15. Kapitel. Der galiläische Krieg. 66-67.

[476] Bodenbeschaffenheit und Bevölkerung Galiläas. Die galiläische Erhebung. Johannes von Gischala und Justus von Tiberias. Flavius Josephus, seine Jugend und sein Charakter. Sein Verhalten als Statthalter von Galiläa. Beginn des galiläischen Krieges. Zerstörung Gabaras. Kämpfe und Untergang Jotapatas. Josephus' Übertritt zu den Römern. Fall Taricheas. Unmenschlichkeit Vespasians gegen die judäischen Gefangenen. Belagerung und Fall Gamalas und des Berges Tabor. Übergabe Gischalas. Johannes von Gischalas Flucht nach Jerusalem


Die Landschaft, die dem Statthalter Josephus, dem Sohne des Matthias, zur Verteidigung zugeteilt wurde, war wegen ihrer Lage, ihrer erstaunlichen Fruchtbarkeit, ihrer Hilfsquellen und ihrer kräftigen Bevölkerung nächst der Hauptstadt der wichtigste Posten; sie war das Bollwerk für Jerusalem. Galiläa, ein gebirgiges Land von ungefähr 675 Kilometern Umfang, hatte im Norden die Phönicier und Syrer zu Grenznachbarn, erstreckte sich südlich bis an den Rand der Ebene Jesreel (der sogenannten großen Ebene μέγα πέδιον) und stieg im Norden terrassenförmig bis zum Grundstock des riesigen Gebirges Antilibanon (Hermon), auf. Im Osten fällt Galiläa steil an die Rinne des Jordan und die zwei Süßwasserseen Merom und Genezaret (Tiberiassee) ab, und im Westen geht die Abdachung zum Mittelmeere. Wegen dieser Abwechslung von Hochland und langgestreckten Ebenen hatte das Land zu jener Zeit, als fleißige Hände es anbauten, eine fast wunderbare Ertragsfähigkeit und eine paradiesische Schönheit. Es war im buchstäblichen Sinne ein Land, »wo Milch und Honig fließt«, gesegnet an Getreide und Baumpflanzungen1, so namentlich in der Gegend von Tiberias und Sepphoris2. Der Ölreichtum Galiläas war so groß, daß er die Syrer und Phönicier speiste und eine ergiebige Einnahmequelle für die Bewohner war3; »man tauchte in Öl seinen Fuß«. Besonders war die Gegend der Stadt Gischala wegen ihrer vielen Ölpflanzungen berühmt und hatte von dem fetten Boden [476] ihre Benennung (Gusch-Chalab)4. Der Kessel des Genezaretsees war der fruchtbarste der ganzen Landschaft. Wegen seiner höhern Temperatur trugen die Bäume das ganze Jahr ihren Laubschmuck; die edelsten Früchte kamen in Genezaret um einen Monat früher zur Reife. Die Palmen, Dattelpalmen, Zitronen, Oliven, Mandeln und Melonen des Genezaret galten als die schmackhaftesten von ganz Palästina5. Chorazin und Kapernaum am Westrande des Sees erzeugten den vortrefflichen Weizen6. Die Gegend um Sichin (Asochis) bei Sepphoris und Kephar-Chanina lieferte feinen Ton, aus dem die Töpfer dauerhafte Geräte zu verfertigen wußten7. Der immer klare Spiegel des Genezaretsees lieferte seltene Fische in Fülle und seine Oberfläche war stets von Kähnen belebt, welche die Bewohner der entgegengesetzten Ufer in Verbindung brachten8. Die warme Quelle von Emmaus (Chamtan) bei Tiberias war wegen ihrer Heilkraft gesucht und gab manchem Siechen die Gesundheit wieder.

Galiläa war unter allen Teilen Palästinas am reichsten und dichtesten bevölkert, es hatte die erstaunliche Zahl von 200 Städten und Dörfern, von denen die kleinste Stadt 15 000 Einwohner umschlossen haben soll9. Die galiläische Bevölkerung überstieg demnach die Zahl von drei Millionen, so daß auf die Quadratmeile über 60,000 Menschen kamen10. Auf den Höhen und Gebirgsabhängen prangten Städte, von denen einige von alters her befestigt waren, weil die Natur selbst ihnen Wälle verliehen hatte, und die Menschenhand nur wenig nachzuhelfen brauchte. Zwei Städte galten als Mittelpunkte für Galiläa, Sepphoris (Zippori) auf einem Bergplateau und Tiberias an dem gleichnamigen See, beide von den herodianischen Fürsten verschönert und vergrößert (o. S. 268). Nächst Tiberias lag rings um den Kessel des Genezaretsees in nur geringer Entfernung vom Ufer eine Reihe von Städten, teils in der Ebene, teils auf dem Gebirgsabhange. Ganz nahe bei Tiberias lag das Städtchen Bet Maon11. Eine Meile von Tiberias nördlich lag Magdala-Tarichea und nicht weit davon Arbela, berühmt wegen seiner vielen Grotten (Ἀρβἠλων σπƞλαια), wo die Freischaaren stets eine sichere Zufluchtsstätte fanden. Weiter nördlich lagen die zwei [477] wegen ihrer reichen Weizenernte berühmten Städte: Kapernaum und Chorazin. Ganz im Norden lag Betsaida, welches der herodianische Fürst Antipas Julias genannt hatte. Unweit des Südostrandes des Sees lag Gamala, das ebenfalls Josephus zugeteilt war, dessen Einwohner später eine so bewunderungswürdige Tapferkeit in dem galiläischen Kriege bewiesen haben. Die nördlichsten Städte Galiläas waren Gabara, nächst Sepphoris und Tiberias die bedeutendste Stadt Galiläas, ferner Jotapata und Gischala; die beiden letzten galten als alte Festungen12. Nur bis dahin erstreckte sich die Grenze Galiläas; die nördlich gelegene Gegend von Kesib (Ekdippa) an galt in jeder Beziehung als Ausland13. Galiläa war in Ober- und Niedergaliläa eingeteilt (ἡ ἄνω Γαλιλαία, ἡ κάτω Γαλιλαία, Galil eljon, Galil tachton14), deren Grenzscheide aber sich nicht genau bestimmen läßt. Wie es scheint, ging die Grenze von der Spitze des Tiberiassees bis Ptolemaïs (Akko)15.

Die Galiläer waren fleißig und betriebsam und wußten die Ergiebigkeit ihres gesegneten Landes zu benutzen. Es war ein kräftiger, kriegerischer und zäher Menschenschlag16, der an den guten und schlechten Sitten, an Glauben und Aberglauben mit unerschütterlicher Zähigkeit hing und Gut und Blut dafür opferte. Aber gerade ihr rohes, ungelenkes, bäurisches Wesen machte die Galiläer um so hingebender für einen Aufstand, der im Namen der Religion zur Verteidigung der Heiligtümer unternommen wurde. Mit dieser Bevölkerung, aus welcher Jesus von Nazaret, die ersten christlichen Sendboten und Juda, der Stifter der Zeloten, hervorgingen, hätte ein kühner, einsichtsvoller, konsequenter Feldherr Wunder ausrichten können, da ihm der Reichtum des Bodens, die festen, widerstandsfähigen Städte, die Blüte der Jugend und eine unerschöpfliche Begeisterung zur Verfügung standen.

Dieses Land voller Feuerköpfe blieb nicht ruhig bei der Nachricht von der Erhebung in Jerusalem und der Niederlage des Cestius. Es stürzte sich vielmehr in den Freiheitstaumel mit jener maßlosen Eilfertigkeit, die kein Bedenken aufkommen läßt. Wie hätten die Galiläer auch gleichgültig bleiben können? Sahen sie ja in ihrer unmittelbaren Nähe ihre Brüder von den Heiden niedergemetzelt. Täglich [478] kamen unglückliche judäische Flüchtlinge in ihre Städte und suchten bei ihnen Schutz. Hatten sie doch selbst von ihren heidnischen Grenznachbarn jeden Tag das Schlimmste zu befürchten. Daher rüsteten sich die meisten kleineren und größeren Städte, um einem Angriffe gewachsen zu sein, und erwarteten Verhaltungsmaßregeln von dem hohen Rat in Jerusalem. Drei Brennpunkte bildeten sich in Galiläa für die Revolution: Gischala im äußersten Norden, Tiberias im Süden und Gamala gegenüber Tiberias am östlichen Ufer des Sees. Die judäischen Einwohner von Gischala wurden zum Aufstande gewissermaßen herausgefordert; die heidnische Bevölkerung der Nachbarstädte: Tyrier, Soganer und andere17 hattet sich zusammengerottet, Gischala angefallen, es zum Teil durch Feuer zerstört und dem Erdboden gleich gemacht. Darauf stellte sich ein Mann an die Spitze der wutentbrannten Gischalenser, der berufen war, den Krieg gegen die Römer bis zur letzten Stunde zu führen und mit Simon ben Giora der Schrecken der Römer zu werden. Johannes ben Levi aus Gischala fing seine Laufbahn damit an, die unzufriedenen Judäer Ober-Galiläas unter seiner Fahne zu sammeln und die Flüchtigen aus den syrischen Städten an sich zu ziehen, um mit ihnen die heidnische Bevölkerung der Nachbarstädte anzugreifen und sie für ihre Raubzüge zu züchtigen. Johannes von Gischala war von Hause aus arm und von schwächlicher Gesundheit18, aber er gehörte zu jenen Charakteren mit Feuerseelen, welche die drückenden Lebensverhältnisse und die Fesseln des Körpers überwinden und die Umstände zwingen, ihren Plänen dienstbar zu sein. Für seinen Mut, seine Standhaftigkeit und seine Hingebung an die Sache des Vaterlandes und der Unabhängigkeit werden die Taten sprechen, die er vollführt hat. Für Johannes' edle Gesinnung ist die innige Freundschaft Bürge, die das Synhedrialoberhaupt Simon ben Gamaliel für ihn hegte19. Die Schilderung, daß er ränkesüchtig, doppelzüngig, selbstsüchtig, blutdürstig gewesen sei20, hat sein erbitterter Feind entworfen, dessen leidenschaftliche Gereiztheit kein Maß kannte, und den politischen und persönlichen Gegner noch über das Grab hinaus verunglimpfte. Johannes von Gischala hatte aber im Beginne des galiläischen Aufstandes keinen andern Ehrgeiz, als die Mauern seiner Geburtsstadt zu befestigen, sie zum Herde des Aufstandes zu machen, um die feindlichen Nachbarn von neuen Angriffen fern zu halten und dem Einzuge der Römer ein Bollwerk mehr entgegenzusetzen. Als Johannes später bedeutende Summen an [479] Öl verdiente, welches er an Judäer von Syrien und Cäsarea Philippi verkaufte, da diese sich des heidnischen Öles nicht bedienen mochten, so verwendete er sie nur dazu, patriotische Freischaren zu besolden. Er hatte bereits über vier Tausend21 um sich gesammelt, teils Galiläer, teils Flüchtlinge aus Syrien, deren Zahl immer mehr zunahm. Das bedeutende Gabara, welches dem Anstoß des angesehenen Streiters Simon folgte, der Johannes' Freund war, unterstützte ihn nachdrücklich22.

