II. Die Abfassungszeit des Pseudo-Aristeas.

[583] Das angebliche Sendschreiben des Aristeas an seinen Bruder Philokrates oder das ούνταγμα, im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert Gegenstand lebhaften Streites unter den philologisierenden Theologen und theologisierenden Philologen, dann eine Zeitlang außer acht gelassen, hat in dem letzten Dezennium abermals die Aufmerksamkeit der Forscher auf sich gezogen. Der Holländer Cobet hat in der griechischen Zeitschrift (λόγιος Ερμῆς 1866, p. 177 fg.) über dieses Sendschreiben samt andern Erzeugnissen des judäischen Hellenismus ein wegwerfendes Urteil ausgesprochen. Moriz Schmidt hat (in Merx' Archiv für wissensch. Erforsch. d. alt. Test. 1869 I, S. 12) auf Grund zweier Pariser Codices die Korrektur des in den Editionen von Kopisten- und Druckfehlern wimmelnden Textes durch Angabe der variae lectiones angebahnt. Der Italiener Giacomo Lumbroso hat (in seinem preisgekrönten und in der Tat gediegenen mémoire: recherches sur l'économie politique de l'Égypte sous les Lagides 1870 im Vorworte p. XII ff.) die Wichtigkeit dieses Briefes für die Archäologie des Ptolemäerreiches hervorgehoben und zum Schlusse (Annexes p. 351) Lesarten aus einem Venetianischen Codex zusammengestellt. Lumbroso hat überhaupt eine ganze Reihe von Codices des Aristeasbriefes in England, Rom und der St. Marc.-Bibliothek in Venedig, welche bisher der gelehrten Welt unbekannt waren, ans Licht gezogen und kollationiert. [Über die Handschriften und Ausgaben s. jetzt Wendlands Ausgabe (Leipzig 1900), S. VII bis XIX u. S. XXVI ff.] Ferner hat Aemilius Kurz (in einer Promotionsschrift Aristeae epistola ad Philocratem, Bern 1872) von neuem die Frage über Echtheit oder Unechtheit dieser Epistel erörtert und glaubte auf Grund des von Schmidt gegebenen korrekteren Textes neue Momente für Beurteilung dieser Frage gefunden zu haben. Freudenthal endlich hat dem Verf. des Aristeasbriefes alle Sünden der judäisch-alexandrinischen Pseudepigraphie aufgeladen (Hellenistische Studien 1875, S. 162 fg.): Pseudo-Aristeas sei derselbe wie Pseudo-Artapanus und wie Pseudo-Hekataios. Der Verfasser aller dieser pseudepigraphischen Machwerke sei darauf versessen gewesen, um die judäische Vergangenheit und die judäischen Institutionen in den Augen der Griechen zu heben, Märchen zu erfinden und sie in den Mund pseudonymer Verfasser zu legen. [Weitere Literatur s. bei P. Wendland in Kautzschs Apokryphen und Pseudepigraphen d. Alten Test. (Leipzig 1900), II, S. 1-31, und in desselben Ausgabe des Briefes (Leipzig, 1900), S. XXV ff.]

Gälte es bloß die Unechtheit des Aristeasbriefes zu konstatieren, so könnten die Akten völlig geschlossen werden. Denn die Momente für die Unechtheit desselben. [583] welche seit Scaliger geltend gemacht wurden, liegen so mächtig zutage, daß man sich nur verwundern kann, wie Moriz Schmidt nur noch ein Wort darüber verlieren konnte, um die Echtheit zu retten. Die unverkennbaren Momente der Fälschung sind: daß der Aristeasbrief den Demetrios Phalereus zum Oberbibliothekar macht, während dieser ein Fürst war und eine Zeit lang den athenischen Staat geleitet hat, ferner, daß er ihn zum Oberbibliothekar unter Ptolemäus Philadelphus macht, während dieser König, nach dem Berichte des Hermippus, den Demetrios gehaßt und in den Kerker gesetzt hat, weil er seinem Vater Ptolemäus Lagi geraten hatte, Philadelphus zu enterben und die Söhne der zweiten Gemahlin Eurydike als Thronfolger zu designieren13. Demetrios starb auch im Kerker.

Hermippus war ein jüngerer Zeitgenosse des Ptolemäus Philadelphus und trug Materialien für die Biographien der Philosophen zusammen. Die Biographica über Demetrios Phalereus sind ihm ohne Zweifel von dessen Zeitgenossen überliefert worden. Hermippus sagt zwar nicht mit deutlichen Worten, daß Demetrios' Ungnade und Kerkerhaft unmittelbar nach Philadelphus' Regierungsantritt erfolgt seien. Aber die Aufeinanderfolge liegt in der Motivierung. Philadelphus hatte triftigen Grund zum Hasse gegen Demetrios Phalereus, und diesem Hasse muß er gleich beim Beginn seiner Regierung Folge gegeben haben – oder niemals14.

[584] Ist schon die Erzählung von dem Bibliothekaramt des Phalereus unter Philadelphus unhistorisch, so ist es nicht minder die Angabe, daß dießer athenische Archon gewußt habe, daß es zwölf Stämme Israels gebe, daß er dem König geraten, von jedem Stamme je sechs Männer zum Werke der Übersetzung des Pentateuchs kommen zu lassen, und daß endlich wirklich 72 Dolmetscher, aus jedem Stamme je sechs, nach Alexandrien gekommen seien. Ein Schriftsteller, der in der nachexilischen Zeit den Bestand der zwölf Stämme voraussetzt, bringt sich um jede geschichtliche Glaubwürdigkeit.

Wie gesagt, gälte es bloß die Ungeschichtlichkeit der Darstellung von dem Zustandekommen der griechischen Übersetzung unter Philadelphus auf Anraten des Phalereus vermittelst der 72 Dolmetscher zu konstatieren, so brauchte man kein Wort darüber zu verlieren und die Untersuchung von neuem aufzunehmen. Der pseudepigraphische Charakter der Aristeasepistel ist sonnenklar. Aber es verdient doch untersucht zu werden, in welcher Zeit diese Pseudepigraphie entstanden ist, da die Momente, welche ihr eine ganz bestimmte Zeit zuweisen, bisher übersehen worden sind. Die Untersuchung über die Abfassungszeit dürfte nicht bloß die Tendenz des Briefes erschließen, sondern auch manches Interessante bezüglich des judäischen Hellenismus resultieren lassen. Sehen wir uns die Stellen an, die eine bestimmte Zeitlage voraussetzen.

1) Ein langer Passus handelt vom Delatorenwesen. Der Verf. läßt bei der Erläuterung der Speisegesetze in einem Dialog zwischen Eleasar und Aristeas auseinandersetzen, warum das Geschlecht der Wiesel (γαλῆ) für unrein gelte und zum Genusse verboten sei: weil es mit dem Ohre empfange und aus dem Munde gebäre. Dieses bedeute, daß diese Sinnesart der Menschen unrein sei, die, was sie mit dem Ohre vernehmen, mit dem Munde übertreiben, andere ins Unglück verwickeln und sich mit der Unreinheit der Freveltat beflecken. »Mit Recht läßt daher euer König solche mit dem Tode bestrafen, wie wir vernehmen«15. Darauf Aristeas: »Du scheinst wohl von den Angebern zu sprechen?16 »Sie belegt er allerdings beständig mit Folter und Tod zum Schmerze«. Dann Eleasar: »Von diesen spreche ich allerdings. Ihre Wachsamkeit ist für die Menschen ein frevelhaftes Verderben«17.

