Schlacht bei Lützen[240] 268.

16. November 1632.

Wallenstein war in Sachsen eingedrungen und hatte Leipzig eingenommen. Gustav Adolf kam von Süddeutschland, um ihn von dort zu vertreiben. Wallenstein hatte sich durch Pappenheim, der aus weiter Ferne, von Mastricht anmarschiert kam, derartig verstärkt, daß Gustav Adolf nicht wagen durfte, ihn ohne weiteres anzugreifen, und die Verstärkung, auf die er selber noch zu rechnen hatte, ein lüneburgisch-sächsisches Korps unter Herzog Georg, stand jenseits der Elbe bei Torgau, so daß Wallenstein sich zwischen den beiden feindlichen Armeen befand. Gustav Adolf nahm eine feste Stellung nordwärts von Naumburg an der Saale, die er so ausbaute, daß Wallenstein trotz seiner Übermacht nicht wagen durfte, ihn seinerseits anzugreifen. Einige Tage lagen sich die beiden Heere gegenüber, und litten sehr unter dem Novemberwetter. Endlich entschloß sich Wallenstein, seine Truppen in die sächsischen Städte in Winterquartier zu legen, und sobald Gustav Adolf das erfuhr, ergriff er die Offensive in der Hoffnung, sich mit[240] dem Herzog Georg zu vereinigen oder die Kaiserlichen zu schlagen, ehe sie sich wieder vereinigt hätten. Wallenstein ließ durch leichte Truppen den Vormarsch der Schweden aufhalten und nahm mit großer Geschicklichkeit eine Stellung, in der er hoffen konnte, eine vorteilhafte Defensivschlacht zu schlagen. Sie lag nicht quer über der Anmarschlinie der Schweden, sondern wandte diesen die rechte Flanke zu, diese Flanke war aber, angelehnt an das Städtchen Lützen und nasses, schwer passierbares Wiesengelände, nicht angreifbar. Die Schweden mußten also, um an die Kaiserlichen heranzukommen, eine große Schwenkung machen und dadurch Zeit verlieren, die nicht nur der weiteren Sammlung der Kaiserlichen zugute kam, sondern auch benutzt wurde, um die Stellung, die ohnehin durch starke Fronthindernisse geschützt war, in eifriger Schanzarbeit noch weiter zu befestigen. Als Gustav Adolf schon am ersten Tage seines Vormarsches (15. November) erfuhr, daß der Feind dicht vor ihm stehe, schwenkte er gegen ihn ein, um ihn am nächsten Morgen in aller Frühe anzugreifen. Er selber hatte 16300 Mann, darunter 5100 Reiter und 60 Geschütze, eingeschlossen die leichten Regimentsstücke, zur Stelle, denen Wallenstein zunächst nur 12000 Mann, darunter 4000 Reiter, mit 21 schweren und unsicher wie viel leichten Geschützen entgegensetzen konnte269. Aber ein Nebel, der jeden Ausblick verhinderte, verzögerte den Angriff der Schweden bis 10 Uhr vormittags, und mittags trafen bei den Kaiserlichen noch 1400 Reiter, zwischen 2 und 3 Uhr 1500 Mann Infanterie, ein, so daß jetzt im ganzen 14900 gegen 16300 Mann fochten.

Die älteren Darstellungen lassen die Kaiserlichen bei Lützen noch ziemlich in denselben schwerfälligen Formen fechten, wie das Tillysche Heer bei Breitenfeld. Das ist jedoch nicht richtig. Wallenstein hatte bereits die quadratische Form aufgegeben und die zehngliedrige Tiefe für die Infanterie angeordnet. Auch hatte er die leichten Regimentsgeschütze eingeführt und der Kavallerie Schützentrupps beigegeben270. Nichtsdestoweniger war die schwedische Armee[241] immer noch qualitativ überlegen; sie hatte die leichtere Muskete ohne Gabel, stand nur sechs Glieder tief und hatte den Vorzug jeder alten Armee vor einer neugebildeten.