In Tiberias, dem zweiten Herde der Bewegung, hatte die Revolutionspartei mit römischgesinnten Gegnern hart zu kämpfen, und es erfolgten daraus traurige Reibungen. Die schöne Stadt am See gehörte seit mehreren Jahren dem Könige Agrippa, genoß wohl unter seiner Regierung einen leidlichen Zustand und hatte sich wenig über Druck zu klagen. Dennoch war der größte Teil der tiberiensischen Bevölkerung zelotisch gesinnt und beeilte sich, sich von Agrippa loszumachen23. Die Seele des Aufstandes war Justus, Sohn des Pistos, aus einem berühmten Geschlechte, der sich griechische Bildung angeeignet hatte und später die Geschichte seines Volkes in griechischer Sprache beschrieben hat. Justus besaß eine hinreißende Beredsamkeit, mit welcher er das Volk nach seinen Plänen lenken konnte24; sein Einfluß beschränkte sich indes lediglich auf die wohlhabendere Bevölkerung. Ihn unterstützte ein Zelot Josua ben Sapphia, der die niedrige Volksklasse, die Schiffer und Lastträger von Tiberias beherrschte25. Ihnen gegenüber stand eine Aristokratenpartei, die treu zum Könige Agrippa und den Römern hielt; sie war von Julius Capellus, Herodes ben Miar, Herodes ben Gamala und Kompse ben Kompse vertreten26. Die Friedenspartei war aber ohne Anhang im Volke und mußte es dulden, daß Tiberias sich immer tiefer in die Revolution stürzte. Sobald die Tiberienser von Cestius' Niederlagen hörten, unternahmen sie, geführt von Justus und Josua ben Sapphia, einen Rachezug gegen die Heiden derjenigen Städte, die ihre judäischen Mitbewohner auf eine so unmenschliche Weise niedergemetzelt hatten. – Die Stadt Gamala, die wichtigste am Südostufer des Sees, wegen ihrer hohen Lage und unbequemen Zugänge leicht zu verteidigen und schwer zu erobern, wurde durch den Judenhaß der benachbarten Syrer zum Aufstande förmlich gereizt.

[480] In der Nähe von Gamala wohnte ein judäisch-babylonisches Geschlecht, welches, wie oben erwähnt (S. 198), unter Herodes I. eingewandert, sich in Batanäa angesiedelt und mehrere kleine Städte und eine Festung Bathyra erbaut hatte. Die Babylonier (so nannte man diese Kolonie) waren treue Anhänger des herodianischen Hauses, und Philipp, ein Enkel jenes ersten Gründers Zamaris, war Anführer der agrippinischen Truppen, die gegen die Zeloten in Jerusalem kämpften. Als diese sich ergeben mußten, wurde ihr Anführer von den Babyloniern in der Reihe der Zeloten gegen Menahems Absicht gerettet, weil er vorgab, daß er sich ihnen zum Kampf gegen Rom anschließen werde. Indessen gelang es Philipp, in Verkleidung aus Jerusalem zu entkommen und zu den Seinigen zu gelangen. Seine Ankunft war dem Statthalter Varus, welchen Agrippa während seiner Abwesenheit in Cäsarea (Neronias) eingesetzt hatte, höchst unangenehm; denn dieser, ein Verwandter des Königs Soëm von Emesa, hatte sich geschmeichelt, er werde der Nachfolger Agrippas werden, den die Römischgesinnten zu verdächtigen suchten, als hätte er bei der Revolution heimlich die Hand im Spiele. Zur Durchführung seines Planes hetzte Varus die Syrer von Cäsarea Philippi gegen die dortigen Judäer, um alle Zeugen, die seine ehrgeizige Unternehmung an Agrippa hätten verraten können, aus dem Wege zu räumen. Er fürchtete indes die Babylonier und besonders Philipp, die dem König treu waren, und war außerdem besorgt, daß diese die Niedermetzelung ihrer Stammesgenossen zu rächen suchen würden. Er suchte daher Philipp an sich zu locken, um ihn zu beseitigen; glücklicherweise lag dieser aber krank an einem hitzigen Fieber, das er sich durch die überstandenen Gefahren in Jerusalem und auf der Flucht zugezogen hatte. Allein es gelang Varus, siebzig der angesehensten Babylonier in seine Nähe zu bringen und die meisten von ihnen töten zu lassen. Schrecken ergriff bei der Nachricht die Babylonier, die sich nunmehr in ihren Städten nicht mehr sicher fühlten. Sie retteten sich eilig nach Gamala und schwuren nicht nur Varus Rache sondern auch den Syrern, die ihn unterstützt hatten. Auch Philipp flüchtete sich nach dieser Bergfeste, hatte aber Mühe, seine Leute von einem Rachezuge abzuhalten27. [481] Aber auch nachdem Agrippa den gewissenlosen Varus seines Amtes entsetzt hatte – züchtigen durfte er ihn aus Furcht vor Soëm nicht – waren die batanäischen Babylonier noch so aufgeregt und geneigt, sich den Römerfeinden anzuschließen, daß der König an Philipp den gemessenen Befehl ergehen lassen mußte, sie aus Gamala zu entfernen und nach Batanäa zurückzuführen. Dadurch entstand indessen eine solche Gärung in dieser Stadt, daß die Einwohner feindselig gegen die abziehenden Babylonier verfuhren und Philpps Verwandter Chares dabei ums Leben kam. Joseph, der Sohn einer Hebamme, entflammte die Jugend von Gamala zum Abfall von Agrippa und zur Erkämpfung der Freiheit28. Auch das obere Gaulanitis mit dem Vorort Sogane und die Stadt Seleucia am Merom-See fielen von Agrippa ab29. Der Vulkan der Revolution hatte sich also bereits in Galiläa an mehreren Punkten Öffnungen verschafft, an anderen war er dem Ausbruch nahe, noch bevor Josephus ben Matthia als Abgeordneter des Synhedrion die Verwaltung übernommen hatte. Nur die größte Stadt Galiläas, die eigentliche Hauptstadt, Sepphoris, blieb den Römern treu und wußte den Aufstand von sich fern zu halten. Der Grund dieser auffallenden Römerfreundlichkeit einer judäischen Stadt liegt in dem Umstande, daß sie größtenteils von Eingewanderten bewohnt war, seitdem sie durch den Statthalter Quinctilius Varus zerstört und ihre judäischen Ureinwohner, die es mit dem Zelotenstifter Juda gehalten hatten, als Sklaven verkauft worden waren (o. S. 251). Es herrschte aber auch in ganz Galiläa eine tiefe Erbitterung gegen Sepphoris, und ganz besonders waren die Tiberienser eifersüchtig auf dasselbe, weil es ihrer Stadt den Rang abgelaufen hatte und unter Agrippa II. zur Hauptstadt erklärt worden war30. Die Aufgabe des Statthalters von Galiläa wäre es gewesen, einen Ausgleich herbeizuführen und die Sepphoriten für den Aufstand zu gewinnen. Auf den Schultern dieses Mannes lastete also eine schwere Verantwortung; denn von seinem Verhalten hing es ab, ob die mit so krampfhafter Anstrengung unternommene Revolution zu dem erwünschten Ziele gelangen oder einen tragischen Ausgang nehmen sollte. Unglücklicher Weise war Josephus nicht der Mann, eine so riesige Aufgabe glücklich zu lösen, und trug durch sein Benehmen zum Untergange des judäischen Staates wesentlich bei.

[482] Joseph ben Matthia, mehr bekannt unter dem Namen Flavius Josephus aus Jerusalem (geb. 37-38, gest. wahrscheinlich 95), stammte aus einer angesehenen priesterlichen Familie und soll in weiblicher Linie mit dem hasmonäischen Hause verwandt gewesen sein31. Er erhielt mit seinem Bruder Matthia eine sorgfältige Erziehung und erlangte durch den Umgang mit Gesetzeslehrern Kenntnisse in der Gesetzeskunde32, die indessen nicht sehr hoch anzuschlagen sind. Drei Jahre soll er Jünger eines Einsiedlers Banus gewesen sein, der in einer Wüste lebte, sich von Feldfrüchten ernährte und nach Essäerweise täglich in kaltem Wasser badete33. Josephus' Wissensdurst trieb ihn auch, sich auf die griechische Bildung zu legen. Mit vieler Mühe erlernte er indessen das Griechische; die Aussprache wurde seinem Organ so schwer, daß er selbst nach jahrelanger Beschäftigung eine große Geläufigkeit darin nicht erreichen konnte34. Im siebenundzwanzigsten Lebensjahre hatte er Gelegenheit, nach Rom zu reisen, um sich für zwei als Gefangene dorthin gesandte Priester zu verwenden. Durch einen judäischen Schauspieler Alityros bei der Kaiserin Poppäa eingeführt, gelang es ihm, die Befreiung dieser Gefangenen auszuwirken35. Die judenfreundliche Kaiserin beschenkte ihn noch dazu reichlich. Der Aufenthalt in Rom war für Josephus' Charakterbildung entscheidend. Der Glanz des Neronischen Hofes, das Treiben der Weltstadt, die Riesenhaftigkeit der Staatsinstitutionen blendeten ihn so sehr, daß er die römische Macht für die Ewigkeit gebaut und von der göttlichen Vorsehung besonders begünstigt glaubte. Er sah hinter dem Purpur und dem Golde die Eiterbeulen nicht, an denen Rom gerade damals krankte. Josephus war von diesem Augenblicke an ein Anbeter des Römertums.

Mit überschwenglicher Bewunderung für Rom erfüllt, mußten ihm bei seiner Rückkehr nach Jerusalem die Verhältnisse Judäas verkümmert und zwerghaft erscheinen. Wie mußte er über das Gebahren der wütenden Zeloten lachen, die von nichts Anderem träumten, als davon, die Römer aus Judäa zu werfen! Sie kamen ihm wie Wahnsinnige vor. Er versuchte daher mit seinen gesammelten Erfahrungen die keimenden Revolutionspläne zu erschüttern36. Er hielt sich, kaum dreißig Jahre alt, für den Klügsten seiner Nation; war er doch durch [483] die Kenntnis des Griechischen seinen Landsleuten überlegen, »welche« – wie er verächtlich von ihnen sagt – »die griechische Literatur verschmähen und nur auf Kenntnis ihrer Gesetze und Auslegung der heiligen Schrift Wert legen«37. Als er aber das Volk ernstlich zu den Waffen greifen und den Kampf gegen die Römer aufnehmen sah, verbarg er sich mit einigen Gesinnungsgenossen im Tempel und wagte sich nicht eher hervor, als bis er hörte, daß die gemäßigten Zeloten unter Eleasar ben Ananias am Ruder waren38. Aus Furcht, wegen seiner bekannten römerfreundlichen Gesinnung den Zorn der Zeloten zu erregen, heuchelte Josephus Sympathie für die Freiheit, freute sich aber heimlich, daß Cestius bald mit seiner gesamten Macht heranrückte, um dem Freiheitsschwindel ein Ende zu machen39. Der Erfolg täuschte jedoch seine Hoffnungen. Cestius trat einen fluchtähnlichen Rückzug an.

