10. Kapitel. Der letzte Schimmer der spanischen Juden. (1456-1474.)

[217] Rückschritt der spanischen Juden. Die letzten Talmudisten in Spanien; die Vertreter der Wissenschaft. Die Kabbala und ihre Uebergriffe. Das Buch Kana und Pelia. Die Kabbala im Dienste des Christenthums. Politische Lage in den letzten Jahrzehnten. Jüdische Bevölkerung Castiliens. Abraham Benveniste und der wachsende Einfluß der Juden in Spanien. Ihr erbitterter Feind Alfonso de Spina veranlaßt Verfolgungen. Die Märtyrer von Sepulveda. Erbitterung der Bevölkerung gegen die Marranen, Pedro de Herrera und sein Plan schlägt zu Ungunsten der Marranen aus.


Wie herabgekommen waren die Juden der pyrenäischen Halbinsel, sie, ehemals die leuchtenden Vorbilder der Gesammtjudenheit, daß sie in der Auslegung des Talmud, welcher damals der Gradmesser des Geistes war, nicht einmal mit den Deutschen wetteifern konnten! Freilich hatten sie ihre Verkommenheit nicht selbst verschuldet. Die Diener der Kirche hatten die guten jüdischen Köpfe teils abgeschlagen, teils zum Christenthum herübergezogen. Nach dem Aussterben des Geschlechtes, welches einen Riesenkampf mit den Apostaten Paulus de Burgos und Geronimo de Santa Fé zu bestehen hatte, kam kein kräftiger Nachwuchs zu. Auf talmudischem Gebiete waren die Leistungen der spanischen und portugiesischen Rabbinen gleich nichts. Der fromme Eifer, den Abraham Benveniste, sein Sohn Joseph und seine Enkel Don Vidal und Don Abraham II1 mit ihrem großen Vermögen bethätigten, die Lehrstätten wieder aufzurichten und Meister wie Jünger zu unterstützen, konnte den Verfall nicht aufhalten. Die klägliche Lage durch Demüthigung und Verarmung raubte die Muße und trübte die Freudigkeit an geistesanstrengenden Studien. Der Rabbiner Isaak Campanton, der länger als ein Jahrhundert lebte, (geb. 1360, gest. 14632), der alle Gräuelthaten [217] des Ferran Martinez und des Vicente Ferrer mit allen ihren entsetzlichen Folgen erlebte, obwohl als helles Licht und Gaon von Castilien gepriesen, hat weiter nichts zu Stande gebracht, als ein wenig bedeutendes talmudisch-methodisches Werk, das weder von reichen Kenntnissen, noch von Geist zeugt. Er hinterließ drei Jünger3, welche in Spanien zwar sehr gefeiert wurden, aber weder die jüdische Literatur im Allgemeinen, noch das Talmudstudium durch irgend etwas Originelles bereichert haben: Isaak de Leon (geb. um 1420, gest. um 1490), Isaak Aboab in Toledo (geb. 1433, gest. 1493), der das Rabbinat seines Lehrers Camptanton einnahm, und Samuel Ben-Abraham Valensi (Valenci, Valenciano, geb. 1435, gest. 1487). Der Erstere ist nur als Wunderthäter bekannt und hat wahrscheinlich gar nichts Literarisches hinterlassen4. Isaak Aboab, der auf einem Auge blind war, war noch der fruchtbarste Schriftsteller unter den Dreien, aber er verfaßte lediglich Commentarien und Predigten5, die geschmacklos und aus Sätzen von Philosophen und Kabbalisten zusammengestoppelt sind. Rechnet man noch dazu Joseph Chajun, [218] (blühte um 1450-14806), so sind damit die letzten rabbinischen Berühmtheiten auf der pyrenäischen Halbinsel erschöpft. Joseph Chajun war ein sehr frommer, sehr würdiger Mann, aber ohne hervorragende Bedeutung; er verlegte sich mehr auf die leichte Agada, als auf das gedankenanstrengende Talmudstudium.

Die Leistungen der spanischen Juden in den letzten Jahrzehnten auf andern Gebieten der Wissenschaft sind nicht viel nennenswerther. Die Wissenschaft war bereits auch in diesem Lande verdächtig, wo nicht gar geächtet und als Verführerin verrufen. Isaak Arama, ein zu seiner Zeit und auch später beliebter Prediger, der seinen Vorsitz in Zamora, Taragona, Fraga und Calatayud hatte (blühte um 1450-14907), eiferte wie andere Prediger und Rabbiner mit Entschiedenheit dagegen, um ihr die letzten Anhänger zu entziehen. In der Philosophie, in welcher die jüdisch-spanischen Denker früher Meister gewesen, waren sie in dieser Zeit so herabgekommen, daß ein Pfleger derselben, Ali b. Joseph Chabilio8 aus Monzon Schriften der Scholastiker Thomas von Aquino, Duns Scotus und Wilhelm von Occam ins Hebräische übersetzte, die doch unmittelbar oder mittelbar von dem Geiste jüdischer Denker gezehrt hatten. Nicht viel bedeutender war sein Zeitgenosse Abraham b. Schem-Tob Bibago zuerst in Huesca und später in Saragossa, (blühte um 1446 bis 14899), der wahrscheinlich als Arzt am Hofe Juan II. von Aragonien [219] verkehrte. Bibago war eigentlich mehr Prediger als metaphysischer Denker, hinterließ daher nur Kanzelreden und verarbeitete lediglich vorhandene philosophische Ideen in Uebersetzungen und in einem eigenen Werke (den Weg des Glaubens), das auch nur den Charakter von Predigten hat. Er hatte schon mit dem festgewurzelten Vorurtheil der öffentlichen Meinung zu kämpfen, daß jede wissenschaftliche Forschung, die über den engen Kreis der Religion hinausstreife, verdammenswerth sei und zur Ketzerei führe10. Die meisten spanischen Juden waren bereits stolz auf die Unwissenheit und blinde Gläubigkeit. Chabilio's Freund, Schem-Tob II. b. Joseph Ibn-Schem-Tob, Sohn des Religionsphilosophen (o. S. 163, 178) und Enkel des wissensfeindlichen Eiferers (o. S. 97) in Segovia und Almazon (blühte um 1461-148911), hat sich zwar viel mit Philosophie beschäftigt, mehrere derartige Commentarien verfaßt, auch einen zu Maimuni's »Führer«; aber er war ebensowenig selbstständiger Denker, sondern bewegte sich in allen Geleisen und gebrauchte abgegriffene Schulformeln. Schem-Tob b. Joseph war wie sein Vater [220] ein Prediger und verflachte noch mehr als dieser philosophische und religiöse Gedanken zu Gemeinplätzen.

Wie befangen auch die Tonangeber der spanischen Judenheit im letzten halben Jahrhundert vor ihrer Ausweisung waren, so fehlte es doch nicht ganz und gar an einem Rüger und Mahner, welcher einen offenen Blick für die Verkommenheit hatte und schmerzlich davon berührt war, wenn er seine Zeit mit der ehemaligen Glanzperiode verglich. Denn die Gesunkenheit der spanischen Juden, welche aus ihrer erniedrigten Stellung in der Gesellschaft und ihrer Gleichgiltigkeit, wo nicht gar Verachtung gegen wissenschaftliche Forschung hervorgegangen war, zeigte sich nicht blos hier und da, sondern ergriff, wie ein eingewurzelter Krankheitsstoff im Organismus, das ganze religiöse und gesellschaftliche Leben. Ein Zeitgenosse, Joseph b. Meschullam (?)12, legte diese Schäden in einer satirischen Schrift, die einen sehr bedeutenden rednerischen Werth hat, schonungslos blos. Der Verfasser (um 1468), der Grund gehabt haben muß, seinen Namen halb zu verhüllen, beginnt seine bittere Geißelung mit einem fingirten Wechselgespräche, worin Betrachtungen über das jammervolle Elend des jüdischen Stammes angestellt werden, und dieses auf die Entartung des Judenthums, als auf seine Ursache, zurückgeführt wird. »Die reine Quelle der göttlichen Offenbarung sei durch Menschenwerk vielfach getrübt und unkenntlich gemacht. Nicht blos die Bibel, sondern auch die talmudische Lehre sei durch vielfache Zusätze und abergläubische Bräuche überwuchert, und die Verkehrtheit der Kabbala trage ihrerseits zur Trübung bei. Die götzendienerischen Israeliten haben ehemals gerufen: »o Baal, erhöre uns«, und die Juden der Gegenwart flehen auf dieselbe Weise den Engel Michael oder eine kabbalistische Sephira an, und setzten solchergestalt Gott zurück.« Die geistvolle Satire zeigt in einem Traumgesichte ein weibliches Wesen, das voller Wunden, Eiterbeulen und geschundenen Leibes ist und Klagen vor dem Throne eines hehren Königs über erfahrene Mißhandlung und Verstümmelung erhebt. Es ist das Bild des Gebetes, welches über Entstellung, vielfache unschöne Zusätze, Gedankenlosigkeit und Lippengemurmel vor Gott Klage führt. Der Verfasser geißelte besonders die Rabbinen, daß sie, »die armen Häupter«, Bibel und Wissenschaft vernachlässigen, den Talmud spitzfindig auslegen, müßige Fragen ausspintisiren und das Mittel zum Zweck umkehren.

