Zweites Kapitel

318-315
Die Stellung der östlichen Satrapien – Peithon gegen die Satrapen – Eumenes in Phoinikien – Eumenes' Zug gen Osten – Eumenes mit den Satrapen verbündet – Antigonos' Zug gen Osten – Antigonos' Niederlage am Kopratas – Antigonos' Zug nach Medien – Die Verbündeten in Persis – Die Schlacht in Gabiëne – Die Verbündeten in den Winterquartieren – Der Winterfeldzug – Verschwörung gegen Eumenes – Die Schlacht in Gadamarga – Eumenes' Auslieferung – Eumenes' Tod – Eumenes' Charakter – Peithons Abfall und Tod – Aufstand der Peithonianer – Antigonos' Satrapienverteilung – Antigonos in Susa – Seleukos' Flucht – Antigonos' Charakter – Rückblick

[160] Die nächsten Jahre sind von Kriegszügen merkwürdigster Art erfüllt; es handelt sich um die Herrschaft über die oberen Satrapien. Eumenes versucht, in ihnen die Sache des Königtums zu verteidigen gegen die usurpatorische Partei, in deren Namen Antigonos ihn verfolgt.

Es sind die Stammlande des einst medisch-persischen Reiches, um die und in denen gekämpft wird. Merkwürdig, wie die Völker selbst völlig teilnahmlos, so scheint es, dabei blieben. Mögen sie der neuen Ordnung der Dinge, die über sie gekommen, mancherlei Gewinn und Förderung zu danken gehabt haben, namentlich weniger mit Kriegsaufgebot gepreßt worden sein als ehedem, das war es gewiß nicht, was sie in Gehorsam erhielt.

Seit dem Tode Alexanders war ihr Verhältnis zum Reich tatsächlich ein anderes geworden, als der König es gewollt hatte; sie waren, seit statt des großen Königs die Faktionen der Großen über das Reich schalteten, in deren und ihrer Makedonen Augen nur noch besiegte Barbaren, Unterworfene, in mindestens ebenso völliger Abhängigkeit als in den schlimmsten Zeiten persischer Satrapenwirtschaft; sie hatten keinen Anteil und kein Recht an den großen Fragen, um die die Strategen und Satrapen mit ihren Herren widereinander kämpften, selbst zerstörend, was ihr großer König gegründet hatte, und im Kampf zugleich die Formen und die Kräfte zerrüttend, mit denen sie ihre Anmaßung hätten durchführen und dauernd machen können. Den so Verachteten und Ausgeschlossenen konnte es gleich gelten, ob diejenigen, denen sie untertänig waren, Satrapen, Strategen, Könige, Reichsverweser oder wie sonst hießen; wenn die hellenisch-makedonische Kraft fortfuhr, sich in immer neuen Kämpfen aufzureiben, so mußte das noch so stolze Herrentum doch schließlich auf diejenigen zurückgreifen, die es jetzt als Unterworfene und Barbaren verachtete; mochten die wilden Wolken, die hoch über deren Scheitel dahinzogen, sich in immer neuen Wettern und Orkanen entladen, um so rascher[160] vollzogen sich die Zerrüttungen und Wandlungen des Reiches, das der große König nicht bloß für die hatte schaffen wollen, die sich berechtigt glaubten, es als ihre Beute zu besitzen oder zu teilen.

Es lag in der Natur der Verhältnisse, daß dieser Gang zunächst in den östlichen Satrapien hervortrat. Die Satrapen dort hatten in den ersten fünf Jahren nach dem Tode Alexanders an den Kämpfen, die den Westen erschütterten, so gut wie keinen Teil genommen. Dann brachte Peithons Ernennung zum Strategen, die, wie wir vermuten durften, nicht schon bei der Teilung von Triparadeisos erfolgte, eine merkliche Veränderung hervor. Gewiß war Peithons Ehrgeiz damit nicht gesättigt, daß man ihm, trotz seiner Verdienste beim Sturz des Perdikkas, bei dieser Teilung nicht mehr zuwandte, als er schon früher gehabt hatte; vielleicht war die Strategie der oberen Satrapien der Preis, mit dem ihm die Koalition gegen den neuen Reichsverweser entgegenkam, damit er sich nicht auf dessen und des Eumenes Seite schlage; und es konnte sehr notwendig scheinen, in den oberen Landen die Militärmacht in eine Hand zu legen, damit die Satrapen dort nicht den Vorwand der königlichen Sache nahmen, sich gegen die Koalition zu erklären und sich ebenso zu selbständigen Herren zu machen, wie Kassandros, Ptolemaios, Antigonos zu werden gedachten. Daß Peithons Gedanken in dieser Richtung gingen, hatten seine Maßregeln gegen die heimziehenden Besatzungen der östlichen Ansiedlungen gezeigt; jetzt war die Königsmacht und die Reichsverwesung, die ihm damals seine Pläne zerstört hatte, im Sinken, und am wenigsten sich für den Kardianer und dessen Phantom der königlichen Majestät einzusetzen wäre seinem Stolz und seinem Interesse gemäß gewesen; wenn er als Stratege die Heeresmacht der oberen Lande zur Verfügung hatte, konnte er hoffen, dort dieselbe Rolle zu spielen wie Antigonos in den unteren.

Mit dem Frühling des Jahres 318, um die Zeit, da Antigonos die Satrapen von Phrygien und Lydien vertrieben hatte und Eumenes in Kilikien stand, rückte Peithon plötzlich in Parthien ein, nahm den dortigen Satrapen Philippos gefangen, ließ ihn hinrichten, setzte an dessen Stelle seinen Bruder Eudamos. Die Kunde von dieser Gewalttat brachte unter den Satrapen der oberen Länder große Bestürzung hervor; sie erkannten des Strategen Absicht, sie wußten, daß er in gleichem Sinne mit denen handle, welche im Westen schon so gut wie Sieger waren, daß ihnen von dort für den Augenblick keine Hilfe kommen könne; sie vereinigten sich, gemeinsamen Widerstand zu leisten. So rückte auch Eudemos, der den greisen König Poros ermordet und sich in den Besitz seiner Lande gesetzt hatte, im Herbst 318 gegen Peithon ins Feld; es gelang ihnen, den Strategen in einer großen Schlacht zu bewältigen; fliehend verließ er Parthien, er suchte Sicherheit in seiner Satrapie; auch in Medien hielt[161] er sich bald nicht mehr sicher; er eilte nach Babylon zu Seleukos, bat ihn um Beistand, versprach, wenn ein glücklicher Erfolg errungen sei, mit ihm zu teilen; Seleukos verbündete sich mit ihm zu gleichem Vorteil.

Auch im Osten standen sich nun zwei mächtige Parteien gegenüber, beide darin gleich, daß jeder in ihr nach möglichster Unabhängigkeit der eigenen Herrschaft strebte, – aber die einen, begierig, ihre Herrschaft über die auszudehnen, die so gut Herren waren wie sie, Gegner der königlichen Gewalt und in offenem Abfall von derselben, die anderen, zur Erhaltung ihrer Satrapien verbündet, dem Königtum, in dessen Namen sie bestellt waren, nicht ergebener als jene, aber durch die Verhältnisse gezwungen dessen Anhänger und Vertreter; nur dies unterscheidet den Kampf im Osten von dem im Westen, daß hier für den Augenblick die königliche Partei im entschiedenen Vorteil ist, während sie im Abendland fast schon erliegt.

Um diese Zeit stand Eumenes nicht mehr in Kilikien; er hatte dort das Korps der Argyraspiden für sich zu gewinnen gewußt, mit dem Schatz von Kyinda bedeutende Werbungen gemacht; seine Macht war dennoch zu gering, um sich mit Antigonos zu messen. Dessen Absicht mußte dahin gehen, nach Europa überzusetzen und dort den Kampf zu entscheiden. Eumenes bedurfte einer bedeutenden Seemacht, das zu hindern, sich eine unmittelbare Verbindung mit Makedonien und Griechenland öffnen, dorther so viel Truppen an sich ziehen zu können, um auch zu Lande Antigonos die Spitze zu bieten; und daß Ptolemaios wider den Willen der Reichsgewalt aus eigener Machtvollkommenheit Syrien an sich gerissen, bot dem Beauftragten eben dieser Reichsgewalt den geeigneten Rechtstitel, einzuschreiten.

Eumenes rückte im Frühling 318, um die Zeit, da Polyperchon nach Griechenland zog, in Phoinikien ein, entriß mitleichter Mühe den von Ptolemaios dorthin gelegten Besatzungen eine Stadt, eine Landschaft nach der anderen, befahl, da Ptolemaios mit den Schiffen der Städte in See war, schleunigst neue zu bauen, zu bemannen, zum Seezug fertig zu halten; er hoffte vor Beginn des Winters in die griechischen Gewässer gehen, sich mit der makedonischen Flotte vereinigen, in kurzem der Sache des Königtums den Sieg erringen zu können. Mit dem Ende des Sommers hatte er eine bedeutende Flotte phoinikischer Segel unter dem Rhossischen Vorgebirge beieinander. Er hatte die Schätze hinaufbringen lassen, Sosigenes, der Nauarch, säumte mit der Abfahrt nur noch, um günstige See zu erwarten. Da kam eine Flotte dahergesegelt, mit Trophäen und Kränzen und den Schnäbeln genommener Trieren geschmückt; es war die des Antigonos, die vor kurzem den Sieg in der Propontis erfochten. Als die Mannschaften auf der phoinikischen Flotte innewurden, was geschehen[162] sei, fielen sie über die Schätze her, plünderten sie, eilten auf die fremden Schiffe, die schleunigst mit ihnen und ihrem Raube abfuhren.

Antigonos hatte seinen Plan, nach Europa überzugehen, gerade da, wo ihm der Sieg bei Byzanz den Weg geöffnet zu haben schien, aufgegeben; ihm lag vor allem daran, Herr des Meeres zu sein; die Bewegungen des Eumenes, vielleicht auch die Besorgnis, daß manche Landschaft Kleinasiens nur auf eine Gelegenheit wartete, sich wider ihn zu erheben, die Bedrängnisse, die Ptolemaios von Koilesyrien her fürchten mochte, gaben ihm den Vorwand, die Hilfe, die Kassandros erwarten mochte, hinauszuschieben. So kam seine Flotte, sich als Siegerin in möglichst vielen Häfen zeigend, damit den Unzuverlässigen die Lust zu Neuerungen verginge, in die kilikischen Gewässer, und ihr bloßes Erscheinen genügte, den maritimen Plänen des Eumenes ein Ende zu machen. Antigonos selbst brach, nachdem er, wie es scheint, dem Satrapen Asandros von Karien den Befehl in Kleinasien übergeben, mit 20000 Mann Fußvolk und 4000 Reitern, den besten Truppen seines Heeres, aus den Gegenden des Hellesponts auf, gegen Eumenes zu ziehen, um ihn niederzuwerfen, ehe er mehr Streitkräfte an sich zöge, mehr Land gewönne. Dies war im Spätherbst 318.

Als Eumenes, der Flotte beraubt, um derentwillen er Phoinikien zu behaupten gewünscht hatte, von diesem Auszug des Antigonos erfuhr, erkannte er, daß er mit seinen Streitkräften nicht das Feld werde halten können, daß es ihm und dem Reiche zu keinem Gewinn sei, Phoinikien zu behaupten, wo weit und breit niemand war, der mit ihm hielt, daß das Rätlichste sei, den Westen des Reiches für jetzt seinem Schicksal zu überlassen, gen Osten zu ziehen, dort sich mit den Satrapen zu vereinigen, die im Namen der Könige verbündet gegen Peithon und Seleukos unter den Waffen standen, vielleicht auch diese zum Kampf gegen Antigonos zu gewinnen. Er zog durch Koilesyrien, gewann glücklich den Euphrat, ging, nachdem ein Überfall der dort umherziehenden Stämme glücklich zurückgeschlagen war, mit Amphimachos, dem Satrapen der Landschaft, vereinigt über den Tigris und bezog in der Landschaft von Karai am Westeingang der medischen Pässe die Winterquartiere. Er ließ den Satrapen der oberen Lande die königlichen Schreiben zukommen, die sie seiner Führung überwiesen, ihnen mitteilen, daß er nahe sei, sich mit ihnen zu vereinigen. Er sandte an Seleukos und Peithon die Aufforderung, mit ihm, dem Strategen in Asien, für die Sache des Königtums gegen Antigonos sich zu vereinigen. Sie waren die Näheren; von ihnen erhielt er die Antwort: sie würden den Königen mit aller Pflicht zu Diensten sein, aber den, der von den Makedonen zum Tode verdammt worden, könnten sie auf keine Weise als Strategen anerkennen, geschweige seinen Befehlen[163] Folge leisten; sie forderten Antigenes und die Argyraspiden auf, eingedenk ihres Ranges im Heere das Beispiel zu geben und dem Kardianer den Gehorsam zu versagen. Ihre Aufforderungen hatten keinen Erfolg; sobald die Zeit der Winterrast vorüber war, rückte Eumenes zum Tigris hinab und lagerte 300 Stadien von Babylon, teils um Seleukos und Peithon zu schrecken, teils um in dem reichen Lande dort – denn die Landschaft hinter ihm war völlig ausgezehrt – den Marsch nach Susa fortzusetzen; dort am Eingang der persischen Pässe hoffte er sich mit den Satrapen der oberen Länder, auf die er nun nach Peithons Absage rechnen durfte, zu vereinigen, sich der Schätze, die noch in Susa bewahrt wurden, zu versichern, durch das Terrain begünstigt, dem schon über den Euphrat nachrückenden Heere des Antigonos Widerstand zu leisten. Er befahl, alle Fahrzeuge des Stromes zusammenzuziehen und alles zum Übergang vorzubereiten.

Da kamen zwei Trieren und viele Stromkähne herabgefahren, Überreste der im Jahr 323 in Babylon errichteten Marine; zugleich erschienen am jenseitigen Ufer einige Reiterscharen. Die Schiffe legten an dem Ort des Übergangs an; Seleukos und Peithon waren auf denselben; noch einmal forderten sie die Makedonen auf, sich von Eumenes loszusagen; sie wandten sich vor allem an Antigenes, lockten ihn mit vielfachen Vorspiegelungen, erinnerten ihn an die Schätze seiner Satrapie Susiana und an den doch sicheren Sieg des Antigonos, der bald da sein werde. Da sie nirgends Gehör fanden, fuhren sie stromaufwärts zu einem alten Kanal, dessen oberer Eingang verschüttet war, durchstachen die Zuschüttung; in kurzem war die flache Ufergegend, wo Eumenes lagerte, vollkommen überschwemmt, das ganze Heer in Gefahr zu ertrinken. Mit Mühe und nicht ohne Verlust an Menschen und Geräten retteten sich die Truppen auf das höhere Terrain in der Nähe; so verharrten sie bis zum nächsten Morgen, dann wurde auf dreihundert Stromkähnen die Hauptmasse des Heeres auf das andere Ufer gesetzt, ohne daß es die feindlichen Reiter zu hindern wagten. Wenigstens die größte Gefahr, die, abgeschnitten zu sein, war nun vorüber. Indes wollte Eumenes nicht das Gepäck, das sich noch jenseits befand, preisgeben, da solcher Verlust namentlich das reiche Korps der Argyraspiden leicht zu Mißmut und Sinnesänderung hätte bringen können; Landeseinwohner erklärten sich bereit, eine Stelle zu zeigen, wo man mit geringer Arbeit den Kanal stopfen und das Wasser ablassen könne. So ließ Eumenes die Makedonen auf das jenseitige Ufer zurückkehren, schnell wurde jene Arbeit vollbracht, die Gegend war frei und wieder gangbar, der Marsch nach Babylon stand dem Heere offen. Seleukos mochte fürchten, daß sich Eumenes dorthin wenden und sich rächen werde; er wünschte seine Satrapie vor weiterer Gefahr sicher und das feindliche Heer möglichst schnell sich entfernen zu sehen; er schickte[164] an Eumenes, ihm Waffenstillstand und jeden möglichen Vorschub bei seinem Übergang über den Strom anzubieten. Zu gleicher Zeit sandte er Eilboten an Antigonos, der mit seinem Heere bereits in Mesopotamien stand, ihn dringend um Beschleunigung seines Marsches zu bitten: schon seien die Satrapen der oberen Satrapien im Anzug, sich mit Eumenes zu vereinigen, es sei unmöglich gewesen, ihn in der babylonischen Landschaft zu halten; es gelte vor allem, ihn vor der Vereinigung mit den Satrapen zu bewältigen.