Woher es kam, daß dieser Römling Josephus gerade den wichtigsten Landesteil, Galiläa, zur Verwaltung erhielt, ist unbegreiflich. Vielleicht hat ihn sein Freund, der ehemalige Hohepriester Josua ben Gamala, der eine wichtige Stimme im Rate hatte, befördert. Sollte er seine Verstellung so weit getrieben haben, sich als Zelot zu gebärden? Nächst seiner Eitelkeit machten allerdings Verstellung und Gesinnungslosigkeit seinen Grundcharakter aus. Auch die Religion mißbrauchte er zum Deckmantel seiner Schwäche, und unter dem Scheine der Frömmigkeit zettelte er die schlimmsten Dinge an. Wie aber alles an diesem Manne kleinlich und kümmerlich war, so hatte auch seine Verstellungsgabe nichts Großes; es war vielmehr die Pfiffigkeit eines Kleingeistes, der mit Hintansetzung der Ehre sich geschickt aus peinlichen Lagen zu befreien und noch Vorteil daraus zu ziehen wußte40. Es scheint, daß die heldenmütige Anstrengung, mit der die Revolution in Jerusalem durchgeführt wurde, und der Sieg über Cestius' Heer auf Josephus wie auf andere nüchterne Alltagsmenschen einen gewaltigen Eindruck gemacht haben. Völlige Loslösung von Roms Allmacht schien ihm allerdings als ein wahnwitziger Plan. Aber er mochte hoffen, daß der römische Hof dem hartnäckigen Widerstande von seiten der Judäer so weit Zugeständnisse machen würde, Judäas Verwaltung dem König Agrippa zu überlassen und ihm die Stellung einzuräumen, die sein Vater von Claudius und sein Vorahn Herodes von Augustus erhalten hatten. Für Agrippa hat Josephus in der Tat gearbeitet und insofern hat er nicht ganz unehrlich und verräterisch gehandelt. Agrippa selbst war die Revolution nicht ganz unwillkommen,[484] auch er hoffte Nutzen für die Vergrößerung seiner Macht daraus zu ziehen. Schritte, die er als Roms Vasall nicht tun durfte, ließ er durch Josephus tun, mit dem er eng befreundet war41.

Das Synhedrion gab Josephus zwei gesetzeskundige Männer mit, Joasar und Juda, die er bald vortreffliche Männer, bald bestechliche Kreaturen nennt42. Sie waren aber ganz unbedeutend und zogen sich bald vom Schauplatze zurück oder wurden von Josephus zur Heimkehr bewogen. Wenn er auch nur echten Ehrgeiz besessen hätte, so hätte er sich durch das größte Vertrauen, das ihm die Vertreter [485] der Nation schenkten, befriedigt fühlen und seine Ehre darein setzen müssen, es zu verdienen. Er hätte seine persönlichen Überzeugungen fahren lassen und nur im Sinne seiner Vollmachtgeber handeln müssen. Er war aber nicht ehrgeizig, sondern nur eitel.

In der ersten Zeit, als Josephus den Schauplatz seiner Wirksamkeit betreten hatte, schien es, als wenn es ihm Ernst damit wäre, der Revolution in Galiläa zum endgültigen Siege zu verhelfen. Er ließ eine Art Synhedrion aus siebzig angesehenen Männern zusammentreten, nach dem Muster des hohen Rates in Jerusalem43, vielleicht um mit einem solchen unabhängig von dem Jerusalemischen handeln zu können. Für die peinliche Gerichtsbarkeit stellte er über einzelne Teile Galiläas Beamte an und wählte in jeder Stadt sieben Männer für die innere Verwaltung aus. Er hob Truppen aus, angeblich die erstaunliche Zahl von 100,000 Kriegern, gab ihnen Waffen, übte sie nach römischem Kriegsbrauch ein, lehrte sie Ordnung und Mannszucht halten und dergleichen Äußerlichkeiten mehr, die für eine kriegerische Nation unentbehrlich, für ein freiheitsbegeistertes Volk aber minder wichtig sind. Sogar eine Reiterschar schuf er und nahm Freischaren (nahe an 5000) in Sold, denen er die Weisung gab, nur auf seinen Befehl unter die Waffen zu treten und das Plündern aufzugeben. Er umgab sich auch mit einer Leibwache von sechshundert handfesten Trabanten, die nur seinem Winke gehorchen sollten44. Eine Reihe von Städten in Ober- und Niedergaliläa begann er zu befestigen, und ließ Mundvorrat darin ansammeln45. Er machte also anfangs mit der Verteidigung der Landschaft gegen die Römer Ernst. Gleich bei seiner Ankunft in Galiläa ging Josephus, sei es aus eigenem Antriebe oder im Auftrage des Synhedrion, in seinem religiös-zelotischen Eifer so weit, die Zerstörung des Palastes in Tiberias, den Antipas erbaut hatte, und der dem Könige Agrippa gehörte, zu befehlen, weil darin gegen das judäische Gesetz Tierbilder angebracht waren. Er hatte zu diesem Zwecke die Angesehensten aus Tiberias nach dem nahegelegenen Beth-Maon kommen lassen und suchte die Königlichgesinnten zu überreden, daß sie sich der Zerstörung des Palastes nicht widersetzen sollten. Während er aber noch mit Capellus und Genossen darüber unterhandelte, kam ihm Josua ben Sapphia zuvor. Mit seinen Anhängern aus dem Schiffervolke verbrannte er den Palast und verteilte die Beute unter sie. Das war Josephus nicht recht; denn er wollte es mit Agrippa nicht verderben. Er eilte daher nach Tiberias, um die im Palaste gefundenen Schätze in Empfang zu nehmen und sie treuen [486] Händen zu übergeben, damit sie dem Könige Agrippa nicht abhanden kämen46. So zeigte er ungeachtet der Verantwortlichkeit, die er übernommen hatte, stets ein doppeltes Gesicht; dem Volke gegenüber geberdete er sich als Zelot, den Freunden der Römer dagegen gab er sich als heimlichen Gesinnungsgenossen zu erkennen. Durch diese zweideutige Haltung lähmte er die Bewegung, anstatt ihr Nachdruck zu geben.

Ganz besonders verhaßt war ihm Johannes von Gischala, dessen unermüdliche Rührigkeit und geistige Überlegenheit seine Eifersucht rege machten, während dieser sich ihm anfangs unterordnete. Ihm, wie allen Patrioten, bemühte sich Josephus Hindernisse in den Weg zu legen. Suchte Johannes bei ihm um die Erlaubnis nach, das kaiserliche Getreide in den obergaliläischen Dörfern, das ohne Zweifel von den Naturalienlieferungen gesammelt war, verkaufen zu dürfen, um mit dem Erlöse die Mauern seiner Vaterstadt aufzubauen, so verweigerte sie ihm Josephus, weil er das Getreide, wie er selbst erzählt, entweder für die Römer aufbewahren oder selbst davon Gebrauch machen wollte. Nur durch Vermittelung der beiden Mitgesandten Joasar und Juda erlangte Johannes die Erlaubnis, das Getreide im Interesse des Vaterlandes verwenden zu dürfen47. Bei dieser Gelegenheit durchschaute Johannes die Falschheit des Statthalters und gab sich Mühe, sie unschädlich zu machen. Das, was Johannes augenblicklich klar wurde, zeigte sich bald auch den trübsten Augen, daß nämlich von Josephus eher Unheil als Hilfe zu erwarten war.

Einige Jünglinge aus einem Städtchen Dabaritta am Fuße des Thaborberges hatten der Frau eines Verwalters der Berenice und des Königs Agrippa, die tollkühn mitten durch ein Land reiste, dessen Bewohner dem Könige Agrippa, als römischem Parteigänger, Feindschaft geschworen hatten, reiche Beute an edlem Metall und wertvollen Gewändern abgenommen und sie zu Josephus gebracht, der sich damals in Tarichea aufhielt. Aus übergroßer Zuneigung für den König sorgte Josephus dafür, daß das Erbeutete diesem wieder zugestellt werde, während er den Jünglingen vorlog, er werde es nach Jerusalem für den Nationalschatz senden. Die Dabarittenser durchschauten ihn aber und verbreiteten in der umliegenden Gegend, Josephus sei ein Verräter und wolle das Land den Römern überliefern. Sofort strömten die Nachbarn schon mit Tagesanbruch nach Tarichea in erbitterter Stimmung gegen Josephus zusammen. Josua ben Sapphia stachelte das Volk noch mehr auf; er nahm das heilige Gesetzbuch in [487] den Arm und beschwor die Menge, wenn nicht um ihrer selbst willen, so doch um des heiligen Buches willen den Verräter nicht ungestraft zu lassen. So allgemein war die Erbitterung gegen Josephus, daß selbst seine Leibwache bis auf wenige ihn im Stiche ließ. Es wäre um ihn geschehen gewesen, denn schon näherte sich die Menge seinem Hause, um es ihm über dem Kopfe anzuzünden, wenn der Bedrohte sich nicht durch eine List und eine Lüge gerettet hätte. Er legte ein Trauergewand an, hängte sich das Schwert um den Hals und trat in diesem flehenden Aufzuge in das Hippodrom von Tarichea, um Mitleid zu erregen. Sobald er zu Worte gekommen war, machte er die Taricheer mit unverschämter Doppelzüngigkeit glauben, er bewahre die Beute weder für Agrippa, noch für Jerusalem auf, sondern beabsichtige damit die Mauern ihrer Stadt zu befestigen. Die leichtgläubigen Taricheer nahmen diese Rechtfertigung, die ihnen Vorteil verhieß, an, erklärten sich für ihn und gerieten mit den Auswärtigen seinetwegen in hitzigen Streit; währenddessen schlich sich Josephus in sein Haus. Von der aufgeregten Menge, die sich beruhigt und verlaufen hatte, blieben indessen einige Hundert zurück, die sich nicht von Josephus' schönen Redensarten betören ließen; sie näherten sich seinem Hause und trafen Anstalten, es in Brand zu stecken. Der von neuem Bedrohte wußte aber den Hauptanführer ins Haus zu locken, ließ ihn hierauf bis aufs Blut geißeln, ihm eine Hand abhauen und sie ihm an den Hals hängen, und stieß dann den Verstümmelten auf die Straße zu seinen Genossen, die sich hierauf vor Entsetzen entfernten48. Von diesem Augenblicke an war die Aussicht auf eine mannhafte Verteidigung Galiläas verschwunden. Josephus, dem die Aufgabe gestellt war, über die Eintracht zu wachen, glich dem Dämon der Zwietracht. Er begann mit kleinlichen Zänkereien und Reibungen, bald mit Johannes von Gischala, bald mit den Einwohnern von Tiberias, und endete mit blutigen Fehden, die er seinen Gegnern lieferte. Er spaltete Galiläa in zwei Parteien, von denen sich die eine um ihn, die andere um Johannes scharte.