Die wüste Kabbala mit ihren windigen Hirngespinsten und wirren Träumen war damals in ihrer Triebkraft eben so sehr [221] erschöpft und geschwächt, daß sie, die nichts schaffen konnten, sich aufs Zerstören verlegte. Im Ganzen hatte sie damals in ihrer Urheimath Spanien wenig, sehr wenig Pfleger und Anhänger13. Die Erinnerungen nennen etwa drei Namen Abraham Saba, Juda Chajat und allenfalls Joseph Sarco14. Der Letztere war zwar Arzt und deßwegen bei der Portugiesischen Grafenfamilie de Menezes als Leibarzt beliebt, war nichtsdestoweniger der gedankenlosen Mystik ergeben. Diese Kabbalisten hinterließen nichts Selbstständiges, sondern lediglich Commentarien zu älteren kabbalistischen Schriften, zu Gebeten und Sentenzen. Um aber etwas Neues zu bieten und der ziemlich verlassenen Geheimlehre neue Freunde zu gewinnen, kehrte ein Lehrer der Kabbala die Spitze gegen die Pfleger des Talmud, gegen diesen selbst und sogar gegen die Religionsvorschriften des Judenthums. »Niemand baut ein Haus, es sei denn, daß er den Plan abträgt, und wenn sich ein baufälliges Mauerwerk darauf befindet, so muß es niedergerissen werden, um den Neubau aufführen zu können. So muß unsere Lehre zerstört und aufgelöst werden, damit wir sie dann um so fester aufbauen können«. Diese Aufgabe stellte sich ein namenloser Kabbalist, der sich bald Kana, bald Elkana15 nennt und sich als Sprößling aus der mischnaitischen Familie Nechunja Ben- Hakana ausgiebt. Seine theils kühne, theils sinnverwirrende Geheimlehre legte er bald seinem greisen Vater Ibn-Gedor (oder Abi-Gedor), bald seinem dreijährigen Sohne Nachum, bald dem Propheten Elia und bald anderen mystischen Wesen in den Mund. Er lebte ohne Zweifel in Spanien und prophezeihte die Ankunft des Messias durch mystische Zahlencyclen für das Jahr 1490. Dieser namenlose Kabbalist verfaßte zwei umfangreiche Schriften (Kana und Peliah, Wunder) und wiederholte darin in ermüdender Breite die Alfanzereien des halbwahnsinnigen, messianischen Schwärmers Abraham Abulafia (VII2 208), dessen Spielereien mit Zahlen und Buchstabenversetzungen und dessen Deuteleien. Neu ist nur bei ihm die eigene Manier, die talmudischen [222] Schlagwörter und Deutungsregeln in kindischer Spielerei auf die Kabbala anzuwenden.

Dabei konnte dieser kabbalistische Verfasser nicht genug Zorn gegen die Rabbinen, die Jünger des Talmud, entladen; er schmähte sie: daß sie »mit lauter Stimme und blitzartiger Beweglichkeit« über talmudische Probleme disputiren, angeblich neue Ergebnisse entdecken, dabei ein Wohlleben führen, das Volk nicht auf den rechten Weg weisen und besonders der Kabbala keine Aufmerksamkeit zuwenden. – »Diese Blinden, die sich noch ihrer Blindheit rühmen, streiten um eitlen Wind und meinen weise zu sein, weil sie zu disputiren verstehen. Nein, der kann nicht weise genannt werden, der selbst den ganzen Talmud versteht, sondern nur der in die kabbalistischen Geheimnisse eingedrungen ist«. Der verkappte Kana bekämpft den Talmud mit talmudischen Waffen. Er nennt ihn einen Krebsschaden in den edlen Theilen; man müsse die Wurzel des Uebels beseitigen, um gesundes Fleisch anzubringen – natürlich die Kabbala. Nur durch sie behalten die Ritualien des Judenthums ihren Werth, ohne die kabbalistische Grundlage müßte man annehmen, das ganze Judenthum habe mit der Tempelzerstörung Sinn, Bedeutung und Verbindlichkeit eingebüßt. Nach talmudischem Gesichtspunkte müßte man sagen: Da Gott sein Volk von sich gewiesen, es in die Fremde verstoßen und gewissermaßen verkauft habe, so habe er es damit seines Dienstes entbunden und von der religiösen Verpflichtung befreit. »Man kann nicht zweien Herren dienen«. – Der namenlose Kabbalist gebrauchte die derbsten Ausdrücke, um die talmudische Lehrweise in ein ungünstiges Licht zu stellen. »Das talmudische Gesetz hat herausgedrechselt, daß das weibliche Geschlecht von manchen an die Zeit gebundenen religiösen Satzungen entbunden sei; es erniedrigt damit das arme jüdische Weib bis in den Staub und stellt es dem Sklaven gleich. O Gott, was hast du uns gethan? Du hast in deinem Gesetze befohlen, nichts hinzuzufügen, und dann hast du uns den Händen der Talmudisten überliefert, daß wir nicht von ihren Satzungen weichen sollen, und sie haben so Manches zu deinem Gesetze hinzugefügt«! So reißt der Kabbalist unter dem Namen Kana das talmudische Judenthum nieder, wirft die kitzlichsten, verfänglichsten Fragen auf, freilich angeblich, um wieder aufzubauen, d.h. um die Fragen durch kabbalistische Ungereimtheiten zu beantworten und solchergestalt die Ueberlegenheit und Unentbehrlichkeit der Kabbala darzuthun und zu begründen. Ehe drei Jahrhunderte seit Entstehung der Mystik vergangen waren, wurden Talmud und Kabbala Feinde und lieferten einander blutige Fehden, und noch um zwei Jahrhunderte später wurden sie Todfeinde.

[223] Das Kunststück, einer älteren, ehrwürdigen Autorität mystische Lehren in den Mund zu legen, wendete auch ein getaufter Jude, Paulus de Heredia16, in Aragonien an, um das Christenthum zu verherrlichen. Er mißbrauchte ebenfalls die Namen des Mischnaiten Nechunja Ben-Hakana, dessen angeblichen Sohnes Hakana und des Jehuda Hanaßi zu Mystificationen. Paulus de Heredia (geb. um 1405, Greis um 1485) hatte in der Jugend als Jude mit christlichen Theologen disputirt und das Judenthum in Schutz genommen; nichtsdestoweniger ging er später zum Christenthum über und griff seine ehemaligen Glaubensgenossen in einer Schrift »Paulus' Schwert« (Ensis Pauli) an. Um den Juden oder den Christen weis zu machen, daß die talmudischen Weisen die christlichen Geheimnisse anerkannt hätten, verfaßte er ein mystisches Werk »Brief der Geheimnisse« (Iggeret ha-Sodot), legte es Nechunja und seinem Sohne Hakana bei und gab vor, es blos aufgefunden und ins Lateinische übersetzt zu haben. De Heredia war aber so unwissend in der talmudischen Literatur, daß er Nechunja Mittheilungen aus einer Schrift des später lebenden Jehuda Hanaßi machen läßt. In dieser Schrift (Offenbarung der Geheimnisse Galia Raze) beantwortet angeblich der Mischnah-Sammler mystische Fragen, welche sein kaiserlicher Freund Antoninus an ihn gerichtet haben soll, im christlichen Sinne. Er erkennt die christliche Dreieinigkeit, die jungfräuliche Geburt Jesu und dessen Messianität an, giebt zu, daß das jüdische Gesetz durch Christus' Erscheinen aufgehoben sei und deutet die geheimnisvollen Gottesnamen (von vier und zweiundvierzig Buchstaben) auf Jesus. Nachdem Nechunja die Fragen und Antworten seinem Sohne mitgetheilt, ermahnt er diesen, Jesus als den wahren Messias anzuerkennen, und Hakana legt zuletzt ein christkatholisches Glaubensbekenntniß ab. Paulus de Heredia verrieth sich aber dadurch als ungeschickter Fälscher. Wer von den Juden konnte den Worten Glauben schenken, die er Hakana sprechen läßt: »Ich bin einer von denen, die an Christus glauben und habe mich der heiligen Taufe geweiht«? Ob seine Schriften gegen den Talmud (de Mysteriis fidei) und über die unbefleckte Empfängniß [224] Maria's (Corona regia), die er dem Papste Innocenz VIII. gewidmet hat, besser waren? Die jüdischen Wortführer scheinen auf de Heredia's untergeschobenes Machwerk nichts entgegnet zu haben.

