Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

[598] Im Laufe des Verfahrens hat Göring zahlreiche Eingeständnisse seiner Mitverantwortlichkeit für die Verwendung von Sklavenarbeitern gemacht:

»Wir verwendeten diese Arbeitskräfte aus... Erwägungen der Sicherheit, um sie nicht in ihrem Lande dem Müßiggang und damit der Arbeit und dem Kampf gegen uns zur Verfügung zu stellen und andererseits dienten sie dazu, in dem Wirtschaftskrieg Vorteile für uns zu gewährleisten.«

Und dann wieder:

»...daß auch die Arbeiter unter Zwangsauflagen ins Reich geholt wurden. Das habe ich nicht bestritten.«

Der Mann, der diese Worte sprach, war Generalbevollmächtigter für den Vierjahresplan und mit der Anwerbung und Zuteilung von Arbeitskräften betraut. Als Oberbefehlshaber der Luftwaffe verlangte er von Himmler zusätzlich Arbeitssklaven für seine unterirdischen Flugzeugfabriken:

»Daß ich Konzentrationslagerhäftlinge für die Luftwaffenindustrie angefordert habe, ist richtig, ist auch in meinen Augen selbstverständlich.«1

Als Generalbevollmächtigter unterzeichnete Göring eine Weisung über die Behandlung polnischer Arbeiter in Deutschland und [598] ergänzte sie durch Ausführungsbestimmungen an den SD, mit Einschluß der »Sonderbehandlung«. Er gab Richtlinien heraus, sowjetische und französische Kriegsgefangene in der Rüstungsindustrie zu verwenden; er sprach davon, daß Polen und Holländer ergriffen, wenn nötig zu Kriegsgefangenen gemacht und zur Arbeit benutzt werden sollten. Er gab zu, daß russische Kriegsgefangene zur Bedienung von Luftabwehrgeschützen benutzt wurden.

Als Generalbevollmächtigter stellte Göring die tätige Behörde bei der Ausplünderung eroberter Gebiete dar. Lange vor dem Kriege gegen die Sowjetunion stellte er Pläne zur Ausplünderung des Sowjetgebietes auf. Zwei Monate vor dem Einfall in die Sowjetunion wurde Göring von Hitler die Allgemeinleitung der Wirtschaftsverwaltung dieses Gebietes übertragen. Göring setzte einen Wirtschaftsstab für diese Aufgabe ein. Von ihm, als Reichsmarschall des Großdeutschen Reiches, hieß es, »die Weisungen des Reichsmarschalls erstrecken sich auf alle Gebiete der Wirtschaft, einschließlich Ernährung und Landwirtschaft«. (USSR-10.) Seine sogenannte Grüne Mappe, die von der Wehrmacht gedruckt war, setzte einen »wirtschaftlichen Vollzugsstab Ost«2 ein. (USSR-10.) Diese Richtlinien sahen die Plünderung und Aufgabe jedweder Industrie in den nahrungsmittelarmen Gegenden vor, und eine Umleitung von Lebensmitteln aus den Überschußgegenden zur Befriedigung des deutschen Bedarfs. Göring behauptet, daß seine Absichten mißverstanden wurden, gibt aber zu, daß »wir selbstverständlich und pflichtgemäß Rußland zu unseren Zwecken benutzt hätten«, sobald es besiegt gewesen wäre.

Er nahm an der Konferenz vom 16. Juli 1941 teil, als Hitler sagte, die Nationalsozialisten hätten nicht die Absicht, die besetzten Länder jemals zu verlassen, und daß »alle notwendigen Maßnahmen – Erschießen, Aussiedeln, etc.« (L-221, GB-317) getroffen werden sollten.

Göring verfolgte die Juden, insbesondere nach den Aufständen vom November 1938, und nicht nur in Deutschland, wo er, wie schon an anderer Stelle erwähnt, die Buße von einer Milliarde Mark auferlegte, sondern auch in den eroberten Ländern. Seine eigenen Äußerungen von damals und seine Zeugenaussagen zeigen, daß sein Interesse in erster Linie wirtschaftlich war – wie man sich des Eigentums der Juden bemächtigen und sie aus dem wirtschaftlichen Leben Europas hinausdrängen sollte. Als diese Länder vor dem Ansturme der deutschen Heere fielen, dehnte er die judenfeindlichen Gesetze des Reiches auch auf sie aus; das Reichsgesetzblatt von 1939, das von 1940 und das von 1941, enthalten mehrere judenfeindliche Verordnungen, die Göring unterzeichnete. Obwohl die Ausrottung der Juden eigentlich Himmler oblag, so war Göring [599] weit davon entfernt, teilnahmslos oder untätig zu sein, trotz seiner Beteuerungen auf dem Zeugenstand. Mit Verordnung vom 31. Juli 1941 wies er Himmler und Heydrich an, »eine Gesamtlösung der Judenfrage im deutschen Einflußgebiet in Europa«3 zustandezubringen (710-PS, US-509).

Es kann kein mildernder Umstand angeführt werden, denn Göring war oft, ja fast immer, die treibende Kraft und stand nur seinem Führer nach. Er war die leitende Persönlichkeit bei den Angriffskriegen, sowohl als politischer als auch als militärischer Führer; er war der Leiter des Sklavenarbeiterprogramms und der Urheber des Unterdrückungsprogramms gegen die Juden und andere Rassen im In- und Auslande. Alle diese Verbrechen wurden von ihm offen zugegeben. In einigen bestimmten Fällen bestehen vielleicht Widersprüche bei den Aussagen; aber im großen und ganzen sind seine eigenen Eingeständnisse mehr als weitreichend genug, um seine Schuld nachzuweisen. Diese Schuld ist einmalig in ihrer Ungeheuerlichkeit. Für diesen Mann läßt sich in dem gesamten Material keine Entschuldigung finden.


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 22, S. 598-600.
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