Anklagepunkt Eins.

Gemeinsamer Plan oder Verschwörung

[30] (Statut, Artikel 6, insbesondere 6 (a)).

III. Feststellung des Verbrechens.

Alle Angeklagten haben mit verschiedenen anderen Personen während eines Zeitraumes von Jahren vor dem 8. Mai 1945 als Führer, Organisatoren, Anstifter und Mittäter an der Ausarbeitung [30] oder Ausführung eines gemeinsamen Planes oder einer Verschwörung teilgenommen, die darauf abzielte oder mit sich brachte, die Begehung von Verbrechen gegen den Frieden, gegen das Kriegsrecht und gegen die Humanität, wie sie in dem Statut dieses Gerichthofes definiert sind, und sind entsprechend den Vorschriften des Statuts einzeln verantwortlich für ihre eigenen Handlungen, wie auch für alle Handlungen, die von irgend jemanden in Ausführung eines solchen Planes oder einer solchen Verschwörung begangen worden sind. Der gemeinsame Plan oder Verschwörung stellte insofern die Begehung von Verbrechen gegen den Frieden dar, als die Angeklagten Angriffskriege planten, vorbereiteten, entfesselten und führten, die gleichzeitig Kriege unter Verletzung internationaler Verträge, Vereinbarungen und Zusicherungen waren. In der Entwicklung und im Verlaufe des gemeinsamen Planes oder der Verschwörung wurden Kriegsverbrechen dadurch begangen, daß die Angeklagten rücksichtslose Kriege gegen Länder und deren Bevölkerung unter Verletzung der Kriegsregeln und -bräuche planten und führten. Zu diesen Verletzungen der Kriegsregeln gehörten als typische und systematisch angewandte Mittel: Die Ermordung, Mißhandlung und Verschleppung der Zivilbevölkerung der besetzten Gebiete zum Zwecke der Sklavenarbeit und für andere Zwecke, die Ermordung und Mißhandlung von Kriegsgefangenen und von Personen auf hoher See, die Verhaftung und Tötung von Geiseln, die Plünderung privaten und öffentlichen Eigentums, die unterschiedslose Vernichtung von großen und kleinen Städten und Dörfern, und Verwüstungen, die durch keine militärische Notwendigkeit geboten waren. Der gemeinsame Plan oder die Verschwörung hatte Verbrechen gegen die Humanität in Deutschland und den besetzten Gebieten zum Ziel, und die Angeklagten beschlossen und führten sie aus, wobei sie als typische und systematisch angewandte Mittel verwandten: die Ermordung, Vernichtung, Versklavung, Verschleppung und andere unmenschliche Akte gegen die Zivilbevölkerung vor und während des Krieges, und die Verfolgung aus politischen, rassischen und religiösen Gründen, in Ausführung des Planes für die Vorbereitung und Führung von Angriffs- und ungesetzlichen Kriegen, wobei viele solche Handlungen und Akte der Verfolgung Verletzungen des inländischen Rechtes der Länder darstellten, in denen sie begangen wurden.


IV. Einzelheiten des Wesens und der Entwicklung des gemeinsamen Planes oder der Verschwörung.

Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 1, S. 30-31.
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