Bei oberflächlicher Beobachtung konnte der Schein entstehen, als sei der ehemalige Glanz der, wenn auch an Zahl und Geisteskraft heruntergekommenen Bekenner des Judenthums dieses Landes, wenngleich durch dunkle Wolkenschichten vielfach abgetönt, doch nicht ganz erloschen gewesen. Heißblütige Optimisten mochten aus Zeichen der Zeit eine Besserung erhoffen. Gerade unter der Regierung des castilianischen Königs Don Heinrich IV. (1454-74) und des aragonischen Königs Don Juan II. (1456-1479) schien die Lage der spanischen Juden verhältnißmäßig günstiger als unter deren Vorgängern. Es war gewissermaßen die Windstille vor dem verheerenden Sturme eingetreten. Der im doppelten Sinne impotente castilianische König war von einer so weichen Gemüthsart, wie es einem Herrscher nicht geziemt. Seine Nachgiebigkeit grenzte oft an Feigheit, und er war noch unselbstständiger als sein Vater. Er ließ sich ebenfalls von seinen Günstlingen leiten, die ihm aber nicht so treu ergeben waren, wie Alvaro de Luna sei nem Vater, sondern sie gaben ihm verkehrte Rathschläge, wodurch seine Feinde Nutzen zogen, ließen ihn öfter im Stich und gingen zu seinen Feinden über. Castilien war unter ihm durchwühlt von Parteikämpfen; die Granden waren mächtiger als der König, entsetzten ihn auch einmal auf eine komödienhafte Weise seines Thrones, um seinen ihm feindlichen Bruder darauf zu setzen. Don Heinrich's Unglück war besonders sein vertrautester Rathgeber, Don Juan de Pacheco, der ihn mehr als einmal verrieth, und der wie sein Bruder Pedro Giron einen jüdischen Stammvater Ruy Capon-Tavira hatte17. Eben so gewissenlos gegen ihn war sein Hausminister Diego Arias Davila, ebenfalls von einem getauften Juden abstammend18, der durch seine Habgier sich und den König verhaßt machte. Diese Staatsmänner waren wenigstens nicht so verworfen, ihre Stammgenossen von ehemals noch mehr demüthigen zu lassen oder ihnen die Lebensluft abzuschneiden. Sie gönnten ihnen die bescheidene Rolle, welche sie spielten. Davila ließ jüdische Rentmeister [225] auch verdienen und setzte sich über die kanonischen, wie über die königlichen Erlasse hinweg. Das Beispiel des Hofes wirkte auf den hohen Adel, der überhaupt, wenn sein Interesse es erforderte, sich wenig an die kirchlichen Satzungen kehrte. Selbst Geistliche und Klöster zogen jüdische Gutsverwalter vor, sei es wegen deren größerer Zuverlässigkeit oder Verschwiegenheit19.

Die Arzneikunde war immer noch von Juden vertreten, und sie öffnete ihnen die Kabinette und Herzen der Könige und der Großen. Die päpstlichen Bullen hatten gut verbieten: Christen sollten sich nicht jüdischer Aerzte bedienen. Es gab keine oder nur wenige christliche Heilkundige, und es blieb den Kranken nichts übrig als zu Juden Zuflucht zu nehmen. Selbst die hohen Geistlichen kehrten sich wenig an die Bullen der Päpste Eugenius, Nikolaus und Calixtus. Auch sie hatten ihren Leib zu lieb, als daß sie wegen einer kanonischen Satzung den ärztlichen Beistand eines Juden zurückweisen sollten20. Die meisten früheren Beschränkungen aus der Jugendzeit Juan's II. und der Regentin Catalina (o. S. 108) waren in Castilien so ziemlich vergessen21.

[226] An den Höfen verkehrten jüdische Aerzte und jüdische Finanzkundige. Der König Heinrich von Castilien war von jüdischen Aerzten umgeben. Seinen Hauptleibarzt Jakob Aben-Nuñes ernannte er zum Großrabbinen, behielt ihn bis an sein Lebensende, trug ihm auf, die Steuern der jüdischen Gemeinden im ganzen Lande zu regeln, sie auf die einzelnen zu vertheilen und sie als Renten für Infanten, Granden, Prälaten und Kirchen zu verwenden oder meist gar zu verschwenden22. Der König Juan von Aragonien hatte ebenfalls einen jüdischen Arzt, Abiatar-Abn Crescas, und den halb philosophischen Schriftsteller Abraham Bibago um sich. Der Erstere hatte ihm durch eine gelungene Operation das Augenlicht wiedergegeben23 und wird ihm wohl auch sonst noch den Staar gestochen haben; denn solche Vertrauenspersonen der Fürsten haben es gewiß nicht fehlen lassen, die zu Recht bestehenden harten Beschränkungen ihrer Brüder zu mildern. Die materiellen Interessen, welche durch die Ausschließung der Juden vom Verkehr mit der christlichen Gesellschaft hart geschädigt waren, machten die Durchbrechung dieser Mauer so sehr zum unabweislichen Bedürfniß, daß die Cortes von Toledo (1462) die empfindlichen Nachtheile, welche der Bann des Gesetzes gegen die jüdischen Geschäftsleute mit sich brachte, dem König klagten und Abhilfe verlangten24. Sie setzten auseinander, daß trotz des Verbotes geldbedürftige Christen zu den Darlehnsgeschäften mit jüdischen Kapitalinhabern Zuflucht nehmen mußten. Da es aber nur mit Umgehung des Gesetzes oder unter dem Scheine christlicher Gläubiger geschehen müsse, so entständen daraus nachtheilige Folgen für die christlichen Schuldner. Ganz besonders aber erwachse den königlichen Städten ein unersetzlicher Schaden, indem in diesen die Ausschließung strenger gehandhabt würde, als in den Besitzungen der Magnaten und selbst der Abteien, was die Auswanderung der Juden in duldsamere Plätze und daher Entvölkerung und Verarmung jener zur Folge habe. Heinrich IV., ohnehin dem fanatischen Judenhaß abgeneigt, milderte die Ausschließungsgesetze. So durften die aus den königlichen Städten ausgewanderten Juden wieder dahin zurückkehren. Die Beschränkung ganz aufheben durfte der König nicht, und noch weniger konnte er den entfesselten bösen Geist der Glaubenswuth bändigen, wenn er auch mehr Charakterfestigkeit gehabt hätte.

[227] Diese Glaubenswuth war verkörpert in dem General des Franciskaner-Ordens Alfonso de Espina25, zugleich Rektor der Universität Salamanka und Beichtvater des Königs. Er war ein Ordens- und Gesinnungsgenosse Capistrano's, welche Beide die giftige Zunge und giftige Feder zum Hasse in Bewegung setzten. De Espina genoß eine gewisse Berühmtheit wegen des zufälligen Umstandes, daß er als Beichtvater den Staatsmann Alvaro de Luna, den mächtigen Minister Juan's II., zum Richtplatz begleitet hatte. Seit dessen Tode donnerte er von der Kanzel gegen die Juden und ihre Gönner. Da seine Predigten ihm nicht genug zu wirken schienen, so verfaßte er ein giftgeschwelltes Werk in lateinischer Sprache gegen Ketzer, Juden und Mohammedaner unter dem Titel »Glaubensfestung« (Fortalitium fidei, verfaßt um 1460). Alles, was nur irgend ein Judenfeind Feindseliges geschrieben oder erzählt hatte, stoppelte er darin zusammen, tischte die lächerlichsten Märchen auf und machte Alles so drastisch als möglich. Ketzer und Mohammedaner sollten natürlich, nach seiner Ansicht, mit Stumpf und Stiel vertilgt werden. Gegen die Juden wollte er scheinbar glimpfliches Verfahren angewendet wissen: Man sollte ihnen nur die jungen Kinder entreißen und sie christlich erziehen, ein Vorschlag, den er dem Scholastiker Duns Scotus und seinem Ordensgenossen Capistrano entlehnte. Alfonso de Espina bedauerte am meisten, daß die Gesetze zur Demüthigung der Juden aus der Jugendzeit Juan's II. unter dessen Nachfolgern nicht mehr in Kraft waren. Er tadelte mit den spitzigsten Worten den König, die Großen und die Geistlichen dafür, daß sie die Juden begünstigten. Um das Volk aufzuwiegeln, frischte er die Märchen von Kindermord und Hostienschändung in breiter Erzählung auf und stichelte, daß solche Schandthaten durch die Parteilichkeit des Königs ungeahndet blieben.