Es ist gar nicht zu verkennen, daß diese dialogische Auseinandersetzung das Delatorenwesen in der Kaiserzeit [?] brandmarken will. Denn auf griechische[585] Zustände paßt sie so wenig, daß im Griechischen nicht einmal ein Wort für das, was die Römer in den Begriff delator gelegt haben, ausgeprägt wurde. Das hier dafür gebrauchte Wort ἐμφανιστἠς kommt in der klassischen Literatur gar nicht vor, sondern ist erst in der späteren Gräcität dem Worte delator nachgebildet worden [?]. Das Delatorenwesen konnte sich in der Tat nur auf römischem Boden entwickeln, aus der hoch hinauf geschraubten Vorstellung von der Majestät des Volkes. Als sich die Kaiser diese Majestät beilegten und jede Vergehung gegen dieselbe mit Strafen belegten, nahm dieses Unwesen außerordentlich überhand, weil jeder Verarmte die Empfindlichkeit der Machthaber benutzte, Angeberei anzubringen, um sich zu bereichern, wie Tacitus es schildert (Annal. I, 74): ... qui formam vitae iniit, quam postea celebrem miseriae temporum et audaciae hominum fecerunt. Nam egens, ignotus, inquies, dum occultis libellis saevitiae principis arrepit, mox clarissimo cuique periculum facessit ... ex pauperibus divites, ex contemptis metuendi perniciem aliis ac postremum sibi invenere. Sollte eine Anklage Erfolg haben, so wurde stets eine Majestätsbeleidigung damit in Verbindung gebracht, addito majestatis crimine, quod tum omnium accusationum complementum erat (das. III, 38). An einer Stelle schildert Tacitus dieses Delatorengezücht ganz so, wie der Verf. des Aristeasbriefes (das. IV, 30): Sic delatores, genus hominum publico exitio repertum et ne poenis quidem unquam satis coërcitum. Daraus ganz allein könnte man auch entnehmen, daß der Verf. in der römischen Zeit geschrieben hat. Ist ja durch das Zitat aus Tacitus auch die Angabe belegt, daß unter den Kaisern Strafgesetze gegen Delatoren erlassen und Strafen an ihnen vollstreckt worden sind. Auf dieses Argument kommen wir später noch einmal zurück, um daraus die Abfassungszeit näher zu fixieren. Hier genügt es zu konstatieren, daß der Brief einen römischen Zustand reflektiert. Nebenbei sei bemerkt, daß der römische Kaiser in Alexandrien auch βασιλεύς betitelt wurde.

2) Römische [?] Sitte verrät ferner die Schilderung im Aristeasbriefe, daß die 72 Dolmetscher jeden Morgen, ehe sie an ihre Geschäfte gegangen, sich bei Hofe eingefunden hätten, um den König zu begrüßen18, oder den Morgengruß anzubringen. Es braucht kaum weiter bewiesen zu werden, daß der Morgengruß, die salutatio matutina, lediglich [?] bei den Römern in Gebrauch, den Griechen dagegen auch unter den Ptolemäern fremd war. Diese Sitte stammte aus dem römischen Patronatsverhältnis. Jeder Klient mußte sich jeden Morgen zu seinem Patron begeben, um ihn zu begrüßen. Aus dieser Sitte wurde ein Huldigungsakt für die Kaiser, da diese im buchstäblichen Sinne Patrone waren und das ganze Volk ihr Klient. Diese adulatorische Schmeichelei kam bereits unter Augustus auf: Promiscuis salutationibus admittebat (Octavianus Caesar) et plebem, tanta comitate adeuntium desideria excipiens, ut ... (Sueton Augustus 53). Diese Aufwartung hieß unter den Kaisern officium salutationis (das. 27). Indem nun der Verf. des Briefes es als stehende Sitte betrachtet, dem Herrscher jeden Morgen einen Gruß oder »den Gruß« darzubringen, verrät er unverkennbar die Zeitlage unter den Kaisern.

3) Mehr noch gibt die Schilderung der Burg in Jerusalem zu erkennen, daß er frühestens in der herodianischen Zeit geschrieben hat. Diese Schilderung [586] paßt nämlich so augenfällig auf die von Herodes erbaute Burg Antonia, daß es eigentlich erstaunlich ist, wie dieses Moment übersehen werden konnte19. Man kann fast die ganze Beschreibung der Akropolis in Jerusalem, welche Aristeas besichtigt haben will, mit den Worten belegen, welche Josephus von der Antonia gebraucht. In den Altertümern gibt dieser Historiker nur kurz an, daß Herodes die von den Hasmonäern benutzte Baris zur Sicherheit und zur Überwachung des Tempels noch mehr befestigt habe20. Im jüdischen Kriege beschreibt er aber die Beschaffenheit der Antonia ausführlich, und diese Beschreibung trifft genau mit der zusammen, welche der Aristeasbrief von der Burg gibt. Drei Punkte sind besonders darin hervorzuheben, daß Herodes hohe Türme auf der Antonia habe anbringen lassen, daß sich eine Militärwache mit Waffen darin befunden habe, um jeden Aufstandsversuch zu unterdrücken, und endlich, daß sie den Tempel überwachte, wie dieser die Stadt. Dasselbe ist auch in dem Aristeasbrief angegeben, so daß man beide parallelisieren kann.

Josephus jüd. Kr. V, 5, 8.

Δεδόμƞτο δὲ (ἡ Ἀντωνία) ὑπὲρ πέτρας πεντƞκονταπἠχους μὲν ὕψος. .... Πυργοειδὴς δὲ οὖοα τὸ πᾶν οχῆμα, κατὰ γωνίαν τέοσαρσιν ἑτέροις διείλƞπτο πύργοις. ... ὡς καϑορᾶν ὅλον ἀπ᾽ αὐτοῠ τὸ ἱερόν. ... δὲ ὧν κατῄεσαν οἱ φρουροὶ, καϑῆστο γὰρ [ἀεὶ] ἐπ᾽ αὐτῆς τάγμα Ρωμαίων. ... μετὰ τῶν ὅπλων. ... ὡς μἠ τι νεωτερισϑείƞ, παρεφύλαττον. φρούριον γὰρ ἐπέκειτο τῇ πόλει μὲν τὸ ἱερὸν, τῷ ἱερῷ δὲ ἡ Ἀντωνία.

Aristeasbrief H. XIII Sch. p. 32. [ed. Wendl. § 10].

Ἣ (ἄκρα τῆς πόλεως) κεῖται μὲν ἐν ύψƞλοτάτῳ τόπῳ, πύργοις ἐξƞσφαλιομένƞ πλείοσι μέχρι κορυφῆς ... ὡς μεταλαμβάνομεν πρὸ φυλακὴν τῶν περὶ τὸ ἱερὸν τόπων. ἵν᾽, ἐὰν ἐπίϑεοίς τις ἢ νεωτερισμὸς.. ἐπικειμένων καὶ ὀξυβελῶν ἐπὶ τῶν πύργων τῆς ἄκρας ... τοῠ γὰρ ἱεροῠ τὴν πᾶοαν εἶναι φυλακὴν τὴν ἄκραν.

