Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Kriegsverbrechen und Verbrechen

gegen die Menschlichkeit.

[320] Es sind Beweise für die Teilnahme der Parteikanzlei unter Heß an der Weiterleitung von Befehlen vorhanden, die mit der Begehung von Kriegsverbrechen in Verbindung stehen; diese Befehle zeigen, daß Heß Kenntnis von den im Osten begangenen Verbrechen gehabt haben muß – selbst wenn er sich nicht an ihnen beteiligte – daß er Gesetze gegen die Juden und Polen vorschlug und daß er Erlasse unterschrieb, die gewisse Gruppen von Polen dazu zwangen, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen. Der Gerichtshof glaubt jedoch nicht, daß dieses Beweismaterial gegen Heß ausreicht, um auf diese Verbrechen einen Schuldspruch zu begründen.

Wie bereits früher erwähnt, entschied der Gerichtshof nach eingehender ärztlicher Untersuchung des Angeklagten und nach Berichterstattung über seinen Zustand, daß gegen ihn ohne Vertagung verhandelt werden sollte. Seit dieser Zeit wurden weitere Anträge gestellt, ihn nochmals untersuchen zu lassen. Diese wurden vom Gerichtshof abgelehnt, nachdem er einen Bericht des Gefangenenpsychologen erhalten hatte. Es mag zutreffen, daß Heß sich anormal benimmt, an Gedächtnisschwund leidet und daß im Verlauf dieses Prozesses sein Geisteszustand sich verschlechtert hat. Jedoch liegen [320] keine Anzeichen dafür vor, er begreife nicht die Art der gegen ihn erhobenen Beschuldigungen, oder sei unfähig, sich zu verteidigen. Er war im Verfahren in geeigneter Weise durch einen Verteidiger vertreten, der vom Gerichtshof für diesen Zweck bestellt worden war. Es sind keine Anhaltspunkte dafür gegeben, daß Heß geistig nicht völlig gesund war, als die Taten, deren er beschuldigt ist, begangen wurden.


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 1, S. 320-321.
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