Verbrechen gegen den Frieden.

[661] Als Außenminister beriet von Neurath Hitler beim Austritt aus der Abrüstungskonferenz und dem Völkerbund am 14. Oktober 1933; bei der Einführung der Wiederaufrüstung; bei der am 16. März 1935 erfolgten Annahme des Gesetzes betreffend die allgemeine Wehrpflicht und bei der am 21. Mai 1935 erfolgten Annahme des geheimen Reichsverteidigungsgesetzes. Bei den am 18. Juni 1935 zwischen Deutschland und England angeknüpften Verhandlungen bezüglich eines Flottenabkommens spielte er die maßgebende Rolle.52 Er hatte bedeutenden Anteil an der Entscheidung Hitlers über die Wiederbesetzung des Rheinlandes am 7. März 1936 und sagte voraus, daß diese Besetzung ohne irgendwelche Vergeltungsmaßnahmen seitens der Franzosen werde durchgeführt werden können. Am 18. Mai 1936 sagte er dem Amerikanischen Botschafter in Frankreich, daß es die Politik der Deutschen Regierung sei, in auswärtigen Angelegenheiten nichts zu unternehmen, bis »das Rheinland verdaut ist« und daß, sobald die Befestigungen im Rheinland errichtet wären und die Länder Zentraleuropas erkannt haben würden, daß Frankreich nicht beliebig in Deutschland eindringen könne »alle diese Länder beginnen werden, sich außenpolitisch gänzlich umzustellen und daß sich eine neue Konstellation entwickeln werde«. (L-150, US-65.)

Von Neurath nahm am 5. November 1937 an der Hoßbach-Konferenz teil. Er hat ausgesagt, daß er über Hitlers Mitteilungen so entsetzt war, daß er eine Herzattacke bekam. Kurz darauf bot er seinen Rücktritt an, der am 4. Februar 1938 angenommen wurde, zur gleichen Zeit, als von Fritsch und von Blomberg entlassen wurden. Trotz seiner Kenntnis von Hitlers Angriffsplänen hielt er doch eine formelle Beziehung zum Nazi-Regime als Reichsminister ohne [661] Geschäftsbereich, als Präsident des Geheimen Kabinettsrates und als Mitglied des Reichsverteidigungsrates aufrecht. Zur Zeit der Besetzung Österreichs übernahm er das Auswärtige Amt, versicherte dem Britischen Botschafter, daß dieses Ereignis nicht durch ein deutsches Ultimatum verursacht worden sei und ließ den Tschechoslowakischen Gesandten wissen, daß Deutschland beabsichtigte, an seinem Schiedsvertrag mit der Tschechoslowakei festzuhalten. Von Neurath nahm an der letzten Phase der dem Münchener Abkommen vorangehenden Verhandlungen teil, behauptet jedoch, sich in diese Besprechungen nur eingeschaltet zu haben, um Hitler zur größten Anstrengung für eine Beilegung dieser Angelegenheit auf friedlichem Wege zu veranlassen.


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 22, S. 661-662.
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