Indessen war Eumenes über den Strom gegangen und marschierte nun, der leichteren Verpflegung wegen, in drei Kolonnen auf Susa zu. Er hatte an die Satrapen der oberen Länder, deren Zusage er empfangen haben wird, die Aufforderung gesandt, nach Susiana herabzukommen und sich mit ihm zu vereinigen. Sie standen noch mit bedeutender Macht beieinander19: Peukestas hatte 3000 Mann Fußvolk nach makedonischer Art gewaffnet, 600 griechische und thrakische, 400 persische Reiter, außerdem noch 10000 Bogenschützen, die in Persis zum Nachrücken bereit standen; Tlepolemos von Karmanien 1500 Mann Fußvolk und 700 Reiter; Sibyrtios von Arachosien 1000 Mann Fußvolk und 600 Reiter; Androbazos, den Oxyartes vom Paropamisos geschickt hatte, 1200 Mann Fußvolk und 400 Reiter; Stasandros von Areia seine und die baktrischen Truppen, 1500 Mann Fußvolk und 1000 Reiter; endlich aus Indien Eudemos 3000 Mann Fußvolk, mehr als 700 Reiter, 125 Elefanten. Den Oberbefehl hatte nach dem Beschluß aller Peukestas von Persien übernommen, der einst unter Alexanders Leibwächtern und ihm besonders wert gewesen war, unter allen Satrapen derjenige, der am geschicktesten seine asiatischen Untertanen zu behandeln und ihre Ergebenheit zu gewinnen verstanden hatte. Auf die Botschaft des Eumenes rückten die Satrapen nach Susiana hinab, vereinigten sich mit dem Heere des Eumenes, das, mit den Truppen des Amphimachos von Mesopotamien, aus 15000 Mann meist makedonischem Fußvolk und etwa 2800 Reitern bestand20.[165]

Bedeutend genug war die Kriegsmacht, die hier namens der Könige versammelt war; aber die Satrapen, im Gefühl des eben errungenen Sieges und durch ihre volle Gewalt daheim verwöhnt, waren nicht geneigt, in Eumenes den von den Königen bestellten Strategen über sich anzuerkennen; sie wollten mit ihm verbündet, nicht ihm untergeben sein. Gleich beim Einrücken der verbündeten Truppen wurde eine allgemeine Heeresversammlung gehalten, über diese Frage zu entscheiden; mit vieler Heftigkeit wurde darüber verhandelt, wessen der Oberbefehl sein solle. Peukestas konnte geltend machen, daß er bisher Befehlshaber des Bundesheeres gewesen und daß kein Grund vorhanden sei, dieses Verhältnis zu ändern; ihm gebühre die Stelle wegen seines Ranges als Leibwächter Alexanders und wegen der überwiegenden Truppenzahl, die er ins Feld stelle. Antigenes erklärte: die Entscheidung darüber gebühre seinen Makedonen, die mit Alexander Asien unterworfen, die den gerechten Ruhm hätten, das erste Korps sämtlicher Armeen des Reiches zu sein und, wenn auch nicht der Zahl nach, dennoch die Hauptmacht und die einzige makedonische Macht des vereinigten Heeres bildeten. Nachdem andere in anderer Weise sich geäußert hatten und die Aufregung zu gefährlicher Höhe wuchs, trat Eumenes mit verständigem Rat dazwischen: vor allem möge man sorgen, daß nicht durch Zwietracht den Gegnern der Sieg in die Hände gegeben werde; man müsse sich einigen, sonst sei es um alle geschehen; sein Vorschlag sei, keinem einzelnen den Oberbefehl zu übergeben; er empfehle, daß, wie es bereits im königlichen Heere, das von der Küste heraufgekommen, gehalten worden, sich die Satrapen und Befehlshaber täglich im Königszelt zur Beratung versammelten und nach dem Beschlusse dieses Kriegsrates gehandelt werde. Mit allgemeinem Beifall wurde sein Vorschlag angenommen; Eumenes konnte hoffen, unter dieser Form der Sache nach den Oberbefehl zu führen, durch seine Einsicht die Abstimmungen des Kriegsrats, durch sein erprobtes Feldherrntalent den Gang der Operationen zu leiten; dazu kam, daß infolge der königlichen Dekrete, die er aufzeigen konnte, die Schatzmeister in Susa allein ihm die dortigen Schätze öffneten und ihn in den Stand setzten, den Makedonen den Sold von sechs Monaten vorauszuzahlen, an Eudemos von Indien, angeblich für den Unterhalt seiner 125 Elefanten, ein Geschenk von 200 Talenten zu übermachen; während von den übrigen Befehlshabern[166] jeder nur seine Leute für sich hatte, hoffte Eumenes in den Makedonen und in Eudemos' Elefanten sich eine Macht zu sichern, die, falls Neuerungen versucht würden, ihm ein entschiedenes Übergewicht gewährte.

Während dieser Vorgänge im Lager der Verbündeten war Antigonos auf die dringende Aufforderung des Seleukos aus seinen Winterquartieren in Mesopotamien aufgebrochen, in der Hoffnung, Eumenes noch vor seiner Vereinigung mit den Satrapen erreichen zu können; auf die Nachricht, daß bereits die sämtlichen Gegner vereinigt seien, hatte er den Marsch unterbrochen, um seinem Heere, das durch die anhaltenden Märsche von Kleinasien her in der Tat erschöpft sein mochte, Ruhe zu gewähren und neue Truppen heranzuziehen.

Fast wäre ihm jetzt von Kleinasien aus eine gefährliche Diversion gemacht worden; die im Jahre 320 überwältigten Perdikkaner Attalos, Polemon, Dokimos, Philotas, Antipatros und wenige andere, welche in einem Felsenschlosse Phrygiens in Verhaft gehalten wurden, hatten Gelegenheit gefunden, sich ihrer Bande zu befreien, sich des Schlosses zu bemächtigen, Truppen an sich zu ziehen; sie dachten schon daran, sich hinauszumachen, ihre alten Anhänger unter die Waffen zu rufen, sich nach Susiana durchzuschlagen; zu schnell wurden sie von den Besatzungen der nächsten Umgegend umzingelt; es gelang Dokimos während der Unterhandlungen, die er mit Antigonos' Gemahlin Stratonike angeknüpft, zu entkommen, doch wurde er bald eingebracht; die übrigen auf der Burg wehrten sich gegen die Übermacht der Belagernden auf das tapferste, erlagen jedoch nach viermonatiger Belagerung.

Etwa mit dem Mai des Jahres 317 brach Antigonos aus Mesopotamien auf, vereinigte sich in Babylonien mit den Truppen des Seleukos und Peithon, zu denen sich auch Nearchos, der Nauarch Alexanders, hielt, setzte über den Tigris und zog geradeswegs auf Susa los.

Dort im Lager der Verbündeten herrschte nicht eben der beste Geist. Die Satrapen, seit Alexanders Tod gewöhnt, völlig nach eigenem Willen und Interesse zu verfahren, jeder mit jedem zerworfen, jeder des andern Nebenbuhler, buhlten vor allem um die Gunst der Makedonen, behandelten sie mit aller erdenklichen Schmeichelei, gaben ihnen häufig Gastgelage und Opferfeste, köderten, wie die Demagogen in einer Demokratie, die Menge mit Geschenken, Lobpreisungen, Kameradschaftlichkeit. Das Lager glich bald einer Herberge der liederlichsten Schwelgerei; die Soldaten waren dabei guter Dinge, versammelten sich jedesmal vor dessen Zelt, der ihnen am reichlichsten spendete, begleiteten ihn wie Ehrenwachen, priesen ihn laut: das sei der rechte Mann, das ein wahrer Alexander. Da kam die Nachricht, daß Antigonos mit großer Heeresmacht[167] nahe sei; die Feste schwiegen, man rüstete sich, man sah auf Eumenes als den einzigen, der dem Heerbefehl gewachsen sei; man eilte zu tun, wie er riet oder befahl. Eumenes ließ, da das verbündete Heer, wenn auch der Truppenzahl nach überlegen, doch bei weitem weniger Makedonen zählte als das feindliche, vielleicht auch, um durch eine rückgängige Bewegung die Besorgnis und damit den Gehorsam der Truppen und die Fügsamkeit ihrer Herren zu erhöhen, das Heer von Susa aus nicht dem Feinde entgegen, sondern gegen die Berge der Uxier zurückgehen; nachdem er Xenophilos, dem Befehlshaber der Burg in Susa, anbefohlen, sich auf jede Weise dem Feinde zu versagen, ihm weder den Zugang zu den Schätzen zu gestatten, noch sich in irgendwelche Verhandlungen einzulassen, führte er das Heer einige Tagemärsche südöstlich an die Vorberge, an denen der Pasitigris hinabströmt. Dieser Fluß ist meist bis zu tausend Schritten breit, so tief, daß ihn Elefanten kaum durchwaten können, weithin nicht überbrückt; Eumenes' Plan war, sich hinter diesem Fluß aufzustellen, ihn seiner ganzen Länge nach mit Posten zu besetzen, so den Feind zu erwarten. Da die Truppen nicht hinreichten, überall genug starke Posten aufzustellen, forderten Eumenes und Antigenes den Satrapen Peukestas auf, seine 10000 Bogenschützen heranzuziehen. Anfangs weigerte sich der Satrap: man habe ihm nicht den Oberbefehl geben wollen, so möge man nun auch sehen, wie man fertig werde; aber teils die Vorstellungen des Eumenes, daß im Fall eines üblen Ausgangs sein Land zunächst von den Besiegten und den Siegern würde heimgesucht werden und daß, wenn Antigonos siege, seine Satrapie und sein Leben zugleich gefährdet sei, teils die geheime Hoffnung, daß, wenn zu seinen bereits anwesenden Truppen noch eine so überwiegende Streitmacht käme, es ihm leicht werden würde, den Oberbefehl doch zu ertrotzen, bewog ihn, das Geforderte zu versprechen. Durch die in kurzen Entfernungen nacheinander bis in die persische Residenz hin aufgestellten Posten, die sich zurufen konnten, wurde der Befehl, die 10000 Bogenschützen herabzusenden, in einem Tag nach Persepolis, das »dreißig Tagereisen« entfernt ist, befördert, und die geforderte Verstärkung kam.

Indes war Antigonos mit seinen Verbündeten nach Susa gekommen, hatte Seleukos zum Satrapen der Landschaft ernannt und ihn, da sich Xenophilos weigerte, die Burg und die Schätze zu übergeben, mit hinreichenden Truppen zur Belagerung desselben bestellt. Er selbst rückte mit dem übrigen Heere den Feinden nach; der Weg über die susianische Ebene war gerade jetzt, in der brennendsten Sommerhitze um die Zeit des Siriusaufgangs, höchst beschwerlich, und es erlagen viele des Heeres, die an solche Strapazen nicht gewöhnt waren; selbst daß man die Nächte marschierte und Wasser und Vorräte in möglichst reicher Fülle mit sich[168] hatte, half nicht viel; mit großem Verlust an Menschen und Tieren erreichte man endlich den Kopratas, den westlichen Nebenfluß des Pasitigris; etwa zwei Meilen hinter diesem lagerte der Gegner. Am Kopatras ließ Antigonos haltmachen, rasten, zum Übergang rüsten. Der Strom, nur 200 Schritt breit, hat sehr heftige Strömung, ohne Schiffe oder Brücken ist er nicht zu passieren. Der Feind hatte die Mittel zum Übergang möglichst zerstört. Es gelang Antigonos, eine Anzahl Stromkähne zusammenzubringen; mit diesen wurde ein Korps von dreitausend Makedonen hinübergesetzt, mit der Bestimmung, jenseits Wall und Graben aufzuwerfen, von denen gedeckt das übrige Heer allmählich hinüberrücken könne; ihnen folgten, sobald sie gelandet waren, vierhundert Reiter, um die Schanzarbeiten zu decken; außer diesen setzten wohl 6000 Mann leichte Reiter an verschiedenen Punkten über den Fluß und zerstreuten sich in die Ufergegend, teils um zu fouragieren, teils um die etwaigen Bewegungen des Feindes zu beobachten. Während dies, ohne daß es die nächststehenden feindlichen Befehlshaber merkten, ins Werk gesetzt war, hatte Eumenes durch seine Späher das Anrücken der Feinde erfahren, war sogleich mit 4000 Mann Fußvolk und 1400 Reitern über die Brücke des Pasitigris gezogen und rückte schleunigst gegen den Kopratas an; die leichten Reiter, in der Landschaft zerstreut, ergriffen sogleich die Flucht, auch die 400 Reiter wagten sich solcher Übermacht nicht zu widersetzen; die zu Fuß versuchten sich zu halten, dann wichen auch sie dem stürmischen Andrang der Gegner, zogen sich an das Ufer zurück, warfen sich in die Kähne, die bald überfüllt sanken. Viele kamen hier um, wenige retteten sich; bei 4000 Mann ergaben sich dem Feinde. Antigonos hatte vom jenseitigen Ufer zugesehen, ohne helfen zu können.

Dieser unglückliche Ausgang des ersten Zusammentreffens mit dem Feinde, der Antigonos fast den vierten Teil seines Heeres, namentlich viele Reiter, gekostet hatte, überdies die Unmöglichkeit, dem jetzt überlegenen Feinde ein neues Treffen anzubieten oder auch nur sich ihm gegenüber in der an Vorräten nicht reichen, schon sehr ausgesogenen, durch die brennende Sommerhitze höchst ungesunden Landschaft zu halten, zwang Antigonos, sich auf Badaka zurückzuziehen. Mangel und Hitze rafften auf dem Marsch eine Menge Leute hinweg, das Lager des Antigonos war voll Fieberkranker, voll Mutloser und Mißvergnügter. In Badaka wurden dem Heere mehrere Tage Rast gegönnt. Antigonos' Plan war, sich nach Medien zu werfen; er hoffte, durch diese Demonstration gegen die oberen Landschaften die Satrapen für ihre Länder besorgt zu machen und sie zu eiliger Heimkehr zu bewegen; den so geschwächten Eumenes konnte er leicht niederwerfen, und die vereinzelten Satrapen hätten sich fügen müssen; er wußte, daß in Ekbatana noch große Schätze aufgehäuft lagen,[169] die ihm gerade jetzt sehr nützlich werden konnten; endlich schien die Verbindung mit Peithon, dessen Anhang in Medien, namentlich seit der Invasion der Satrapen, bedeutender geworden sein mochte, den besten Erfolg zu versprechen.

Zwei Wege standen dem Heere nach Medien hin offen; der eine, über die Nysäischen Felder und durch die Paßgegenden von Bagistane, war freilich bequem und ungefährdet, aber man hätte durch das heiße Flachland von Susiana und Sittakene zum Eingang jener Pässe zurückgehen müssen, und während der vierzig Tage, die man bis Ekbatana braucht, wäre es den Feinden ein leichtes gewesen, zuvorzukommen. Der andere Weg hatte noch mehr wider sich; er führte durch Gegenden, in denen an allem Mangel war, durch das Land der Kossaier, die trotz ihrer Bewältigung durch Alexander ihr altes Räuberleben nach wie vorführten; er war eng, unwegsam, von Felsen und Klippen überhangen, so daß selbst der bedeutendsten Heeresmacht durch die Einheimischen leicht der Weg gesperrt werden konnte. Dennoch wählte Antigonos diese Straße, da sie kühl war und auf derselben Medien in kürzerer Zeit erreicht werden konnte. Peithon riet ihm, von den Kossaiern den Durchgang zu erkaufen; er verschmähte solchen Rat als seiner und seines Heeres nicht würdig. Er bestimmte, daß von den Peltasten die ausgezeichnetsten, ferner die Schützen und Schleuderer und alles andere leichte Volk zur Hälfte unter Nearchos' Befehl die Vorhut bilden und die Pässe und Hohlwege besetzen, daß die andere Hälfte die Höhen zu den Seiten des Weges ersteigen und während des Durchzugs des Heeres besetzt halten sollte; er selbst führte das Hauptheer und überließ Peithon den Befehl über die Nachhut. Nearchos rückte voran und besetzte einige Pässe und hohe Punkte. Aber die meisten und wichtigsten Positionen waren bereits gesperrt; mit der größten Mühe und außerordentlichem Verlust gelang es, sie zu forcieren. Zwar blieben dann Posten zur Seite des Weges; aber wie Antigonos nachrückte, hatte der Feind, des Terrains kundig, überall höhere Felswände besetzt und rollte von dort Baumstämme und Felsstücke auf das hindurchziehende Heer oder erschien plötzlich in einem Felsenspalt und schoß von dort auf die Vorübergehenden hinab; an Gegenwehr war dann nicht zu denken; oft sperrten die Leiber der Gefallenen den engen Weg, Pferde und Elefanten stürzten in dem schwierigen Terrain, und von den Schwerbewaffneten erlagen viele der Mühsal des steilen Weges. Neun Tage währte dieser Marsch durch die Berge, und mit großem Verlust erreichte das Heer endlich die modische Landschaft.

Die Truppen des Antigonos waren erschöpft, entmutigt, gegen ihren Feldherrn aufgebracht: in kaum vierzig Tagen habe er ihnen dreifaches Unheil gebracht, erst den Marsch durch die heiße Landschaft, dann die[170] Niederlage am Kopratas, nun gar das Unglück im Lande der Kossaier; käme der Feind jetzt, so sei es um sie geschehen. Mit aller möglichen Vorsicht bemühte sich Antigonos, der üblen Stimmung seines Heeres Herr zu werden; herablassendes und tröstliches Anreden, dem er eine eigene Anmut zu leihen verstand, reichliche Vorräte, die herbeigeschafft wurden, endlich das ungestörte Vertrauen des Feldherrn auf sein gutes Glück und den glücklichen Ausgang riefen bald wieder die alte Rüstigkeit und Zuversicht unter den Truppen hervor. Peithon wurde ausgesandt, aus der ganzen Satrapie möglichst viele Reiter, Pferde zum Kriegsdienst, Schlachtvieh zusammenzubringen; in nicht langer Zeit kehrte er mit 2000 Reitern, mehr als 1000 aufgeschirrten Pferden, außerordentlich vielem Schlachtvieh21, endlich einem Geldtransport von 500 Talenten aus den königlichen Schätzen von Ekbatana zum Lager zurück. Nun wurden die Reitergeschwader wieder vervollständigt und beritten gemacht, das Schlachtvieh unter die Abteilungen ausgeteilt, die neuen Truppen geübt, die Waffen wieder instandgesetzt, alles zur Wiedereröffnung der Feindseligkeiten vorbereitet.

Im Heere der Gegner war nach dem glücklichen Gefecht am Kopratas; als die Nachricht kam, daß Antigonos nach Medien marschiere, große Uneinigkeit im Kriegsrat, was nun zu tun sei. Eumenes, Antigenes und die anderen, welche von der Küste mit herangezogen waren, meinten, man müsse sofort vorrücken, Antigonos von seinen westlichen Ländern abschneiden, sich auf diese werfen, die in Abwesenheit des Heeres und ohne einigen Oberbefehl leicht bewältigt sein würden; dann stände der Weg nach Makedonien offen, dann könne man sich mit den Königen und deren Streitmacht vereinigen, dann sei das königliche Heer stark genug, die übrigen Feinde des Königtums niederzurennen. Dagegen wandten die Satrapen des oberen Asiens ein, daß ihre Länder bei solchen Bewegungen rettungslos die Beute des Antigonos sein würden, daß überdies jener Zug gen Westen langwierig und von unberechenbaren Zufälligkeiten abhängig sei, daß endlich Antigonos sie im Rücken gefährden würde; ihn von seinen Ländern abschneidend, würden auch sie von den ihrigen abgeschnitten; der Erfolg eines solchen Zuges würde im besten Falle bedenklich sein, da des Antigonos Anhang in Kleinasien groß sei und seine und des Ptolemaios Seemacht den Übergang nach Europa sperren würde; ihre Meinung sei, daß man den Feind erst vernichten müsse, ehe man ihn zu fürchten aufhöre; man werde ihn nicht auf seinem Gebirgsweg nach Medien verfolgen[171] wollen; man müsse zurück nach Persis, damit er sie nicht vom oberen Lande her überfalle. Eumenes erkannte wohl, daß er gegen die Stimme des Eigennutzes nimmermehr aufkommen noch die Satrapen für seinen kühnen und vollkommen sicheren Plan gewinnen werde; noch weniger rätlich schien es ihm, sich jetzt von ihnen zu trennen, um etwa mit seinen Truppen allein jenen Plan auszuführen; wäre er auch dann noch des Erfolges gewiß gewesen, so würden die Satrapen dem Feinde erlegen oder zu ihm übergetreten sein, seine Macht außerordentlich vermehrt, ihm die Möglichkeit gegeben haben, mit neuen Streitkräften gen Westen aufzubrechen. Er trat deshalb der Ansicht der Satrapen bei, und das Heer zog von den Ufern des Pasitigris durch die persischen Pässe in 24 Tagemärschen nach Persepolis.