Besonders verderblich war für die Juden der Bürgerkrieg, welchen die Intriguanten des Hofes, der Minister Don Pacheco an der Spitze, entzündeten. In Avila hatten sie Don Heinrich auf eine burleske Weise entthront und dafür seinen jüngeren Bruder Alfonso zum König ausgerufen. Alfonso's Parteigänger, ebenso judenfeindlich wie gewissenlos. [228] verabredeten einen Plan, der Gemeinde von Sevilla den Garaus zu machen und ihre Habe zu plündern. Es bedurfte großer Anstrengung von Seiten der Ordnungsliebenden, um Ruhe wieder herzustellen26. Da der König nur ein Spielball in den Händen des Adels und der hohen Geistlichkeit war, so konnten die Cortes, nur von judenfeindlichen Mitgliedern beherrscht, ihm die nachtheiligsten Beschlüsse zur Beschränkung der Juden abtrotzen. So setzten es die Cortes von Toledo (1465) durch, daß die drückende Ausschließung derselben aus der Zeit der Königin Catalina wieder zum Gesetz erhoben wurde. Das von Juan II. für sie günstige Edikt von Arevalo (o. S. 148) wurde damit außer Kraft gesetzt. Da selbst die feindseligen Granden die Unentbehrlichkeit der Juden für den Wohlstand des Landes nicht übersehen konnten und fürchteten, daß sie, um die Quälerei los zu werden, auswandern würden, so fügten sie zu den Paragraphen der Beschränkungen noch den hinzu, daß ihre Auswanderung durch allerlei Mittel verhindert werden sollte27. Die Hetzereien gegen die Juden von Seiten de Espina's erzeugten immer mehr eine feindselige Stimmung unter allen Klassen der Bevölkerung, welche die bei Hofe verkehrenden jüdischen Aerzte und Günstlinge um so weniger bannen konnten, als der König völlig ohnmächtig war.

Wo möglich noch viel boshafter wüthete de Espina gegen die Neuchristen oder, wie er sie nannte, heimlichen Juden28. Allerdings wendeten sich manche Marranen, Söhne oder Enkel der durch Gewaltmittel Getauften, angeekelt von dem unsittlichen Treiben der damaligen Vertreter des Christenthums, dem Glauben ihrer Väter mehr oder weniger heimlich zu29, bemüht, einerseits die Gesetze des Judenthums nicht zu übertreten und andererseits nicht als Apostaten oder[229] vom Christenthum Zurückgetretene (relapsi) entlarvt oder auch nur verdächtigt zu werden. Der gallige Franciskanermönch hatte jedenfalls Kunde von der Anhänglichkeit einiger Marranen an das Judenthum, schilderte aber in geflissentlicher Uebertreibung, daß viele Neuchristen jüdische Bräuche mitmachten und zwar in Folge ihres Verkehrs mit den Juden. Er schrieb in seinem zur Aufreizung verfaßten Buche: Wäre in unserer Zeit eine gewissenhafte Inquisition (wie zur Zeit der Westgothen) gegen die jüdischen Täuflinge, so würden viele, die frecher Weise judaisiren, dem Feuer übergeben werden. In dem Vertrage, welchen die Cortes dem gedemüthigten König vorgelegt hatten, war auch die Forderung einer Inquisition enthalten30. – Vom Wort wollte de Espina zur That übergegangen wissen. Die franciskanischen Theologen der Universität Salamanka hatten eine Bulle des Papstes in Händen, welche sie autorisierte, ein Ketzertribunal zu errichten (o. S. 190). Es galt also blos, den weltlichen Arm dafür zu gewinnen. Die Franciskaner hielten darauf beim König an, die Bulle in Ausführung zu bringen. Da aber Don Heinrich, obwohl betroffen von der Schilderung des Rückfalles so vieler Neuchristen zum Judenthume, nicht so rasch ihren Willen erfüllte, hatten sie einen stürmisch-wilden Prediger Hernando de la Plaza von der Kanzel in Madrid gegen die Gotteslästerung der Neuchristen donnern lassen (1461), um das Volk aufzureizen und auch den König zur Nachgiebigkeit zu zwingen. Der Prediger hatte behauptet, handgreifliche Beweise in Händen zu haben, daß an hundert Neuchristen ihre Knaben hätten beschneiden lassen. Eine Untersuchung, die der König über diese belastenden Beweise hatte anstellen lassen, hatte zwar diese Behauptung als eine freche Lüge erwiesen, aber die Aufregung in Madrid gegen die Marranen war nichtsdestoweniger so gewaltig, daß der König einen anderen Prediger vom Orden der Hieronymisten Alfonso de Oropesa bewegen mußte, das Volk zu beschwichtigen31.

Jedenfalls war dadurch der Gedanke nahe gelegt, eine sorgfältige Untersuchung über die heimliche Lebensweise der Marranen anzustellen. Der Primas von Spanien trug dem General desselben Ordens auf, die Untersuchung in Toledo anzustellen, wo die Feindlichkeit zwischen Alt- und Neuchristen von neuem ausgebrochen war und blutige Folgen hatte.

In Toledo bestanden zwei feindliche Parteien, die sich um zwei feindliche Häuser scharten, die de Silva, an deren Spitze die Herzöge von Cifuentes standen, und die de Ayala, deren Haupt die Herzöge [230] von Fuensalide war. Parteifehden waren damals bei dem bis zur Ohnmacht gesunkenen Königthum an der Tagesordnung. Die Neuchristen wurden von der Partei de Silva patronisirt und selbstverständlich von der Gegenpartei gehaßt. Bei einer Veranlassung (1467), als das Kapitel von Toledo zur Pracht gewisser Renten auch jüdische Bewerber zuließ, dagegen der Groß-Alkalde Alvar Gomez sie aus der Stadt jagen ließ, wodurch das Kapitel sich verletzt fühlte, kam es zum Kampfe. Unter Anführung dieses Alkalden und des angesehensten der Neuchristen Fernando de la Torre drang eine große Menge derselben in die dem Kapitel angehörende Kathedrale, rief »Tod, Tod den Kirchenschändern!« schlug den Kirchenpförtner, der ihr Eindringen hindern wollte, an einem Altare nieder, läutete die Glocken zum Sturme und bemächtigte sich unter dem Beistande der de Silva der Brücken und Pforten der Stadt. Die Gegenpartei rief dagegen die Bevölkerung der Vorstadt zur Gegenwehr, und diese legte Feuer an die Häuser der Neuchristen an, das sich im heißen Sommer mit solcher Schnelligkeit verbreitete, daß an demselben Tage sechzehnhundert Gebäude, von mehr als viertausend Neuchristen bewohnt, eingeäschert wurden. Dadurch erschreckt und entmuthigt mußten die Partei de Silva und die Marranen den Kampf aufgeben. De la Torre und sein Bruder, in die Hände des Siegers gerathen, wurden an den Galgen gehängt, und mehr als hundert und dreißig Neuchristen kamen in dem Tumult ums Leben. Der Rest derselben suchte die Berge als Zuflucht auf, weil sie in der bewohnten Umgegend ihres Lebens nicht sicher waren32.