Zu Johannes hielten sich die glühenden Patrioten, die über Josephus' falsches Spiel nicht mehr im Zweifel waren, namentlich standen die Einwohner von Gabara auf seiner Seite; das übrige Volk von Galiläa aber hing meistens Josephus an. Der beschränkte Sinn der Galiläer vermochte nicht, seine zweideutige Rolle zu durchschauen. Die beiden Parteiführer haßten sich auf den Tod, gaben aber einander an Schlauheit und Verstellung nichts nach.

[488] Johannes war mit seinen Anhängern nach Tiberias gekommen, wie Josephus erzählt, unter dem lügenhaften Vorwande, für seine Leiden Genesung in den heißen Quellen von Tiberias zu suchen49, in Wahrheit aber, um in Gemeinschaft mit Justus, dessen Vater Pistos und ben Sapphia die Tiberienser zu bearbeiten, daß sie von Josephus keinen Befehl mehr annehmen sollten. Dieser hatte aber von der Wühlerei gegen ihn Kunde erhalten, eilte von Kana nach Tiberias und überraschte seine Gegner, die auf sein Erscheinen nicht gefaßt waren. So groß war damals bereits die Erbitterung gegen ihn, daß einige von Johannes' Trabanten sich ihm näherten, um ihn zu ermorden. Nur durch schnelle Flucht auf ein Schiff, das ihn nach dem ihm befreundeten Tarichea brachte, entging er den Streichen. Diese Stadt stachelte Josephus so sehr gegen die Tiberienser auf, daß sie denselben den Untergang schwor und er Mühe hatte, ihren Zorn ein wenig zu mäßigen50. So war Galiläa durch Josephus' verräterische Halbheit in zwei Lager gespalten.

Da Johannes überzeugt war, daß die meisten Galiläer von dem Wahne verblendet waren, Josephus sei ein treuer und zuverlässiger Patriot, und ihn mit aller Macht unterstützten, sandte er seinen Bruder Simon mit hundert andern Abgeordneten an das Synhedrion nach Jerusalem, um über Josephus' Verkehrtheiten Klage zu führen und den hohen Rat zu bewegen, ihm die Vollmacht zu entziehen und ihn abzuberufen. Der Synhedrialpräsident Simon ben Gamaliel, der Johannes' Freund war und Josephus' Zuverlässigkeit nicht viel traute, und auch Anan, der ehemalige Hohepriester51, unterstützten diesen Antrag und setzten es durch, daß vier Abgesandte nach Galiläa geschickt wurden, die den Auftrag hatten, Josephus mit allen Mitteln zur Niederlegung seines Amtes zu zwingen und ihn lebend oder tot [489] nach Jerusalem zu senden. An die größeren Gemeinden Tiberias, Sepphoris und Gabara ergingen Synhedrialschreiben des Inhaltes, daß Josephus ein Feind des Vaterlandes sei, daß sie ihm keinen Schutz gewähren, vielmehr Johannes unterstützen sollten. Eine große Gefahr schwebte über Josephus' Haupte. Er entwickelte dabei aber eine so tief angelegte Schlauheit und vielseitige Tätigkeit, daß er den gegen ihn erlassenen Achtbefehl vereitelte. Er mochte einerseits das ihm liebgewonnene Amt nicht lassen und wollte sich anderseits dem Synhedrion nicht ungehorsam zeigen; daher nahm er zu pfiffiger List seine Zuflucht. Sobald er von seinem Vater die feindliche Gesinnung des Synhedrion gegen ihn erfahren hatte – das Synhedrialmitglied Josua ben Gamala hatte es diesem verraten – traf er Gegenanstalten. Er gab sich den Anschein, als sei er mit den Vorbereitungen zum Kriege gegen die Römer beschäftigt, die von Ptolemaïs aus einen Einfall in Galiläa beabsichtigten, und gab den Synhedrialabgeordneten auf ihre Aufforderung, sich zu stellen, ausweichende Antworten, immer mit der Miene der Resignation, als wenn er sein Amt gern niederlegen wollte. Vor allem gab er sich Mühe, die galiläische Menge gegen die Abgesandten einzunehmen. Diese zogen daher von einer Stadt in die andere, ohne das Ziel ihrer Sendung zu erreichen, und gerieten einigemale in die Gefahr, von Josephus' Anhängern, die dieser gegen sie aufgestachelt hatte, mißhandelt zu werden52.

Des langen Umherziehens müde, beschlossen die Abgeordneten auf Johannes' Rat, heimlich Sendboten in ganz Galiläa umherzusenden mit der Nachricht, daß Josephus in die Acht erklärt und jedermann entbunden sei, ihm zu gehorchen. Aber ein Verräter hinterbrachte ihm den Beschluß. Mit einer Rührigkeit, die einer bessern Sache würdig gewesen wäre, ließ nun Josephus von seinen Trabanten die Pässe besetzen, die von Gabara, dem Aufenthaltsorte der Abgeordneten, nach den nächstgelegenen galiläischen Städten und nach Jerusalem führten, die Sendboten mit den Briefen aufgreifen und zu sich bringen. Dann ließ er alle seine Anhänger aus den kleinen Städten und Dörfern unter Waffen treten und sich um ihn versammeln und stellte sich ihnen als auserlesenes Opfer einer teuflischen Bosheit dar. Durch solche schlaue Vorspieglungen wurde die Menge gegen die Abgeordneten so sehr erbittert, daß sie dieselben, als sie ihrer ansichtig wurde, in Stücke zerreißen wollte, und Josephus konnte sich den Schein der Friedensliebe und der Großmut geben, als er dem von ihm selbst heraufbeschworenen Sturme wieder Einhalt gebot. Um die öffentliche Meinung [490] zu berücken und für sich einzunehmen, wählte er aus vielen Städten einfältige Männer aus, die sich nach Jerusalem begaben, um seine Verwaltung aufs Höchste zu preisen und das Synhedrion zu bitten, ihn in Galiläa zu lassen und die Abgeordneten Jonathan und seine Kollegen zurückzurufen53.

Diese hatten sich indessen von Obergaliläa entfernt, als sie sahen, daß sie da nichts auszurichten vermochten, und begaben sich nach Tiberias, in der Hoffnung, hier kräftigere Unterstützung zu finden. Josephus folgte ihnen aber auf dem Fuße und wußte alle ihre Pläne durch größere Verschmitztheit zu vereiteln. In der Verlegenheit hatten die Synhedrialabgeordneten unter anderm beschlossen, einen allgemeinen Fast-und Bußtag zu veranstalten, um die Hilfe des Himmels, ohne dessen Beistand die Waffen nichts vermögen, für den glücklichen Ausgang der Revolution zu erflehen54. Alles Volk strömte in die große Proseuche von Tiberias, welche viele Tausend Menschen faßte. Obwohl jedermann unbewaffnet erscheinen mußte, versäumten Josephus und seine Trabanten nicht, Waffen unter ihren Oberkleidern zu tragen. Sobald es nach dem Gebete zu Erörterungen kam, und die Gegner Hand an Josephus legten, hieben seine Freunde mit den Waffen auf die Angreifer ein; das Volk nahm Partei für ihn, und so entkam er zum wiederholten Male glücklich der ihm drohenden Gefahr55.

Indessen hatten die von Josephus nach Jerusalem abgesandten Abgeordneten der galiläischen Städte und seine Freunde in der Hauptstadt eine günstige Stimmung für ihn erwirkt. Das Volk soll darum gegen Simon ben Gamaliel und Anan ben Anan erbittert gewesen sein, weil sie ohne vorangegangene Beratung mit sämtlichen Gliedern des Synhedrion einen so vertrefflichen Statthalter, von dessen Lob die Galiläer voll waren, verfolgen ließen; die Menge soll sogar das Haus des Simon ben Gamaliel haben stürmen wollen. Darauf erging vom Synhedrion ein Befehl an Jonathan und seine Kollegen, Galiläa zu verlassen. Josephus aber wurde von neuem in seinem Amte bestätigt56. Da sich Jonathan und einer seiner Kollegen, Anania ben Zadduk, nach der Hauptstadt begeben wollten, um Aufschluß über die wahre Sachlage in Galiläa zu geben, ließ ihnen Josephus auflauern, sie zu Gefangenen machen und in Fesseln schlagen. Der dritte Synhedrialabgeordnete Simon fiel durch List in Josephus' Gewalt und gegen den vierten Joasar ben Nomikos, der in Tiberias geblieben war, unternahm er einen förmlichen Kriegszug. Es kam zu [491] einem Scharmützel zwischen Josephus' Anhang und den Tiberiensern. Die letztern wurden besiegt; die Sieger drangen in die Stadt ein, zündeten einige Häuser an und plünderten, als wenn sie es mit einer feindlichen Bevölkerung zu tun hätten. Durch solche Mittel blieb Josephus der Liebling von Galiläa; die Abgeordneten schickte er zum Hohne des Synhedrion in Fesseln nach Jerusalem57.