In der reichen Talebene des Bundemir lagerte das Heer. Peukestas, der Satrap, beeiferte sich, den makedonischen Truppen ihren Aufenthalt in seiner Landschaft so angenehm wie möglich zu machen; er schien mehr der reiche und liebenswürdige Wirt eines großen militärischen Banketts als einer der Kommandierenden zu sein; er hoffte, sich durch solche Bemühungen die Zuneigung des Heeres bis zu dem Grade zu gewinnen, wie er ihrer zur Erfüllung seiner hochstrebenden Wünsche bedurfte. Vor allem ausgezeichnet war ein großes Opferfest, das er zu Ehren der Götter Philipp und Alexander gab. Es waren vier Kreise, der äußerste von 3000 Schritt Umfang für die Söldner, Bundestruppen und Fremde; in diesem der zweite Kreis von 2400 Schritt für die Argyraspiden und die Hetairen vom Fußvolk, die noch unter Alexander gekämpft hatten; in diesem wieder ein dritter von 1200 Schritt für die Hauptleute, für die Freunde und Strategen, die nicht im Aufgebot waren, für die Hetairen von der Ritterschaft; endlich in der Mitte des Ganzen in dem vierten Kreis von 600 Schritt Umfang die Altäre der Götter und der beiden Könige, um diese her für die kommandierenden Strategen, Hipparchen, Satrapen und für einige vornehme Perser Laubzelte, mit kostbaren Geweben verhängt, mit Polstern und Teppichen ausgelegt. In diesen Kreisen wurde nach Beendigung des großen Opfers auf das köstlichste getafelt und bankettiert; mit allem Luxus eines morgenländischen Herrschers bewirtete und beschenkte der Satrap die Menge, und bis in den Himmel erhoben die Leute des leutseligen und mächtigen Fürsten Vortrefflichkeit.

Dem vorsichtigen Eumenes konnte weder die Absicht des Satrapen noch der günstige Eindruck, den sein Benehmen bei den Truppen erzielt hatte, verborgen bleiben; er mußte fürchten, daß sie, von den Künsten des Satrapen umstrickt, diesem den Oberbefehl, wie er ihn im Feldzug gegen Peithon gehabt hatte, würden übertragen wollen. Wäre der Feind nahe gewesen, so hätte das Heer sich sehr bald dem bewährten Führer[172] wieder zugewandt; in der Ruhe und den Lustbarkeiten des Lagers dachte das leichtsinnige Kriegsvolk nicht an das Weitere. Schon jetzt mochten die Freunde des Peukestas, unter denen besonders der Satrap von Arachosien sich eifrig zeigte, von einer Wiedervereinigung des obersten Regiments, von Peukestas' hoher Achtung bei Alexander, von seinen großen Verdiensten, seinen gerechten Ansprüchen auf den Oberbefehl sprechen. Eumenes beobachtete dies alles; es mußte etwas geschehen, ehe es zu spät war. Er brachte syrisch geschriebene Briefe vor, welche er von Orontes, dem Satrapen von Armenien und einem Freunde des Peukestas, erhalten haben wollte, des Inhalts: daß die Königin Olympias mit ihrem Enkel, dem jungen König, von Epeiros nach Makedonien gekommen sei, die Gegner bewältigt, sich des Reiches versichert habe, daß Kassandros nicht bloß besiegt, sondern auch tot sei, daß Polyperchon mit den auserlesensten Truppen und den Elefanten nach Asien aufgebrochen sei, um gegen Antigonos zu kämpfen, daß er bereits in Kappadokien erwartet werde. Diese Briefe wurden mehreren Satrapen und Befehlshabern mitgeteilt; niemand setzte in sie einen Zweifel, wie sie denn auch der Hauptsache nach richtig waren, indem gegen den Sommer 317 in der Tat Olympias nach Makedonien zurückgekehrt war. Jetzt plötzlich war das Lager der neuen Gerüchte, der neuen Hoffnungen voll; das königliche Heer wurde erwartet, die ganze Lage der Dinge schien sich verwandelt zu haben; Eumenes war nun der Allmächtige, von dessen Verwendung man Ehre und Beförderung erwarten konnte; man beugte sich der Autorität eines königlichen Strategen, in dessen Hand Lohn und Strafe gegeben war; Peukestas selbst sowie die anderen Kommandierenden beeilten sich, dem Strategen, den sie oft genug ohne viel Rücksicht behandelt hatten, ihre Ergebenheit zu bezeugen. So hatte es Eumenes gewünscht; teils um sein Übergewicht fühlen zu lassen, teils um durch ein Exempel energischer Strenge zu ernüchtern, forderte er den Satrapen Sibyrtios von Arachosien, der mit Peukestas in besonders enger Verbindung gestanden hatte, vor ein makedonisches Gericht; zugleich sandte er einen Reiterhaufen zu den Arachosiern, um das reiche Gepäck des Satrapen zu konfiszieren, der, von den Makedonen zum Tode verurteilt, sich kaum durch die Flucht zu retten vermochte. Dies schnelle und dreiste Verfahren des Eumenes brachte die gewünschte Wirkung hervor; schnell kehrte Gehorsam und Ordnung zurück, und er selbst säumte nun nicht, nachdem er sich der vollen Gewalt gewiß und entschlossen, sich ihrer schonungslos zu bedienen, gezeigt hatte, mit gewohnter Güte allen zu begegnen, vor allem dem Satrapen Peukestas, der sich des Sibyrtios Sturz eine Warnung sein ließ. Eumenes, der ihn seiner bedeutenden Truppenmacht wegen für den bevorstehenden Feldzug nicht entbehren konnte, wußte ihn durch Geschenke[173] und Versprechungen an sich zu fesseln. Von den Satrapen und Befehlshabern erhob er unter dem Vorwand, daß die Kriegskasse erschöpft sei, im Namen der Könige beträchtliche Geldsummen, und jeder von ihnen schätzte sich glücklich, sich den allmächtigen Strategen zu verpflichten und seine gute Meinung zu gewinnen; 400 Talente, welche Eumenes so zusammengebracht, waren nicht bloß eine treffliche Beihilfe zur Führung des Heeres, sondern knüpften zugleich das Interesse der mächtigen Gläubiger an seine Person und nötigten sie, ihn und die Sache, welcher sie so viel Geld anvertraut, bestens zu unterstützen.

Von neuem war Eumenes im Besitz einer bedeutenden und fast alleinigen Gewalt. Das ist das Außerordentliche an ihm, daß er, fort und fort mit den Verhältnissen ringend, stets ihrer Herr zu werden weiß, und daß er, wieder und wieder von drängenden Gefahren umgeben, sein unerschöpfliches Talent nur desto kühner und sicherer schalten läßt; auf die merkwürdigste Weise vereinigte er die gemessenste Besonnenheit, die sich nüchtern und fest den rechten Augenblick ersieht, mit der plötzlichen und entscheidenden Kühnheit, die dann rasch, sicher und auf das erfolgreichste ausführt, was notwendig ist, die größte Geduld und Selbstverleugnung mit vollster Tatkraft und Schneidigkeit, ein rechter Odysseus. Dazu ist er ein vorzüglicher Feldherr, vielleicht der ausgezeichnetste aus der Schule des großen Alexander; auch hier charakterisiert ihn nicht etwa jene heldenmäßige Gewaltigkeit des großen Königs, noch die ritterliche Hoheit des Krateros oder das zähe Ausharren, das etwa dem alten Antipatros endlich doch immer zu den letzten und entscheidenden Vorteilen verhalf; es war vielmehr das verhaltene und gerüstete Erwarten des günstigen Momentes, dann ein plötzliches und auf den entscheidenden Punkt gerichtetes Hervorbrechen, aus dem sich wohlberechnet und folgerichtig der Verlauf des weiteren Kampfes entwickelte; vielleicht hat keiner unter den Generalen Alexanders in gleichem Maße die Kunst der strategischen Bewegungen, die Kombinationen der großen Kriegführung verstanden.

Bald genug sollte er Gelegenheit finden, diese zu bewähren. Nach Persepolis kam – es mochte im Herbst des Jahres 317 sein – die Nachricht, daß Antigonos mit sehr verstärktem Heere von Medien aufgebrochen und auf dem Marsch nach Persis sei. Sofort brach auch das verbündete Heer auf; am zweiten Tage wurde den Truppen noch ein großes Opferfest gegeben, auf dem Eumenes sie nochmals anredete, zur Tapferkeit und strengsten Kriegszucht ermahnte, ihnen einen baldigen und glücklichen Ausgang des Feldzugs versprach. Unvorsichtiges Trinken bei jenem Fest warf ihn auf das Krankenbett, und so heftig und schnell mehrte sich das Übel, daß er genötigt war, den weiteren Marsch zu verschieben; die Mutlosigkeit, die sich schnell und allgemein im Heere verbreitete, war Beweis genug, wie[174] sehr die Truppen seiner Führung vertrauten: nun werde der Feind sie zum Angriff treffen, und der einzige, der sie zu kommandieren verstehe, sei krank; wohl könnten die anderen gut gastieren und schwelgen, befehlen und Krieg führen könne nur Eumenes. Sobald nur irgend des Strategen Übel nachließ, marschierte das Heer weiter, an der Spitze des Zuges Peukestas und Antigenes; Eumenes selbst ließ sich, noch außerordentlich matt, bei der Hinterhut, wo er von dem Lärm und der Gefahr des etwa beginnenden Kampfes fern war, in einer Sänfte nachtragen.

Schon waren die beiderseitigen Heere bis auf einen Tagemarsch einander nahe; von beiden Seiten wurde rekognosziert und der Angriff erwartet, zum Kampf gerüstet vorwärts marschiert. Da sah die Vorhut des verbündeten Heeres den Feind über einige Anhöhen in die Ebene herabziehen; sobald die ersten Reihen der Argyraspiden den hellen Waffenglanz der feindlichen Kolonnen und über ihnen die Türme der Kriegselefanten und die roten Decken, mit denen man sie zum Kampf zu schmücken pflegte, erblickten, machten sie halt, riefen: man solle ihnen den Eumenes bringen, sie würden keinen Schritt weitergehen, wenn er sie nicht führe; sie stellten die Schilde auf die Erde, riefen den anderen zu, stehen zu bleiben, und ihren Führern, sich ruhig zu verhalten und ohne Eumenes nicht zu kämpfen, noch irgendeine Bewegung gegen den Feind zu machen. Auf die Nachricht davon ließ sich Eumenes in aller Eile zu ihnen hintragen, schlug dann die Vorhänge seiner Sänfte auf, streckte wie zum Gruß die Rechte fröhlichen Angesichtes den Truppen entgegen; da jauchzten die alten Kriegsleute ihm zu, begrüßten ihn in der Sprache der Heimat, hoben die Schilde auf und schlugen mit den Sarissen an, erhoben das Kriegsgeschrei, den Feind zum Kampf zu rufen: nun sei ihr Feldherr da! Dann ließ Eumenes, auf der Sänfte hin- und hergetragen, seine Truppen über das Feld zur Schlachtordnung aufrücken und erwartete in einer festen Position den Angriff der Feinde. Dieser erfolgte nicht; Antigonos, der von einigen Gefangenen erfahren hatte, daß Eumenes krank sei, war, in der Meinung, daß er die feindlichen Führer ohne ihn würde zur Schlacht nötigen und dann leicht bewältigen können, eiligst heran und in Schlachtlinie aufgerückt; als er jetzt beim Rekognoszieren die Stellung der Gegner so vortrefflich, die Schlachtlinie so geordnet und unangreifbar sah, hielt er voll Erstaunen eine Zeit an; dann erblickte er eine Sänfte, die von einem Flügel zum anderen getragen wurde, und laut auflachend, wie er pflegte, sagte er zu den Freunden: »Diese Sänfte also war es, die drüben so wacker hat aufrücken lassen«; und sofort ließ er sein Heer sich zurückziehen und in einer sicheren Stellung lagern.

Beide Heere standen nicht mehr als tausend Schritt voneinander entfernt, zwischen beiden ein Fluß in felsiger Schlucht. Es erfolgten einzelne[175] Vorpostengefechte, Streifereien in die wenig bebaute Umgegend, um Lebensmittel einzuholen, unbedeutende Bewegungen in der Flanke, um einen oder den anderen festen Punkt zu gewinnen. Es vergingen vier Tage, ohne daß es zu ernsterem Kampfe kam. Am fünften erschienen beim Lager der Verbündeten Abgeordnete von Antigonos an die Satrapen und Makedonen, mit der Aufforderung, ferner nicht des Eumenes zu achten, sondern dem Antigonos ihr Vertrauen zu schenken; er werde den Satrapen ihre Länder lassen, werde den Soldaten Land schenken, alle, die heimzukehren wünschten, mit Ehren und reichen Geschenken entlassen, die weiter zu dienen vorzögen, unter die eigenen Scharen aufnehmen. Mit lautem und lärmendem Unwillen hörten das die Makedonen, sie drohten den Abgeschickten alles Übelste, wenn sie nicht davonzukommen eilten; auch die Satrapen durften sich nun nicht, auch wenn sie es gern gewollt hätten, mit Antigonos einlassen. Eumenes aber erschien unter den Truppen, lobte sie um ihrer Treue willen, durch die sie ebensosehr sich selbst wie ihn gerettet hätten; es sei das wie in jener Fabel vom Löwen, der sich in ein schönes Mädchen verliebt und bei deren Vater um sie geworben; der Vater habe sich bereit erklärt, aber gesagt, daß er seine Krallen fürchte, die müsse er sich erst beschneiden lassen; der Löwe habe sich dann mit den eigenen Zähnen die Krallen abgenagt, betört durch die Liebe zum schönen Mädchen; der Vater aber, als er das stolze Tier wehrlos gesehen, habe es mit Knütteln totgeschlagen; gerade so wolle es Antigonos machen; er ködere das makedonische Heer, diesen stolzen und königlichen Löwen, mit allen möglichen Versprechungen; aber nicht, sie zu halten, sondern die braven Makedonen zugrunde zu richten, sei seine Absicht; möge das der Götter Gnade verhüten, mit deren und seiner tapferen Kameraden Hilfe er den frechen Gegner zu züchtigen hoffe. Mit großem Beifall wurde die Rede des Strategen aufgenommen; man freute sich auf ein baldiges Treffen, das freilich Eumenes weniger als der Gegner wünschte.

Zur Nacht kamen Überläufer aus dem Lager des Antigonos, welche berichteten, es sei dort den Truppen anbefohlen, sich zur zweiten Nachtwache marschfertig zu halten. Die Absicht des Feindes war leicht zu durchschauen; die Gegend hier eignete sich durchaus nicht zu einer Schlacht, wie sie für Antigonos dringend nötig war; es begannen ihm die Vorräte zu mangeln, er mußte eilen, für den nahen Winter Quartiere zu gewinnen. Außerstande, hier den vorsichtigen Gegner zu fassen, gedachte er aufzubrechen, um in die drei Märsche entfernte Landschaft Gabiëne zu gehen; dort war gutes Wasser, reiche Weide, wohlhabende Dorfschaften, ein vielfach schützendes Terrain; und Gabiëne lag auf dem Wege nach Susiana, sicherte also die nächste Verbindung mit Seleukos, der noch vor Susa stand. Eumenes erkannte, was seines Gegners Absicht[176] sei; er eilte, ihm zuvorzukommen; er schickte einige Leute, die sich als Überläufer ausgeben sollten, in das Lager der Feinde mit der Nachricht, es werde während der Nacht ein Angriff auf ihr Lager versucht werden;, zu gleicher Zeit ließ er die Bagage in aller Stille aufbrechen, die Truppen sich zum Abmarsch rüsten, um Mitternacht aufbrechen. Während Antigonos auf jene Nachricht vom nächtlichen Überfall seinen Plan aufgegeben hatte, seine Truppen in aller Eile und nicht ohne einige Besorgnis zum Kampf rüstete, den Angriff der Feinde bis zum Anbruch des Tages erwartete, war Eumenes schon einige Meilen voraus auf dem Wege nach Gabiëne. Bald erkannte Antigonos, wie sehr er getäuscht sei; schleunigst ließ er die Truppen sich marschfertig machen und eilte den Feinden nach, wie wenn er Fliehende verfolgte. Er vermochte nicht den Vorsprung von zwei Nachtwachen mit seinem gesamten Heere schnell genug einzubringen, deshalb jagte er, indem er dem Fußvolk unter Peithons Führung ruhig nachzurücken befahl, an der Spitze der gesamten Reiterei den Feinden nach, erreichte am Morgen einen Höhenzug, von dem aus er die Nachhut des feindlichen Heeres erblickte; hier ließ er, recht im Angesicht der Feinde, aufreiten und haltmachen. Sobald Eumenes die feindlichen Reiter so nahe sah, befahl er, in der Meinung, daß Antigonos mit seiner gesamten Streitmacht aufrücke, seinen Truppen zu halten und sich schleunigst, um nicht während des Marsches angegriffen zu werden, zur Schlacht zu stellen; dadurch gewann Antigonos Zeit, das Fußvolk an sich zu ziehen. Selbst soeben getäuscht durch Eumenes' List, überlistete er wieder ihn mit ähnlicher Täuschung.