Kaum war die Partei des Don Alfonso durch den Tod des Puppenkönigs (1468) aufgelöst, so bildete sich gleich wieder eine andere, die zum Vorwande nahm, die Rechte der Infantin Isabella, Schwester Don Heinrich's, vertheidigen zu wollen. Die grenzenlose Schwäche, welche der König den Rebellen gegenüber zeigte, ermuthigte sie zu den unverschämtesten Angriffen auf seine Rechte. Die zu Ocaña versammelten Cortes (1469), welche ihn demüthigen wollten, beschäftigten sich auch mit den Juden, erinnerten den König an die Gesetze seiner Ahnen, daß jene weder Juden, noch Mohammedaner zu irgend einem Posten zuließen, »und jene Könige hatten auch guten Grund zu diesem Gesetze«. Die Cortes sagten ferner dem Könige ins Gesicht, daß er jene Gesetze verletzt, die Hauptämter für die königlichen Einnahmen Juden anvertraut habe, daß durch dieses von oben gegebene Beispiel auch Kirchenfürsten an Juden und Modejaren [231] die Einnahmen von ihren Sprengeln verpachteten, und die Pächter in den Kirchen selbst die Vertheilung vornähmen. Sie drangen darauf, jene Bestimmung wieder streng zu befolgen und für die Uebertretung hohe Strafen zu verfügen33. Welchen Bescheid Don Heinrich darauf ertheilte, ist nicht bekannt geworden, aber gewiß keinen solchen, wie die Cortes ihn erwartet hatten. Die Finanzen dieses Königs, der bei seiner Freigebigkeit und zur Dämpfung der unaufhörlichen Aufstände viel Geld brauchte, hätten einen sehr traurigen Stand gehabt, wenn er sie christlichen Pächtern anvertraut hätte. Denn diese verlangten sie um einen niedrigen Pachtschilling oder hätten sich hinter die aufrührerischen Parteien stecken können, um ihrer Verpflichtungen ganz und gar los zu sein. Ein König, welcher zu seinem Schatzmeister sagte: »Gieb den Einen, damit sie mir dienen, und den Andern, damit sie nicht rauben, dazu bin ich König und habe Schätze und Einkünfte für Alles«34, ein solcher König konnte jüdische Finanzmänner nicht entbehren. Es bestand daher in Castilien ein Zwiespalt zwischen den Gesetzen gegen die Juden und dem Staatsinteresse, und dieser Zwiespalt reizte die Bevölkerung, welche von kirchlichem Fanatismus und habsüchtigem Neid in gleicher Weise gegen ihre jüdischen Mitbürger eingenommen war, immer mehr zu leidenschaftlichen Wuthausbrüchen.

Die Verheirathung der Infantin Isabella mit dem aragonischen Infanten Don Fernando (19. Oktober 1469) bildet einen tragischen Wendepunkt für die Geschicke der spanischen Juden. Hinter dem Rücken ihres königlichen Bruders und mit offenem Wortbruche – nachdem sie feierlich versprochen hatte, sich nur mit der Einwilligung ihres Bruders zu verheirathen – hatte sie dem aragonischen Prinzen die Hand gereicht, der in der jüdischen Geschichte und auch in der spanischen, unter dem Namen »der Katholische«, ein fluchwürdiges Andenken hinterlassen hat.

Merkwürdig genug ist diese Ehe von einem klugen jüdischen Rathgeber, dessen Stimme bei einigen Granden großes Gewicht hatte, befördert worden. Es war Don Abraham Senior, der später eine hervorragende Stellung einnahm. In Folge seines Rathes und Eifers erhielt er bei den Freunden der Infantin Isabella, welche von den Prinzen von Portugal, Frankreich und England umworben wurde, Fernando von Aragonien den Vorzug, obwohl der König und mehrere weltliche und geistliche Fürsten gegen die Verbindung mit ihm am meisten eingenommen waren. Abraham Senior soll aber im Interesse seiner [232] Glaubensgenossen diese Heirath so heftig betrieben haben, weil Fernando von einer jüdischen Urgroßmutter stammte35 und vorauszusehen war, daß er, auf den Thron von Aragonien und Castilien gelangt, seiner Abstammung eingedenk, den Juden zugeneigt sein würde. Don Abraham hat daher die heimliche Zusammenkunft und Vermählung Ferdinands mit Isabella in Valladolid betrieben. Später brachte derselbe Abraham eine Aussöhnung des Königs Don Heinrich mit seiner Schwester in Segovia und die Zustimmung zu der ihm solange verhaßten Heirath, sowie ihre Anerkennung als Thronerbin zu Stande. Isabella war ihm so dankbar dafür, daß sie ihm ein Jahrgehalt von hunderttausend Maravedis aus den Einnahmen von den königlichen Gütern bewilligte36. Diese Ehe, welche den Grund zu Spaniens Größe und zu Spaniens Verkommenheit gelegt hat, brachte zunächst Unglückstage für die Marranen. Als hätten die Parteigänger Isabella's geahnt, daß unter ihrer und ihres Gemahls Regierung die Verfolgung zum Gesetze erhoben werden würde, griffen sie in Valladolid, Isabella's Hauptsitz, zu den Waffen und fielen die Neuchristen an (September 1470). Diese setzten sich zur Wehr, unterlagen aber. Sie schickten daher eine Deputation an den König Don Heinrich IV. mit der Bitte sie zu schützen. Dieser zog zwar Truppen zusammen und marschirte gegen die aufrührerische Stadt, war aber froh, daß die Bürger ihn überhaupt nur aufnahmen, und konnte an Bestrafung der Rädelsführer nicht denken.

Von Tag zu Tag steigerte sich die Glaubenswuth in Spanien bald gegen die Marranen, bald gegen die Juden. Die Verkümmerung der Juden genügte den fanatischen Feinden nicht, sie wünschten deren vollständige Vertilgung. Um diese vorzubereiten, sprengten die Verbissenen das Gerücht aus: die Juden der kleinen Gemeinde Sepulveda (unweit Segovia) hätten in der Charwoche auf Eingebung ihres Rabbiners Salomo Pichon heimlich ein Christenkind so sehr [233] gemartert, daß es am Kreuze den Geist aufgegeben. Auf Veranlassung des Bischofs Juan Arias Davila, des Sohnes des von Juden abstammenden Diego Davila (o. S. 225), wurden acht Juden, welche der Volksmund als Schuldige bezeichnete, von Sepulveda nach Segovia geschleppt und dort zum Scheiterhaufen, zum Galgen oder zur Erdrosselung verurtheilt (1471). Ein Knabe, der auch in die Anklage verwickelt war, flehte um sein Leben, versprach dafür die Taufe anzunehmen und wurde deßwegen begnadigt und in ein Kloster gesteckt. Nach einigen Tagen bereute er diesen Schritt und entfloh der Religion, welche durch Galgen und Scheiterhaufen zur Seligkeit führen wollte. Die Christen von Sepulveda fielen über die geringe Zahl der dortigen Gemeinde her und ermordeten einige Personen. Die Uebrigen, die aus der Stadt entflohen waren, konnten keinen Schutz finden37. Ist es nicht merkwürdig, daß in Castilien und Schlesien, in Italien und in Polen zur selben Zeit dieselben Anklagen erhoben wurden und dieselben Verurtheilungen erfolgten? Was ein Zeitgenosse, der die Vorgänge in seiner Zeit gewissenhaft aufgezeichnet hat, Joseph Ibn Zadik aus Arevalo, bei der Erzählung des Vorfalles in Sepulveda hinzufügt: »sie wurden unschuldig hingerichtet«38, das könnte von denselben Anschuldigungen in anderen Ländern ebenfalls gesagt sein.