Durch solche Winkelzüge, bei denen Josephus den Schein des glühenden Patriotismus zu bewahren wußte, trieb er die Einwohner von Tiberias so sehr zur Verzweiflung, daß sie dem König Agrippa anboten, sich ihm reuig zu unterwerfen. Josephus wurde dadurch in dem Netze seiner eigenen Ränke gefangen. Innerlich freute er sich über das Erlöschen des Revo lutionsbrandes und die Kundgebung versöhnlicher Stimmung für Agrippa. Aber aus Rücksicht auf die Galiläer, die ihn nur wegen seines erheuchelten Hasses gegen den König auf den Schild erhoben und geschützt hatten, mußte er gegen das treulose Tiberias feindlich verfahren. Vermittelst einer Kriegslist bemächtigte er sich der angesehensten Männer dieser Stadt, auch des Justus und seines Vaters, brachte sie nach Tarichea in Gewahrsam und befahl dem Urheber des beabsichtigten Abfalles, Namens Kleitos, auf den die Tiberienser die Schuld wälzten, sich selbst einen Arm abzuhauen58. Den Verhafteten, die er befreit und zur Tafel gezogen, will Josephus seine innere Gesinnung offenbart und ihnen geraten haben, eine günstigere Zeit zum Abfall abzuwarten und ihm Vertrauen zu schenken59. Diese Milde ermutigte die Tiberienser noch mehr, sich Agrippa zu ergeben. Sie schrieben zum zweiten mal an ihn und baten ihn, Besitz von ihrer Stadt zu nehmen. Selbst Justus von Tiberias, der Hauptanstifter der galiläischen Revolution, ging zu Agrippa über, weil ihm Josephus den Tod geschworen hatte. Er besaß nicht die, alle Hindernisse überwindende Ausdauer und Todesverachtung des Johannes von Gischala. Bei der Nachricht von Tiberias' beabsichtigtem Abfalle von der Revolution geriet Josephus in Verlegenheit. Die Galiläer, die er betört hatte, drangen in ihn, sie gegen die treulose Stadt zu führen; Josephus war dieser Abfall zwar nach Wunsch, er durfte das aber nicht merken lassen. Doch wußte er durch Überredungskünste den Zorn der Menge zu beschwichtigen und den königlich Gesinnten heimlich gute Dienste zu leisten. Den Vermittler Crispus, den Agrippa mit Briefen an die Tiberienser abgeordnet, und den Josephus gefangen und eingekerkert hatte, ließ er heimlich zum [492] König entfliehen60. Auch Johannes' Anhang schwächte er, nachdem er Sieger über den Abgeordneten geworden war. Durch Herolde ließ er bei Androhung schwerer Strafen Johannes' Anhänger auffordern, die Waffen niederzulegen und von ihm abzufallen. Dreitausend gehorchten aus Furcht, und nur zweitausend syrische Flüchtlinge, die nichts zu verlieren hatten, harrten bei Johannes aus61. Das Johannes treugebliebene Gischala überfiel er feindlich und gab es seinen Trabanten zur Plünderung preis62. Dagegen handelte Josephus außerordentlich rücksichtsvoll gegen das römerfreundliche Sepphoris. Wegen der Wichtigkeit dieser Stadt hatte sich Cestius Gallus ihre Treue dadurch gesichert, daß er sich von den angesehenen judäischen Familien Geißeln stellen ließ, die er nach Dora schickte. Josephus soll, wenn man ihm Glauben schenken kann, den Sepphoriten gestattet haben, mit ihren Verwandten in Dora in stetem Verkehre zu bleiben. Ja, er befestigte diese Stadt oder gestattete, daß die Bewohner sie auf eigene Kosten befestigten, ohne sie seinem übernommenen Auftrage gemäß in Besitz zu nehmen und eine Besatzung hineinzulegen63.

Während Josephus so durch sein falsches Spiel und seine kleinliche Eitelkeit Galiläa in den Bürgerkrieg stürzte, das Synhedrion verhöhnte, die Patrioten schwächte und die wichtigste Stadt Tiberias zum Abfall trieb, hatte die römisch gesinnte galiläische Hauptstadt Sepphoris Spielraum, mit den Römern Unterhandlung zu pflegen. Die Einwohner schrieben an Cestius, er möge ihnen eine römische Besatzung senden, um sie vor dem Überfalle der ihnen feindlichen Galiläer zu schützen. Dieses Mal wurde Josephus denn doch von der Menge gedrängt, die Sepphoriten für ihre verräterische Gesinnung mit Krieg zu überziehen. Die Stadt wurde eingenommen, und die Menge war nahe daran, sie dem Erdboden gleich zu machen. Allein Josephus war auf ihre Schonung so sehr bedacht, daß er die galiläischen Krieger durch den blinden Lärm, die Römer seien im Anzuge, den Rückzug antreten ließ; er selbst zog ebenfalls ab und ließ den Sepphoriten die Freiheit, Cestius noch dringender um eine römische Besatzung anzugehen. Bald darauf rückten römische Truppen in die galiläische Hauptstadt ein, ohne ein Hindernis zu finden, und Josephus hatte weder die Kriegsgeschicklichkeit, noch den guten Willen, sie wieder daraus zu vertreiben. Ein Sturmversuch, den er gegen Sepphoris unternehmen ließ, mißlang. Tags darauf wurden seine Truppen, die er nur gewöhnt hatte, gegen Religionsgenossen zu kämpfen, durch einen [493] Ausfall der Römer aufs Haupt geschlagen und zerstreut64. Ein anderer Zug, den er gegen eine Schar des Königs Agrippa unter dem Hauptmanne Sylla unternahm, brachte ihm auch keine Lorbeeren65, und man darf mit Recht zweifeln, ob eine Niederlage ihm nicht mehr Freude gemacht hat, als es ein Sieg getan haben würde. Josephus trifft die ewige Schmach, daß er das starke Bollwerk Judäas, das kräftige, kriegerische Galiläa, durch Ungeschicklichkeit, Selbstsucht und Unverträglichkeit oder durch sein falsches Spiel zersplittert und entmannt hat. Er hat wohl einige Festungen wehrhaft gemacht66, das heißt, ihren Einwohnern die Befestigung nicht verwehrt. Als aber die Römer einrückten, stand ihnen weder ein Heer, noch das Volk im Wege. Jede Festung war auf sich selbst angewiesen, Mißtrauen und Erschöpfung hatten die Galiläer selbstsüchtig, wenn auch nicht feige gemacht. Man hätte Mühe, alle diese Jämmerlichkeiten und Tücken des Statthalters Flavius Josephus zu glauben, wenn er sie nicht mit beispielloser Frechheit selbst erzählte. Was die vier Monate des Aufstandes in Jerusalem errungen hatten, das vernichteten die fünf Monate während Josephus' Verwaltung in Galiläa, ehe noch das Land den Feind erblickt hatte (November 66 bis März 67).

Während dieser neun Monate hatten die Römer wenig gegen Judäa ausgeführt. Nur einige Plänkeleien von Ptolemaïs aus und die Besetzung von Sepphoris durch Placidus hatten sie gewagt, nicht sowohl aus Gleichgiltigkeit oder Verachtung gegen das winzige Judäa, sondern vielmehr aus ängstlicher Vorsicht, weil sie dem judäischen Aufstande eine große Wichtigkeit beilegten. Der Kaiser Nero befand sich gerade in Griechenland, um als Wagenlenker, Zitherspieler und Sänger den Beifall der Griechen zu gewinnen, den ihm seine für die Kunst unempfindlichen römischen Untertanen nicht in so reichem Maße spendeten. Wie ein Blitzstrahl traf ihn da die Nachricht von dem Aufstande der Judäer und der Niederlage des römischen Heeres unter Cestius. Nero zitterte, die Revolution in Judäa könnte eine weite Ausdehnung erhalten, die Euphratländer und die Parther mit hineinziehen und den andern römischen Provinzen das Beispiel zur Schilderhebung geben67. Dazu kam noch die Nachricht, daß Cestius Gallus vom Tode ereilt war, und man nicht wußte, ob er eines natürlichen Todes gestorben war oder aus Gram über seine Niederlagen gegen die Judäer den Geist aufgegeben hatte68. Nero betraute daher den besten Feldherrn seiner Zeit, Flavius Vespasianus, der im Kriege mit den Briten [494] sich Lorbeeren und Triumphe erworben hatte, mit der Kriegsführung gegen Judäa. So groß war die Furcht vor dem judäischen Aufstande und seinen möglichen Folgen, daß, um Gefahren von Parthien aus begegnen zu können69, für Syrien ein eigener Statthalter Licinius Mucianus ernannt wurde. Vespasian war damals sogar in Ungnade, weil er einen Augenblick sich so weit vergessen hatte, bei einem von Nero aufgeführten Schauspiele einzuschlummern. Es fiel Nero daher schwer, demjenigen eine große Truppenmacht anzuvertrauen, den er als seinen Feind betrachtete. Allein es blieb ihm keine andere Wahl. Um die Unruhen in Judäa zu dämpfen, bedurfte es eben eines kräftigen Armes. Im Winter (67) begab sich Vespasian von Griechenland aus nach dem Kriegsschauplatze und traf in Ptolemaïs Vorbereitungen zum Feldzuge. Sein Sohn Titus, der sich im Kriege gegen Judäa die ersten Sporen verdient hat, brachte aus Alexandrien zwei Legionen mit, die fünfte und die zehnte, jene wilden Decumani, deren Grausamkeit die alexandrinischen Juden erfahren hatten und nun auch die palästinischen erfahren sollten. In Ptolemaïs strömten die Nachbarfürsten zusammen: Malchos, König der Nabatäer mit seinen Bogenschützen; Antiochos, König von Commagene; Soëm, König von Emesa und Agrippa mit seiner Schwester Berenice, die dem römischen Feldherrn ihre Huldigung darbrachten und ihm Truppen zuführten, um ihre Römer freundlichkeit an den Tag zu legen70. Agrippa war gewissermaßen gezwungen, seine Abneigung gegen die Revolution und seine Treue gegen Rom zu betätigen; denn die Tyrier klagten ihn bei Vespasian an, er stehe mit den aufständischen Judäern in heimlicher Verbindung. Sein Unterfeldherr Philipp wurde in diese Anklage hineingezogen, als hätte er den Aufstand in Jerusalem begünstigt und durch Verrat den Tod der römischen Truppen unter Metilius verschuldet. Die Ankläger gaben zu verstehen, daß Philipp dabei in Agrippas Auftrag gehandelt habe. Vespasian schien nun zwar diesen Angebern keinen Glauben zu schenken, sandte aber doch Philipp nach Rom zur Rechtfertigung. Justus von Tiberias, der sich ebenfalls eingefunden hatte und von den Einwohnern von Hippos und Gadara mit vieler Erbitterung angeklagt wurde, sollte enthauptet werden, aber Berenice verwendete sich für ihn und rettete ihm das Leben71. Agrippa legte jetzt einen besonderen Eifer für die Römer an den Tag, um jeden Argwohn zu verscheuchen. Seine Schwester knüpfte in dieser Zeit mit Titus ein Liebesverhältnis an, welches viele Jahre hindurch dauerte, obwohl sie um vieles älter als der Sohn des Feldherrn war; ihre Schönheit hatte der Zeit getrotzt.