Pseudo-Aristeas kannte also im allgemeinen die Beschaffenheit und den Zweck der Antonia. Da nun Herodes den Tempel mit der Akra-Antonia erst in seinem 18. Regierungsjahre zu bauen begann, so folgt ohne weiteres daraus, daß dieser Brief nicht vorher, vor dem Jahre 15 ante, verfaßt sein kann. Wir haben also eine chronologische Grenze für die Abfassungszeit, von welcher aus man tiefer hinabsteigen, aber nicht höher hinaufgehen darf [Vgl. jedoch die Bemerkung Wendlands in der Einleitung zu seiner Übersetzung (in Kautzsch, Apokryphen und Pseudepigraphen des Alt. Test. Bd. II) S. 3, Anm. c].

4) Eine vierte Stelle in diesem Briefe zwingt uns, ihn sogar in die nachherodianische Zeit zu versetzen, nämlich die Beschreibung des jerusalemischen Tempels. So kurz sie auch gehalten ist, so läßt sie es doch an Deutlichkeit darüber nicht fehlen, daß sie nur von dem von Herodes erbauten und geschmückten Tempel verstanden werden kann. Die Angabe, daß der Tempel eine dreifache Umwallung von je mehr als 70 Ellen Höhe gehabt, ist allerdings nur als Phantasiebild zu betrachten. Ganz allgemein spricht der Brief von dem Umfang und der reichen Ausstattung desselben (μεγαλομετρεία καὶ χορƞγία). Auffallenderweise [587] ist die Schilderung der Tempelpforten am meisten hervorgehoben [daß diese Schilderung am meisten hervorgehoben werde, ist aus dem Zusammenhang nicht ersichtlich]: »Aus den Pforten und den Fugen derselben, an den Pfosten und aus der Festigkeit der Oberschwellen war ersichtlich der darauf verwendete verschwenderische Aufwand an Gold«21. Warum wird die Aufmerksamkeit gerade auf diesen doch ziemlich untergeordneten Teil des Tempels gerichtet? Josephus hebt am Tempel die Pracht des weißen Marmors, woraus er gebaut war, und die Zierlichkeit der Säulengänge hervor, dagegen berührt er die Arbeit der Pforten nur nebenher. Es muß also eine eigene Bewandtnis damit haben, daß der Aristeasbrief gerade den Luxus an den Pforten betont.

Josephus berichtet nun an einer andern Stelle (jüd. Kr. V, 5, 3): daß außer dem Nikanortore im Weibervorhofe, welches aus Erz war, sämtliche Tore mit dickem Silber und Gold belegt waren. Diesen Belag habe Alexander, der Vater des Tiberius (Alexander Lysimachos) anfertigen lassen: καὶ τὸν κόσμον πολυτελέστερον, ἐπὶ δαψιλὲς πάχος ἀργύρου τε καὶ χρυοοῠ. τοῠτον δὲ ταῖς ἐννέα πύλαις ἐπέχεεν ὁ Τιβερίου πατὴρ Ἀλέξανδρος. Also nicht Herodes hat die reiche Vergoldung an den Tempelpforten anbringen lassen, sondern der reiche Arabarch, der ältere Bruder Philos. Da dieser in Alexandrien lebte, so war natürlich diese Tatsache den alexandrinischen Judäern bekannt, auch denen, welche diese Pracht nicht gesehen haben. Es ist nun begreiflich, daß der in Alexandrien lebende Verf. (vergl. weiter unten) gerade diese Partie am Tempel, von welcher in seiner Heimat ohne Zweifel viel gesprochen wurde, als besonders bemerkenswert hervorhebt. Es folgt also unwiderleglich daraus, daß der Verf. durchaus den herodianischen Tempel schildert, und daß er gar in der nachherodianischen Zeit geschrieben haben muß, nachdem Alexander Lysimachos »den verschwenderischen Aufwand« an den Torflügeln und Pfosten des Tempels hatte anbringen lassen. Es käme also darauf an zu konstatieren, in welchem Jahre diese Verzierung angebracht wurde, um einen Terminus a quo daran zu haben. Alexander war schon unter Tiberius eine angesehene und reiche Persönlichkeit (vergl. weiter Note 4). Er kann also schon unter Tiberius die reiche Verzierung für die Tempelpforten geweiht haben. Wir müssen wieder darauf zurückkommen: da der Verf. diese Verzierung hervorhebt, so kann er nur in der nachaugusteischen Zeit gelebt haben. Schrieb der Verf. in der römischen Zeit, so ist es nicht auffallend, daß sein Stil Latinismen verrät, wie Cobet (a.a.O.) nachgewiesen hat.

5) Doch ehe wir diese chronologische Seite weiter verfolgen, müssen die von andern Kritikern übersehenen Unrichtigkeiten, Schnitzer und Anachronismen in diesem Briese aufgedeckt werden, wodurch nicht nur der pseudepigraphische Charakter, sondern auch die Tendenz desselben hervorleuchtet. Es ist nicht ganz unerheblich zu bemerken, daß er die Stadt Akko von Ptolemäus Philadelphus erbaut und nach ihm Ptolemais genannt sein läßt22, während sie bereits vorher bestanden hat, von Ptolemäus I. Ptolemaïs genannt und von demselben zugleich mit Joppe, Samaria und Gaza in der Zeit zwischen der Schlacht bei [588] Gaza und der bei Ipsos (312-301) geschleift wurde23. Es beweist, wie schlecht der Verf. in der Ptolemäischen Zeitgeschichte unterrichtet war [vgl. jedoch Wendlands Bemerkung zu seiner Übersetzung a.a.O. S. 15, Anm. a]. Aber noch unwissender erweist er sich in palästinensischen Verhältnissen, die Aristeas doch besichtigt und gekannt haben will. »Als wir in dem Orte (Jerusalem) angelangt waren, sahen wir die Stadt in der Mitte von ganz Judäa auf einem Berge liegen, welcher sich hoch erhob. Auf der Spitze (des Berges) war der Tempel prächtig erbaut«24. Diese Angabe allein stempelt den Brief zu einer Fiktion. Jerusalem, das auf drei Höhen erbaut war, von denen der Tempelberg nicht der höchste war, soll auf einem einzigen Berge errichtet gewesen sein, und der Tempel auf dessen höchster Spitze gestanden haben! Und Jerusalem soll in der Mitte des Landes gelegen haben! In grellem Widerspruch mit der Wirklichkeit wird die Ausdehnung des Landes Judäa höchst übertrieben angegeben. »Da sie (die Bewohner Judäas) richtig einsahen, daß die Plätze eine große Menschenmenge erfordern, so haben sie die Anlage der Stadt (Hauptstadt) und der Dörfer berechnet, da (das Land) von altersher nicht weniger als 6000 mal 10,000 Aruren enthielt. Als dann später die Nachbarbewohner hinzukamen, so bestanden die Losteile für 60 mal 10,000 Menschen aus je 100 Aruren«25. Die Bodenfläche des Landes betrug also 60,000,000 Aruren, und zwar ägyptische Aruren, die der Verf. doch nur im Sinne gehabt haben kann, zu 22,500 Quadratfuß! Welch eine übertriebene Ausdehnung! Wer den Jordan schildert, wie es in diesem Briefe geschieht: »Der sogenannte nimmerversiegende Fluß Jordan fließt um das ganze Land; da der Fluß, wie der Nil zur Zeit der Ernte überfließt, so bewässert er viel vom Lande«26; wer davon so spricht, der hat den Jordan niemals gesehen, auch keine sachgemäße Beschreibung davon vernommen, sondern muß aufs Geratewohl den Jordan dem Nil haben gleichstellen wollen, um die Bedeutung und Fruchtbarkeit Judäas zu illustrieren. Zu seiner Entschuldigung wollen wir den weiteren Unsinn, der in dem Satze steckt: »welcher die Flut in einen andern Fluß in der Gegend der Ptolemäer (?) ergießt; dieser mündet in das Meer«, – diesen Unsinn, als wenn der Jordan in [589] einen andern Fluß und dieser ins Meer bei Ptolemaïs münde, wollen wir dem verderbten Texte zur Last legen. Er scheint dabei den Kischon im Sinne gehabt zu haben, der allerdings nicht allzuweit von Ptolemaïs ins Meer mündet. [So auch Schlatter, Zur Topogr. u. Gesch. Palästinas, S. 86.]

Aber für die Unrichtigkeit in der Beschreibung der Boden beschaffenheit des Landes muß der Verf. selbst verantwortlich gemacht werden: »Da das Land umfangreich und schön ist, und einige Striche eben, namentlich die sogenannten samaritanischen, und die, welche an das Land der Idumäer grenzen, andere wieder gebirgig sind«27. Die Gegend von Samaria, wozu doch auch die Berge Garizim und Ebal gehören, und das Hochplateau, welches bis zur Ebene Jesreel reicht, soll Ebene sein, und auch die südliche Gegend an der Grenze von Idumäa! Aber welche andere Gegend soll gebirgig sein? Alle diese Verstöße gegen die Tatsachen genügen zum Beweise, daß nicht nur der vorgebliche Aristeas das Land nicht gesehen hat, sondern auch nicht der Verf. Es ist seltsam, wie M. Schmidt schreiben kann (S. 12 N.): »Alles, was der Verf. von der Lage der Stadt (Jerusalem) und vom Tempel erzählt, macht durchweg den Eindruck der Glaubwürdigkeit auf mich«. Wir haben aber gefunden, daß seine Schilderung durchaus nicht der Wirklichkeit entspricht. Der Verf. hat sich nicht einmal die Mühe gegeben, sich über Lage und Beschaffenheit Judäas, Jerusalems und des Tempels unterrichten zu lassen.

So viel wußte er, daß Samaritis ebenfalls zu Judäa gehört. Aber damit verrät er wieder die Unechtheit. Denn Samaria bildete zur Zeit der ersten Ptolemäer ein eigenes Gemeinwesen und wurde erst von Hyrkan I. gegen Ende seiner Regierung um 107 mit Judäa vereinigt. Wir brauchen indessen dieses Argument nicht weiter auszunutzen, um die Unechtheit zu konstatieren, da wir bereits noch beweiskräftigere dafür gefunden haben, daß der Aristeasbrief in der römischen Zeit verfaßt sein muß, da er den Morgengruß bei den Königen, (Kaisern) und das Delatorenwesen kennt, ja daß er in der nachherodianischen Zeit geschrieben sein muß, da er nicht bloß die von Herodes befestigte und mit Türmen versehene Antonia, sondern auch die von dem Arabarchen Alexander herrührende Vergoldung der Tempeltorflügel kennt. Daraus folgt, daß er in der nachaugusteischen oder nachherodianischen Zeit geschrieben sein muß. Wir dürfen aber nicht allzutief in die Kaiserzeit hinabsteigen. Daß Philo, welcher in Claudius' Zeit seine Bücher oder Abhandlungen und Predigten niedergeschrieben hat, bereits den Aristeasbrief (o. S. 578) kannte, ist auch von andern Forschern bereits geltend gemacht worden. Denn wenn auch Philo in der Erzählung von der Verdolmetschung des Pentateuchs manche Nebenumstände, die im Aristeasbriefe vorkommen, verschweigt, so verrät er doch die Abhängigkeit davon durch die Erwähnung, daß die Dolmetscher vor dem König Philadelphus bei der Tafel philosophische Fragen beantwortet haben28. [590] Es ist eine gedrängte Wiedergabe alles dessen, was die Epistel durch Fragen und Antworten weitläufig (p. 46-65) [ed. Wendland §§ 187-300] auseinandersetzen läßt. Dieser gar nicht zur Sache gehörende Umstand, daß der König die Weisheit der Dolmetscher habe erproben wollen und ihnen Fragen vorgelegt habe, und daß sie dieselben vollzählig nach einander beantwortet haben, kann nur dem Aristeasbriefe entlehnt sein. Josephus, obwohl weniger feinfühlig als Philo und darum Prolixität nicht scheuend, kürzt ebenfalls diese sogenannte Philosophie, diese Gemeinplätze in einem Frage- und Antwortspiel, ab und verweist die Leser auf Aristeas selbst, indem er ihnen anheim gibt, sie dort nachzulesen (Altert. XII, 2, 12).

Hat Philo den Aristeasbrief benutzt, so muß er ihn für eine wahrhafte Geschichtserzählung gehalten haben – die Alten waren nicht besonders kritisch – und die Epistel muß vor seiner Zeit in Zirkulation gekommen sein. Da nun Philo unter dem Kaiser Claudius schrieb, so muß diese notwendigerweise [spätestens] unter Tiberius verfaßt worden sein, so daß etwa 2 oder 3 Jahrzehnte zwischen der Abfassung derselben und Philo gelegen haben. Auf Tiberius' Regierungszeit weist außer dem Argumente von Alexander Lysimachos noch manche andere Andeutung im Briefe hin.

6) Bei der Unterredung vom Delatorenwesen läßt der Verf. den Hohenpriester sprechen: »der König läßt solche höchst verderbliche Menschen umbringen«, und hinzufügen, »wie wir vernehmen« (καϑὼς μεταλαμβάνομεν). Damit ist angedeutet, daß die erfolgte Bestrafung der Delatoren als etwas Außerordentliches und Unerwartetes galt. Nun hat der Kaiser Tiberius, trotzdem Sueton über ihn berichtet: »nemini delatorum fides abrogata (Tib. 61)«, tatsächlich an einem Tage die verrufensten Angeber hinzurichten befohlen und ein Verbot erlassen, daß künftighin kein verabschiedeter Kriegsmann als Ankläger auftreten dürfte29. Diese Tatsache hat nur Dio Cassius erhalten, der die Geschichte aus den Annalen ausgezogen hat, Tacitus und Sueton dagegen haben sie verschwiegen, weil sie zu ihrer Karrikatur von Tiberius nicht paßte. Aber auch der letztere kann den bedeutsamen Ausspruch Tiberius' nicht übergehen, den dieser gegenüber den gegen ihn geschmiedeten Schmähschriften getan hat: »in einem freien Staate müssen das Wort und der Gedanke ebenfalls frei sein, in civitate libera linguam mentemque liberas esse debere« (Sueton Tiberius 27). Und er verfolgte keineswegs die »famosa de se ac suis carmina«, blieb vielmehr fest und geduldig, hat also den Delatoren kein Gehör gegeben. Räumen ja selbst die ihn verunglimpfenden Historiker ein, daß Tiberius in den ersten 8 oder 9 Jahren seiner Regierung ein vortrefflicher Herrscher gewesen sei, der alle Auszeichnungen des adulatorischen Senats zurückgewiesen habe, ein Muster der Einfachheit und eine Stütze der Gerechtigkeit gewesen sei und alles zur Kognition des Senats gebracht wissen wollte. Stahr, Sievers und G. Freytag, welche eine »Rettung Tiberius'« geschrieben haben, mögen sie auch nach der andern Seite hin zu weit gegangen sein, haben jedenfalls das bewiesen, daß der zweite Kaiser keineswegs so schwarz war, wie ihn seine bitteren Feinde, deren Anschwärzung die Geschichtsschreiber vom Parteistandpunkt aus verewigten, geschildert haben. Wenigstens im ersten Drittel seiner Regierung zeigte er sich als bescheidener und gerechter Regent. [591] Im Jahre 774 u.c. (21 post) wurden zwei Delatoren aus dem Ritterstande, die den Prätor Magius Caecilianus des Majestätsverbrechens angeklagt haben, auf Anregung des Kaisers und durch das Dekret des Senats bestraft (Tacitus, Annal. 3, 38). Auf diese Strenge gegen die Angeber bezieht sich unstreitig der Passus im Aristeasbrief: »Recht tut euer König, welcher solche hinrichten läßt, wie wir vernehmen«. Folglich [ich möchte den Schluß kaum für stringent halten] ist dieser Brief in den ersten Regierungsjahren des Kaisers Tiberius verfaßt worden (um 15-21), und es war, als ihn Philo benutzte, beinahe ein Menschenalter dahingegangen, so daß er ihn als eine alte Quelle betrachten konnte. Unter Cajus kann die Abfassung nicht fallen, weil dieser kaum acht Monate den Schein eines guten Regenten gewahrt hat, und weil von ihm nicht berichtet wird, daß er die Delatoren bestraft habe, sondern lediglich, daß er die Äußerung getan habe, er werde ihnen nicht sein Ohr leihen (Sueton, Claudius 15). Man kann noch zur Unterstützung den Namen des Hohenpriesters Eleasar30 anführen, dem der Aristeasbrief eine wichtige Rolle zuteilt. Warum gerade diesen unter den Hohenpriestern der nachexilischen Zeit seltenen Namen? Gerade in der nachherodianischen Zeit gab es zwei Hohepriester dieses Namens: Eleasar, Sohn Boëthos und Eleasar, Sohn Anans (Jos. Altert. XVII, 13, 1; XVIII, 2, 2). Der letztere fungierte unter Tiberius, wurde von dem Prokurator Valerius Gratus eingesetzt und fungierte etwa um 16-17 post. Könnte man annehmen, daß der Aristeasbrief gerade während der Funktion dieses Hohenpriesters verfaßt wurde, so wäre das Jahr der Abfassung gefunden.

Ist er erst in Tiberius' Zeit entstanden, so ist es nicht weiter auffallend, daß der Verf., da in Alexandrien noch manche Einrichtungen und Benennungen aus der Zeit der Ptolemäer in Erinnerung geblieben waren, diese nur deswegen angeführt hat, um seinem Werke eine täuschende Lokal- und Zeitfärbung zu geben. Das Argument des Herrn Lumbroso von diesem Umstande ist also keineswegs von großer Beweiskraft für das höhere Alter oder gar für die Authentie des Briefes. Wenn auch manche Termini in demselben Parallelen an den ägyptischen Papyrusrollen haben, wie Lumbroso durch Vergleichung gefunden hat (Préface p. XIII und öfter im Texte), so fällt dieser Umstand durchaus nicht ins Gewicht, da diese Papyrus selbst zum Teil aus der nachptolemäischen Zeit, also aus der Zeit der römischen Okkupation stammen. Die Griechen in Ägypten haben, wie es scheint, gewissermaßen zum Trotz gegen ihre römischen Herren, Formeln und Titel aus der Zeit ihrer Selbständigkeit beibehalten.

7) Wenn also der Aristeasbrief eine Fiktion ist, woran kein Zweifel aufkommen kann, wie kam der Verf. darauf, gerade Demetrios Phalereus zum Bibliothekar des Königs Philadelphus und infolgedessen zum Anreger der Septuagintaübersetzung zu machen, da er doch darin keineswegs von der Tradition unterstützt war? Warum ist er nicht der beglaubigten Nachricht gefolgt, die den Kyrenaiker Kallimachos zum Aufseher über Philadelphus' Museen macht, und warum hat er nicht diesem die Rolle des Protektors für das judäische Gesetzbuch zugeteilt?

[592] Die Beantwortung dieser Frage wird uns einen wichtigen Aufschluß über manche judäisch-hellenistische Literaturerscheinungen geben. Josephus zählt eine Reihe von griechischen Schriftstellern auf, die das Alter des judäischen Volkes, wenn auch nur anstreifend, bekundet haben sollen. Dann fügt er hinzu: »der Phalereer Demetrios, Philo der ältere und Eupolemos haben zwar gegen die Wahrheit gefehlt, es muß ihnen aber verziehen werden, da sie nicht imstande waren, mit aller Genauigkeit unsern Schriften zu folgen«31. Er will offenbar damit sagen, daß diese drei Schriftsteller, die auch über Judäer geschrieben haben, Griechen waren, und darum, weil ihnen die Urquellen fremd gewesen, in ihrer Darstellung die judäische Geschichte nicht ganz sachgemäß behandelt haben. Schon Huet hat die richtige Ansicht ausgesprochen, daß Josephus offenbar den judäisch-alexandrinischen Schriftsteller Demetrios, der über die Judäer und über die Könige Judäas geschrieben hat (vergl. weiter Note 3), für einen Griechen und für identisch mit Demetrios Phalereus gehalten hat. Und ebenso wie diesen hat er auch die andern beiden judäischen Autoren, Philo den ältern und Eupolemos, für Griechen gehalten, um sich auf deren Zeugnisse dafür zu berufen, daß der Vorwurf der judenfeindlichen griechischen Schriftsteller von der Sorte Apions, die das höhere Alter des jüdisch-israelitischen Volkes geleugnet haben, ungerecht sei.

Denselben Irrtum wie Josephus hat auch der Verf. des Aristeasbriefes begangen, der nur ein halbes Jahrhundert vor jenem geschrieben hat. Auch er hat den Judäer Demetrios mit dem Athener Demetrios Phalereus verwechselt, weil dieser als Schriftsteller berühmt war. In dieser irrtümlichen Annahme, daß Demetrios Phalereus über die Judäer eine Schrift hinterlassen habe, konnte er ihm eine Vorliebe für das judäische Schrifttum vindizieren. Und darum wies er ihm die Rolle zu, daß er bei dem König Philadelphus die Übersetzung des judäischen Gesetzbuches angeregt habe. Dieser Rolle gemäß mußte er ihn zum Bibliothekar Philadelphus' machen, unbekümmert darum oder in Unwissenheit darüber, daß dieser keineswegs Bücheraufseher gewesen und überhaupt nicht unter Philadelphus fungiert hat, vielmehr von diesem Könige bestraft worden ist. Darin haben wir den Schlüssel zu der Fabel von der Entstehung der Septuaginta auf Anregung des Demetrios Phalereus und von der Gunst des Philadelphus. Auch diesen mußte er anführen, weil es ihm bekannt war, daß er für die Vergrößerung der alexandrinischen Bibliothek Sorge getragen hat.

8) Noch auf einen andern ältern judäischen Schriftsteller weist Pseudo-Aristeas, und auch diesen hat er nicht für einen Stammesgenossen, sondern für einen Ägypter gehalten. Gleich im Eingange läßt er Aristeas an seinen Bruder Philokrates folgendes schreiben: »Früher schon habe ich dir in bezug dessen, was ich für denkwürdig hielt, die Schrift zugeschickt, welche ich von einem der gelehrtesten Oberpriester des gelehrten Ägyptens über das Geschlecht der Judäer empfangen habe«32 [Ganz anders versteht Wendland (a.a.O. S. 5, vgl. Anm. d) die Stelle]. Eine Schrift von einem gelehrten ägyptischen [593] Priester über Judäer, darunter kann nur die Schrift von Artapanos περὶ τῶν Ἰουδαίων verstanden sein, von welcher Polyhistor einige Fragmente erhalten hat. Das hat Freudenthal treffend auseinandergesetzt (a.a.O. S. 150 fg. Note 3). Diese Schrift ist nämlich so gehalten, als wenn sie nicht ein Judäer, sondern ein Ägypter geschrieben hätte. Unter andern kommt darin vor: Mose (Moysos), welcher von den Griechen Musaios genannt werde, habe nicht bloß alle Künste und Wissenschaften gelehrt, sondern auch Ägypten in 36 Nomen eingeteilt und über jeden Nomos einen eigenen Gott gesetzt. Die artapanische Schrift will als Zeugnis eines ägyptischen Priesters über das Geschlecht der Judäer gelten. Ein Hinweis im Aristeasbuch auf Artapanos' Schrift scheint auch in einem sonderbar klingenden Passus zu liegen. Nachdem die Unterscheidung der judäischen Gottesverehrung von der anderer Völker auseinandergesetzt wurde, wird hinzugefügt: »Daher nennen uns die leitenden Priester der Ägypter, welche auf vieles acht hatten und der Dinge kundig waren, die Menschen Gottes33, was den andern nicht gebührt, sondern dem, welcher Gott in Wahrheit verehrt.« Inwiefern sollen die ägyptischen Priester die Judäer so benannt haben? Es scheint sich auf die Angabe bei Artapan zu beziehen, daß die Judäer genannt werden »Hermiuth, welches in die griechische Sprache übersetzt, Judäer bedeuten soll. Hebräer aber werden sie von Abraham genannt34.« Irre ich nicht, so hat Artapan, oder mindestens der Verf. des Aristeasbriefes dieses Wort Hermiuth in der Bedeutung »Menschen Gottes« genommen wissen wollen. Es soll jedenfalls ägyptisch sein. An den Anklang von Aram ist gewiß dabei nicht zu denken. Wie dem auch sei, so viel kann als ausgemacht gelten daß Pseudo-Aristeas Artapanos' Schrift ebenso wie die des judäischen Historikers oder Chronographen Demetrios gekannt, aber bona fide den erstern als einen ägyptischen Priester, den letztern als einen Urgriechen angesehen und mit dem Phalereer indentifiziert hat. Freudenthals Konjektur, daß Pseudo-Aristeas ein solcher Lügenschmied gewesen sei, daß er auch Artapans Schrift verfaßt, sie selbst unter dem Namen eines Ägypters zitiert, und noch andere Fälschungen sich habe zu Schulden kommen lassen, ist an sich unwahrscheinlich und nach dem Resultat dieser Untersuchung unhaltbar, da jener in Tiberius' Zeit, dieser aber noch vor Alexander Polyhistor geschrieben hat, sie also um mehr als ein Jahrhundert von einander getrennt sind.

9) Noch auf einen dritten judäischen Schriftsteller scheint der Aristeasbrief anzuspielen. Gegen das Ende läßt er den König die Frage aufwerfen: warum denn die Geschichtsschreiber und Poeten das so bedeutende »Gesetzbuch« nicht erwähnen, und darauf läßt er Demetrios Phalereus antworten: weil es zu heilig sei. Diejenigen, welche es als profane Literatur hätten benutzen wollen, seien von Gott bestraft worden. Als Beispiel wird ein Tragödiendichter Theodektes angeführt, welcher mit Blindheit geschlagen worden sei, weil er Stoff aus dem göttlichen Buche für ein Drama habe verwenden wollen35! Man nimmt gewöhnlich an, daß der Verf. den Tragödiendichter aus Lydien dieses Namens im Sinne gehabt habe, einen Schüler von Plato und Aristoteles. [594] Allein sollte der Verf. nicht den Widerspruch gefühlt haben, den er damit begeht, daß er auf der einen Seite erzählt, wie das Gesetzbuch erst unter Philadelphus ins Griechische übersetzt worden sei, und auf der andern Seite angibt, daß ein Grieche ein halbes Jahrhundert vorher es bereits benutzt habe? [Er wußte eben nicht genau, wann der Tragiker Theodektes gelebt hat.] Woher sollte denn dieser lydische Tragödiendichter die Kunde von dem Gesetzbuch erhalten haben, wenn es zu seiner Zeit noch nicht ins Griechische übersetzt war? Diesen kann also der Verf. unmöglich gemeint haben, und ein anderer des Namens Theodektes, welcher später gelebt hätte, ist nicht bekannt. Sollte der Verfasser etwas geradezu Unwahres ersonnen haben? Er scheint aber den judäischen Tragödiendichter Ezekielos im Sinne gehabt zu haben, von dem das biblische Drama ἐξαγωγἠ bruchstückweise bekannt ist (Eusebius praepar. evang. IX, 18-29 und Clemens, stromat. I, p. 344 fg., Note 3). Eusebius nennt diesen τὸν τῶν τραγῳδιῶν ποιƞτἠν 36, grade so wie der Aristeasbrief den Theodektes. Dieser Name kann recht gut eine wörtliche griechische Übersetzung des Namens Ἐζƞκίƞλος sein, לאקזחי = Θεοῠ δέκτƞς לא – קזח. Möglich, daß dieser Dichter wirklich einmal einige Zeit an γλαύκωμα, Staar oder an einem sonstigen Augenübel gelitten hat. – Der Wechsel in der Diktion deutet auch an, daß davon wie von einer erfahrenen Tatsache gesprochen wird. Zuerst läßt der Verf. nämlich Demetrios Phalereus von der Strafe des Historikers erzählen, der das Gesetzbuch profaniert habe, und zwar in der Fassung eines on dit: ἔφƞσεν ἀκƞκοέναι. Dann läßt er Demetrios Phalereus selbst ohne mögliche Bezweiflung hinzufügen: von Theodektes habe ich selbst erfahren, daß er usw. Das erstere wird bloß gerüchtweise erzählt, das andere aber von Theodektes' Augenübel sei eine Tatsache; das will die Konstruktion offenbar aussagen. Man stoße sich aber nicht an dem Umstande, daß von Theodektes angegeben wird, er habe erst einen Versuch machen wollen, während Ezekielos tatsächlich biblischen Stoff dramatisch verarbeitet hat. Der Ausdruck παραφέρειν μέλλων hat hier[?] die Bedeutung, »er unternahm« d.h. hatte bereits die Ausführung begonnen, hatte bereits ein Drama mit biblischem Stoffe geschrieben, wie es Josephus auffaßt, gleich ἐπιχειρεῖν. Pseudo-Aristeas kann also recht gut von Ezekielos gesprochen haben.

10) Wie Theodektes nicht ein Grieche gewesen sein kann, ebensowenig der Historiker, von dem voraufgehend erzählt wird, er habe das heilige Gesetzbuch zu profanem Zwecke mißbraucht und sei gezüchtigt worden. Für den Namen dieses Autors hat die vulgäre L.-A. Theopompos, und man nimmt gewöhnlich an, daß der Aristeasbrief von dem pessimistisch schreibenden Historiker zur Zeit Alexanders und der Diadochen spreche. Allein die gute Handschrift B. (Cod. Paris), welche Schmidt verglichen hat und ein Kodex in der St. Marc-Bibliothek, welche Lumbroso kollationiert hat, beide haben die L.-A. Θεόπεμπτος statt Θεόπομπος [vgl. ed. Wendland zur Stelle]. Auch abgesehen davon, kann der Verf. gar nicht den berühmten Theopomp gemeint haben, sonst hätte er doch ein Epitheton hinzufügen müssen und dürfte nicht einfach hinstellen καὶ γὰρ ἔφƞοεν ἀκƞκοέναι Θεοπόμπου. Wie soll auch der vor Philadelphus gestorbene Historiker aus Chios zur Benutzung des Gesetzbuches gekommen sein? Es war ja damals noch nicht übersetzt! Der Verf. kann ja bei dieser Angabe ebensowenig sich geflissentlich in einen Widerspruch verwickelt haben! Diesen Widerspruch will zwar der vorliegende Text ausgleichen, [595] indem er allerdings mehr andeutet als klar darstellt: Theopomp sei längere Zeit von Geistesverwirrung getroffen worden, weil er versucht habe, etwas von den schwankenden Vorübersetzungen aus dem Gesetze zu erzählen: διότι μέλλων τινα τῶν προƞρμƞνευμένων ἐπιοφαλέστερον ἐκ τοῠ νόμου προσιστορεῖν. Allein dieser Text ist abgeschmackt; προερμƞνεύειν kann unmöglich bedeuten: vor dieser Übersetzung übersetzt. Die L.-A. προσιοτορεῖν gibt ebensowenig Sinn wie die L.-A. προϊστορεῖν, welche Kodex B und der von St. Marc haben. Josephus hat diese Verba nicht vor sich gehabt; er gibt die Stelle einfach wieder: Theopompos sei, weil er von diesen (dem Gesetze) etwas habe erzählen wollen, geisteswirr geworden37. Die Änderung des einfachen μέλλων τινα τῶν ἡρμƞνευμένων ... ἱστορεῖν in προƞρμƞνευμένων und προϊοτορεῖν scheint von einem Kopisten herzurühren, welcher den Verf. nicht geradezu eine Albernheit hat sagen lassen wollen. Selbst das Adverbium ἐπιοφαλέστερον ist verdächtig; denn zum Schlusse dieser Erzählung ist angegeben, dieser Schriftsteller habe sich versündigt, weil er das Göttliche für gemeine Menschen habe veröffentlichen wollen: ὅτι τὰ ϑεῖα βούλεται ... εἰς κοινοὺς ἀνϑρώπους ἐκφέρειν, und nicht etwa, weil er sich einer schlechten Übersetzung dabei bedient habe.

Hat also ein Theopompos oder Theopemptos, ehe noch eine griechische Übersetzung vorhanden war, aus dem Nomos etwas Geschichtliches zu veröffentlichen versucht, so kann er nicht ein Grieche gewesen sein, ebensowenig wie der Tragödiendichter Theodektes. Das scheint auch aus dem Umstande hervorzugehen, welchen der Brief hinzufügt, daß beide, nachdem sie wegen ihres sündhaften Vergehens an dem Inhalte des heiligen Buches mit Leiden heimgesucht worden, »Gott versöhnt haben«: ἐξιλάοκεοϑαι τὸν Θεόν. Hätte der Verf. griechische Heiden im Sinne gehabt, so hätte er den Plural oder einen bestimmten Gott anwenden müssen [?]. Möglich daß unter Theopemptos einer der judäischen Historiker, Theophilos oder der samaritanische Dichterling Theodotus zu verstehen ist, welche beide biblische Stoffe behandelt haben, und von denen Eusebius (praep. ev. IX, 22 und 34) Fragmente erhalten hat.

11) Das ist jedenfalls unbestreitbar, daß der Verf. durch die Schrift des judäischen Chronographen Demetrios auf Demetrios Phalereus gekommen ist, daß er unter dem gelehrten ägyptischen Priester den Artapan gemeint, und endlich daß sein Tragödiendichter Theodektes kein anderer als der judäisch-hellenische Dramatiker der Exagoge gewesen sein kann. Er kannte demnach die judäischhellenistische Literatur, welche vor seiner Zeit in Zirkulation war, und die Alexander Polyhistor exzerpiert hat. Außer dieser zitiert er noch Hekatäus von Abdera, oder richtiger Pseudo-Hekatäus und zwar, um durch ihn ein apologetisches Moment bestätigen zu lassen: »Warum haben sich die Schriftsteller, Dichter und die große Menge der Geschichtsschreiber nicht um das Gesetzbuch bekümmert, wenn es wirklich so bedeutend sein soll, noch um diejenigen, welche darin lebten?« Darauf hatte Hekatäus geantwortet: »Weil die darin enthaltene Lehre etwas Heiliges und Erhabenes habe, darum haben sich diese fern davon gehalten« (p. 19) [ed. Wendl. S. 31]. Aus Hekatäus' Schrift scheint der Verf. des Aristeasbriefes noch manches über Palästina, Jerusalem und den Tempel entlehnt zu haben. Auch Hekatäus gibt über die Lage des Tempels unrichtig an, daß er in der Mitte Jerusalems erbaut sei (Ἐνταῠϑα δ᾽ ἐστὶ [596] κατὰ μέοον μάλιστα τῆς πόλεως περίβολος λίϑινος bei Joseph. c. Apionem I, 22). Auch er rühmt die Fruchtbarkeit Judäas über die Maßen. Er gibt zwar den Umfang Jerusalems auf 50 Stadien an, während Pseudo-Aristeas nur 40 dafür hat; allein die erste Zahl scheint verschrieben ν᾽ statt μ᾽. Ein anderer Schriftsteller, Timochares, hat auch 40 Stadien dafür38. Selbstverständlich ist diese Zahl übertrieben; denn die Lage Jerusalems, beschränkt im Süden durch eine Schlucht und im Osten durch das Kidrontal, kann unmöglich eine geographische Meile im Umfang gehabt haben. Josephus mißt ihn aus seiner Zeit, als Jerusalem durch Vorstädte bereits erweitert war, auf 33 Stadien, und dieses Maß findet de Saulcy, der an Ort und Stelle das Terrain untersucht hat, noch immer zu groß (les derniers jours de Jérusalem, p. 229). Ein Vermesser Syriens (Xenophontes) gibt den Umfang nur auf 27 Stadien an. Daraus geht hervor, daß weder Timochares noch Pseudo-Hekatäus noch Pseudo-Aristeas Jerusalem aus Autopsie gekannt haben können, daß vielmehr einer von ihnen zuerst die runde Zahl 40 aufgestellt – wahrscheinlich war Timochares der erste – und daß von diesem wohl Hekatäus und von diesem wieder Aristeas die Zahl entlehnt hat. Auch die Ausdehnung Judäas scheint der letztere von dem zweiten entlehnt zu haben, wenngleich die Zahlen nicht stimmen. Hat also der Verf. des Briefes Pseudo-Hekatäus benutzt, so muß dieser in der Zeit zwischen Sulla und Tiberius geschrieben haben, d.h. zwischen 83 ante und 20 post. Denn Polyhistor hätte auch Hekatäus' Schrift exzerpiert, wenn sie zu seiner Zeit existiert hätte, da er doch 12 Schriftsteller über Judäer und Judäa ausgeschrieben hat [vergl. die Bemerkung zu Pseudo-Hekataios unten S. 611].

Der Verf. des Aristeasbriefes war demnach keineswegs ein unverschämter Fälscher. Er hat lediglich für eine Tendenz gearbeitet und dazu Vorgänger benutzt. Seine Tendenz war eine apologetische: das Gesetz Moses und Alles, was zum judäischen Volke, »das von dem Gesetze geleitet wird«, gehört, zu verherrlichen. Daß der Brief eine Apologie sein will, ist nicht zu verkennen. Er scheint gegen eine der Schriften gerichtet zu sein, die eben dieses Gesetz verunglimpft hatten. Der seiner Zeit am nächsten lebende judenfeindliche Schriftsteller zwischen Apollonius Molo und Apion war Lysimachos, der Alexandriner oder Kyrenaiker. Dieser hat, wie sein Vorgänger Molo, aus Übelwollen (δυςμένεια) Moses als einen Zauberer und Betrüger und dessen Gesetze als Lehre der Schlechtigkeit und bar aller Tugendvorschriften dargestellt (Jos. c. Apionem II, 14). Diesem gegenüber hebt der Aristeasbrief die hohe Bedeutung des Gesetzes hervor und läßt sie auch von Demetrios Phalereus (in Verwechselung desselben mit dem Chronographen Demetrios) als hochheilig und göttlich preisen. Lysimachos Zeitalter ist nicht bekannt [vergl. Schürer III3, 403 ff., der ihn in das erste vorchristliche Jahrhundert setzen möchte], er mag bereits im Beginne der Römerherrschaft geschrieben haben, oder, wenn er dem Verf. des Aristeasbriefes der Zeit nach nicht nahegestanden hat, so mag dessen Apologie gegen die Verunglimpfung des Judentums durch einen andern Griechen gerichtet gewesen sein.

Noch eine andere tendenziöse Nebenabsicht hatte diese Pseudepigraphie, wenn sie die Entstehung der LXX in Philadelphus' Zeit versetzte. Es sollte einerseits nachgewiesen werden, daß sie vor der Spaltung im Innern vollendet [597] worden sei, und anderseits, daß derselbe König, welcher den das judäische Altertum verunglimpfenden Schriftsteller Manetho oder Pseudo-Manetho und dessen ägyptische Geschichten begünstigt hat, auch Beförderer der Septuaginta gewesen sei. Es ist ganz gleichgiltig, ob die Widmung der manethonischen Schriften an Philadelphus historisch oder sagenhaft ist (vergl. C. Müller, Fragmenta histt. Graecc. II, 511 ff.); sie wurde als echt angesehen. Das ägyptische Altertum durfte keinen Vorzug vor dem judäischen haben, Philadelphus mußte auch für die Männer des judäischen Schrifttums eingenommen gewesen sein. Aus diesem Gefühl heraus mag die Aristeassage sich ausgebildet haben. Der König Philadelphus paßte hierzu auch darum, weil man ihn für den Gründer des alexandrinischen Museion hielt; der gelehrte Demetrius mußte ebenfalls herhalten. Dem fingierten Aristeasbriefe ist es aber gelungen, daß seine Fiktion eine lange Zeit als beglaubigte Geschichte behandelt wurde. Nicht bloß in Ägypten verehrte man die Septuaginta, die Verehrung steigerte sich durch die Kirche von Jahrhundert zu Jahrhundert immer mehr und fand auch in Palästina Anklang. R. Juda brachte sie aus Alexandrien mit, vertilgte die Antipathie, welche man anfangs gegen sie hatte (o. S. 579), und brachte diese so sehr in Vergessenheit, daß sie sich nur in einem halb-apokryphen Traktat erhalten konnte.

12) Aus der Konstatierung der Abfassungszeit des Pseudo-Aristeas ergibt sich noch ein anderes Resultat. Cobet und Schmidt haben nachgewiesen, daß der Verf. in der griechischen Diktion nicht heimisch war. Er schreibt unbeholfen, und gebietet durchaus nicht über den vollen Wortschatz der griechischen Sprache. An zahlreichen Stellen kann er den Barbaren nicht verleugnen (Schm. S. 9). Seine Sprache ist durchweg geziert, als wollte er durch Pomp die Armut seiner Diktion verdecken. Die Vermeidung des Hiatus in seiner Schreibweise, welche Schmidt festgestellt hat, braucht nicht gerade auf seinen Umgang mit Joniern hinzuweisen, sondern verrät ebenfalls Gesuchtheit und Ziererei [Vergl. hierzu die Bemerkung Wendlands in der Einleitung zu seiner Übersetzung S. 4 und seine observationes grammaticae am Ende seiner Ausgabe S. 221-225]. Diese ungriechische Schreibweise beweist, daß die in Ägypten und sogar in der Hauptstadt wohnenden Judäer bis zum Anfang des ersten christlichen Jahrhunderts in der griechischen Stilistik fremd waren, daß ihre Schriftsteller selbst da, wo sie eine griechische Maske vornahmen, sich durch Wortgebrauch und Redewendung als Fremdlinge verrieten. Bei Beurteilung der judäisch-hellenistischen Literatur darf dieses Moment nicht außer acht gelassen werden. Philo ist der einzige, welcher das Griechische mit tadelloser Korrektheit gebraucht. Dagegen verraten nicht bloß der jüngere Sirach, der es mit der mühsamen Arbeit der Übersetzung aus dem Hebräischen zu tun hatte, sondern auch die Verff. des zweiten und dritten Makkabäerbuches die geringe Geübtheit in der griechischen Darstellungsweise. Inkorrekt schrieben auch noch die ältern Schriftsteller Demetrios, Eupolemos und besonders Artapan, obwohl ihre Sprache durch Alexander Polyhistors Überarbeitung hin und wieder gefeilt erscheint. Einen korrekteren griechischen Stil zeigen nur das Buch der Weisheit und das IV. Makkabäerbuch. Daraus folgt erstens, daß die alexandrinischen Judäer nicht so frühzeitig, wie man gewöhnlich annimmt, griechisch geschrieben haben können. Hätten sie sich bereits im dritten Jahrhundert auf die Handhabung des griechischen Stils verlegt und sich nach Mustern umgesehen, so wären sie nicht bis ins erste nachchristliche Jahrhundert Fremdlinge darin geblieben. Ihr Geschmack an der ebenmäßigen griechischen Prosa und die Eleganz[598] ihres Stils hätten nicht abnehmen dürfen, sondern zunehmen müssen. Chronologisch konstatiert sind die Erstlinge des judäischen Hellenismus erst aus der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts (vergl. Note 3). Zweitens folgt aus dieser Wahrnehmung, daß die Autoren der besseren judäisch-hellenistischen Literatur, wie die Verff des IV. Makkabäerbuches und der Sapientia, nicht einer früheren Zeit angehören können, sondern dem Zeitalter Philos näher gestanden haben müssen. Kurz die Einreihung des Aristeasbriefes in die Zeit des Kaisers Tiberius zwingt dazu, einen ganz andern Gesichtspunkt von der judäisch-helleni stischen Literatur aufzustellen [Von allen Ansetzungen des Aristeas-Briefes scheint mir diejenige Wendlands, der die Schrift in die Zeit zwischen 96 und 63 vor Chr. bringt, am besten begründet zu sein, vgl. die Einleitung zu seiner Übersetzung S. 3 f.].


Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig 1906, Band 3.2, S. 583-599.
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