Der Bischof Davila, welcher die Märtyrer gemacht hatte, hätte wohl aus seinen jüdischen Familienerinnerungen bezeugen können, daß die Angeklagten unschuldig an dem ihnen aufgebürdeten Verbrechen waren, zumal in Spanien bis dahin kein Beispiel eines solchen Prozesses vorgekommen war. Er mag aber seine jüdische Abstammung [234] haben vergessen machen wollen. Ehe zwei Jahrzehnte vergangen waren, wurde er zu seinem Schrecken daran erinnert. Denn die Partei der Fanatiker, welche von der pietistischen Gesinnung der Infantin Isabella die Förderung ihres tief angelegten Planes hofften, die Christen von jüdischer Abstammung aus ihren hohen Stellungen zu verdrängen oder sie ganz und gar verschwinden zu lassen, machte kein Hehl daraus und begann offen gegen sie vorzugehen und sie als falsche Christen erscheinen zu lassen. In Cordova wurde dieser Plan offen betrieben und führte tragische Scenen für die Neuchristen herbei. Einige Geistliche stifteten unter Begünstigung des Bischofs und anderer Großen eine »Brüderschaft« (Cofradia) unter dem Namen »christliche Liebe«, aus welcher sie sämmtliche Neuchristen, auch die hochgestellten weltlichen und geistlichen Würdenträger, geradezu ausschlossen. Um diese Brüderschaft einzuweihen, wurde eine feierliche Procession (März oder April 1473) mit dem Bilde der Gottesmutter, ihrer Schutzpatronin, aufgeführt. Die Straßen und Plätze, durch welche die Procession ihren Weg nehmen sollte, waren glänzend mit Blumengewinden und Teppichen geschmückt. Die Neuchristen ließen aber, um gewissermaßen einen stillen Protest dagegen zu erheben, ihre Häuser ungeschmückt und verschlossen dieselben, worin die große Menge schon eine Verhöhnung des Gegenstandes ihrer göttlichen Anbetung sah und gereizt war. Plötzlich stieß am Hause eines der reichsten Marranen ein Schmied ein Wuthgeschrei aus. Was war geschehen? Es hieß, ein junges Mädchen, Tochter eben dieses Neuchristen, hätte eine unsaubere Flüssigkeit auf das Marienbild gegossen. Der Schmied zündete mit der Fackel für die Procession unter dem Rufe: »Es lebe der Gottesglaube« das Haus an, und die Menge wiederholte tausendstimmig diesen Ruf, zündete die Häuser anderer Neuchristen an, plünderte, raubte und richtete ein Blutbad unter den Marranen an. Der Statthalter Alfonso de Aguilar, ein Edler von königlichem Geblüte, eilte mit seiner Mannschaft auf den Schauplatz des Gemetzels und durchbohrte den aufwieglerischen Schmied mit seiner Lanze. Aber damit goß er nur Oel ins Feuer. Denn ein Müller entzündete von neuem die Menge, welche sich vor den Lanzen der bewaffneten Mannschaft zerstreut hatte, durch Hinweisung auf den Leichnam des gemordeten Schmiedes, der als Märtyrer für den reinen Glauben angesehen wurde. Nah an 20000 Altchristen erschienen auf den Straßen und erneuerten die Scenen von Mord und Brandstiftungen in den Häusern der Neuchristen. De Aguilar vermochte mit seiner Mannschaft nicht dem Gemetzel Einhalt zu thun. Er war selbst bedroht und zog sich in seine Festung zurück, nahm aber ritterlich mehrere Marranen und [235] Juden, deren Leben ebenfalls bedroht war, mit sich. Den in der Stadt noch zurückgebliebenen Neuchristen wurde gnädigst bewilligt, ihren Zufluchtsort zu verlassen und auszuwandern. Die Verjagten wurden aber von der Landbevölkerung angegriffen, beraubt und erschlagen. In dem ganzen Bisthum Cordova, in allen Städten und Plätzen wurde gegen die Marranen mit Feuer und Mord gewüthet39. Wo man ihrer ansichtig wurde, war ihnen der schmählichste Tod gewiß. Bauern bei der Feldarbeit schlugen sie ohne Weiteres todt. Das Gemetzel der Marranen in Cordova wälzte sich von Stadt zu Stadt. In Jaen war das Volk so wuthentbrannt gegen die Neuchristen, daß es einen Militärbeamten Iranzu, der sie schützen wollte, in der Kirche erschlug40.

Die Flüchtlinge von Cordova, welche in der nahe gelegenen Stadt Palma eine augenblickliche Zuflucht gefunden hatten, dachten daran, sich einen sicheren Ort zu verschaffen, wo sie die Blutgier und der Fanatismus der gegen sie eingenommenen Bevölkerung nicht würden erreichen können. Einer aus ihrer Mitte, Pedro de Herrera, der in großer Achtung bei seinen Leidensgenossen und bei dem Befehlshaber de Aguilar stand, begab sich zu diesem Zwecke zum Statthalter der Provinz, dem Herzog von Medina-Sidonia, nach Sevilla und erbat von ihm die Bergfestung Gibraltar, welche dieser zehn Jahre vorher den Mohammedanern entrissen hatte, als Zufluchtsstätte für sich und seine Brüder unter ihrem eigenen Commando. Er versprach dafür eine bedeutende jährliche Abgabe zu leisten. Der Herzog-Statthalter war mit dem Vorschlage einverstanden. Die Neuchristen aus Palma begaben sich in Folge dessen nach Sevilla, um den Vertrag zu unterzeichnen. Die Freunde des Herzogs riethen zwar davon ab, weil sie Mißtrauen gegen die Marranen hatten und die Befürchtung äußerten: die Neuchristen möchten mit den Mohammedanern in Verbindung treten und ihnen die wichtige Festung, den Schlüssel zu den Küsten Spaniens, in die Hände liefern. Der Herzog von Medina-Sidonia bestand nichtsdestoweniger darauf, den Vertrag mit den Neuchristen abzuschließen. Da gaben die Feinde derselben dem Pöbel von Sevilla einen Wink darüber, und alsbald rottete sich dieser in fanatischer Wuth gegen die Marranen zusammen. Kaum vermochte sie der Statthalter zu schützen. Eilends wurden sie zur Rückreise nach Palma gezwungen und unterwegs von dem Landvolke ausgeplündert und mißhandelt (147341). Der Plan des Pedro de Herrera [236] und seiner Freunde hatte nur noch größeres Elend über sie gebracht und sämmtliche Neubekehrten so wie auch die Juden gefährdet. Von ihren Todfeinden bedroht, mußte der Herzog von Medina-Sidonia eine starke Truppenmacht in die Stadt ziehen, um die Marranen schützen zu können.

Blutige Angriffe auf die Neuchristen wurden so alltäglich, daß sie der schlaue und ehrgeizige Minister Pacheco geradezu in Scene setzte, um einen Staatsstreich auszuführen. Dieser gewissenlose Intriguant, welcher zwei Jahrzehnte hindurch die größte Verwirrung in Castilien angestiftet hat, sah mit Ingrimm die Versöhnung des Königs Don Heinrich mit seiner Schwester, der Thronfolgerin Isabella, die seinen Einfluß zu vernichten drohte. Um neue Verwickelungen hervorzubringen, wollte er sich der wichtigen Festung (Alcazar) von Segovia bemächtigen, wo sich der König damals befand. Er veranstaltete zu diesem Zwecke durch seine Anhänger einen blutigen Angriff auf die getauften Juden, seines Ursprungs uneingedenk. In der Verwirrung sollten sich seine Helfershelfer des Schloßvogtes (Alcaide) Cabrera bemächtigen und womöglich auch des Königs. Die Verschwörung wurde zwar einige Stunden vor ihrem Ausbruch verrathen, aber die Hetze gegen die Neuchristen brach nichtsdestoweniger los. Bewaffnete Banden durchzogen die Straßen von Segovia, erbrachen die Häuser der Marranen und tödteten Alle, die ihnen in die Hände fielen, Straßen und Plätze waren mit Leichen bedeckt (16. Mai 1474). Hätte Cabrera nicht Truppen gegen die Angreifer einschreiten lassen, so wäre damals kein Einziger der segovianischen Neuchristen und Juden am Leben geblieben42. Zu noch größerem Unglück für den jüdischen Stamm starb Don Heinrich (December 1474), und seine bigotte Schwester, welche von judenfeindlichen Gewissensräthen geleitet war, und ihr Gatte, der gewissenlose Don Fernando, der sich bigott stellte, sie beide wurden die Herren der gesammtspanischen Länder. Ein noch thränenreicheres Geschick war für die Söhne Jakob's auf der pyrenäischen Halbinsel im Anzuge.


Fußnoten

1 S. Note 4.


2 Imanuel Aboab bemerkt von ihm Nomologia II, 2, e. 25: A este señor (Campanton) clamavan comunamente el Gaon de Castilla, vivia 103 annos hasta que en el 1463 passé á gozarla vida eterna. Dasselbe auch Zacuto in Jochasin ed. Filipowski p. 226 b: 'ר ליפיניפב רטפנ אוהו ... איליטשקב ןואג ארקנ (ןוטנפנק) קחצי הריציל ג"כר. Ebenso Joseph Ben-Zaddik aus Teruel in קידצ רכז (Neubauer, Anecdota Oxoniens. p. 99) רטפנ (ג"כר l.) ג"פר םיפלא 'ה 'ש ליפאיניפב ןוטנפנק קחצי 'ר ןואגה.


3 Vergl. über dieselben Zacuto in Jochasin ed Filipowski p. 226 und Imanuel Aboab, a.a.O. und über die letzten zwei Schulchan Aruch, Orach Chajim No. 141: (ביתכו ירק ןינעב) הבותכ איהש ומכ ארקש דחאב השעמו 'רהו יסנאלאו םהרבא 'רהו בהובא קחצי "רה רודה ילודג ינפב הצר אלו תדוסמה יפכ ארקיש וב ורתהו ונב יסנאלאו לאומש הביתהמ והודירוהו והודנו. – Von Samuel Valensi wird ein Werk רמוחו לק יללכ citirt. Samuel Valensi, der 1532 als Anführer einer Schaar so tapfer kämpfte, war ohne Zweifel ein Enkel dieses Rabbiners. (Imanuel Aboab a.a.O. p. 305 f.)