[495] Das Heer aus römischen Kerntruppen und Bundesgenossen bestehend, mit welchem Vespasian die judäische Revolution dämpfen wollte, betrug über 50,000 Mann, außer dem zahlreichen Trosse, der dem Heere zu folgen pflegte. Erst im Frühjahr war die Rüstung vollendet, und der Feldzug begann mit der Aussendung kleiner Truppenkörper, welche die Straßenzüge zu den festen Plätzen Galiläas von den judäischen Streifscharen säubern sollten. Vespasian, vorsichtiger als sein Vorgänger Cestius, unternahm den Krieg nicht mit Ungestüm, sondern führte ihn von Anfang bis zu Ende mit jener zaudernden Bedächtigkeit, die dem Feinde Schritt für Schritt Boden abzugewinnen sucht. Er ließ zunächst das treugebliebene Sepphoris besetzen, und von hier aus zog die römische Reitervorhut unter Placidus in der Nachbarschaft umher, zerstörte Städte und Dörfer und erfüllte die ganze Gegend mit Brandstätten. Josephus vermochte mit seinen Scharen nicht Stand zu halten, sondern zog sich immer weiter zurück. Wo er den Kampf aufnahm, erlitt er schimpfliche Niederlagen, weil seinem Heere die Zuversicht fehlte, die nur ein hingebender Feldherr einzuflößen vermag. Sein Heer zerstreute sich daher in der Regel beim ersten Anblicke des Feindes72. Von einem ganz andern Geiste waren diejenigen Galiläer beseelt, die Johannes von Gischala entflammt hatte. Sobald sich Placidus Jotapata näherte, griffen ihn die Einwohner dieser Stadt mit Ungestüm an, und obwohl sie die geschlossenen Reihen der Römer nicht durchbrechen konnten, kämpften sie dennoch so tapfer, daß sie die römische Vorhut in die Flucht schlugen73. Was hätte Galiläa vermocht, wenn es so viele Krieger aufgestellt hätte, als es Jünglinge und Männer hatte, und von einem erfahrenen, mutigen, hingebenden Feldherrn geführt worden wäre! Doch es war geteilt, geschwächt, entmutigt und mußte am Ende die Beute des Siegers werden.

Vespasians Feldzugsplan war darauf berechnet, zuerst Galiläa zu unterwerfen, um nicht auf dem Zuge nach Judäa gegen die Hauptstadt einen verwegenen Feind im Rücken zu haben. Das römische Heer marschierte daher auf die nordgaliläischen Festungen zu, namentlich gegen Gabara und Jotapata. Das erste, von Mannschaft entblößt, war bald eingenommen und verbrannt. Die ganze Bevölkerung von Gabara ließ Vespasian als Sühnopfer für die Niederlage der Römer vor Jerusalem über die Klinge springen74. Alle kleinen Städte und Dörfer der Umgegend traf dasselbe Los, die Bewohner wurden hingeschlachtet[496] oder als Sklaven verkauft75. Der Krieg nahm von vornherein den Charakter eines Rachekrieges an. Josephus aber hielt sich in dieser Zeit fern vom Kriegsschauplatze in Tiberias auf, das er durch seine Flucht mit Schrecken erfüllte. Er dachte damals schon daran, zu den Feinden überzugehen, in der festen Überzeugung, daß ihm kein Haar gekrümmt werden würde. Nur ein gewisses Schamgefühl hielt ihn noch zurück, sogleich beim Beginne des Krieges einen so schimpflichen Schritt zu tun. Er schilderte daher dem Synhedrion die Sachlage, verlangte Verhaltungsbefehle, ob er mit dem Feinde unterhandeln oder den Krieg fortsetzen sollte, und erbat sich im letzteren Falle Verstärkung76. Galiläa, das dichter bevölkert war als Judäa und über drei Millionen Einwohner zählte, brauchte jetzt schon Verstärkung. So sehr war es durch Josephus' strafbare Verkehrtheit geschwächt.

Von Gabara zog Vespasian nach Jotapata. Das römische Heer mußte sich aber mit vielen Anstrengungen einen Weg bahnen, denn die Judäer hatten in die Engpässe und Täler Hindernisse gelegt und die Wege unzugänglich gemacht. Der Felsen, auf dem Jotapata erbaut war, war von steilen und hohen Hügeln umgeben, welche tiefe Abgründe von der Stadt trennten. Nur auf der Nordseite war ein zugänglicher Abhang; diesen hatten die Jotapatenser durch eine Schanze und mehrere Türme befestigt. Auf dieser Schanze waren Felsblöcke, Wurfgeschosse, Pfeile, Schleudern und Verteidigungsmittel aller Art angehäuft, mit denen die Feinde empfangen werden sollten. Gegen diese mehr zugängliche Seite richteten die Römer ihre Angriffe, stellten sechzig Belagerungsmaschinen auf und schleuderten ohne Unterbrechung Speere, Steine und Holzstücke, mit brennbaren Stoffen versehen, in die Festung. Die Belagerten kämpften aber mit solcher Erbitterung und Todesverachtung, daß sie die Römer ermüdeten. Sie schlugen wiederholentlich Sturmangriffe zurück, zerstörten häufig die Belagerungswerke, machten auch wohlberechnete und glückliche Ausfälle. Ein einziger judäischer Krieger Eleasar ben Samea aus Saab, sprang von der Mauer hinab, zerschmetterte den gegen die Mauer gerichteten eisernen Widder, ergriff den Kopf desselben und kletterte wieder die Mauer hinauf. Aber von den Pfeilen der Feinde getroffen, stürzte er nieder. Zwei andere Jünglinge, zwei Brüder, Netira und Philipp aus Ruma, sprangen ebenfalls von der Mauer und griffen eine Abteilung der Römer mit solchem Feuer an, daß sie [497] dieselben zum Wanken brachten77. Vespasian sah sich zuweilen als den Belagerten und die Judäer als die Belagerer an. Als eine römische Sturmkolonne eines Tages beinahe die Höhe der Mauer erklommen hatte, gossen die Jotapatenser siedendes Öl auf sie und zwangen sie zur Umkehr. Aber der beispiellose Widerstand war vergeblich. Es fehlte den Belagerten an Trinkwasser, und so verschmachteten sie unter den ermattenden Anstrengungen bei Tag und Nacht. Die Belagerung zog sich mehr als vierzig Tage hin78 (17. Ijar – 1. Tammus, Mai – Juni); dennoch erlagen die Jotapatenser nicht, und ihre Festung wurde nur durch den Verrat eines Überläufers eingenommen, der dem Feinde einen schwach besetzten Posten verriet. Vor Tagesanbruch rückten die Römer an diesem Punkte ein, überfielen die ermüdeten Krieger im Schlummer und machten Alles nieder. Viele Judäer gaben sich selbst durch das Schwert oder den Sturz von der Mauer den Tod. Vierzigtausend Mann kamen bei dieser Belagerung um, und im ganzen wurden noch über tausend Frauen und Kinder gefangen und zu Sklaven gemacht; die Festung wurde geschleift79 (1. Tammus = Juni 67). Jotapata gab dem übrigen Lande das Beispiel, wie es mit Ehren und der Strahlenkrone des Heldenmutes untergehen sollte. Einige Tage vorher war Japha (Japhia) unweit Nazaret gefallen, das im Rücken der Römer operieren wollte. Seine männlichen Bewohner, Jünglinge und Greise, ließ Titus hinschlachten, die Weiber und Kinder zur Sklaverei verurteilen (25. Sivan, Mai oder Juni80).

Zwei Tage später kam die Reihe an die Samaritaner. Der hartnäckige und heldenmütige Widerstand, den die Jotapatenser den römischen Belagerungsmaschinen und Belagerungskünsten entgegengesetzt, hatte diese, so wie die Japhaenser ermutigt, sich zu sammeln und den Römern die Eroberung des Landes zu erschweren. Die Chuthäer, uneingedenk ihrer alten Feindschaft gegen die Judäer, machten gemeinschaftliche Sache mit diesen, und auf ein gegebenes Zeichen sammelten sie sich auf dem ihnen heiligen Berge Gerisim. Vespasian, welcher von dieser Ansammlung[498] Nachricht erhalten hatte, sah darin eine Gefahr für den Fortschritt der römischen Waffen und sandte zur Bekämpfung der Samaritaner Cerealis, den Tribunen der fünften Legion, mit 3000 Fußtruppen und 600 Reitern. Dieser belagerte zuerst den Berg und schnitt ihm jede Zufuhr ab. Dadurch trat für die belagerten Samaritaner ebenso wie für die Jotapatenser Wassermangel und brennender Durst ein, wodurch nicht wenige verschmachteten. Aber nur die Feigen gingen zu den Römern über; die meisten dagegen, 11 600, trotzten dem Durste, widerstanden der Verlockung der Römer, welche ihnen Amnestie zusicherten, und wurden auf Befehl Cerealis', der die Verschmachteten auf der Bergspitze angreifen ließ, sämtlich hingeschlachtet (27. Sivan, Mai-Juni81).

Josephus war vor der Belagerung Jotapatas in die Stadt gekommen und hatte anfangs den Widerstand geleitet. Als er aber die Erfolglosigkeit desselben einsah, wollte er die Stadt verlassen. Die Einwohner hinderten ihn jedoch daran. Bei der Überrumpelung der Festung verbarg er sich in einer Zisterne, die mit einer Höhle in Verbindung stand, wo er vierzig Krieger antraf, die hier gleich ihm augenblickliche Zuflucht gefunden hatten. Ihr Aufenthalt wurde indessen verraten, und die Römer forderten Josephus auf, sich zu ergeben. Dieser überwand jedes Bedenken und war bereit, zu einem Freunde Nikanor, der ihm im Namen des römischen Feldherrn das Leben zugesichert hatte, hinaufzusteigen, als seine Leidensgefährten die Schwerter gegen seine Brust kreuzten und ihn mit dem Tode bedrohten, wenn er darauf bestände, die Judäer durch eine solche Feigheit zu entehren. Durch die Überzahl überwunden, mußte er sich in den Beschluß ergeben, daß sie allesamt sich dem Tode weihen wollten. Die Flüchtlinge schworen, diesen Beschluß auszuführen, und hielten ihren Schwur. Sie fielen je einer durch die Hand des andern. Nur Josephus, der ebenfalls zu sterben geschworen hatte, brach den Toten das Wort, wie er es den Lebenden gebrochen hatte. Er war mit einem Gefährten bis zuletzt geblieben, entwaffnete denselben durch Überredung und Gewalt und ergab sich den Römern82. Er war also endlich an dem Platze, wohin ihn die Sehnsucht längst gezogen hatte. Vespasian behandelte ihn mit vieler Milde, als wenn er von vornherein keinen Feind in ihm erblickt hätte. Oder hat sich die schöne Berenice für ihn bei ihrem Anbeter Titus verwendet, wie früher für Justus von Tiberias? Er sollte anfangs dem Kaiser Nero zu einem etwaigen Triumphzuge [499] zugeschickt werden; Vespasian stand aber davon ab. Josephus mußte zwar eine Fessel tragen und wurde unter Wache gestellt; aber das war nur ein Schein. Denn Vespasian gestattete ihm, sich aus den gefangenen Jungfrauen eine Ehefrau auszusuchen und ein Prachtgewand zu tragen, beschenkte ihn reichlich, behielt ihn bei sich und gab ihn seinem Sohne Titus zum beständigen Begleiter. Die Ausnahme, die zu Josephus' Gunsten gemacht wurde, wirft kein günstiges Licht auf ihn. Mit einer alle Grenzen überschreitenden Ruhmredigkeit erzählte er von sich, er habe die Begnadigung dem Umstande zu verdanken gehabt, daß er im voraus Vespasian prophezeit habe, er werde Neros Nachfolger und Herr des römischen Reiches werden. Er will sogar im voraus verkündet haben, die Belagerung von Jotapata werde so und so lange dauern, und er selbst werde unter allen Kriegern am Leben bleiben83. Das letztere war nicht schwer zu prophezeien.

Nach der Zerstörung von Japha und Jotapata kam die Reihe an die Seestadt Joppe. Hier hatte sich eine Menge zelotischer Flüchtlinge gesammelt, welche die von Cestius zerstörte Stadt wieder aufzubauen begannen und Schiffe bestiegen, um die Zufuhr nach Cäsarea von Ägypten aus aufzufangen. Vespasian, der in Cäsarea weilte, sandte Truppen zur Bekämpfung derselben. Diese nahmen die Stadt nachts ein, und die Judäer mußten sich auf ihre Schiffe retten. Da erhob sich ein wütender Sturm auf dem Meere, das sich mit den Römern verschworen zu haben schien, zerstreute die Fahrzeuge, schleuderte sie an die mächtigen aus dem Meere emporragenden Felsblöcke und in die Strudel und vollendete den Untergang der judäischen Patrioten. Ohne Aussicht, in irgend einen der von den Römern besetzten Häfen einlaufen zu können, kamen viele durch Strandung um, andere töteten sich selbst84. Nicht lange darauf kam auch Tiberias in die Gewalt der Römer, da seine Einwohner, durch die steten Reibungen mit Josephus entmutigt, keinen Widerstand leisteten und die Tore öffneten85. Die Zeloten mit Josua ben Saphat an der Spitze warfen sich nach dem benachbarten Tarichea und kämpften tapfer gegen die Römer von der Mauer und auf Fahrzeugen von der See aus. Aber es brach eine Spaltung im Innern aus, und diese begünstigte die Eroberung. Die Patrioten büßten mit dem Leben. Die Gefangenen, über zehntausend, wurden nach Tiberias geführt und ihnen anfangs die Hoffnung auf das Leben gelassen. Sechstausend der kräftigsten Jünglinge, die während des galiläischen Krieges in Gefangenschaft geraten waren, wurden Nero nach Griechenland [500] zugesandt, um an dem Durchbruch der Landenge von Korinth mitzuarbeiten. Mehr als dreißigtausend wurden als Sklaven verkauft, und zwölfhundert Greise und zur Arbeit Untaugliche befahl Vespasian von einer Bühne herab mit kaltem Blute zu töten (8. Elul, August86). Ein Jahr nach dem Aufstande in Jerusalem war der größte Teil von Galiläa, das sich mit dem ganzen Feuer der Vaterlands- und Freiheitsliebe und der Begeisterung für die Religion der Väter erhoben hatte, eingeäschert, entvölkert und mehr als früher geknechtet. Agrippa zeigte bei dieser Gelegenheit, daß er nicht bloß aus Politik und aus Furcht vor den Römern feindlich gegen sein Volk handelte. Vespasian überließ ihm die Gefangenen aus seinen Gebietsteilen zu freier Verfügung. Er hätte sie freilassen oder züchtigen können. Er verkaufte sie aber als Sklaven87 und bewies damit, daß er seinem Ahnen Herodes ähnlicher war als seinem Vater Agrippa.

Nur noch drei feste Punkte waren in den Händen der galiläischen Zeloten: Gamala, der Berg Tabor und Gischala im äußersten Norden. Gamala war durch die Bemühungen zweier Zelotenführer, Joseph von Gamala und Chares, zum Aufstande gebracht worden. Vergebens hatte es der Unterfeldherr des Königs Agrippa mehrere Monate belagert, die Zeloten hielten sich standhaft. Da rückte Vespasian mit seinem Heere gegen diese, Tarichea gegenüber hochgelegene Stadt (24. Elul). Der Kampf um Gamala war einer der heldenmütigsten des ganzen Krieges. Die Vorteile, welche die Lage des Ortes den Gamalensern darbot, waren von dem Nachteile aufgewogen, daß im ganzen kaum 9000 Kämpfer sich in der Festung befanden, und diese wurden noch dazu von Flüchtlingen aller Art, Greisen, Weibern und Kindern, welche die Unmenschlichkeit der Römer vom unbewohnten Lande nach Gamala getrieben hatte, an freier Bewegung gehindert. Die Stadt lag auf einem Felsen, der die Gestalt eines Kamelhöckers hatte, wovon Gamala seinen Namen erhielt. Die natürliche Festung war außerdem durch Wälle und Türme geschützt. Die Häuser waren an den Abhängen des Berghöckers terrassenförmig gebaut.

Mehrere Tage kämpften die Gamalenser von den Außenwerken mit einem Eifer, würdig ihres Landsmannes, des Zelotenstifters Juda. Agrippa, der sie zur Übergabe ermahnte, erwiderten sie mit einem Steinwurfe, der ihm den Arm verwundete. So wie aber die römische Belagerungsmaschine die Höhe der Wälle erreichte, zogen sich die Belagerten in das Innere der Stadt zurück und bildeten mit ihren Leibern einen neuen Wall. Nach drei Wochen der Belagerung hatten [501] die Maschinen eine enge Öffnung in die Mauer gebrochen, durch welche eine Anzahl römischer Krieger in die Stadt eindrang. Die Belagerten zogen sich nach dem höher gelegenen Teile zurück, die Römer folgten ihnen auf dem Fuß nach, verwickelten sich in den engen Gäßchen und wurden von den Hausdächern angegriffen und zurückgeworfen. Da versuchten die Römer, von dem wütenden Angriffe bestürzt, sich auf die Dächer der niedriger gelegenen Häuser zu retten, aber diese hielten die Wucht nicht aus, stürzten zusammen und begruben einen Teil der römischen Mannschaft unter ihren Trümmern. Die Gamalenser warfen große Felsstücke, sozusagen die ganze eigene Stadt, den fliehenden Feinden auf die Köpfe, daß sie kaum den Rückzug antreten konnten. Es war ein schöner Tag für Gamala, ein Tag des Sieges (am Hüttenfeste), aber er war um schweren Preis erkauft. Die Leichenhaufen der Römer bedeckten viele gefallene judäische Kämpfer, deren Abgang nicht zu ersetzen war. Chares, einer der Anführer, lag tödlich verwundet. Tags darauf verleiteten die Römer die judäischen Krieger, einen Turm zu verteidigen, der von ihnen unterminiert war. Unter fürchterlichem Krachen stürzte der Turm zusammen und begrub den Rest der Helden, darunter auch den letzten Anführer, Joseph, den Sohn der Hebamme. An eine Fortsetzung der Verteidigung war nicht mehr zu denken. Die Römer rückten ein und erwürgten, was sie noch antrafen, an viertausend Menschen. Beinahe fünftausend gaben sich selbst den Tod. Von der ganzen Bevölkerung Gamalas blieben nur zwei Mädchen am Leben, die sich einige Tage versteckt hielten. Da sie zu den Verwandten des Babyloniers Philipp gehörten, schenkte ihnen der Sieger das Leben. Gamala fiel am 23. Tischri (October)88 beinahe ein Jahr nach Cestius' Niederlage.

Inzwischen war auch die Festung des Berges Tabor (Itabyrion) durch Placidus' Kriegslist eingenommen worden. Die Stadt Tabor lag auf einer gerade aufstrebenden Höhe, die sich aus der Ebene Jesreel fast 1600 Fuß von allen Seiten isoliert erhebt. Sie war durch diese Lage uneinnehmbar. Aber Placidus wußte die Verteidiger durch eine Scheinflucht aus der Bergfestung zu locken, dann ließ er seine Reiterei umkehren und die Angreifer niedermachen; die Übrigen, am Widerstand verzweifelnd, entflohen auf der entgegengesetzten Seite nach Jerusalem, und die schwache Bevölkerung ergab sich aus Mangel an Trinkwasser89.

Die kleine Stadt Gischala, die Johannes befehligte und die nur wenige Verteidiger zählte, von denen die meisten Ackerbauer waren, konnte sich nicht halten. Als Titus sich ihr mit einer großen Heeresmacht [502] näherte und die Besatzung aufforderte, sich zu ergeben, bat sich Johannes einen Tag Waffenstillstand aus, weil es gerade Sabbat war; diese Ausflucht benutzte er, um mit mehreren Tausenden die Stadt zu verlassen. Tages darauf ergab sich Gischala, und die Mauern wurden geschleift. Titus ließ Johannes nachsetzen, dieser hatte aber bereits einen Vorsprung gewonnen und erreichte glücklich Jerusalem. Die eingeholten Flüchtlinge jedes Alters und Geschlechtes wurden von den römischen Soldaten niedergemacht90. Das war das letzte Todesröcheln des besiegten Galiläa. Die Römer waren von der blutigen Anstrengung so sehr ermüdet und ihre Reihen von dem Kampfe so sehr gelichtet, daß Vespasian den Truppen Ruhe gönnen und die Lücken ausfüllen mußte91.


Fußnoten

1 Josephus jüd. Krieg III, 3, 2-3.


2 Megilla 6 a.


3 Josephus jüd. Krieg II, 21, 2.


4 Menachot 85 b. Sifri zu Ha'asinu No. 316.


5 Josephus III, 10, 8.


6 Das. Menachot 85 a. Vergl. o. S. 290.


7 Sabbat 120 b. Baba Mezia p. 74 b. Genesis Rabba No. 86, p. 97 b. über Sichin o. S. 125.


8 Josephus jüd. Krieg II, 21, 8; III, 10, 7.


9 Das. vita 45; jüd. Krieg III, 3, 3.


10 Vergl. Raumer, Palästina, 430.


11 Josephus vita 12. Jerus. Erubin 5, 1. p. 2 b.


12 Vergl. Bd. II b, S. 270.


13 Gittin 7 b.


14 Josephus jüd. Krieg III, 3, 1. Schebiit IX, 2.


15 Der einzige Anhaltspunkt für die Grenzscheide zwischen Ober- und Niedergaliläa ist Josephus' Nach richt, daß die Städte Achbara und Meroth – sicherlich das talmudische Meïron unweit Achbara (Baba Mezia 84 b) und unweit Safet – zu Obergaliläa gehörten, vita 37, jüd. Krieg II, 20, 6. Nach der Mischna bildete Kephar-Chanina die Grenze (Schebiit IX, 2.)