Mit allem Aufwand ihrer militärischen Kunst, weniger nach der Gewohnheit der makedonischen Kriegführung als nach den örtlichen Verhältnissen und den verwendbaren Streitkräften ordneten die Feldherren ihre Schlachtlinie; Eumenes, dem Feinde den Weg nach Gabiëne zu verlegen, Antigonos, ihn sich mit Gewalt zu öffnen. Den Vorzug, mit ganzer Macht schon zur Stelle zu sein, benutzte Eumenes in der Art, daß er seinen linken Flügel an die Höhen, die, wie es scheint, auf der Nordseite das Blachfeld begrenzten, anlehnte, um auf seinen rechten Flügel, der somit das weite freie Feld für sich hatte, die ganze Wucht des Angriffs zu legen. Es waren die karmanischen Reiter, die Hetairen, die Agemen des Peukestas, des Antigenes, sein eigenes, eine geschlossene Reitermasse von 2300 Pferden, die die Linie des rechten Flügels bildeten, neben ihr als Spitze zu freierer Bewegung die zwei Ilen königliche Knaben, schräg vor ihnen zur Deckung vier Ilen auserlesene Reiter, andere 300 auserlesene aus allen Hipparchien als Reserve hinter dem Agema des Eumenes; vor dem ganzen Flügel 40 Elefanten. Die Mitte seiner Schlachtordnung bildete das Fußvolk, von rechts nach links gezählt, 3000 Hypaspisten, die 3000 Argyraspiden,[177] beide unter Führung von Antigenes und Teutamas, 5000 Mann nach makedonischer Art bewaffnet und geübt, 6000 Mann Söldner, vor diesen 17000 Mann des Zentrums 40 Elefanten. Dem Fußvolk nach links sich anschließend die Reiter des linken Flügels, den Eudemos führte, Thraker aus den oberen Satrapien, die Paropamisaden, Arachosier, Mesopotamier, Areier und an der Spitze das Agema des Eudemos und dessen zwei Ilen auserlesene Reiter, eine geschlossene Linie von mehr als 3300 Pferden; im Haken sich ihnen anschließend an die Höhe hinauf 45 Elefanten, die Zwischenräume zwischen ihnen wie zwischen dem vor dem Zentrum mit Pelotons leichten Volkes gefüllt22.

Antigonos hatte nur 65 Elefanten gegen die 125 des Eumenes, auch an leichtem Fußvolk, Schützen und Schleuderern war er schwächer, aber er war an Reitern um ein volles Drittel stärker (10400 gegen 6300), und unter diesen befanden sich mehrere ausgezeichnete Korps, namentlich 2300 sogenannte Tarentiner23; und an Linienfußvolk hatte er 28000 gegen 17000. Vor allem, er allein befahl, und seine Truppen waren gewöhnt zu gehorchen.

Von der Anhöhe aus, auf der er stand, übersah er das Aufrücken des Feindes; daß auf dem rechten Flügel eine Masse auserlesener Reiter zusammengezogen war, ließ ihn schließen, daß von dort her der Hauptangriff beabsichtigt werde. Sein Plan war, Eumenes in die Luft stoßen zu lassen, selbst zum entscheidenden Stoß auf den linken Flügel des Feindes zu stürzen. Er zog seine besten Reitermassen auf den rechten Flügel, sein Agema, 1000 Mann Hetairen, die sein Sohn Demetrios, jetzt zum ersten Male mit zur Schlacht ausziehend, führte, 500 Bundesgenossen, 500 Söldner, 1000 Thraker, zusammen 3300 Reiter, an der äußersten Spitze als Vorhut seine »Knaben«, 150 Pferde, und ihnen zur Seite 100 Tarentiner. Dann die Mitte der Schlachtlinie 28000 Mann schweres Fußvolk, unter diesen die 8000 Makedonen, die Antipatros über den Hellespont geführt hatte. Alle leichteren Reiter wurden dem linken Flügel zugewiesen; sie sollten den Feind umschwärmen, vor jedem Angriff zurückweichen, um[178] dann plötzlich kehrtzumachen und von neuem anzusprengen, so das Gefecht hinhalten; an der Spitze dieses Flügels 1000 medische und armenische Bogenschützen und Lanzenträger, die sich namentlich auf diese Art, fliehend zu kämpfen, verstanden, dann die 2200 Tarentiner, die mit ihm vom Meere heraufgezogen waren, ihm äußerst ergebene und für ihren Dienst vollkommen ausgebildete Truppen, dann 1000 Reiter aus Lydien und Phrygien, die 500 des Peithon von Medien, die 400 Spießträger des Lysanias, endlich die sogenannten Doppelreiter24, von den in den oberen Landschaften Angesiedelten. Von seinen Elefanten stellte Antogonos dreißig im Haken vor seinen rechten Flügel, einige wenige vor den linken, die übrigen vor das Fußvolk im Zentrum, die nötige Pelotons leichter Truppen mit ihnen25. Er ließ Peithon den linken Flügel führen, er selbst übernahm an der Spitze seines Agema die Führung des rechten. Er rückte, den rechten Flügel voran, in die Ebene hinab, sichtlich um mit diesem rasch zum Angriff zu kommen; bei seiner großen Überlegenheit überragte Peithon weit den rechten Flügel des Feindes, um so besser konnte dieser harzeliert und hingehalten werden; es kam darauf an, den entscheidenden Stoß geführt zu haben, ehe es zum Kampf des Fußvolkes kam und die gefürchteten Argzraspiden des Eumenes ihre unwiderstehliche Kraft zur Geltung brachten.

Die Schilderung, welche von dieser Schlacht auf uns gekommen ist, scheint in vielfacher Beziehung mangelhaft; sie übergeht namentlich die Bewegungen, welche Eumenes gemacht haben muß, um den Angriff des Feindes auf seinen linken Flügel, der überdies durch die imposante Macht von 45 Elefanten wie durch ebensoviel schwere Batterien und durch das dazu gehörende leichte Volk gedeckt wurde, zu verzögern. Der Schlachtbericht bei Diodor beginnt mit dem gleichzeitigen Schlachtruf beider Heere, mit dem Schmettern der Trompeten, dem Angriff der Reitermassen unter Peithon. Dieser wirft sich, da seine Linie weit über den rechten Flügel des Eumenes hinausragt, zugleich um die Elefantenlinie zu vermeiden, in die Flanke des Feindes, überschüttet sie mit einem Hagel von geschossen, wendet sich, sobald die schweren Reiter des Feindes auf ihn losgehen, in leichter Flucht, kehrt dann schnell zurück mit neuem Ungestüm und neuem Pfeilhagel. Nun läßt Eumenes schleunigst vom Flügel des Eudemos her die leichtesten Reiterhaufen herankommen, läßt zugleich[179] die ganze Linie sich rechts hinabziehen, wirft sich dann mit den Elefanten und den leichtesten Reiterscharen auf den linken Flügel des Feindes, der, dem Sturm nicht gewachsen, nach den Bergen zurückflüchtet. Indes hat Eumenes auch sein Zentrum vorgehen lassen, den Kampf der Phalangen, den sein Gegner zu vermeiden gehofft hat, zu erzwingen; bald sind beide Zentren im heftigsten Handgemenge; nach langem und blutigem Gemetzel entscheidet die Wucht und die Wut der alterprobten Argyraspiden den Sieg. Antigonos sieht sein Zentrum gebrochen und in voller Flucht, seinen linken Flügel völlig aufgelöst. Seine Umgebung rät ihm, sich auch mit dem rechten Flügel zurückzuziehen, unter dem Schutz der Höhen seine geschlagenen Haufen zu sammeln und zu ordnen, um mindestens ihren weiteren Rückzug zu decken. Aber noch ist sein rechter Flügel vollkommen kampffertig und unversehrt; eben jetzt sieht er in der feindlichen Schlachtlinie, indem die Phalangen verfolgend den Bergen zu nachrücken, zwischen dem Zentrum und dem linken Flügel eine große Lücke entstehen und sich immer mehr erweitern; in diese wirft er sich mit einem Teil seiner Reiter, wendet sich gegen die ihm zunächst rechts stehenden Ilen; überrascht weichen die nächsten; es ist unmöglich, dem so Vordringenden entgegen rasch eine neue Front zu bilden; auch die Elefanten vermag man nicht schnell genug heranzuschwenken. Antigonos sendet die schnellsten Reiter zu seinen geschlagenen Haufen mit dem Befehl, sich zu sammeln, schnell wieder zu ordnen, zum erneuten Angriff bereit zu sein, der Sieg sei so gut wie entschieden.

Auch Eumenes läßt, sobald er sieht, wie sein linker Flügel förmlich aufgerollt wird, um nicht den Feind im Rücken seiner Phalangen zu haben, zum Rückzug blasen, um den linken Flügel, wenn es noch möglich ist, zu retten. Um die Zeit der Abenddämmerung sind die beiderseitigen Heere gesammelt, wieder in Schlachtlinie, voll Kampfbegier; den unentschiedenen Kampf von neuem zu beginnen, hindert die späte Stunde. Schon liegt die Landschaft im hellen Scheine des Vollmondes, die Heere stehen 200 Schritt voneinander, sie hören genau das Wiehern der Pferde, das Klirren der Waffen, fast das Sprechen von drüben her; es erfolgt kein Angriff. Langsam weichen beide von der Walstatt, wo die Toten und Verwundeten liegen; um Mitternacht sind sie drei Stunden voneinander entfernt, und von dem Marsch, vom Kampf während des ganzen Tages, von Hunger erschöpft, machen sie halt. Hier will Eumenes lagern lassen, von hier aus am nächsten Morgen ausrücken, um die Toten zu bestatten und sich so als Herrn des Schlachtfeldes und als Sieger des Tages zu bekunden. Aber seine Makedonen, bei der großen Reitermacht der Feinde um die Bagage besorgt, die weiter rückwärts aufgefahren ist, fordern, dahin zurückzugehen. Eumenes darf nicht wagen, es ihnen zu verweigern;[180] er muß sich begnügen, Herolde wegen der Toten an Antigonos zu senden.

Dieser hat den größeren Verlust gehabt, 3700 Mann Fußvolk und 54 Reiter sind auf seiner Seite, auf des Gegners nur 540 und wenige Reiter gefallen; Verwundete zählt Eumenes über 900, Antigonos an 4000; und dessen Truppen sind entmutigt, nur die strenge Zucht, an die sie gewöhnt sind, hindert gefährlichere Dinge. Antigonos glaubt sich nicht stark genug, um sich in der Nähe des kühnen Gegners zu halten, er hat beschlossen, möglichst weit hinweg in die Winterquartiere zu ziehen; er läßt, um den Zug des Heeres zu erleichtern, die Verwundeten und das meiste Gepäck sofort vorausgehen, er selbst will während des nächsten Tages in der Nähe des Schlachtfeldes bleiben, um womöglich noch seine Toten zu bestatten. Da kommt von den Gegnern der Herold wegen der Bestattung der Gebliebenen; Antigonos hält ihn auf, mit dem nächsten Morgen läßt er ausrücken, seinen Toten die Scheiterhaufen zu bereiten; dann wird der Herold entlassen: am folgenden Morgen dürfe der Feind auf die Walstatt, auch seine Toten zu bestatten. So erscheint Antigonos trotz des größeren Verlustes als Meister des Tages und sein Rückzug nicht mehr als Flucht; durch diese glückliche Wendung ermutigt, brechen die Truppen mit dem Beginn der nächsten Nacht auf. Er zieht in mehreren Märschen, ohne zu rasten, nach der Landschaft Gadamarta in Medien, die, bisher vom Kriege verschont, reichlichst Vorräte und gute Winterquartiere darbietet und Gelegenheit gibt, neue Truppen heranzuziehen.

Eumenes erfährt durch seine Späher vom Abmarsch des Gegners; aber wegen der Ermüdung seiner Truppen, und um sich nicht neuen Widersetzlichkeiten seitens derselben auszusetzen, gibt er es auf, den Rückzug des Feindes zu stören. Er läßt die Gefallenen mit allen militärischen Ehren bestatten und führt dann das Heer aus der Landschaft Paraitakene weiter in die Winterquartiere.

So diese Schlacht, unter denen der Diadochenzeit eine der merkwürdigsten. Seit langem zum ersten Male kommt das Fußvolk zu seiner vollen Geltung; daß Eumenes in dem Moment, da sein offensiver rechter Flügel den linken des Feindes zum Weichen gezwungen hat, seine Phalangen, die gewaltigen Argyraspiden voran, auf das um ein Drittel stärkere Fußvolk des Feindes vorbrechen und es zerschmettern läßt, war die Entscheidung des Tages, wenn im entferntesten Eudemos mit dem linken Flügel in ruhiger Defensive seine Schuldigkeit tat. Selbst als Eumenes, um die Reste dieser geschlagenen Reiterscharen zu retten, zum Rückzug blasen ließ, war er noch Herr des Schlachtfeldes, bis sein Fußvolk die letzte Anstrengung, das Feld zu behaupten, versagte. Es war nicht eine[181] militärische, aber eine desto größere moralische Niederlage, die der geniale Feldherr an diesem Tage erlitt.

Die Truppen des Eumenes hatten kaum wieder einige Ruhe vor dem Feinde, als sie sich auch von neuem aufwiegeln ließen, sich gegen die Befehlshaber frech und wiedersetzlich zeigten, sich dem wüstesten Lagerleben hingaben. Auch die Heerführer und Satrapen vergaßen bald alle Vorsicht und achteten nicht auf Eumenes und seinen verständigen Rat; sie zerstreuten ihre Winterquartiere über die ganze Landschaft Gabiëne, so daß die einzelnen Korps bis auf 25 Meilen voneinander entfernt standen. Eumenes galt weniger als je; die Nachrichten vom Siege der königlichen Partei in Makedonien, vom Übergang des Reichsheeres nach Asien, die ihm vor wenigen Monaten sein Ansehen im Heere wiederhergestellt, hatten sich nicht bestätigt, vielmehr hörte man, daß dort Kassandros mit frischer Macht nach Makedonien aufgebrochen und die königliche Partei in größter Gefahr sei; Eumenes' Stellung wurde mit jedem Tage schwieriger.

Auch Antigonos mochte von jenen Nachrichten aus dem Abendland zu neuen Unternehmungen ermutigt sein. Ihm blieb die fehlerhafte Stellung der Gegner nicht verborgen; während er sich ihnen im offenen Kampfe nicht gewachsen glaubte, hoffte er von einem plötzlichen Überfall den sichersten Erfolg. Auf dem gewöhnlichen Heerweg waren von Gadamarta bis zu den Winterquartieren der Gegner an 25 Tagereisen; dieser Weg führte am Abhang des Gebirges entlang; ein anderer kürzerer Weg gerade durch die Ebene, die sich vor diesem Gebirge ausdehnt, nur acht Tagemärsche, aber diese Ebene war ohne Bäume, ohne Gras und Halm, nirgends Wasser, nirgends Spuren von Bewohnern, eine vollkommene Salzsteppe. Über diese hin beschloß Antigonos seinen Weg zu nehmen; in neun Tagen konnte der Feind erreicht und, ehe er noch Zeit hatte, sich zu sammeln, überwältigt sein.

Vor allem kam es darauf an, die Unternehmung vollkommen geheim zu halten. Es wurde den Truppen angekündigt, sich marschfertig zu halten, Vorräte auf zehn Tage und die nötige Fourage für die Pferde zu beschaffen; für den Wasserbedarf des Heeres wurden 10000 Schläuche genäht und mit Trinkwasser gefüllt. Allgemein hieß es im Lager, es gehe nach Armenien. Gegen Ende des Dezembers 317, um die Zeit der winterlichen Sonnenwende, brach das Heer auf, aber nicht nach Armenien, sondern quer über die Salzsteppe hin. Man marschierte mit vieler Vorsicht; Feuer durften selbst in den kalten Nächten nicht angezündet werden, damit nicht die Anwohner der Berge den Anzug des Heeres merkten und ihn an die Feinde berichteten. So war man bereits fünf Tage unter vielen Beschwerden marschiert; da begann arges Wetter, heftige Stürme,[182] empfindlicher Frost; die Soldaten ertrugen es nicht, die einzige Rettung, Feuer anzuzünden, mußte ihnen gestattet werden. Von den Bergen her, die die Steppe begrenzen, sahen Eingeborene die nächtlichen Feuer, die Rauchsäulen bei Tage, beides in großer Zahl, so daß sie es für wichtig genug hielten, davon Nachricht in das Lager an den Satrapen Peukestas zu senden. Auf Dromedaren eilten die Boten in die Landschaft Gabiëne: das Heer des Antigonos sei im Anzug, auf halbem Wege nach Gabiëne habe man es gesehen.

Sofort wurde ein Kriegsrat berufen; man beriet, was zu tun sei: in vier Tagen könne der Feind das Lager erreicht haben, in so kurzer Zeit sei es nicht möglich, die Truppen zusammenzuziehen, die auf sechs Tagemärsche weit auseinanderständen. Man riet her und hin, man war ratlos; Peukestas schlug vor, eiligst die nächsten Truppen zu versammeln, mit diesen sich zurückzuziehen, um das Zusammentreffen mit dem Feinde solange zu vermeiden, bis man auch die entfernter stehenden Truppen an sich gezogen hätte. Dann nahm Eumenes das Wort, entwickelte die Unrätlichkeit der vorgeschlagenen Maßregel, bezeichnete, wie diese Gefahr eine Folge der fehlerhaften Verteilung der Winterquartiere sei, der er von Anfang an widerraten; damals habe man ihm nicht folgen wollen; glücklicherweise sei er auch jetzt noch imstande, aus der Gefahr zu helfen, wenn anders man sich verpflichten wolle, seinen Anweisungen sich zu fügen und dieselben mit der nötigen Schnelligkeit auszuführen; es komme darauf an, die Truppen alle vor Ankunft des Feindes versammelt zu haben; dies könne in sechs Tagen bewerkstelligt werden; der Feind habe noch vier Tage Marsch bis zum Lager, er werde dessen Marsch um andere drei oder vier Tage verzögern; sie möchten jeder zu den Quartieren ihrer Truppen senden und sie so schnell als möglich hermarschieren lassen; dann werde der Feind, vom Wege und den ausgestandenen Entbehrungen erschöpft, nicht nur erfolglos angreifen, sondern so gut wie in ihren Händen sein. Mit Erstaunen vernahmen alle die Vorschläge des Strategen, verpflichteten sich, ihm in jeder Hinsicht zu gehorchen, fragten ihn, wie er das Versprochene auszuführen beabsichtige. Er befahl, nach Absendung der verschiedenen Eilboten, allen anwesenden Befehlshabern mit den Truppen, die sie zur Stelle hatten, ihm zu folgen; sie ritten an den Saum der Wüste, bis zu einem breiten, nach der Steppe hinablehnenden Berghang, der weithin sichtbar sein mußte. Dort ließ er ein Lager, fast zwei Meilen im Umfang, abmessen und die mit Fähnchen versehenen Meßstäbe einpflanzen, verteilte dann die Räume unter die mit ihm Gekommenen mit dem Befehl, daß sie je zwanzig Ellen voneinander entfernt ein Feuer anzünden sollten; damit der Feind ein wirkliches Lager zu sehen glaube, sollten sie in der ersten Nachtwache die Feuer lebhaft unterhalten,[183] als ob noch alles im Lager wach sei und an den Feuern oder bei der Abendmahlzeit säße, mit jeder nächsten Nachtwache sollten sie es verringern, gegen Ende der Nacht gänzlich verlöschen lassen, dasselbe in der nächsten Nacht wiederholen. Das alles wurde mit größter Sorgfalt ausgeführt.