4 Daß die Antikritik רתסא תליגמ von Isaak de Leon gegen Nachmani's Kritik zu Maimuni's תוצמה רפס nicht von diesem, sondern von einem spätern Namensverwandten verfaßt wurde, hat Asulaï s.v. unwiderleglich dargethan. Citirt doch der Verfasser der Antikritik nicht blos die Responsensammlung des Joseph Kolon, sondern auch ein Werkchen des Salomo Almoli als eines Zeitgenossen, der erst im Anfang des sechszehnten Jahrhunderts lebte.


5 Isaak Aboab's Werke sind: 1) Supercommentar zu Raschi (unedirt); 2) Supercomment. zu Nachmani's Pentateuch-Comment. ed. princeps, Venedig 1558; 3) תוטש zu einigen talmudischen Tractaten, Venedig 1608; 4) תושרד unter dem Titel ןושיפ רהנ, Const. 1538; 5) Anmerkungen zu den Turim, im Alter verfaßt und unvollendet (Im. Aboab a.a.O. und Andere). 6) Auch Responsen sind von ihm handschriftlich vorhanden. Seine Autorschaft des agadischmoralischen Sammelwerkes רואמה תרונמ hat bereits Asulaï (s.v.) angezweifelt, und Zunz hat es kritisch nachgewiesen, daß es einem älteren Isaak Aboab angehört, der um 1300-1320 gelebt (Ritus S. 204 ff.). Folglich gehören auch dem älteren an die darin citirten Werke ןחלש תודעה und םינפה ןהלש. So viel zur Berichtigung des irregeführten Imanuel Aboab und Anderer. – Die Anekdote über dessen Einäugigkeit wird von Joseph Sambari mit Varianten erzählt (Anecdota Oxon. Neub. p. 142).


6 Vergl. über ihn die Bibliographen und Einl. wie Schluß zu seinem Werke תובאד ילמ (Venedig 1605). Seinen Comment. zu Abot verfaßte er 1470, und 1490 war er bereits todt.


7 Vergl. über ihn Polaks Einl. zu dessen Hauptwerk קחצי תדקע oder םירעש האמ. Arama's Schrift תשק תוזח ist gegen die Wissenschaft gerichtet.


8 Vergl. über ihn Jellinek: Thomas von Aquino in der hebr. Literatur. Ein physikalisches Werk übersetzte Chabilio 1472. Er hat nicht blos einige Schriften Thomas' übersetzt, sondern auch des Nominalisten Occam, wie de Rossi's Codex No. 457, 10 hat: Okam summa lib. logicae ab Chabilio translata, und Codex No. 281: Chabili quaestiones philosophicae ... testatur (auctor) se eos.. potissimum ex Thoma Aquinate, Scoto et Okamo.. sumpsisse. No. 457, 3. Chabili confirmatio argumentorum quae protulerat (adversus Schem Tob b. Schem Tob).


9 Munk, Mélanges p. 507 theilt aus der Vorrede von Bibagos' Comment. zu de demonstratione mit, daß es beendet war Huesca 1446, und von einem Copisten, daß er in Saragossa im Lehrhause des Bibago war Tebet = Dec. 1471. Nach Baß' Schifte Jeschenim soll er noch 1489 gelebt haben. In seinem Hauptwerke ךרד הנומא (Editio Const. 1521) giebt er gegen Ende Bl. 102b an: אלפומ דחא םכח םע יל הרקש המ ינב ךל בותכא ילא לאש .ןונרא תוכלמב ןאוג ןוד ךלמה ןחלש לע יתורחבב ?ףוסוליפ ידוהי התאה. Das kann nur unter Juan II. von Aragonien geschehen sein, der 1456-1479 regierte. Er war also noch in den fünfziger Jahren jung. Seine Predigtsammlung führt den Titel ונמחני תז (Salonichi sine anno). Wolf, Bibliotheca III. p. 23 vermuthet, daß Bibago der Verfasser der handschriftlichen Paralipomena medica in der Sorbonne sei. Vergl. ריכזמה B. XXI. p. 82 und über Bibago's Schriften Monatsschrift Jahrg. 1883 p. 84 f., 125 f.


10 Bibago, Derech Emunot Bl. 97b: המכ הארת אלה םולאשי םאו השמ תירב ילעבו םינימאמ םמאע וארקי םישנא האריה ... םהיפ ומל ומש םדי ,םה המו םהיתונומא רפסמ ךרדכ .תלוז אל הדמלמ םישנא תוצמ איה םהל רשא הנומאהו הנובתו לכשה ישנא םינימאמ יתלבו םינימ וארקי וננמז ישנא. Interessant ist auch, was er das. Bl. 48 d bemerkt: םאו םיער םישנא המהו ללכה ןמ ואצי יתמואב םימכח ואצמאי רומא ונחנא םג יכ םכחה תבושתכ הזב בישנ .תונוגמ תודממו םיאטחו וסימעה רשא רובעב םימכח םיארקנו... םיגישמ יתלב הארנ ללכה ןמ םיאצוי ... םיער םישנא םה הנהו ... דומלתה תמכחב ... ותחש וקימעה ... הנשו ארק אלש ימ ןכש לכמו .ןכ םג .םתוריטבו םהירצחב


11 Munk Mélanges p. 509 theilt über handschriftl. Werke desselben aus der Bibliothek des Oratoire mit: 1) תיתילכתה הבסמ רמאמה; 2) eine Abhandlung über die erste Materie und ihr Verhältniß zur Form, verfaßt 1461; 3) einen Commentar über einen aristotelischen Theil von der Seele ירבדה חכ רואב beendet in Almazon, Marcheschwan = September 1478; 4) Commentar zu Aristoteles' Physik, beendet das. Marcheschwan = October 1480. 5) Den Commentar zum Moré schrieb Schem-Tob II. 1488: denn dieses Datum giebt er zu I. 74 an. 6) Seine תושרד (ed. Venedig 1547) vollendete er Nissan 1489, wie zum Schlusse angegeben ist. 7) de Rossi Codex 457 enthält: Schem Tob (b. Joseph) b. Schem Tob responsa ad eadem quaesita (Ali Chabilii ויליבח ןב ילע). Bei den Bibliographen Wolf und de Rossi sind die Schriften dieses Schem-Tob b. Joseph II. mit denen seines Großvaters gleichen Namens zusammengeworfen.


12 Vergl. Note 9.


13 האילפ (Ms. p. 30 a): םינשו ריעמ רחא אצמי םאו םהו ולוקל ובישקי אלו וב וגיעלי המכחה ירפס תעדל החפשממ ללכ קפס ילבו תעד לובלב ילב איה יכ םיעדוי םניא. Ueber Peliah und Kana und deren Abfassungszeit vergl. Note 8.


14 Ueber die beiden Ersteren vergl. die Bibliographen. Ueber Joseph Sarco, dessen Name אגרש geschrieben wird, vergl. Kayserling, Gesch. d. Juden in Portugal S. 70 fg. Gedruckt von ihm הרוטקה השעמ und handschr. תוליפתה לע שוריפ und Beantwortung kabbalistischer Anfragen an den Pseudomessias Ascher Lämlein. Patul. Bodl. Neub. 1663, 3-4.


15 Vergl. Note 8.


16 Was Gesner und Antonio über Paulus de Heredia berichten, theilen Wolf I., III., IV. s.v. und Rodriguez de Castro Bibliotheca I. p. 363 ff. mit. Sein Alter folgt daraus, daß er bereits als Greis seine Schrift Corona regia dem Papst Innocenz gewidmet hat (1484-1492). Die Schrift Hacanae filii Neumiae (l. Neuniae) ad cognitionem generationis Christi epistolae und epistola Secretorum (תודוסה רפס) scheint de Heredia vor der erwähnten verfaßt (oder übersetzt?) zu haben. Der Schluß dieser Schrift lautet: Ego Haccana sum unus ex illis qui credunt in eum (Christum), meque aquis sanctissimis ablui.


17 Vergl. Amador historia III. p. 34. Pacheco war Begründer des adligen Hauses de Villena und Giron der des hochadligen Hauses de la Puñonrostro.


18 Das. p. 131. Ein Satiriker dichtete auf ihn das beißende Couplet:


2 A ti, Diego Arias puto,

Que éres e fuiste Judio

E tienes gran Señorio,

Con tigo non disputo.