16 Josephus jüd. Krieg III, 3, 2, s.o. S. 281.


17 Josephus vita 10. Der Text ist hier gewiß korrumpiert.


18 Josephus vita 16; jüd. Krieg II, 21, 1-2. 6.


19 Das. vita 38.


20 Das. jüd. Krieg II, 21, 1. VII, 8, 1.


21 Jüd. Kr. II, 21, 1. An der Stelle ist zwar nur von 400 Anhängern des Johannes die Rede, aber die Zahl ist falsch und läßt sich aus 21, 7, wo von 5000 die Rede und vita 66 berichtigen, wo 5500 angegeben ist.


22 Das. vita 25, 45.


23 Das. 9, 65; über die Zeit an letzterer St.


24 Das. 9.


25 Das. 12, 27. Auch in c. 9 ist von Josua b.S. die Rede.


26 Das. 9, 12.


27 Josephus jüd. Krieg II, 18, 6; vita 11. An der letzteren Stelle hat Josephus manche Tatsachen und Umstände, die ihm erst später bekannt geworden sind, hinzugefügt. Anstatt Νόαρος an der ersten Stelle muß Varus, wie in der andern gelesen werden, was durch Rufinus' Übersetzung bestätigt wird. Die zweite Stelle enthält manche Corruptelen, die zum teil in Havercamps Annotationen berichtigt sind. Statt ἐπὶ τοὺς ἐν Ἐκβατάνοις Βαβυλωνίους Ἰουδαίους muß gelesen werden ἐν Βαταναίᾳ Βαϑυρἠνοις [Vgl. Kohout a.a.O. S. 611].


28 Vita 35-36. Die Zeit läßt sich dadurch bestimmen, daß der Abfall Gamalas geschah, während Agrippa und Berenice in Berytus waren. In Berytus waren sie noch bei Cestius (das. 11, falsch im jüd. Krieg II, 18, 6 in Antiochien), also noch im Beginne der Revolution.


29 Das. 37, vergl. jüd. Kr. IV, 1, 1.


30 Das. vita 8-9.


31 Vita 1; Altert. XVI, 7, 1. Das Geburtsjahr genau bestimmt Clinton Fasti Rom. I. ad. A. 38, über sein Ende Monatsschr. 1877, 236 ff. [Vergl. jedoch die Ausführungen Schürers I3, 88. 597 ff., die ich für durchschlagend halte. Danach ist Josephus erst zu Beginn des 2. nachchristlichen Jahrhunderts gestorben.]

32 Vita 1.


33 Das. 2.


34 Das. Altert. Ende.


35 Das. Vita 3.


36 Das.


37 Jos. Vita 1. Altert. Ende.


38 Das. Vita 5.


39 Das.


40 Das. 44 ff.


41 Josephus' Charakter und Tätigkeit sind äußerst schwer zu beurteilen, weil die beiden Quellen, der jüdische Krieg und die Selbstbiographie (Vita), grelle Widersprüche darüber enthalten. Um doch einen Anhalt für ein einigermaßen sicheres Urteil darüber zu haben, muß man davon ausgehen, daß er sich in der Vita schwärzer gemalt hat, als er war, und daß er aus Furcht vor Domitian, unter dessen Regierung er die Vita geschrieben hat, sich lieber als Verräter an seinem Volke gegeben hat, um als Römerfreund zu gelten. Der Geschichtsschreiber Justus hatte ihn öffentlich angeklagt, daß er und die Galiläer Schuld an dem Abfall von den Römern gehabt hätten (Vita 65). Unter Domitian traten mehrere Delatoren gegen ihn auf, darunter sogar der Erzieher eines seiner Kinder (das. 76 Ende). Um sich gegen diese Anklagen der Römerfeindlichkeit zu verteidigen, verfaßte er eben die Vita und stellte seine Tätigkeit so dar, als wenn er von Anfang an im Interesse der Römer gehandelt hätte. Dieser tendenziösen Apologie darf man also nicht trauen. Unmöglich kann er von den Ersten Jerusalems den geheimen Auftrag übernommen haben, weil Galiläa noch nicht ganz von Rom abgefallen gewesen sei, in dieser Landschaft das gemeine Volk oder die »Räuber« zu entwaffnen, wie er es darstellt (das. 7). Zu den »Ersten Jerusalems« gehörten jedenfalls Simon b. Gamaliel und Anan b. Anan, und diese haben gerade eine energische Kriegsführung in Galiläa gewünscht und Josephus wegen seiner zweideutigen Rolle absetzen wollen, wie er selbst erzählt. Unmöglich kann er ferner den von ihm in Sold genommenen »Räubern« eingeschärft und zur Bedingung gemacht haben, die Römer nicht anzugreifen, weil er vor allem Galiläa in Frieden habe halten wollen (das. 14). Unwahr ist gewiß sein Bericht, daß er den von ihm aus den Kerkern entlassenen Tiberiensern, unter denen auch sein Feind Justus gewesen, freimütig eröffnet habe: er kenne wohl die Unbesiegbarkeit der römischen Waffen, verschweige es aber aus Furcht vor den »Räubern« und habe den Tiberiensern geraten, eine gelegene Zeit abzuwarten, zu den Römern überzutreten (das. 35). Auf die Darstellung in der Vita ist demnach nichts zu geben, wenn sie mit der Erzählung im jüd. Krieg im Widerspruch steht. Das Richtige wird wohl sein, daß Josephus Anfangs ebenfalls vom Taumel der Revolution ergriffen war, und bona fide die Erhebung Galiläas übernommen hat. Er hat wohl in Agrippas Interesse gehandelt, die Römer aber nicht heimlich und verräterisch unterstützt. Erst nach und nach trat seine Ernüchterung ein, und erst ganz zuletzt, als Vespasian immer mehr Fortschritte machte, scheint er in ein geheimes Einverständnis mit dem römischen Feldherrn getreten zu sein.


42 Josephus vita 7, verglichen mit 12-13.


43 Jüd. Krieg II, 20, 5; vita 14.


44 Das. jüd. Krieg II, 20, 5. 7. 8.


45 Das. 20, 6. Vita 37.


46 Vita 12, 13.


47 Das. 13.


48 Jos. jüd. Krieg II, 21, 3-5; vita 26-30 nicht übereinstimmend.


49 Zu den vielen Widersprüchen, die sich Josephus in seinen doppelten Berichten über den galiläischen Krieg hat zu Schulden kommen lassen, gehört auch dieser, daß er (in Vita 16 fg.) Johannes vor dem Vorfall infolge der dabarittensischen Jünglinge nach Tiberias kommen läßt, während er im jüd. Krieg II, 21, 6 berichtet, es sei nachher geschehen. Das letzte ist wahrscheinlicher, während der erste Bericht unter dem Verdacht steht, Johannes noch mehr anschwärzen zu wollen, als habe er ihn angefeindet, noch bevor etwas gegen ihn vorlag.


50 Josephus Vita 18, 19. Jüd. Kr. das. 21, 6, 7, vielfach abweichend.


51 Sehr kurz wird dieser Vorgang jüd. Kr. das. 21, 7, ausführlich Vita 38 fg. erzählt. An der ersten Stelle steht der Name des Führers der vier Abgeordneten falsch im Genitiv, als Vater der Delegirten Simon und Juda, statt Ἰωνάϑƞν. Es ist entschieden eine Verleumdung, daß Anan erst durch Bestechung dafür gewonnen wurde. Dieser war reich, Johannes' Bruder dagegen arm. Womit sollte er bestochen haben?


52 Vita 40-45.


53 Vita 46-53.


54 Das. 55-56.


55 Das. 56-59.


56 Das. 60.


57 Vita 61-63.


58 Das. 32-34; jüd. Kr. II, 21, 8-10.


59 Vita 35-36. Vergl. o. S. 485 Anmerkung.


60 Vita 68-70.


61 Das. jüd. Kr. II, 21, 7; vita 66.


62 Das. jüd. Krieg II, 21, 10.


63 Vita 8.


64 Vita 67-71. Vergl. das. 12, 15, 22.


65 Das. 72-73.


66 Das. 37; jüd. Krieg II, 20, 6.


67 Das. jüd. Krieg Einleitung 2; III, 1, 1.


68 Tacitus, hist. 5, 10.


69 Tacitus das. 1, 10.


70 Jos. jüd. Krieg III, 4, 2.


71 Vita 74, 65.


72 Jüd. Krieg III, 4, 1; 6, 1-3.


73 Das. 6, 1.


74 Das. 7, 1; es muß aber statt Γαδαρέων gelesen werden Γαβαρέων, wie schon Roland emendiert hat (Palaestina 771) [vgl. auch Kohout a.a.O. S. 626].


75 Jüd. Krieg III, 7, 1.


76 Das. 7, 2.


77 Jüd. Krieg III, 7, 21. Das Städtchen Σαάβ ist unbekannt [Vergl. Buhl a.a.O. S. 221 u. Kohout a.a.O. S. 629.]. Dagegen kommt Ροῠμα unter den Namen אמור und אמורא in der talmudischen Literatur vor. Es ist wohl identisch mit Tell-Ruma zwischen Sefurijeh und Kana el-G'elil [So auch Buhl S. 220ff.].


78 Josephus gibt die Dauer der Belagerung Jotapatas nicht genau an; das. 7, 3 berichtet er, daß er am 5 ten Tage der Belagerung, am 21. Artemisios = Ijar, nach Jotapata gekommen sei. Folglich begann die Belagerung am 17. Das. 7, 36 gibt er als das Ende 1. Panemos = Tammus an. Folglich dauerte sie 44 Tage. Das. 33 und 8, 9 rechnet er 47 Tage.


79 Über Jotapata das. 7, 3-30, 33-36.


80 Das. 7, 31.


81 Über Jotapata Jüd. Krieg III, 7, 32. Die samaritanischen Chroniken haben keine Erinnerung an dieses Gemetzel erhalten.


82 Das. 8, 1-7.


83 Über Jotapata Jüd. Krieg III, 8, 8-9; IV, 10, 7; Vita 75.


84 Das. j. Kr. 9, 2-3.


85 Das. 9, 7-8; vergl. Vita 65.


86 Jüd. Krieg IV 10, 1-6; 9-10. Ἰƞσοῠς παῖς Σαφάτου ist verschieden von J. b. Sapphia.


87 Das. 10, 10.


88 Jüd. Krieg IV, 1, 1-7; 9-10.


89 Das. 1, 8.


90 Jüd. Krieg IV, 2, 1-5.


91 Das.



Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig 1906, Band 3.2, S. 504.
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