Landeingeborene, die auf den nächsten Bergen hüteten und dem Satrapen Peithon zugetan waren, sollen die erste Nachricht von dem nahen Lager der Gegner an Antigonos und Peithon überbracht haben; auch die Feldherren konnten über die Steppe nach Südwesten hin die Feuer der ersten, zweiten, dritten Nachtwache unterscheiden; nach der Ausdehnung der Feuer war nicht zu zweifeln, daß das gesamte feindliche Heer in jenem Lager vereinigt sei; Eumenes mußte Kunde von dem Plan des Gegners erhalten haben, es war vorauszusetzen, daß aus diesem Grunde das feindliche Heer ausgerückt sei, und Antigonos wagte nicht, seine von dem mühseligen Zuge abgemattete Armee den frischen, in den Winterquartieren wohl gepflegten und zum Kampf hinlänglich vorbereiteten Truppen der Feinde zum Kampf entgegenzuführen. In der Furcht, es möchte der Feind selbst im Gefühl seiner Überlegenheit zum Angriff ausrücken, beeilte er sich, den begonnenen Weg zu verlassen; mit dem nächsten Morgen marschierte das Heer des Antigonos rechts ab, um in westlicher Richtung die große Heerstraße zu gewinnen. Dort waren zu beiden Seiten bebaute Gegenden, Dörfer und Städte häufig, Vorräte und Quartiere genug, um die erschöpften Truppen sich erholen zu lassen.

Auffallend war es dem Strategen, daß sich bei seinem Abmarsch aus der Steppe die Feinde von jenem Lager aus gar nicht regten, nicht einmal ein feindliches Streifkorps bekam man zu Gesicht. Nachdem man die besseren Gegenden erreicht, wurde den Truppen Rast gegönnt; dort erfuhr Antigonos von den Eingeborenen, daß auch sie die Anhöhen voller Wachtfeuer gesehen, aber nichts bemerkt, was auf die Anwesenheit einer bedeutenden Heeresmacht schließen lasse, und daß sie glaubten, das Lager auf den Bergen sei ohne Armee gewesen. Antigonos konnte nicht zweifeln, daß der Feind, ihn täuschend, die Zeit gewonnen habe, seine Truppen zusammenzuziehen; er ärgerte sich, seinen schönen Plan so gescheitert zu sehen; er beschloß, um jeden Preis eine entscheidende Schlacht zu suchen.

Indes rückten im Lager der Verbündeten die Truppen von allen Seiten her zusammen; endlich fehlten nur noch die Elefanten, die entfernter gestanden hatten. Antigonos war durch Eingeborene davon benachrichtigt; er wußte, daß die Tiere ohne hinreichende Bedeckung nächsten Tages wenige Meilen von seiner Stellung vorüberziehen würden; konnte er durch einen Handstreich sich ihrer bemächtigen, so entriß er dem Feinde einen wichtigen Teil seiner streitbaren Macht. Er ließ 2000[184] medische Lanzenträger und 200 Tarentiner aufsitzen und diese nebst allem leichten Volk, das er hatte, im eiligsten Marsch nach der Straße, die die Tiere kommen mußten, aufbrechen. Eumenes vermutete, daß er solchen Versuch machen werde; er sandte 1500 auserwählte Reiter nebst 3000 Mann leichten Volkes den Elefanten entgegen. Die Truppen des Antigonos waren früher an der Straße; der Zug der Elefanten kam heran; sobald die Kommandierenden desselben der Feinde ansichtig wurden, ließen sie die Tiere im Viereck auftreiben und versuchten nun, die Bagage in die Mitte nehmend, ihre 400 Reiter Eskorte zur Nachhut beordernd, schleunigst vorüberzuziehen. Da warfen sich die Feinde mit ihrer ganzen Übermacht auf den Zug, die 400 Reiter waren schnell in die Flucht geschlagen; die Führer der Elefanten hielten die Tiere an, versuchten sich unter den Geschossen der Feinde im festen Viereck zu halten; aber unfähig, den Feinden zu schaden, litten sie desto mehr von den immer neuen Pfeilen und Schleuderwürfen derselben; schon waren viele von der Bemannung der Tiere verwundet oder tot. Da endlich erschien die Hilfe des Eumenes, die, plötzlich und unerwartet auf die Feinde einbrechend, dieselben nach kurzem Kampf in die Flucht trieb. Ohne weiteres Gefährde wurden die Tiere in das Lager eingebracht.

So war es Eumenes' Vorsicht und Klugheit, die das Heer der Verbündeten vor gänzlicher Vernichtung bewahrt, die Fehler der anderen Befehlshaber wieder gut gemacht, die Truppen zum Kampf zusammengezogen, die Elefanten gerettet hatte. Die Truppen waren voll Bewunderung für den großen Feldherrn; jetzt, da der Feind nahe, die Entscheidung täglich zu erwarten war, wandten sich wieder die Augen aller auf ihn; die Truppen forderten, daß er den alleinigen Befehl führen, die anderen Befehlshaber sich seinen Befehlen fügen sollten. Eumenes weigerte sich dessen nicht; er ließ das Lager auf das sorgfältigste mit Wall und Graben verschanzen, Lebensmittel zusammenbringen, alles zum Kampf der Entscheidung, der nicht mehr fern zu sein schien, vorbereiten; mit bestem Mut sahen die Truppen demselben entgegen. Desto bitterer fühlten die übrigen Befehlshaber, wie sie in den Schatten gestellt, dem Befehl des Kardianers untergeordnet, um ihre stolzen Ansprüche betrogen seien. Vor allem waren die beiden Führer der Argyraspiden, Antigenes und Teutamas, voll Neid und Ingrimm; sie besprachen sich, sie verschworen sich, dem Leben des Verhaßten ein Ende zu machen, sie zogen die übrigen Satrapen und Befehlshaber mit in ihr Komplott: alle waren einig, Eumenes umzubringen; sie berieten, wann und wie; sie entschieden, noch solle er ihnen erst die Schlacht gegen Antigonos gewinnen, dann wolle man ihn beiseiteschaffen. Unter den Verschworenen war Eudemos von Indien und Phaidimos; sie hatten früher dem Strategen beträchtliche Geldsummen anvertraut,[185] sie besorgten, daß, wenn der Plan gegen ihn ausgeführt werde, sie um ihr Geld kommen könnten; sie verrieten ihm das Komplott. Eumenes dankte ihnen für ihre Treue; schmerzlicher als je sonst traf ihn die Nachricht; die Gefahr war so groß wie dringend; er ging in sein Zelt, sagte, was er erfahren, seinen Freunden; »ich lebe hier unter wilden Tieren«; er schrieb sein Testament nieder, er zerriß und vernichtete alle seine Dokumente und Briefe, damit sie nicht, falls er stürbe, Befreundeten Verleumdung und Gefahr brächten. Dann überlegte er mit den Freunden, was zu tun sei. Sollte er im Vertrauen auf seine jetzige Gunst bei den Truppen offen gegen die Verschworenen auftreten? Er war des Heeres nicht gewiß, und von jenen konnte er erwarten, daß sie sich sofort in Antigonos' Arme werfen würden. Sollte er selbst mit Antigonos insgeheim unterhandeln und ihm den Sieg in die Hände spielen? So verriet er die Sache, für die er bisher gekämpft, so gab er sich als Verräter seinem Todfeind in die Hand und rettete im besten Falle nichts als ein schmachvolles Leben. Sollte er entfliehen, durch Medien und Armenien nach Kappadokien eilen, dort seine alten Freunde um sich sammeln, zum zweiten Mal sein gutes Glück auf die Probe stellen, die es schon einmal bestanden? Dann war die Sache des Königtums in Asien verloren, wie sie es schon in Europa war, dann gab es keine Macht mehr, der er sich hätte anschließen können, dann blieb ihm, wenn auch alles glückte, keine Aussicht als ein neuer, kürzerer, unglücklicher Kampf, oder das elendste von allem, tatenlose Abgeschiedenheit. Eumenes faßte in Gegenwart der Freunde keinen Entschluß; er schwankte her und hin; es war vielleicht das erste Mal in seinem Leben, daß er ohne Rat und ohne Entschluß war. Noch ließen ihm die Verschworenen Zeit, die Schlacht zu gewinnen; vielleicht daß der Sieg ihm neue Kraft gewährte, vielleicht daß die Verräter sein sieggekröntes Haupt scheuten, vielleicht daß der Ausgang des einen Tages, daß ein Zufall alles wandelte.

Indes war der Feind bis auf eine Meile herangerückt, es mußte zum Treffen kommen; Antigonos bot es an, Eumenes weigerte sich dessen nicht, beide ordneten ihre Heere in Schlachtordnung. Antigonos hatte etwa 22 000 Mann Fußvolk, 9000 Reiter mit den neuerdings in Medien zusammengezogenen, und 65 Elefanten; er stellte wieder in die Mitte das Fußvolk, auf die Flügel die Reiterei, übergab die Führung des linken an Peithon, die des rechten seinem jungen Sohn Demetrios, der sich bei dem neulichen Treffen in Paraitakene rühmlich geschlagen hatte; er selbst blieb auf diesem Flügel, der den Hauptangriff machen sollte; vor der ganzen Linie wurden die Elefanten, von Leichtbewaffneten gedeckt, aufgetrieben. Eumenes' Heer bestand aus 36700 Mann Fußvolk, aus 6050 Reitern, 114 Elefanten. Auf seiten des Feindes war die größere und bessere[186] Reitermacht; auf seiner Seite war das Fußvolk nicht bloß der Zahl nach, sondern auch durch das Veteranenkorps der Argyraspiden in entschiedener Übermacht. Um dem Reiterangriff des feindlichen rechten Flügels mit hinreichender Macht begegnen zu können, stellte er demselben gegenüber auf seinen linken Flügel die meisten Satrapen mit ihren auserwählten Reitern und übernahm selbst das Kommando desselben; er ließ vor demselben die 60 stärksten Elefanten hakenförmig aufrücken und schob in die Distanzen das beste leichte Fußvolk; das Zentrum der Schlachtlinie bildete das Fußvolk, zuerst die Hypaspisten, dann die Argyraspiden, weiterhin die Söldner und die nach makedonischer Art Bewaffneten; vor diesen allen die meisten der übrigen Elefanten und das zu ihrer Deckung nötige leichte Volk; den rechten Flügel, aus der übrigen Reiterei bestehend und durch eine kleine Zahl Elefanten und leichten Volks gedeckt, übergab er Philippos mit dem Befehl, sich in kein ernstliches Gefecht einzulassen, sondern, indem er selbst nur den gegenüberstehenden Feind durch fliegendes Gefecht beschäftigte, die Entscheidung vom anderen Flügel zu erwarten. Das Schlachtfeld war eine weite, auf der Seite des Antigonos mit einer Anhöhe geschlossene Ebene, der Boden nicht fest und hart, noch tiefschollig, sondern eine Steppe, so daß die Bewegungen der Menschen und Tiere einen übermäßigen Staub erzeugten, von dem bald jede weitere Aussicht gehindert war.

Von jener Anhöhe aus beobachtete Antigonos das Aufrücken der feindlichen Schlachtlinie; er erkannte, wie sie auf dem rechten Flügel schwächer, in ihrem Rücken das Lager fast ohne Bedeckung war; er beorderte einige auserlesene Ilen Meder und Tarentiner, daß sie, wenn das Gefecht begonnen, sich unter dem Schutz des Staubes um den rechten Flügel des Feindes herumziehen und dessen Lager plündern sollten.

Indes war die Schlachtlinie der Verbündeten aufgerückt, Eumenes ritt an den Reihen hinab und ermahnte, tapfer zu kämpfen; überall wurde er mit frohem Geschrei empfangen; die Phalangen riefen: er möge sich auf sie verlassen, – die alten Argyraspiden: die Feinde würden ihnen nicht standhalten; sie schickten einen Reiter an die feindliche Linie, wo die Makedonen standen, und ließen sagen: »Gegen eure Väter, ihr verruchten Häupter, wollt ihr kämpfen, die mit Philipp und Alexander die ganze Welt bezwungen haben, und die ihr bald der Könige und ihrer früheren Kämpfe würdig sehen sollt!« Dieser Aufruf der furchtbaren Veteranen brachte nicht geringen Eindruck unter den Makedonen hervor; sie murrten laut, daß sie gegen Landsleute und Blutsverwandte kämpfen sollten; und ärger noch mochte ihre Furcht vor diesen alten Kerntruppen sein, deren unwiderstehliche Gewalt sie noch vor kurzem empfunden hatten. Während sich so eine sichtliche Unruhe und Unsicherheit besorglich[187] genug auf seiten des Antigonos bemerklich machte, waren die Truppen des Eumenes vom besten Geist beseelt und forderten froh den Beginn der Schlacht.

Auf ein Zeichen des Eumenes bliesen die Heertrompeten zum Vorrücken. Die Scharen erhoben das Kriegsgeschrei; es stürmten die Elefanten auf den Flügeln des Angriffs gegeneinander, umschwärmt von dem leichten Volk, das sie deckte; bald war hier das heftigste Handgemenge, bereits füllte ein so übermäßiger Staub die Luft, daß man nicht mehr das Fernere erkannte. Da warf sich Antigonos mit einer überlegenen Reitermasse plötzlich gegen die Stelle des feindlichen linken Flügels, wo Peukestas stand; kaum merkte dieser den beabsichtigten Angriff, so zog er sich eiligst rückwärts aus dem Bereich des dichten Staubes; 1500 Reiter der nächsten Korps riß sein Rückzug mit sich. Es war eine Lücke in diesen Flügel gerissen, Eumenes, der auf dem äußersten Flügel stand, abgeschnitten; ihm blieb nichts übrig, als sich mit ganzer Macht auf Antigonos zu werfen und zu versuchen, ob er das Gefecht halten könne. Mit der größten Erbitterung und Heftigkeit wurde hier gekämpft, die Reiter des Eumenes verrichteten Wunder der Tapferkeit, auf Antigonos' Seite war die Übermacht. Noch schwankte das Reitergefecht hier, weiterhin der Kampf der leichten Truppen und der Elefanten; da sah man das führende Tier auf Eumenes' Seite stürzen; das entschied dort den Sieg; es begannen Eumenes' Tiere und die leichten Truppen zu flüchten; auch die Reiterscharen lösten sich mehr und mehr; hier war nichts mehr zu retten; Eumenes eilte, die Ilen, so viel er konnte, zu sammeln, sich auf den rechten Flügel zurückzuziehen, um den Kampf dort fortzusetzen, der im Zentrum sich schon für ihn entschieden. Denn die Argyraspiden waren dichtgeschlossen auf das feindliche Fußvolk losgestürmt, hatten die ihnen zunächststehenden Haufen teils zu Boden, teils in die Flucht geschlagen. dann mit ihrer unwiderstehlichen Wucht rechts und links weiter dringend, fast allein gegen immer neue und neue Scharen kämpfend, der Feinde an 5000 erschlagen, ohne selbst auch nur einen Mann einzubüßen. Das feindliche Fußvolk war so gut wie vernichtet.

Indes hatten sich hinter dem Staub der wilden Schlacht unbemerkt die dazu kommandierten Meder des Antigonos auf das feindliche Lager, das eine halbe Stunde hinter dem Schlachtfeld lag, geworfen, hatten mit leichter Mühe die Roßbuben und Packknechte und die geringe Besatzung, die sich ihnen entgegengestellt, überwältigt, sofort das Plündern des Lagers begonnen; sie fanden ungeheure Beute an Gold und Geldeswert; die Weiber und Kinder der Argyraspiden und der anderen Soldaten, die Schätze der Satrapen und Befehlshaber fielen in ihre Hände. Die Nachricht kam an Eumenes eben da, als er sich aus dem Gefecht auf den rechten[188] Flügel zurückzog; Peukestas war bis hierher zurückgewichen, er ließ ihn eiligst zu sich entbieten: jetzt könne er seinen Fehler wiedergutmachen. Des Feldherrn Plan war, die Vernichtung des feindlichen Zentrums zu einem erneuten Reiterangriff zu benutzen; er hoffte, wenn er sich an der Spitze seiner ganzen Reitermacht auf Antigonos werfe, den Sieg vollends zu entscheiden; das Lager mit allem Zubehör war dann von selbst wiedererobert. Aber Peukestas weigerte sich des Befehls: es sei alles verloren; er eilte weiter. Schon brach, winterlich früh, die Abenddämmerung heran; Eumenes war nicht mehr imstande, Reiter genug zu einem neuen Chok zusammenzubringen. Von Antigonos' Reitern genügte die Hälfte, Eumenes in Schach zu halten, mit der anderen sandte er Peithon gegen die Argyraspiden, um sie, es koste, was es wolle, zum Weichen zu bringen. Die Argyraspiden formierten sich im Viereck und empfingen festgeschlossen den mächtigen Sturm; aber da der Feind mit der Reiterei das Schlachtfeld und das Lager zugleich innehatte, da keine befreundeten Reiter mehr im Felde waren, um sie selbst zu unterstützen und die Verbindung mit den übrigen Scharen herzustellen, da sie fürchten mußten, abgeschnitten und zu jeder Kapitulation gezwungen zu werden, zogen sie sich vor den Augen Peithons vom Schlachtfeld zurück und nahmen am Ufer eines nahen Flusses eine feste Stellung, laut fluchend, daß Peukestas die Niederlage der Reiterei und das Unglück des Tages verschuldet habe. Eben dahin sammelten sich gegen Anbruch der Nacht Eumenes, die Satrapen, die zerstreuten Scharen26.

Man eilte zur Beratung, was nun geschehen solle; die Satrapen forderten möglichst schleunigen Rückzug in die oberen Provinzen; auf das lebhafteste sprach Eumenes dagegen: das Fußvolk des Feindes, also seine Hauptmacht, sei vollkommen geschlagen, sein Verlust so bedeutend, daß er erneuten Kampf nicht aushalten könne; an Reiterei sei man, wenn auch nicht der Zahl nach, dem Feinde gewachsen, der Ausgang des Tages sei[189] nicht gegen die Tapferkeit der Reiter, sondern gegen gewisse Führer, die den Staub mehr als die Waffen gefürchtet, ein Zeugnis; man müsse bleiben, am nächsten Tage den Kampf von neuem beginnen, dem Antigonos, heute der Besiegte, nicht mehr gewachsen sei; dann werde man nicht bloß das Lager mit allem, was drinnen gewesen, wieder nehmen, sondern überdies das der Feinde erbeuten. Die »Makedonen«, sagt die Überlieferung, also wohl Antigenes, Teutamas usw., verwarfen das eine wie das andere; sie wollten weder fliehen, noch nach Verlust ihrer Habe, ihrer Weiber und Kinder weiterkämpfen. Es wurde hin- und hergeredet, man fand keinen Rat, die Versammlung trennte sich ohne Beschluß.

Indes ertrugen es die Argyraspiden nicht, ihre Schätze verloren zu haben und eine Nacht ohne ihre Weiber zu schlafen; Teutamas hetzte sie noch mehr auf; sie sandten endlich an Antigonos: sie seien geneigt, auf jede Bedingung einzugehen, wenn ihnen das Ihrige zurückerstattet werde. Antigonos ließ ihnen antworten: er werde ihnen alles Ihrige ungeschmälert zurückgeben, er verlange von ihnen nichts als die Auslieferung des Eumenes. Auf Teutamas' Betrieb wurde das angenommen, sofort zur Ausführung geschritten. Zunächst machten sich einzelne auf unverdächtige Weise um die Person des Feldherrn zu tun, mit der Absicht, ihn genau zu beaufsichtigen; es kamen andere hinzu und klagten über die verlorenen Weiber und Güter, wieder andere sprachen ihnen Mut ein und versicherten dem Feldherrn, bald würde alles wieder gewonnen sein; andere schimpften auf die, durch welche die Schlacht verloren sei, und nannten sie Verräter. So mehrte sich der Zulauf, und der Lärm wurde wilder und drohender; Eumenes ahnte Übles, nur die Flucht schien ihn noch retten zu können, nur ein Augenblick noch ihm frei zu sein; er wollte sich mit einigen Begleitern entfernen, – da stürzen die Nächststehenden auf ihn los, entreißen ihm das Schwert, binden ihm die Hände mit seinem Gürtel, schleppen ihn hinweg. Schon ist im Lager die wildeste Verwirrung; jeder der Satrapen, der Befehlshaber handelt nach seinem eigenen Sinn, Peukestas zieht mit seinen 10000 Persern zu den Feinden hinüber, andere rüsten sich, seinem Beispiel zu folgen oder sich durch eilige Flucht zu retten.

Von Antigonos gesandt, kam Nikanor, sich Eumenes ausliefern zu lassen und die sonstigen Maßregeln zu veranlassen. Als der Stratege gebunden zu ihm geführt wurde, bat dieser, durch die Reihen der Makedonen geführt zu werden, er wolle zu ihnen sprechen, nicht um ihr Mitleid anzuflehen noch ihren Sinn zu ändern, sondern um ihnen etwas, das ihnen nützlich sei, mitzuteilen. Es wurde ihm gewährt; er trat auf eine Erhöhung, er streckte seine gebundenen Hände aus: »Hätte sich je, ihr Verruchtesten der Makedonen, Antigonos solche Trophäen über euch auch[190] nur erträumen können, wie ihr jetzt selbst zu eurer Schande gewährt, indem ihr euren Feldherrn als Gefangenen ausliefert? War das nicht schon arg genug, daß ihr, die Sieger, um eures Gepäcks willen eine Niederlage erlitten zu haben eingestandet, gleich als wäre in dem eitlen Besitz, nicht in den Waffen der Sieg? Jetzt aber schickt ihr gar euren Feldherrn als Kaufgeld für euer Gepäck! Ich werde hingeschleppt, im Kampf nicht bewältigt, Sieger über die Feinde, von den Meinigen verraten! Wohl denn, beim Zeus der Schlachten und den ewigen Mächten, die den Meineid strafen, beschwöre ich euch, tötet mich selbst, hier, mit eigenen Händen; werde ich auch dort ermordet, euer Werk ist es ja doch! Antigonos wird euch darum nicht tadeln; er will Eumenes tot, nicht lebend haben. Und versagt ihr mir eure Hände, so löst mir nur einen Arm, er wird hinreichen, die Tat zu vollbringen. Und wagt ihr nicht, mir ein Schwert anzuvertrauen, so werft mich gebunden unter die Fuße der Tiere, daß sie mich zerstampfen. Tut ihr es, so verzeih' ich euch das Verbrechen, das ihr an mir begangen, so rühme ich euch als die getreusten und gerechtesten Kameraden!«27 /

Diese Rede des Eumenes machte auf die übrigen Truppen einen großen Eindruck; sie weinten und jammerten laut, beklagten das unwürdige Schicksal ihres Feldherrn; die Argyraspiden schrien: man solle ihn hinwegführen, solle nicht weiter auf sein Geschwätz achten; das sei noch lange nicht so schlimm, wenn ein chersonesitischer Halunke ins Unglück käme, der die Makedonen tausend Kriegen preisgebe, als wenn die besten Soldaten Alexanders und Philipps, nach so vielen Strapazen ihr lebelang, nun im Alter der Früchte ihrer Arbeit beraubt würden, ihren Lebensunterhalt vor fremden Türen betteln, ihre Weiber nun schon die dritte Nacht bei den Feinden schlafen lassen müßten. Unter solchem Geschrei trieben sie den Feldherrn weiter, zogen mit ihm zum Lager hinaus; ihnen nach drängte sich alles, was nur im Lager war, so daß sich Antigonos, Unordnungen fürchtend, genötigt sah, zehn Elefanten und einige Scharen medischer und parthischer Reiter auszusenden, die den Haufen auseinandertrieben. So wurde Eumenes in das Lager des Antigonos und in festen Gewahrsam gebracht.

Es ist nicht überliefert noch aus Andeutungen zu schließen, in welcher Weise sich jetzt das Heer der Verbündeten auflöste. Die Verschwörung, die die Führer vor der Schlacht gemacht, hatte erst noch durch Eumenes den Sieg gewinnen, dann ihn abtun wollen; natürlich, daß bei solchem[191] Gaunervertrag keiner dem andern traut, darum betrügend dem Betrug vorauszukommen sucht. Den ersten Preis des Verrats gewannen sich Eudemos und Phaidimos, indem sie dem Verratenen den Verrat verrieten; was Peukestas nach begonnener Schlacht tat, läßt kaum zweifeln, daß er die Mitverschworenen um den Sieg, den Eumenes noch erfechten sollte, geflissentlich gebracht, daß er noch vor der Schlacht Antigonos den Verrat angeboten hat. Die Sache der Verschworenen war schon verloren, ehe Eumenes trotz ihres Verrats den Sieg gewann; trotz der Verräter hätte er ihn behauptet, wenn nicht die Argyraspiden sich von Teutamas hätten betören lassen; sie hätten alles Verlorene wiedergewonnen, wenn sie, wie Eumenes wollte, noch einmal kämpften; dann aber wäre Antigenes nach wie vor über Teutamas geblieben; Teutamas veranlaßte ihre Sendung an den Feind, um sich dessen zu entledigen, der ihm zunächst im Wege war. Es ist durchaus unwahrscheinlich, daß Antigonos mit den Gegnern Kapitulationen irgendwelcher Art schloß; vielmehr scheint es, daß er sich, nachdem er des Zuzugs der Argyraspiden gewiß war, ganz als Sieger gegen die übrigen Truppen und ihre Kommandierenden benahm. Es war das erste, was er tat, daß er Antigenes gefangennehmen und hinrichten ließ; nicht minder wurde Eudemos aus Indien, Kebalinos, andere Befehlshaber hingerichtet; andere retteten sich durch die Flucht; auch die Heimkehr der übrigen Satrapen scheint nicht sowohl infolge förmlicher Übereinkunft – denn sonst würde sie Antigonos nicht späterhin von neuem in ihren Satrapien zu bestätigen gehabt haben –, sondern möglichst eiliger Rückzug gewesen zu sein. Die Argyraspiden und die übrigen Truppen, so viele ihrer nicht den Satrapen gefolgt waren, zogen in das Lager des Antigonos hinüber und wurden, mit dessen Heer vereinigt, unter seine Befehlshaber gestellt28.

Für Antigonos konnte der Ausgang des Feldzugs nicht günstiger sein; mit einem Schlage war er der Herr des oberen Asiens, sein Heer auf eine unvergleichliche Weise verstärkt und den weiteren Unternehmungen, die seinen Sinn beschäftigten, gewachsen, die letzte Stütze des Königtums gestürzt, Eumenes, der allein statt eines Heeres gelten konnte, in seiner Hand. Es wird berichtet, daß es sein Wunsch gewesen sei, ihn zu gewinnen, ihn zum Genossen seiner weiteren Pläne zu machen, von seinem Talent, seinem Ruhm und der Partei unterstützt, deren Vertreter und Haupt der Kardianer war, den Machthabern im Westen, mit denen er, bisher ihr Verbündeter, den nächsten Kampf bestehen mußte, entgegenzuziehen; er mochte hoffen, daß Eumenes, dessen Leben nun in seine Hand gegeben[192] war, geneigt sein werde, um des Lebens willen sich mit ihm zu vereinigen. Er ließ ihm die Bande lösen, in denen er ihm ausgeliefert worden war; er gestattete denen, die es wollten, den Zutritt zu ihm, daß sie ihn trösteten, vielleicht auch, daß sie seinen Sinn wendeten und ihn die Möglichkeit einer unerwartet glücklichen Zukunft ahnen ließen.

Der dritte Tag verging, ohne daß Eumenes Entscheidendes über sein ferneres Schicksal erfuhr; er äußerte, so wird erzählt, gegen Onomarchos, der ihn bewachte, seine Verwunderung, daß Antigonos ihn, den er nun doch in seiner Hand habe, weder schleunigst hinrichten lasse noch hochherzigerweise in Freiheit setze; auf Onomarchos' Erwiderung: in der Schlacht sei es Zeit gewesen, den Tod nicht zu fürchten, habe Eumenes geantwortet: »Beim Zeus, das habe ich! Frage die, welche mit mir gekämpft haben; aber ich fand keinen, dem ich erlegen wäre.« Onomarchos darauf: »Hast du ihn nun gefunden, was erwartest du nicht die Stunde, die er dir bestimmt?«

Indes hatte Antigonos, entweder weil er sich nicht entschließen konnte oder nicht entschließen wollte, im Kriegsrat mehrfach Eumenes' weiteres Schicksal zur Sprache gebracht. Zugunsten des Gefangenen sprach namentlich Nearchos, sprach der junge Demetrios: ihn zu erhalten, gebiete der eigene Vorteil, schon des Beispiels halber müsse man der Tat der Veteranen nicht diese furchtbare Erfüllung hinzufügen. Auch Nearchos war ein geborener Grieche; er glaubte versprechen zu können, daß sich Eumenes hinfort treu der Sache des Antigonos hingeben werde. Die meisten der übrigen sprachen entschieden gegen ihn; wohl nicht bloß im Interesse der gemeinsamen Sache; wer hätte nicht neben solchem Manne in Antigonos' Umgebung an Bedeutung zu verlieren gefürchtet? Antigonos selbst schwankte zwischen dem Haß gegen den einzigen, dessen Überlegenheit er fühlte, und dem nicht minder lebhaften Wunsch, dessen Namen und dessen Begabung noch erst zu seinem Vorteil zu nützen. Indes zeigten sich im Heere bedenkliche Bewegungen; die Makedonen, wie es scheint besonders die Argyraspiden, waren ergrimmt und voll Unruhe, daß der Gefürchtete noch lebe; es war zu besorgen, daß es zu offenem Aufruhr käme, wenn man länger schwankte. Der Stratege gebot, dem Gefangenen die Nahrung zu entziehen; am dritten Tage, als das Heer aufbrach, kam ein Mensch in das Gefängnis und ermordete ihn; man sagt, es sei, ohne Vorwissen des Antigonos, seitens der übrigen Befehlshaber geschehen.

Antigonos gab des Eumenes Leichnam seinen Freunden und erlaubte, ihn zu verbrennen, seine Asche in silberner Urne an die Seinigen zu schicken.

So endete Eumenes, der Kardianer, sein vielbewegtes und tatenreiches Leben im 45. Lebensjahre; seit seinem 18. Jahre war er in makedonischen[193] Diensten. Bei einem Besuch in Kardia hatte ihn König Philipp bemerkt, ihn mit sich genommen, und bei seinem scharfen Blick, den Wert derer, die um ihn waren, zu erkennen, ihn zu seinem Grammateus gemacht; in derselben Stellung, als Archigrammateus, war er um Alexander, solange dieser lebte. Durch die Gunst beider Könige und seine hervorragende Begabung war er für die übrigen makedonischen Großen ein Gegenstand des Neides und der Eifersucht geworden; und die Vorsicht, mit der er sich gegen sie zu benehmen und sich zwischen ihnen zu halten genötigt war, konnte durch den Schein der Zweideutigkeit, den sie erzeugte, den steten Argwohn rechtfertigen, mit dem man auf den stillen, klugen Mann sah. Als der König starb, begann für ihn eine Reihe der schwierigsten Verhältnisse; nicht was er bisher gewesen und geleistet, sicherte ihm seine Stellung; er mußte sich unentbehrlich zu machen suchen; und nicht zum wenigsten sein Werk war die Versöhnung zwischen Fußvolk und Ritterschaft im Sommer 323, die Gründung des neuen Regimentes. Die Verhältnisse zwangen ihn, sich ganz der Sache des Königtums hinzugeben; ihr blieb er bis auf den letzten Augenblick getreu; es war sein Unglück, daß er nur für das Königtum kämpfen, nie für seine Person gewinnen, erwerben und besitzen wollte oder konnte; er diente einer verlorenen Sache. Ein Makel haftete an ihm: alle Siege, aller Ruhm, alle Trefflichkeiten, die ihn auszeichnen, vermögen nicht, die Makedonen, vornehm und gering, vergessen zu lassen, daß er doch nur ein Grieche ist; was er auch leisten, wie in schwerster Gefahr Rettung finden, mit kühnsten Entwürfen den Sieg erzwingen mochte, es war nur für den Moment. Immer von neuem beginnt der Unermüdliche die Sisyphosarbeit; mit unglaublicher Gewandtheit und Kühnheit zwingt er die Umstände nach seinem Willen, macht sich zum Mittelpunkt dessen, was geschieht, beherrscht bald schmeichelnd, bald imponierend die Menge, zwingt die Besten in die Bahnen seines Willens, wird von den Parteien gesucht, mit Ehren und Vertrauen überschüttet, wird der leitende, wird der alleinige Führer, wird Sieger, – immer wieder ist es der Schimpf, daß er nur ein Grieche ist, was ihm in den Weg tritt, was seinen Siegeslauf hemmt, ihn fallen macht. So stets wie ein Geächteter, allen, wenn auch verhaßt, doch unentbehrlich, wenn auch ein Retter, so doch verächtlich und nur ein Werkzeug, endlich in sich selber verbittert, unsicher, ratlos, wird er durch den schnödesten Verrat, den wetteifernd das Heer und die Befehlshaber gegen ihn stiften, seinem Todfeinde preisgegeben.

Antigonos war bald nach der oben berichteten Schlacht aufgebrochen und mit seinem bedeutend verstärkten Heere nach Medien in die Winterquartiere zurückgekehrt; in einem der Orte unfern von Ekbatana nahm er sein Hauptquartier, seine Truppen lagerten über die ganze Satrapie[194] verteilt, namentlich in der Landschaft von Rhagai längs der Kaspischen Gebirge, Peithon in den entfernteren Gegenden Mediens. So vollständig Antigonos Sieger war, sein Heer hatte zu sehr gelitten, und unter den neuen Truppen waren zu schwierige, noch zu wenig eingewöhnte Elemente, als daß er sofort hätte darangehen können, den Ergebnissen des Erreichten ihre Folgewirkung zu geben. Auch mochte es seine Absicht sein, erst das Gerücht von dem völligen Umschwung der Dinge wirken und seinen Namen mit dem Nimbus umgeben zu lassen, den er für seine weiteren Pläne wünschen mochte.

In der Tat war er jetzt Herr Asiens, in seiner Hand lag nicht bloß das Wohl und Wehe der Großen, die gegen ihn gekämpft hatten, auch zu denen, die für ihn gekämpft hatten, war seine Stellung vollkommen verändert; Peithon mochte es bereuen, in diese Gegenden, über die er selbst unumschränkter Gebieter zu werden gehofft hatte, den Mann gerufen zu haben, dem sich bald alle und er selbst beugen zu müssen schienen.

War es mehr die Besorgnis vor dem weiteren Umsichgreifen des Antigonos oder die eigene Unruhe und Verblendung, die Peithon trieb, – er beschloß, der Gefahr zuvorzukommen. Noch schien es Zeit dazu, noch war Antigonos' neue Macht nicht fest gegründet, noch alles voll Aufregung und Furcht; der zersprengte Anhang des Eumenes schien nur eines neuen Mittelpunktes zu bedürfen, um von neuem in Aktion zu treten; von vielen Satrapen war zu erwarten, daß sie leicht, sobald ein Anfang gemacht sei, gegen den übermächtigen Strategen Partei nehmen würden. Peithon begann seine Machinationen; mit Geschenken und Versprechungen gelang es ihm, die Truppen in den nächsten Kantonnements zu gewinnen, frische Söldnerscharen zu werben, Geld aufzubringen, alles zur Schilderhebung vorzubereiten.