19 Amador, historia III. p. 133 und 134, Note. In die ser Note führt Amador eine Reihe jüdischer Rentmeister mit Namen auf, welche von den Herzögen von Bejar in den Jahren 1355-1462 verwendet wurden. Der Haupteinnehmer dieser Herzöge (El Recaudador principal o Almoxarife) war Mose Zarfati, welchem sämmtliche Steuerpächter Rechnung legen mußten. Ein Rabbi Abraham und Juçaf Castellano hatten in den Jahren 1460-62 die Güterverwaltung des Bisthums von Roa, und ein Don Mose aus Briviesca die Güterpacht des Klosters San-Salvado de Oña.


20 Der Zeitgenosse Alfonso de Spina klagt darüber mit vielem Seufzen: Plurimi enim Judaeorum, videntes negligentiam Christianorum in discendo artem medicinae, viribus laborant super pericia dictae artis. Domini temporales, immo – quod flendum est – et praelati ecclesiastici eis adhaerent, ut vix inveniatur aliquis eorum, qui non habeat penes se diabolum Judaeum medicum, et ideo in regno isto obtinent privilegia (Judaei) etiam in domo regia, et unus magnus miles vel pluries, qui eorum est advocatus et defensor, quocunque accusante eos (Fortalitium fidei III. crudelitas 13). In Catalonien, wo der Judenhaß so groß war, daß sich auch der Aermste nicht mit reichen getauften Juden verschwägern mochte (bei Amador III. 88 N. Que no se ha hallado en toda ella (Cataluña) algun Catalan o Catalana que aunque mas pobre ... se haya sujetado jamás á casarse con persona manchada de Judios), also in Catalonien wurden doch jüdische Mediciner gesucht. Die Stadt Reus in Catalonien schloß einen Vertrag mit einem jüdischen Arzt, Ben-Jehuda aus Saragossa, daß er für einen Jahresgehalt die armen Kranken unentgeltlich behandeln sollte. Ebenso eine andere Stadt mit einem Arzte Don Benjamin (das. 229 N.).


21 Derselbe fährt fort (das. crudelitas 15), nachdem er die 14 Beschränkungen der Juden unter Juan II. aufgezählt: Nihil vel modicum Praelati et principes de omnibus supradictis observant.


22 Amador, das. III. 171 fg., vergl. Note 10.


23 Das. 228.


24 Das. 134.


25 Wolf hat unwiderleglich nachgewiesen, daß Alfonso de Espina keineswegs ein getaufter Jude, sondern ein geborener in der jüdischen Literatur horrend unwissender Christ war (Bibliotheca Judaica II. p. 112). Nichtsdestoweniger machen ihn jüdische und christliche unkritische Bibliographen noch immer zum gelehrten Rabbiner, in neuester Zeit auch Lafuente historia general de España IX. p. 96. Wolfs unwiderlegliche Beweisführung ist, daß de Espina von den Täuflingen Alphonsus und de Santa Fé sagt: Testis de eorum genere singularis. Folglich stammte er nicht aus dem jüdischen Geschlecht.


26 Ferreras a.a.O. § 267.


27 Amador das. p. 164.


28 Fortalitium fidei, crudelitas XV: Quia ex nimia conversatione eorum (Judaeorum) et frequenti munerum acceptatione jam venerunt in profundum malorum ... cum multi christiani facti sunt Judaei, ut vel melius dicam, erant occulti Judaei et facti sunt publici. Alii caeremonias Judaicas impune observant. Vergl. dazu Salomob. Simon Duran Respp. Nr. 90 (ש"בשר verfaßt vor 1467): רשא םיסונאה הלא לע יתלאשו חספב היהת ?יא םתלכי יפכ תוצמה םייקל םיצפחו םימשל םבל םא וליפא יכ ... תרכ ידיל ואובי אלש םתליכא ןינעב םתגהנה םתא ןידע רומאל םירצינה םולילעי ול המודו זרוא זלכאי םיתבד לכב יכ חספב זרוא לוכאל םכיתובא תוקחב םיגהנתמ זרוא םילשבמ.


29 Da vom Jahre 1481 bis 1498 mehrere Tausend auf dem Scheiterhaufen verbrannt und mehr als 20000 Reuige zum Tragen des Armensünderkittels (Sambenito) verurtheilt wurden, außer denen, welche sich dem Feuertode durch die Flucht entzogen hatten und denen, welche gestorben waren und deren Gebeine verbrannt wurden, so muß die Zahl der heimlich judaisirenden Marranen unglaublich groß gewesen sein (vergl. Note 11).

30 Lafuente IX. 227.


31 Amador das. III. 142 f.


32 Amador das. III. 147 f.


33 Petition bei Lindo a.a.O. p. 239.


34 Lafuente, historia general de Espana IX. p. 38.


35 Elia Kapsali Chronik p. 47. Die Abstammung Ferdinands des Kathol. von einer Jüdin wird daselbst folgendermaßen erzählt. Der Admiral von Castilien (Don Federico Henriquez) hatte ein schönes jüdisches Weib Namens Paloma verführt und mit ihr einen Sohn erzeugt. Diesen Sohn, der von ausnehmender Schönheit gewesen sein soll, erklärte er für legitim und übertrug ihm die Würde des Almirazago. Eine Tochter dieses von einer Jüdin geborenen Sohnes, Johanna Henriquez, heirathete der König Johann II. von Aragonien, und aus dieser Ehe stammte Ferdinand der Katholische. Diese Thatsache vernahm Kapsali aus dem Munde eines gewissen Jakob, von den aus Spanien Vertriebenen, welcher selbst bei der Zusammenkunft Ferdinands und Isabellas Botendienst verrichtet hat.


36 Alonso de Palenzia, bei Amador III, 279 f.


37 Die Hauptquelle dafür ist Colmenares in historia de Segovia c. 33 § 2 und kurzgefaßt in der Synopsis episcoporum Segoviensium das. p. 650: Johannes Arias de Avila episcopus Segoviensis Judaeos (sedecim) ad Septem-publicam (Sepulveda) Christi salvatoris odio infantem cruci affigentes, flammis aliisque supliciis tradidit anno 1468. Zacuto differirt von Colmenares im Datum und in der Zahl der Verurtheilten. Er berichtet (Jochasin ed. Filipowski p. 226 b): םויבו הניבלופישמ םידוהי 'ח םשה תא ושדק א"לר תנש ןויסל ז"כ תבש םינש רקש תודע תמחמ םהיפכב סמח אל לע (הדיבלופישמ l.) ולתנ 'דהו ופרשנ 'בו וקנחנ, d.h. im Jahre 1471. Joseph Ibn Zadik, welcher sein epitomatisches Werk רוציק קידצ רכז im Jahre 1487 vollendet hat, giebt dieselbe Zahl und dasselbe Datum (Neubauer Anecdota Oxoniensia p. 99): תא ושדק א"לר םיפלא 'ה 'ש ןויסל 'זכ 'ז םוי רשא טפושה רמאמב םתא וגרהיו אדיבלופשמ םידוהי 'ח םשה 'וכו םפכב סמח אל לע ךלמל. Dieser Joseph stand damals im Mannesalter und hatte sicherlich eine gute Erinnerung von dieser erlogenen Blutanklage. Seine Erzählung ist also glaubwürdiger, als die Angabe bei Colmenares. Zacuto, der im Jahre 1471 noch jung war, hat das Factum von Joseph de Arevalo entlehnt.


38 Siehe vorhergehende Note.


39 Nach der von Amador verglichenen Quelle III, p. 153 fg.


40 Das. 159.


41 Hefele, der Biograph des Großinquisitors Ximenes de Cisneros, hat dieses Factum mißverstanden, als wenn die Juden Gibraltar für einen Haufen von Gold hätten kaufen wollen. – Er folgert daraus einen falschen Schluß von der gewaltigen Geldmacht der spanischen Juden. Aber nicht die Juden, sondern die Neuchristen wollten eine Zufluchtsstätte erwerben. Auch Amador hat diesen Irrthum begangen, N. III. 167.


42 Colmenares, Historia de Segovia 33 § 10.



Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig [1890], Band 8, S. 238.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien:

Buchempfehlung

Wette, Adelheid

Hänsel und Gretel. Märchenspiel in drei Bildern

Hänsel und Gretel. Märchenspiel in drei Bildern

1858 in Siegburg geboren, schreibt Adelheit Wette 1890 zum Vergnügen das Märchenspiel »Hänsel und Gretel«. Daraus entsteht die Idee, ihr Bruder, der Komponist Engelbert Humperdinck, könne einige Textstellen zu einem Singspiel für Wettes Töchter vertonen. Stattdessen entsteht eine ganze Oper, die am 23. Dezember 1893 am Weimarer Hoftheater uraufgeführt wird.

40 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon