Die SA.

[307] Aufbau und Bestandteile: Die Anklagevertretung hat die Sturmabteilungen der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei [307] (allgemein bekannt als die SA) als eine Organisation bezeichnet, die als verbrecherisch erklärt werden sollte. Die SA ist im Jahre 1921 für politische Zwecke gegründet worden. Sie war nach militärischen Gesichtspunkten organisiert. Ihre Mitglieder trugen eigene Uniformen, unterlagen ihrer eigenen Disziplinarordnung und hatten ihre eigenen Vorschriften. Nachdem die Nazis die Macht erlangt hatten, stieg die Mitgliederzahl der SA sehr stark an, weil gewisse Kriegsteilnehmerorganisationen angegliedert wurden. Im April 1933 wurde der Stahlhelm, eine Organisation mit 1 1/2 Millionen Mitgliedern, in Ausführung einer zwischen seinem Führer Seldte und Hitler getroffenen Vereinbarung in die SA überführt, mit Ausnahme der über 45 Jahre alten Mitglieder und einiger Anderer. Eine andere Kriegsteilnehmerorganisation, der sogenannte »Kyffhäuserbund,« wurde in der gleichen Weise überführt, zusammen mit einer Anzahl ländlicher Reiterorganisationen.

Fraglos war bis 1933 die Mitgliedschaft in der SA freiwillig. Nach 1933 wurde auf öffentliche Angestellte ein gewisser politischer und wirtschaftlicher Druck ausgeübt, in die SA einzutreten. Mitglieder des Stahlhelms, des Kyffhäuserbundes und der ländlichen Reitervereinigungen wurden ohne ihr Wissen in die SA überführt. Aber der Gerichtshof ist nicht davon überzeugt, daß diese Mitglieder im allgemeinen bestrebt waren, gegen diese Ueberführung zu protestieren; es gibt auch keinen Beweis dafür – außer in Einzelfällen – daß eine Weigerung Folgen gehabt hätte. Der Gerichtshof stellt daher fest, daß die Mitgliedschaft in der SA im allgemeinen freiwillig war. Bis Ende 1933 setzte sich die SA aus 4 1/2 Millionen Mann zusammen. Als Folge von nach 1934 vorgenommenen Veränderungen zählte die SA im Jahre 1939 11/2 Millionen Mann.

Tätigkeit: In der ersten Zeit der Nazibewegung betätigten sich die Sturmtruppen der SA als der »starke Arm der Partei«. Sie nahmen an Saalschlachten teil und wurden bei Straßengefechten in Kämpfen gegen politische Widersacher eingesetzt. Die SA wurde auch zur Verbreitung der Nazi-Weltanschauung und -Propaganda verwendet und legte besonderen Nachdruck auf antisemitische Propaganda, auf die Lehre vom »Lebensraum«, auf die Revision des Versailler Vertrages und auf die Wiedergewinnung der deutschen Kolonien.

Nach der Machtübernahme durch die Nazis, und insbesondere nach den Wahlen vom 5. März 1933, spielte die SA bei Errichtung der Nazi-Schreckensherrschaft über Deutschland eine bedeutende Rolle. Die SA. beging Gewalttätigkeiten gegen die Juden und wurde dazu verwendet, politische Widersacher zu verhaften; sie bewachte Konzentrationslager, in denen sie ihre Gefangenen brutalen Mißhandlungen aussetzte.

[308] Am 30. Juni und 1. und 2. Juli 1934 wurde eine Säuberung unter den SA-Führern durchgeführt. Als Vorwand für diese Säuberung, in deren Verlauf Röhm, der Stabschef der SA, und viele andere SA-Führer getötet wurden, war das Bestehen eines Komplottes gegen Hitler angegeben worden. Als Folge dieser Säuberung gingen Einfluß und Macht der SA stark zurück. Nach 1934 nahm sie an politischer Bedeutung schnell ab.

Nach 1934 befaßte sich die SA mit gewissen Formen militärischer oder halbmilitärischer Ausbildung. Die SA fuhr fort, sich mit der Verbreitung von Nazi-Propaganda zu befassen. Vereinzelte SA-Einheiten waren sogar mit jenen Maßnahmen verknüpft, die zum Angriffskrieg und zur Begehung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit führten. SA-Einheiten waren unter den ersten, die Österreich im März 1938 besetzten. Die SA stellte eine Menge Männer und einen großen Teil der Ausrüstung für das Sudetenfreikorps Henleins, obwohl dieses Korps während seiner Operationen in der Tschechoslowakei augenscheinlich unter der Befehlsgewalt der SS stand.

Nach der Besetzung Polens wurde die SA-Gruppe Sudeten für den Transport von Kriegsgefangenen eingesetzt. SA-Einheiten wurden zur Bewachung von Gefangenen in Danzig, Posen, Schlesien und den Baltischen Staaten verwendet.

Einige SA-Einheiten fanden bei den Juden-Pogromen des 10. und 11. November 1938 Verwendung, um Synagogen in die Luft zu sprengen. SA-Gruppen beteiligten sich auch an der Mißhandlung von Juden in den Ghettos von Wilna und Kowno.


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 1, S. 307-309.
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