Antigonos erhielt von alledem Kunde; der Gefahr mußte schnell begegnet werden; ein offenbarer Kampf schien, wenn nicht in seinem Erfolg unsicher, doch zeitraubend und wie ein Zugeständnis gegen bloß strafbare Auflehnung; er versuchte es, sicherer und ohne großes Aufheben zum Ziel zu gelangen. Er behandelte jene Botschaften als Verleumdungen, als wolle man das Band der Freundschaft, das ihn mit Peithon verbinde, lockern; er könne nicht glauben, daß Peithon solche Dinge jetzt vorhabe, da er ihm 5000 Makedonen und 1000 Thraker zu überweisen im Begriff sei. Er ließ bekannt werden, daß er demnächst nach den Küstengegenden zu marschieren gedenke, Peithon werde als Stratege der oberen Satrapien mit hinreichender Mannschaft zurückbleiben, in dessen Hand wisse er seine Sache vollkommen sicher. An Peithon selbst schrieb er: er wünsche ihn vor seinem Abmarsch nach den Seeprovinzen noch zu sprechen, um mit ihm das Notwendige zu verabreden und ihm die für ihn bestimmten Truppen[195] zu übergeben. Mit diesen Briefen des Antigonos kamen an Peithon andere seiner Freunde im Hauptquartier, welche bestätigten, daß Antigonos sich zum Abmarsch rüste, daß die Truppen schon bezeichnet seien, die bei ihm als dem künftigen Strategen der oberen Satrapien zurückbleiben sollten. Aus allem sah Peithon, wie völlig unentdeckt sein Plan sei. Er glaubte sich vollkommen sicher; er eilte nach Ekbatana. Kaum angelangt, wurde er festgenommen, im Synhedrion der Kommandierenden von Antigonos verklagt, zum Tode verdammt, sofort hingerichtet.

Dies rasche und strenge Verfahren des Antigonos mochte nicht geringe Bestürzung unter den übrigen Machthabern verbreiten; nicht genug, daß Antigonos mit blutiger Schärfe gegen überwältigte Feinde verfuhr, mit doppelter Vorsicht schien er ehemalige Freunde zu beobachten und sie rücksichtslos zu strafen. In wie kurzer Zeit welche Hinrichtungen! Welche Namen, welche Nobilitäten aus Alexanders Zeit, die so getroffen waren! Eudemos, Antigenes, Eumenes, Peithon, alle von den höchsten Würden im Reiche, von der größten Auszeichnung zu Alexanders Zeiten, außer ihnen viele andere Befehlshaber, – in wenigen Wochen, nacheinander waren sie abgetan; es war, als ob es gelte, alles Große und Ausgezeichnete aus früheren Zeiten hinwegzutilgen und statt der glorreichen Erinnerungen aus Alexanders Heerfahrten leere Stätte zu schaffen. Antigonos hatte sein Ziel vor Augen; unverrückt verfolgte er es; auf der begonnenen Bahn fortschreitend mußte er das Bedeutende, das ihm gegenüber oder nahe gestanden, hinwegräumen, mußte er seine Kreaturen in die leeren Stellen schieben, mußte er endlich, als Herr des Morgenlandes und mit den ungeheuren Schätzen, die da und dort aufgehäuft lagen, ausgerüstet, zum letzten und entscheidenden Kampf, der sich im Westen für ihn vorzubereiten begann, zurückeilen.

Mit dem Beginn des Frühlings 316 zog er seine Truppen aus den Winterquartieren zusammen und bestellte zum Satrapen Mediens den Meder Orontobates, zum Strategen Hippostratos mit einem Kommando von 3500 Mann fremden Fußvolks; er selbst rückte mit dem Heere zuerst nach Ekbatana, nahm dort den noch vorhandenen Schatz von 5000 Talenten ungeprägten Silbers an sich, zog weiter nach Persis, das zwanzig Tagemärsche entfernt lag. Er konnte es, da das Heer, das Peithon für seinen Abfall bereits geworben und gewonnen hatte, nicht mehr vorhanden war; wie es aufgelöst und zerstreut worden, ist nicht überliefert. Allerdings versuchten, als Antigonos über die Grenze Mediens hinaus war, einige Genossen und Freunde Peithons, unter ihnen besonders Meleagros und Menoitas, die umherirrenden Anhänger des Hingerichteten zu sammeln, auch von Eumenes' Getreuen fanden sich viele zu ihnen; bald hatten sie 800 Reiter beieinander, mit diesen schwärmten sie in Medien umher,[196] riefen zum Aufstand, plünderten die Gegenden, die sich ihrer Befehle weigerten. Bald war die Satrapie voll Schrecken oder Aufruhr. Hippostratos und Orontobates zogen gegen sie aus; über Nacht wurde ihr Lager von den Empörern überfallen, und wennschon deren Zahl zu gering war, um Entscheidendes zu wagen, so fanden sich doch Überläufer in nicht geringer Zahl zu ihnen, mit verstärkter Macht schwärmten sie in der Satrapie umher, heerend und plündernd, alles mit Entsetzen und Verwirrung füllend, stets flüchtig, wo sich die bewaffnete Macht zeigte; endlich gelang es dem Strategen, sie auf einen engen und von Abgründen umgebenen Raum zusammenzutreiben, dort einzuschließen; nach verzweifelter Gegenwehr, in welcher Meleagros, Okranes, der Meder, andere der Anführer umkamen, wurden sie endlich bewältigt und gefangengenommen.

Indes war Antigonos nach Persepolis gekommen29; mit höchsten Ehren empfingen ihn die Einwohner, es war nicht anders, als wenn der Großkönig einzöge. Und so wünschte sich Antigonos zu sehen; von hier, von der Königsstadt des alten persischen Reiches aus wollte er die Befehle datieren, die über das Schicksal der Satrapien und ihrer Herren entscheiden sollten. Er berief das Synhedrion, nach dessen Rat vollzog er die neuen Bestallungen: Tlepolemos von Karmanien, der für Eumenes gekämpft, Stasanor, der ihm wenigstens Truppen gesandt hatte, blieben in ihren Satrapien; für die Satrapie Areia wurde an des Kyprioten Stasandros Stelle Euitos, und da dieser gleich darauf starb, Euagoras bestellt; auch Oxyartes im Lande der Paropamisaden behielt, obschon er Eumenes Beistand geleistet, seine Satrapie; Sibyrtios von Arachosien, der offenen Verrates wegen von Eumenes verklagt und vor dem Urteil geflüchtet war, hatte sich auf Antigonos' Einladung nach Persepolis begeben und erhielt zum Dank nicht bloß seine Satrapie wieder, sondern von dem Korps der Argyraspiden ein volles Drittel, angeblich zu militärischen Zwecken; Peukestas endlich schien teils durch seine frühere Stellung zum König Alexander, teils durch die Dienste, die er im Laufe des neulichen Krieges der guten Sache geleistet, einer viel einflußreicheren Stellung, als die Satrapie Persis war, würdig zu sein; der Stratege, hieß es, werde ihn deshalb vorläufig in seiner Umgebung behalten, um ihm einen angemesseneren Wirkungskreis zu schaffen; Persien erhielt Asklepiodoros.[197] So die Beschlüsse von Persepolis; freilich waren sie nicht ganz so gemeint, wie sie lauteten; die Verhältnisse in Baktrien, Karmanien, am Paropamisos zu ändern wäre dem Antigonos, wenn auch möglich, doch zu langer Aufenthalt gewesen, und hätte ihn namentlich weiter von den Westländern entfernt, als seine weiteren Pläne gestatteten. Er hätte mit bloßen Dekreten Oxyartes, Tlepolemos, Stasanor, die ihre Landschaften vortrefflich verwalteten und der Beihilfe ihrer streitbaren Untertanen und Nachbarn gewiß waren, nicht aus ihrer Stellung zu drängen vermocht; er zog es vor, sie durch unerwartete Milde für sich zu gewinnen. Die Bestimmung über die Argyraspiden bezweckte nichts anderes, als dies mächtige Korps zu trennen und damit zu schwächen; es wird ausdrücklich überliefert, daß Sibyrtios den Befehl erhielt, sie auf solche Posten zu bringen, wo er ihres Untergangs gewiß wäre; die übrigen Argyraspiden wurden als Besatzungen in weit voneinander entlegenen Flecken zurückgelassen. Das vor kurzem noch allmächtige Korps wagte nicht, sich diesem Befehl, durch den es vernichtet wurde, zu widersetzen; es sank plötzlich und für immer, als räche sich der Verrat, den es gegen Eumenes gesponnen. Vorsichtiger war des Strategen Verfahren gegen Peukestas; der Satrap hatte bei seinen persischen Untertanen, deren Sprache und Sitte er angenommen, so außerordentliche Liebe, daß Antigonos ihn trotz der, wie es scheint, förmlich übernommenen Verpflichtungen gegen ihn, dennoch beseitigen zu müssen meinte; als jener Befehl bekannt wurde, äußerte sich allgemein die größte Bestürzung und Unzufriedenheit, und einer der vornehmsten Perser erklärte laut und offen, die Perser würden keinem anderen gehorchen; eine Äußerung, die Antigonos, um ein schreckendes Beispiel zu geben, mit dem Tode strafte. Peukestas folgte dem Strategen, wie es heißt, gern, ohne Argwohn, voll neuer Hoffnung; sein Name verschwindet seitdem aus der Geschichte.

Von Persepolis zog Antigonos nach Susa hinab; es war ein Jahr her, daß er aus dieser Landschaft als Besiegter hinweggezogen, damals war bestimmt, Seleukos von Babylon sollte diese Satrapie zu der seinigen hinzu erhalten; es war ihm gelungen, das Land zu unterwerfen, auch der Befehlshaber der Burg von Susa, Xenophilos, der sich lange und tapfer verteidigt hatte, war endlich zu ihm übergetreten. Jetzt nahte Antigonos; nach den Vorgängen in Medien und Persien mochte Seleukos wohl einsehen, daß er nicht behutsam genug zu Werke gehen könne: er veranlaßte Xenophilos, dem Strategen bis an den Pasitigris entgegenzuziehen, ihn mit Ehren zu empfangen und sich namens des Seleukos zu jedem Befehl bereit und gehorsam zu erklären. Antigonos nahm ihn huldvoll auf, ehrte ihn auf jede Weise und den ersten seiner Umgebung gleich, in der Stille noch immer besorgt, es möchten ihm die Schätze von Susa geweigert[198] werden. Dann rückte er in Susa, in die Burg von Susa ein; die Schätze wurden ihm übergeben, es lag hier noch die ungeheure Masse von 15000 Talenten, und Gefäße, Kunstwerke, Kränze, andere Arbeiten im Wert 5000 Talente. Antigonos nahm alles an sich, so daß sein Geldvorrat teils aus Medien, teils aus Susa, teils in goldenen Kränzen und Ehrengeschenken, die ihm gesendet worden, sich auf 25000 Talente belief. Er bestellte über Susa einen neuen Satrapen in der Person des Susianers Aspisas, bereits der zweite Nichtmakedone, den er zu so wichtigem Posten berief.

Mit seinem Heere und dem ungeheuren Geldtransport, der teils auf Wagen, teils auf Kamelen weitergeschafft wurde, zog Antigonos in 22 Tagen nach Babylon, um von dort an das Meer zu gehen. Seleukos hätte freilich Grund gehabt, dem Satrapen erzürnt zu sein, der das ihm zugestandene Susiana ohne weiteres einem anderen Satrapen übergeben; er wagte es nicht, den allmächtigen Freund seinen Unwillen erkennen zu lassen; er mochte hoffen, daß dessen Aufenthalt in diesen Gegenden nur von kurzer Dauer sein und daß, wenn er erst wieder fern im Westen stand, sich Zeit und Gelegenheit genug finden werde, nach eigenem Interesse zu handeln. Dasselbe sah Antigonos voraus; er kannte den gewandten und tätigen Sinn des Satrapen von Babylon, er wußte, wie sehr ihm seine Untertanen ergeben seien; er konnte den Osten nicht sich selbst überlassen, solange dort noch so bedeutende, so zu allen Ansprüchen berechtigte und ausgerüstete Männer an der Macht waren; es galt, ihn unschädlich zu machen. Seleukos kam dem Strategen entgegen, ihn an der Grenze seiner Satrapie zu begrüßen; er brachte ihm viele königliche Geschenke, wünschte ihm Glück wegen der glorreichen Erfolge, die er in so kurzer Zeit errungen; er gab dem Heere des Strategen Gastmähler und Festlichkeiten; in jeder Weise zeigte er sich seinem Bundesfreund so zuvorkommend und bereitwillig, als sei er mit allem, was geschehen und auch wider ihn selbst geschehen, vollkommen einverstanden. Da geschah es, daß Seleukos einen der Generale über irgend etwas auf beleidigende Weise zurechtwies, ohne die Sache dem Strategen mitzuteilen; dieser verhehlte nicht, daß er sich wundere, wie man sich nicht an ihn als den Vorgesetzten wende, um seine Entscheidung einzuholen; Seleukos seinerseits stellte jede Art von Unterordnung in Abrede. Man kam weiter und weiter in diesem an sich unbedeutenden Streit, dem von beiden Seiten der ganze Nachdruck des Mißtrauens und der Absichtlichkeit geliehen wurde; Antigonos endlich forderte, daß ihm die Rechnungen über die Einkünfte und Ausgaben der Satrapie vorgelegt würden; Seleukos wies solche Forderungen zurück: er kenne keine Kontrolle dieser Art, ihm sei die Satrapie von den Makedonen für die vielen Dienste, die er dem Reiche geleistet, übertragen worden, er wisse nicht, unter welchen Rechtstiteln sich der Stratege in[199] die Verwaltung der Satrapie mischen könne. Man verständigte sich nicht mehr. Seleukos hatte das Beispiel des Peithon vor Augen, er fürchtete, daß Antigonos es darauf anlege, sich seiner Person zu bemächtigen, um ihn dann wie jenen durch einen Beschluß seines Synhedrions, durch Kabinettsjustiz in bester Form, zum Tode zu bringen. Er eilte, sich zu retten; von 50 Reitern begleitet, floh er aus Babylon, bei Ptolemaios in Ägypten Schutz zu suchen30.

Für Antigonos war dieser Ausgang des Streites der wünschenswerteste; schien es doch, als habe nicht er den Satrapen verdrängt, als bekenne dieser mit der Flucht seine Schuld; war er doch, ohne ein Unrecht gegen den früheren Freund getan zu haben, Herr seiner Satrapie und eines gefährlichen Nebenbuhlers frei geworden; mit Recht mochte Antigonos sein gutes Glück preisen, das ihm seine Wege ebnete. Damals, so wird erzählt, kamen die priesterlichen Chaldäer zu ihm und erklärten: in den Sternen stehe geschrieben, daß, wenn er Seleukos aus seinen Händen lasse, diesem ganz Asien untertänig sein werde. Da soll Antigonos bereut haben, daß er sich nicht der Person des Satrapen vergewissert habe; er ließ den Fliehenden verfolgen, um ihn womöglich noch einzuholen und einzubringen; es war zu spät. Ausdrücklich wird hinzugefügt, daß sonst Antigonos auf Vorhersagen der Art wenig gegeben habe, damals aber sei er, teils durch die hohe Achtung, in der jene Priester standen, besonders aber durch die Erinnerung an das, was von denselben Männern dem König Alexander geweissagt worden und sich so vollkommen erfüllt habe, im Innersten bewegt worden. Sind diese Angaben zuverlässig – und sie stammen aus bester Quelle –, so geben sie einen merkwürdigen Beitrag zur Charakteristik des Antigonos, der, sonst so verständig, so aufgeklärt und, man möchte sagen, prosaisch, in diesen höchst aufgeregten Tagen sein Ohr den Wahrsagungen der Astrologen lieh, welche, mit der mathematischen Gewißheit ihrer Berechnungen von Jahrtausenden her, des Aberglaubens dieser rationellen Zeit vollkommen gewiß waren.

Die allgemeine Lage gestattete Antigonos nicht, länger in Babylon zu verweilen; er sah den entscheidenden Kampf mit den Machthabern im Westen nahe, und des Seleukos Ankunft dort brachte denselben voraussichtlich zum Ausbruch. Antigonos mußte eilen, diejenigen Gegenden zu erreichen, deren Besitz ihm für den Landkrieg die Offensive sicherte und von wo aus er eine neue Seemacht, deren er vor allem bedurfte, zusammenzubringen vermochte, da die, welche er bis zum Jahre 318 gehabt hatte,[200] aufgelöst war oder denen angehörte, gegen die es demnächst zu kämpfen galt. Er bestellte Peithon, des Agenor Sohn, der früher in Indien Satrap gewesen war, zum Satrapen über Babylon, ließ sich die Kinder der vornehmsten Bürger und mehrere Freunde des Geflüchteten als Geiseln ausliefern und übergab sie dem neuen Satrapen, sie in der Burg zu verwahren; dann zog er, bald nach Seleukos' Flucht, gegen Sommersende aus Babylon nach Mesopotamien; er entsetzte den Satrapen Blitor, der dem fliehenden Seleukos Vorschub geleistet hatte, seines Amtes; er eilte nach Kilikien und erreichte Mallos etwa um die Mitte November; er ließ seine Truppen die Winterquartiere beziehen.

Daß er ohne Mühe und ohne Kampf dies Gebiet, das Bindeglied zwischen dem Osten und Westen erreicht hatte, war zum Ziel der halbe Weg; er stand in der Mitte zwischen denen, die sich wider ihn erheben konnten, mächtiger als jeder von ihnen, in gleichem Maße entschlossen wie gerüstet, seine Übermacht geltend zu machen. Sein stets zuverlässiges Glück hatte sich von neuem bewährt. Es war ihm treu, weil er in allem nach eigener Entscheidung handelte, sich stets die alleinige Führung vorbehielt und so, immer ganz auf sich gestellt, immer seines Geheimnisses gewiß, den Feinden, deren ihm meist Verbündete gegenüber waren, auch wenn sie schon gesiegt hatten, noch den Sieg entriß. Nur seinen Sohn Demetrios begann er von dieser Zeit an in sein Vertrauen zu ziehen, ihm Anteil an seiner Macht zu geben; er gewann damit eine neue Stärke, indem keiner seiner Gegner einen Verbündeten von solcher Treue und Hingebung aufzuweisen hatte. Nie ist das schöne Verhältnis zwischen Vater und Sohn gestört worden, und mitten in seinem höchsten Glanz hielt es Antigonos für seinen Stolz, mit seinem Sohne in traulichem, man möchte sagen, bürgerlichem Verhältnis zu leben; wenn der Sohn von der Jagd heimkehrte, eilte er, noch im staubigen Kleide, zum Vater, küßte ihn und setzte sich an seine Seite; und den Gesandten sagte der Stratege, sie möchten auch das ihren Herren sagen, wie er mit seinem Sohne lebe. Für Antigonos ist nichts so charakteristisch als die Ordnung und Umsicht, mit der er auch die kleinsten Geschäfte leitete; über alle Verhandlungen führte er genaue Tagebücher, und oftmals erstaunten die zu ihm kommenden Gesandten, wie sicher er von längst vergangenen Zeiten wußte, wer damals mit ihm verhandelt, was gesprochen, wie die geringfügigsten Dinge gehalten worden. Dieselbe Ordnung hielt er in seinen Finanzen; er sorgte vor allem, so viel Geldvorrat als möglich zu sammeln, erpreßte, wo er und so viel er konnte; als ihm jemand vorstellte, so habe es Alexander nicht gemacht, antwortete er: der habe auch in Asien die Ernte gehalten, während er nur die Stoppeln lese. Bei seiner oben erwähnten Ankunft in Kilikien brachte er 25000 Talente aus den oberen Provinzen mit; dazu nahm er die 10000 Talente,[201] die noch in Kyinda lagen, und der jährliche Ertrag der Satrapien belief sich auf 11000 Talente; er wußte sehr wohl, daß bei der damaligen Weise der Kriegführung demjenigen, der das meiste Geld zahlte, die meisten und besten Truppen zu Gebote ständen, und in demselben Maße, als überall die großen Ideen, die nationalen Impulse verstummten, das Geld der stärkste Hebel und die einzig sichere Basis der Macht sei. Er liebte keine Art der Verschwendung, weder für sich und seine Genüsse, noch um von den Gelehrten und Literaten gepriesen zu werden, die er, hochgebildet und Freund der Studien, wie er war, gerne um sich sah; er wies sie, nicht selten mit dem ihm eigenen trockenen Witz, in ihre Schranken31. Wo es nötig schien, verstand er zu geben und selbst zu verschwenden, und die verbindliche Form, in die er seine Munifizenz zu kleiden verstand, verpflichtete um so mehr; er schien um der wirklichen Macht willen ihren Glanz gering zu achten und das Außerordentliche stets mehr zu meiden als zu suchen; als ihn einst jemand in einem Gedicht »Sohn der Sonne« nannte, meinte er, davon wisse der nichts, der ihm den Nachttopf reiche; und späterhin, als er König geworden, sagte er zu jemand, der ihn wegen seiner Macht glücklich pries: »Wüßtest du, wie dieser Lappen (auf das Diadem zeigend) voll Übel ist, du würdest ihn nicht von einem Misthaufen aufnehmen.« Einem, der, sich ihm angenehm zu machen, äußerte: alles, was der König tue, sei gerecht und gut, antwortete er: »Wohl bei den Barbaren, bei uns ist nur das Gerechte gerecht, das Gute gut.« In allem kann man sich nicht leicht einen größeren Gegensatz denken als zwischen ihm und seinem Sohn Demetrios; so verschwenderisch, so leidenschaftlich, so enthusiastisch dieser, ebenso nüchtern, vorsichtig und berechnend war der Vater, Eigenschaften, die mit dem höheren Alter – er war jetzt ein Siebziger – um so bestimmter hervortraten. Sein letzter Krieg zeugt davon, wie rüstig er noch war; er nahm stets am Kampf persönlich teil. Nie schien er aufgeräumter, als wenn es gegen den Feind ging; dann hatten sich seine Truppen in der Regel ein neues Witzwort von ihrem Alten zu erzählen, oder er ritt an der Front hinab und machte seine Späße über den Feind; auch im Lager liebte er es, wenn seine Leute fröhlich waren, während er mehr als irgendeiner der Feldherren auf strenge Zucht und Subordination hielt. Er verstand es, mit den Kriegsleuten umzugehen; als er einst in Winterzeit in einer vollkommen öden Gegend lagern mußte und durch das Lager gehend Soldaten in ihrem Zelte auf[202] seine abscheuliche Führung schimpfen hörte, schob er mit seinem Stock die Zelttür auf und rief ihnen zu, es werde ihnen schlecht gehen, wenn sie sich nicht mehr vorsähen. Auch sonst war er gegen Äußerungen über sich nachsichtig, nur über seine Einäugigkeit konnte er keinen Spott ertragen; als Theokritos von Chios auf die Einladung des Strategen durch seinen Mundkoch antwortete: »Du willst mich sicher dem Kyklopen roh vorsetzen«, ließ er denselben verhaften und töten.

Antigonos ist während der nächsten zehn Jahre der Mittelpunkt der Weltbegebenheiten; seine Rückkehr in den Westen bezeichnet den Beginn einer neuen Epoche in der Geschichte der Diadochen.

Fast um dieselbe Zeit war in Asien Eumenes und in Europa die Königin Olympias ermordet; damit der letzte Versuch des königlichen Geschlechtes, das Reich Alexanders in seiner Einheit zu bewahren und zu beherrschen, vollkommen gescheitert. Freilich lebte noch Alexander, der Sohn des großen Königs, aber in Kassandros' Gewalt, mit seiner morgenländischen Mutter gefangen, ein siebenjähriger Knabe; er bedeutete in der Welt nichts, als daß an ihm noch der Name der Macht haftete, den jeder der Großen jedem anderen in demselben Maße mißgönnte, als er ihn selber zu besitzen verlangte. Noch lebte des Königs Bastard Herakles; er hatte kein Anrecht auf das Königtum; vergessen, in Abgeschiedenheit brachte er seine jungen Tage hin, und später erst zieht ihn eine der Parteien ans Licht, um ihn für einen Augenblick als Prätendenten des Reiches aufzustellen. Endlich lebten noch zwei Fürstinnen des Hauses, die eine, Kleopatra, Philipps Tochter, die Witwe von Epeiros, von vielen der Großen umworben, die durch sie dem Diadem näher zu kommen hofften, die andere, Thessalonike, auch Philipps Tochter, seit Olympias' Tod an Kassandros vermählt, beide Fürstinnen ohne eigenen Einfluß auf die großen Verhältnisse, in denen nur der Name einer königlichen Partei noch eine Zeitlang als Vorwand oder Beschönigung diente.

Die Stellung der Parteien im Reiche hatte sich vollkommen verwandelt. Beim Tode Alexanders stand auf der einen Seite der Reichsverweser Perdikkas als Vertreter der Einheit des Reiches, dessen Erben in seiner Gewalt waren; auf der anderen Seite die Satrapen, die sich seiner Macht zu entziehen, ihr gegenüber Selbstständigkeit und Herrschaft zu erwerben trachteten. Mit Perdikkas' Sturz zerriß das Band, mit dem Alexander die weiten Länder aneinanderzuknüpfen bemüht gewesen war; das königliche Haus mußte sich in den Schutz des mächtigsten unter den Satrapen begeben, das Königtum verließ Asien und folgte dem Antipatros nach Makedonien. Mit seinem Tode begann das zweite Stadium der Entwicklungen; gegen Polyperchon, den neuen Reichsverweser, der das Königtum hätte vertreten sollen, erhoben sich Kassandros, Antigonos, Ptolemaios; als[203] hätten sie ein Recht, was sie mit den Waffen gewonnen, zu behaupten; das verhängnisvolle Wort »Eroberungsrecht« wurde die Losung gegen das Erbrecht und das Reich. Das königliche Haus selbst trennte sich bei wachsender Gefahr in zwei Parteien; die mit Polyperchon heimkehrende Königinmutter ermordete den König Philipp Arrhidaios und dessen Gemahlin, wieder gegen Olympias kämpfte Kassandros in Europa, gegen ihren Strategen Eumenes Antigonos in Asien. Für das Reich standen die Satrapen im Osten, um deren Selbständigkeit es getan war, wenn das ohnmächtige Königtum stürzte; aber die Gegner waren rascher, dreister, mächtiger; schon herrschte Ptolemaios über Ägypten, Kyrene und Syrien, schon Antigonos über alle Satrapien Kleinasiens; mit dem Beistand beider siegte Kassandros in den europäischen Ländern; im fernen Osten erstrebte Peithon von Medien unrechtmäßige Herrschaft über die oberen Länder, Seleukos verband sich mit ihm, mit beiden Antigonos. Die großen Kämpfe des Jahres 317 endeten mit dem Untergang der königlichen Partei in Asien und Europa.

Fortan treten die zum Sturz der königlichen Macht Verbündeten selbst einander als Feinde gegenüber. In Asien hat Antigonos gleich nach der Besiegung der unter Eumenes vereinigten Satrapen seine Verbündeten Peithon von Medien und Seleukos von Babylon, den einen ermordet, den anderen aus seiner Satrapie gedrängt; der ganze Osten steht so gut wie in seiner Gewalt, die Satrapen sind entweder von ihm in Pflicht genommen oder deren neue aus seinem Anhang bestellt; zu den 11000 Talenten jährlichen Tributs, die er bezieht, steuern Mesopotamien, Babylon, Susiana, Persien, Medien, alle oberen Provinzen bis zum Indus und Jaxartes; unter dem Namen eines Strategen von Asien hat er das Regiment über den Osten. Auch Kleinasien ist sein, fester als irgendwo sonst darf er dort seine Herrschaft begründet glauben; indes hat dort Asandros, der Satrap von Karien, Parmenions Bruder, seinen Machtbereich bedeutend erweitert, hat sich in Lykien festgesetzt, hat die früheren Landschaften des Eumenes an sich zu bringen gewußt und durch seinen Feldherrn Asklepiodoros Kappadokien bis an den Pontos erobert, nur die Stadt Amisos leistet noch Widerstand; Antigonos wird auch darum in Kilikien haltgemacht haben, um nicht zu früh mit Asandros zum Bruche zu kommen, worauf seine Gegner ihre Rechnung stellten.

Denn nach der Lage der Verhältnisse war Ptolemaios der natürliche Verbündete des Asandros; Ptolemaios hatte seit 320 Syrien und Phoinikien okkupiert; die schnelle Eroberung dieser Landschaften durch Eumenes im Jahre 318 hatte gezeigt, wie wenig sicher ihm dieser Besitz war, und doch hing sein Einfluß auf die Welthändel davon ab, daß er der Seemacht Phoinikiens und durch sie der Herrschaft auf dem Meere gewiß war. Er[204] hatte die Flotten der verschiedenen Seestädte jener Küste nach Ägypten gezogen, die zugleich als Geiseln für den Gehorsam des Küstenlandes dienen konnten; seine Macht war durch die Besitznahme Kyrenes, durch die Verbindung mit mehreren kyprischen Fürsten, vor allem durch die weise Verwaltung seiner Länder und durch seine bisher geringe Teilnahme an den Kriegen außerordentlich gehoben.

Auch Thrakien tritt um diese Zeit unter den Mächten ersten Ranges auf. Lysimachos hatte seit Alexanders Tod die Chersones, Thrakien und alles den Thrakern benachbarte Land bis Salmydessos am Pontos; schon unter Alexander waren von dem Odrysenfürsten Seuthes Versuche gemacht worden, die frühere Unabhängigkeit herzustellen; Lysimachos war nicht sobald in seine Satrapie gekommen, als er auch den Krieg mit diesem Fürsten begann; Seuthes stand (322) ihm mit 20000 Mann Fußvolk und 8000 Reitern entgegen; obschon Lysimachos' Heer kaum den fünften Teil des thrakischen betrug, wagte er die Schlacht, die er mindestens nicht verlor; er zog sich zurück, um demnächst mit größerer Macht den Kampf zu erneuern. Wir sind von dessen weiterem Verlauf nicht unterrichtet; Lysimachos scheint mit seiner ganzen Macht und in sehr ernster Weise nach dieser Seite hin beschäftigt gewesen zu sein; weder im Lamischen Kriege noch in den Kämpfen gegen Perdikkas und Eumenes erscheint er in der Reihe der streitenden Mächte; auch während des Krieges gegen Polyperchon bleibt er unbeteiligt, obschon die Ermordung des Kleitos durch seine Leute beweist, daß er damals der Partei des Antigonos zugewandt war. Doch hat er während der sieben Jahre, die seit seiner Besitznahme von Thrakien verflossen sind, endlich nicht bloß Seuthes zur Unterwerfung gezwungen, sondern seine Herrschaft auch über den Haimos, über die griechischen Städte der pontischen Westküste, über die Donaumündungen ausgedehnt; selbst den Hellespont scheint er überschritten und in Kleinphrygien festen Fuß gefaßt zu haben32. Jetzt ist auch er ein Feind des Antigonos, von dem dies Land dem Satrapen Arrhidaios entrissen war.

In Makedonien endlich hat, wie früher angegeben ist, Kassandros die alleinige Gewalt; Polyperchon war nicht imstande gewesen, auch nur das geringste gegen ihn zu erreichen; die meisten seiner Truppen waren zum Gegner übergetreten, Aiakidas von Epeiros, sein und Olympias' Verbündeter, von den Epeiroten für abgesetzt erklärt, er selbst mit dem armseligen Rest seines Heeres in einer perrhaibischen Stadt eingeschlossen; bei der Nachricht von Olympias' Ende, von Kassandros' Sieg, floh er mit[205] geringer Begleitung von dort, verband sich mit dem flüchtigen Aiakidas und rettete sich zu den Aitolern, die ihm ergeben und bittere Feinde des Kassandros waren. Kassandros hatte in Epeiros einen Strategen bestellt, Athen war durch Demetrios von Phaleron so gut wie in seiner Hand, Thessalien und Hellas gehorchten ihm, nur in der Peloponnes hielt sich noch Polyperchons Sohn Alexandros mit einer Kriegsmacht. Diesen zu überwältigen, zugleich zu zeigen, daß er Herr in Griechenland sei, rückte Kassandros mit dem Sommer 316 an der Spitze eines bedeutenden Heeres aus. Ohne ein Hindernis wurde Thessalien durchzogen; die Pässe der Thermopylen hatten die Aitoler besetzt, nicht ohne Mühe wurde der Durchzug erzwungen. Kassandros kam auf die Ebene Boiotiens; hier bei den Trümmern des vor zwanzig Jahren von Alexander zerstörten Theben erließ er das Dekret zur Wiederherstellung, sich »unsterblichen Ruhm« zu gewinnen. Die Hellenen priesen Kassandros, die Messenier und Megalopoliten, selbst die Hellenen in Großgriechenland und Sizilien, vor allem die Athener nahmen Anteil an dem Neubau oder unterstützten ihn durch Geldsendungen; die Athener stellten in ihrer Stadt Freudenfeste an und erbauten einen großen Teil der Stadtmauer; selbst von den umwohnenden Boiotern, sonst den ärgsten Feinden der Thebaner, zeigten sich viele – der gebietende Herr war in ihrem Lande – voll teilnehmenden Eifers, und die Plataier beschlossen, die Thebaner sollten hinfort an ihrem Daidalosfeste Anteil haben und ihre guten Freunde sein. Kassandros gewann mit der Wiederherstellung Thebens nicht bloß eine wichtige Position und einen ihm ergebenen Staat inmitten des Griechentums, sondern den Beifall der öffentlichen Meinung in der Griechenwelt, der er die Genugtuung gab, eine Maßregel zu kassieren, in der sie sich gewöhnt hatte, eine empörende Gewalttat Alexanders zu verabscheuen.

Mit dem Nimbus dieser Hochherzigkeit umkleidet, zog Kassandros weiter nach der Peloponnes zu; auf die Nachricht, daß Alexandros, der Sohn Polyperchons, den Isthmos besetzt habe, machte er halt in Megara, ließ dort Fahrzeuge aufbringen und Flöße bauen, auf denen er die Elefanten und seine Heeresmacht nach Epidauros übersetzte. Dann zog er bei Argos vorüber und zwang die Stadt, Alexandros' Sache aufzugeben, eine makedonische Besatzung unter Apollonides aufzunehmen. Von hier zog er nach Messenien, das sich bis auf Ithome ihm anschloß; andere Orte der Peloponnes ergaben sich ihm auf Kapitulation; endlich rückte ihm Alexandros entgegen.

Dann plötzlich, im vollen Vorteil und in der Übermacht, zog er schleunigst, nur mit Zurücklassung von 2000 Mann, die unter Molykos den Isthmos besetzen mußten, nach Makedonien zurück. Man wird annehmen dürfen, daß ihm eben jetzt die Nachricht von der Flucht des Seleukos nach Ägypten,[206] von Antigonos' Heranrücken, von dem nahen Ausbruch des Krieges gegen den Herrn des Ostens kam. Und er hatte wohl Anlaß zu einiger Besorgnis; war auch sein Machtbereich der Ausdehnung nach dem mindestens gleich, von welchem sein Vater den Heereszug des Jahres 321 gewagt hatte, so konnte er sich doch nicht verhehlen, daß ihm weder der Besitz von Epeiros sicher, noch sein Ansehen in Griechenland ungefährdet oder gar in Makedonien selbst sein Regiment, wie einst das seines Vaters, populär war. Er mußte darauf gefaßt sein, daß bei der ersten Witterung eines großen Krieges die hellenische Welt zu vibrieren beginnen werde, doppelt jetzt zu plötzlichem Wechsel bereit, wo Alexandros, mit seiner noch unbewältigten Macht am Isthmos lagernd, wie ein Aufruf dazu, wie eine Garantie für den Erfolg war.

So die Signatur des ausgehenden Jahres 316. Wie den ersten großen Krieg, den der Satrapen gegen die Perdikkaner, der zweite überboten hat, der gegen das königliche Haus und dessen Vertreter, so droht der dritte furchtbarer als beide zu werden; größere Streitkräfte, anmaßlichere Ansprüche, trotzigeres Wagen, geringeres Recht treten gegeneinander; schon sind es nicht mehr Satrapen und Strategen, es sind politische Mächte, sich formende Herrschaftsgebiete, beginnende Reiche, die gegeneinander stehen. Der Stratege Antigonos ist Herr des Ostens, will Alexanders ganzes Reich unter sich vereinigen, dessen er schon den größten Teil unterworfen hat; und gegen ihn stehen die vier Machthaber von Makedonien, Thrakien, Kleinasien und Ägypten, zu dem fünften, der sein Babylon flüchtend verlassen hat, um es mit jenen im Bunde wieder zu gewinnen.

Das Schicksal des Reiches ist von neuem in Frage gestellt; es handelt sich darum, ob der Stratege es von Asien her erneuen, ob der letzte Zusammenhang des Reiches mit seiner Niederlage zusammenstürzen wird.[207]


Quelle:
Johann Gustav Droysen: Geschichte des Hellenismus. Tübingen 1952/1953, Band 2.
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