4. Die vorbostanaïschen Exilarchen.

[406] Während Scherira bezüglich der Diadoche der Schulhäupter sehr genau ist, ist er in betreff der Exilarchen sehr wortkarg, und über die Vorgänger Bostanaïs schweigt er ganz und gar. Der letzte von ihm genannte Resch-Galuta [406] in der unmittelbar nachtalmudischen Zeit ist, wie in Note 1 bemerkt wurde, R' Huna, st. 508. Ließe man sich von dem Seder Olam Sutta leiten, so wäre von dessen Nachkommen und überhaupt von diesem erlauchten Davidischen Hause keiner in Babylonien geblieben. Denn R' Hunas Sohn, Mar-Sutra, starb durch Henkers Hand, und dessen Sohn Mar-Sutra II. wurde nach Palästina gebracht (Note 1). Wir haben aber annehmen zu müssen geglaubt, daß diese Angabe aus einer feindlichen Tendenz gegen die babylonischen Exilarchen hervorgegangen ist. Denn Scherira, die glaubwürdigste Quelle für die jüdisch-babylonische Geschichte, läßt an einer Stelle gelegentlich die Äußerungen fallen, daß noch in der nachtalmudischen Zeit, zur Zeit des Perserreiches, die Exilarchen in Ansehen in Babylonien standen. Er, der überhaupt nicht gut auf die Resch-Galuta zu sprechen ist, berichtet von ihnen, daß sie zur Zeit der Perser tyrannisch herrschten (S. 37): אתולג ישירל ןוהל תוהו ליאוה םיסרפ ימיב השק תורמ.

Sehen wir uns nach Namen um, so kommt vor Bostanaï, der einen Wendepunkt für die Geschichte des Exilarchats bildet und Zeitgenosse des Kalifen Omar war (vgl. weiter), ein Name Kafnaï vor. In der Schulamschen Ausgabe des Juchasin wird, aus Nathan Bablis Mitteilungen, eine lückenhafte Reihenfolge der Exilarchen aufgeführt, und da heißt es: יאנתסב יאנפכ. Der Karäer Jephet ben Said, der (1163) eine karäische Traditionskette zusammengestellt hat und Anans Vorfahren aufwärts aufzählt, nennt ebenfalls vor Bostanaï: Kafnaï: יאנינח ברו ונב יאנינח ברל הרסמ אישנה יאנפכ ברו ונב יאנתסב ברל הרסמ. Diese aus einer unbekannten Quelle geschöpfte Genealogie wird durch eine authentische Nachricht bestätigt. In dem bekannten Gutachten R. Haïs, worin die Geschichte Bostanaïs und seiner Söhne erwähnt wird Resp. Geonim Schaare Zedek, p. 3a, No. 17) heißt es: אוהד אתולג שיר יאנתסוב יאנינח. Hier ist offenbar ein Korruptel, es muß gelesen werden: יאנינח ןב אוהד יאנתסוב. Wir haben demnach sichere Zeugnisse, daß vor Bostaïna zwei Exilarchen fungierten: Chaninaï und Kafnaï. Da Bostanaï bei der Eroberung der Araber (um 640) bereits mannbar und also um 600 geboren war, so fällt das Leben seiner Vorgänger ins sechste Jahrhundert29.


Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig 1909, Band 5, S. 406-407.
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