen diese Erkenntnis doch zutrauen. Aber mit der Erkenntnis war es nicht getan. Es war eine Frage der militärischen Erziehung, ein überaus schwieriges, dauernde moralische Anspannung erforderndes Werk, das die Puritaner kraft ihrer religiösen Seelenstärke zustande brachten, die Königlichen nicht. Bei[217] Marstonmoor wie bei Nafeby war es dieser Unterschied in den beiderseitigen Reiter-Regimenten, der den Ausschlag gab; bei Nafeby hat allerdings, entgegen früheren Anschauungen, das Parlamentsheer auch eine große numerische Überlegenheit gehabt248.

Auf die Darstellung der einzelnen Feldzüge und Schlachten Cromwells darf ich verzichten; das Originelle an ihm ist nicht sowohl die Führung, als die eben geschilderte Bildung seiner Armee249. Einzelne interessante Einzelheiten aber, die auch das allgemeine Kriegswesen der Zeit angehn, seien hier noch angehängt.

Als der Bürgerkrieg begann, standen noch Piken und Musketen nebeneinander. Ein festes Schema, wie sie zu einander zu ordnen seien, habe ich in den Quellen nicht gefunden. Mehrfach wird erwähnt, daß in Gefechten die Piken Reiterangriffe abgewehrt haben und auch daß Piken-Bataillone aufeinander eingedrungen sind. Wie auf dem Festland, gewann auch hier allmählich die Muskete die Oberhand über die Pike. Im Nahgefecht wird oft berichtet, daß die Musketiere ihre Gewehre als Keulen benutzen. Als wesentliches Moment für das Vordringen der Muskete stellt FIRTH (S. 108) die größere Marschfähigkeit der Musketiere fest, weil sie keinen Panzer trugen. In den ersten Jahren des Bürgerkrieges sind die stärksten Märsche nicht länger als 10-12 englische Meilen, der allerlängste 13 englische Meilen, also noch nicht 20 Kilometer. Später, als die Panzer abgelegt wurden, wurden die Märsche länger, aber immerhin kaum über 3 deutsche Meilen, etwa 23 Kilometer.

Definitiv wurden die Piken von den Engländern erst 1705 abgelegt.

Die Gabeln für die Musketen waren im Beginn des Bürgerkrieges[218] noch im Gebrauch, existierten aber im neuen Modell nicht mehr.

Im Beginn des Bürgerkrieges wurde vor jedem Gefecht das Feldzeichen und das Feldgeschrei ausgegeben, damit die Soldaten der beiden Parteien sich erkennen und unterscheiden konnten. Bei Edgehill hatten die Parlamentarier Orangeschärpen, bei Newbury grüne Büsche an den Hüten, bei Marstonmoor ein weißes Tuch oder ein Stück weißes Papier an dem Hut. Da ein solches Zeichen im Gewühl des Gefechts leicht verloren gehen konnte, so hatte man daneben das Feldgeschrei, wie »Gott mit uns« (so auch die Schweden bei Breitenfeld) oder auf der Gegenseite bei Marstonmoor »Gott und der König«.

Noch während des Krieges setzte Cromwell die gleichmäßige Uniform, den roten Waffenrock durch, der dann zweieinhalb Jahrhunderte das Kleid der englischen Soldaten geblieben ist.

Die Engländer hatten die Gewohnheit, beim Angriff laut zu schreien, die Schotten rückten still an den Feind. Der Schotte Monro spottet über die Kaiserlichen, die beim Angriff »Sa, sa, sa« riefen; sie machten es wie die Türken, als ob Schreien tapfere Soldaten erschrecke. Auch die Dänen und Schweden blieben still beim Vorrücken250.

Ist das Eigentümliche der puritanischen Armee der religiöse Charakter, und das Werk Cromwells die Auswertung dieses religiösen Geistes zu militärischen Formen und kriegerischen Taten, so darf schließlich nicht unerwähnt bleiben, wie dieser Charakter der Armee wieder rückwärts auf die Politik wirkte.

Militärisch kommandierte erst der General Fairfax und dann der an seine Stelle tretende Cromwell. Wenn aber das Militärische in das Politische überging, so war es der Rat der Offiziere, der die Entscheidungen fällte, und im Jahre 1647, als die Armee sich gegen das Parlament auflehnte, wählten auch die Gemeinen die »Agitatoren«, einen Soldatenrat, der ihre Beschwerden vertreten sollte. Das Parlament wollte dem Lande die presbyterianische Kirchenverfassung geben, die vermöge ihrer Kirchenzucht den herrschenden Ständen die Gewalt im Lande verbürgt hatte251. Dem[219] widersetzte sich die Armee. In ihr regte sich gegenüber dem aristokratischen Charakter der überlieferten Parlaments-Verfassung der demokratische Gedanke. Man wollte sich der geistlichen Autorität der Presbyterianer so wenig unterwerfen wie der der Bischöfe und verteidigte die Trennung der Kirche vom Staat, das freie Sektenwesen der Independenten. Endlich machte sich geltend der Korpsgeist der Armee als solcher; das Parlament wünschte die Armee, nachdem sie ihre Dienste getan und den König niedergekämpft hatte, aufzulösen. Die Regimenter aber wollten sich nicht auflösen lassen. Die Offiziere waren geneigt, nach irgend einem Ausgleich zu suchen, die Gemeinen aber waren dafür nicht zu haben, und die Offiziere behielten schließlich die Truppen nur in der Hand, indem sie sich ihren Tendenzen anbequemten. Auch Cromwell wich diesem Druck. Der militärische Gehorsam wurde wiederhergestellt, indem einige Rädelsführer standrechtlich erschossen wurden. Aber der Wille der Armee wurde restlos durchgesetzt, der König hingerichtet, das Parlament erst gesäubert und dann beseitigt. Nachdem dieser Gang gesichert ist, verschwindet der Soldatenrat wieder. Von den »Agitatoren« aber finden wir nicht wenige nachher wieder als Offiziere. Die Armee regiert und ihr Haupt, Cromwell wird auch das Oberhaupt des Staates. So schmal die Basis ist, die die numerisch so kleine Armee bietet, so vermag sich Cromwell doch bis an seinen Tod als Herrscher über die drei Königreiche England, Schottland und Irland zu behaupten, da er seine Macht benutzt, eine tatkräftige Politik nach außen zu führen und die Interessen des Landes erfolgreich gegen den Konkurrenten, die Niederlande, und den alten Feind, die Spanier, wahrzunehmen. »Ich kann euch sagen, was ich nicht will, aber unmöglich das, was ich will; denn das werde ich erst wissen, wenn es notwendig ist«, wird als Äußerung Cromwells berichtet und kann als eine zutreffende Selbstcharakteristik angesehen werden.[220]

Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1920, Teil 4, S. 211-221.
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