Die numerische und qualitative Überlegenheit der Schweden gewann schließlich trotz der starken Stellung der Kaiserlichen die Oberhand. Zwar blieb das Infanterie-Zentrum Wallensteins ungeschlagen, aber die Kavallerie war so erschüttert, daß Wallenstein es nicht wagte, am nächsten Tage die Schlacht fortzusetzen, obgleich ihm das Eintreffen der 4000 Mann Pappenheimscher Infanterie noch am Abend des Schlachttages, als es schon dunkel geworden war, eine nicht unerhebliche numerische Überlegenheit gegeben hätte. Wäre diese Infanterie einige Stunden früher eingetroffen, so hätte sie das Schicksal des Tages wohl zugunsten der Kaiserlichen wenden können, und es erscheint nicht ganz ausgeschlossen, daß Wallenstein, rein taktisch angesehen, die Schlacht auch am anderen Tage wieder aufnehmen, sich wenigstens defensiv noch hätte behaupten können. Auch die Schweden waren in der Nacht ein Stück zurückgegangen. Aber sie hatten ja von von Torgau her den Anmarsch des lüneburgisch-sächsischen Korps271 zu erwarten, und das gab den Ausschlag, so daß Wallenstein das Spiel verloren sein ließ und Sachsen räumte.

Man hat es unbegreiflich finden wollen, daß Wallenstein angesichts der Nähe des schwedischen Heeres seine Truppen in die Winterquartiere gehen ließ. Aber sie im November bei sehr schlechtem Wetter länger im Freien kampieren zu lassen, war unmöglich; die Söldner wären ihm davongelaufen. Er mußte entweder in Quartiere gehen oder Sachsen ohne Kampf räumen und die Unterhaltung der Truppen dem kaiserlichen Lande Böhmen aufbürden. Der Gefahr des Überfalls ließ sich durch Aufmerksamkeit zuvorkommen; auch die Feinde waren ja nicht vereinigt. Schließlich war Gustav Adolf auch des Gefolges keineswegs sicher und die Entscheidung schwankte sehr. Wallenstein hätte sehr kleinlich[242] denken müssen, wenn er, um dem Wagnis einer möglichen Schlacht zu entgehen, von vorn herein hätte Sachsen preisgeben und den Rückzug nach Böhmen antreten wollen.

Sehr eigentümlich erscheint die Flankenstellung, die er wählte, die ihm freilich, wie wir sahen, große taktische Vorteile gewährte, ihn aber im Falle einer wirklichen Niederlage von Böhmen trennte und ihm nur den Rückzug nach Nordwest-Deutschland ließ. Daß er es darauf hin wagte, muß man ihm als eine Tat und ein Zeugnis großer strategischer Kühnheit anrechnen.

Fast noch mehr als von anderen Schlachten kann man wohl von dieser Schlacht sagen, daß sie sehr stark vom Zufall beherrscht worden sei. Gustav Adolf hatte ja beabsichtigt, die Kaiserlichen schon bei Tagesanbruch anzugreifen. Wäre das ausgeführt worden, so war ihm ein glänzender Sieg sicher. Aber der Nebel verzögerte den schwedischen Angriff, und in dieser Zeit verstärkten nicht nur die Kaiserlichen ihre Stellung durch eifriges Schanzen, sondern nahten auch die Verstärkungen, die das annähernde numerische Gleichgewicht schufen. Wiederum, die letzte Verstärkung, die 4000 Mann der Pappenheimschen Infanterie, die Wallenstein das Übergewicht gegeben haben würden, verspäteten sich auf dem Marsche von Halle (4 gute Meilen), obgleich schon in der Nacht vorher alarmiert, so sehr, daß sie erst nach Einbruch der Dunkelheit eintrafen, als der Kampf beendet war. Endlich, wenn auch den Schweden der Sieg blieb, so wurde der Triumph doch durch den Tod des Königs wieder wettgemacht.

Das Gros der Sachsen stand zur Zeit der Schlacht unter Arnim von Schlesien; gegen ihn operierten zwei Korps unter Maradas und Gallas. Weitere, erhebliche Kräfte der katholischen Partei standen noch zur Verfügung des Kurfürsten von Bayern. Obgleich eine Hauptschlacht, wurde Lützen doch nur mit Teilkräften und absolut mit sehr kleinen Truppenzahlen geschlagen.


Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1920, Teil 4, S. 240-243.
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